Memento -  Geert Franzenburg

Memento (eBook)

Woran Münsteraner Protestanten (sich) erinnerten
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
177 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7392-1741-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
0,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Erinnerungslernen bietet die Möglichkeit, individuelle und kollektive Erinnerungen als Teil von Erinnerungskulturen wahrzunehmen und als subjektiv wahr wertzuschätzen. Auf diese Weise ermöglichen Erinnerungen ein vertieftes Verständnis von Zusammenhängen sowohl im Blick auf die eigene Geschichtlichkeit als auch auf gegenwärtige Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen. Ausgehend von Dokumenten zu den Anfängen evangelischen Lebens nach der jahrhundertelangen Gegenreformation und zur Schulsituation unter preußischer Tra­dit­ion werden die Auswirkungen der preußischen Gesinnung in einer Kriegspredigt von 1914 aufgezeigt. An Synodal- und Presbyteriumsprotokollen der 1920er Jahre wird deutlich, wie schwer es protestantischen nationalkonservativ geprägten Theologen nach dem vermeintlichen 'Zusammenbruch' und 'Verrat' von 1918 fiel, sich auf demokratische Strukturen einzulassen. Diese weit verbreitete Haltung begünstigte den Aufstieg der NSDAP, deren Einfluss auf den Religions-unterricht ebenso behandelt wird wie die Frage nach kirchlichem Unterricht in Kriegs- und Nachkriegszeit und die Migrationsthematik.

Geert Franzenburg (geb. 1962) ist seit einigen Jahren als Theologe, Historiker und Pädagoge mit Erinnerungskulturen und Erinnerungslernen im regionalen und internationalen Kontext befasst.

Kapitel II


 Wie man lernte – Erinnerungen an die preußische Schulzeit



Vorbemerkungen:

Wie oben erwähnt, wurde zusammen mit der Militär- und Zivilgemeinde auch eine protestantische Schule gegründet. Dafür wurde 1890 auch ein Hilfsprediger eingesetzt, dem die Erteilung des evangelischen Religionsunterrichts am städtischen Realgymnasium übertragen wurde, als die Zahl der Gemeindeglieder in den 72 Jahren seit 1818 von 554 auf 5954 mehr als verzehnfacht hatte und am Jahrhundertwechsel die 10.000 überstieg. Daher wurde auch eine zweite Kirche beschlossen und 1898 in Angriff genommen. Die Einweihung fand am 31. Oktober 1900 statt. Neben Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat Nebe nahmen daran auch die Spitzen der Behörden teil.

Im Herbst 1905 wurde der Bau einer neuen (dritten) Kleinkinderschule begonnen. Das Bedürfnis danach war in den letzten Jahren immer stärker hervorgetreten; die Kinder aus dem Norden besuchen die Kleinkinderschule im Gemeindehaus, die aus dem Osten diejenige in der Sternstraße, es war daher nötig, dass auch für die Kinder im Süden gesorgt wurde, die Gemeinde erwarb vom Studienfonds ein Grundstück an der Zumbrockstraße, dessen Lage und Größe geeignet schien. Auf demselben wurde ein 1 ½-stöckiges Gebäude ausgeführt, das im Erdgeschoss zwei Säle enthielt, die für die Kleinkinderschule bestimmt sind, und im Dachgeschoss eine Wohnung für die Kleinkinderschullehrerin und eine Wohnung für eine Familie, welche die Reinigung und Heizung j. m. besorgt. Zu Ostern 1907 wurde die Schule ihrer Bestimmung übergeben, als erste Kleinkinderschullehrerin wurde Frl. Pieper angestellt für die Unterhaltung des Gebäudes sorgt die Kirchengemeinde, die Kosten für die Unterhaltung der Kleinkinderschule trägt der evangelische Frauenverein. Von Ostern 1908 an wurde darum auch die zweite Bibelstunde, die bis dahin in einem Klassenzimmer der Johannisschule stattgefunden hatte, in der Kleinkinderschule abgehalten.1

Dafür wird die fiktive Form einer „Zeitreise“ gewählt, bei der Peter in die Vergangenheit reist, indem er auf dem Dachboden in eine geheimnisvolle Uniform schlüpft: Auf diese Weise wird eine weitere Variante von Erinnerungslernen präsentiert: Während beim unmittelbaren Umgang mit historischen Quellen Anlass, historischer Kontext und Wirkungsgeschichte wichtig sind, laden die folgenden Texte ein, historisches Material nach dem präsentierten Muster fiktiv umzugestalten.



1. Die Preußen kommen

In Anknüpfung an das vorangehende Kapitel werden im Folgenden die Chronikinformationen in eine fiktive Erzählung umgeformt. Auf diese Weise soll eine zielgruppenorientierte kreative Vermittlung erreicht werden, die zu weiterer Kreativität (Antworten an Peter, neue Personen....) anregt. Außerdem wird auf diese Weise dazu motiviert, mit bzw. wie Peter sich auf Entdeckungreise in die Vergangenheit zu begeben, z.B. in Archiven, Museen und Bibliotheken vor Ort.

Die Nachmittagssonne schien durch das Fenster und so konnte er sehen, dass die Figur, die ihm gestern Abend Angst gemacht hatte, eine alte Schaufensterpuppe war, die eine Uniform trug. Neugierig zog Peter die Uniform an. Sie war ihm etwas groß, aber sah großartig aus. Auf einmal begann sich alles um ihn zu drehen. Peter wurde einen Augenblick ohnmächtig.

Als er wieder erwachte, traute er seinen Augen nicht. Statt der gewohnten Kleidung trug er eine Art Uniform, die ihm wie angegossen passte. Der Dachboden war leer geräumt. Von draußen klang Marschmusik an seine Ohren. so ging er die Treppe hinunter. Von seinen Eltern war niemand zu sehen. Die Wohnungseinrichtung kam ihm seltsam altmodisch vor. Wo waren der Fernseher, wo die Stereoanlage, und der Computer! Merkwürdig! Aber da sah er durchs Fenster Soldaten marschieren. Sie alle trugen genau solche Uniformen wie diejenige von oben auf dem Dachboden. Er öffnete das Fenster und beugte sich hinaus. Ein majestätischer Offizier ritt voraus. Am Fenster unter sich hörte er jemand flüstern: „Das ist der General Blücher. Ein schmucker Kerl.“ „Aber er soll etwas gegen die Münsteraner haben.”, meinte eine andere Stimme.2„Wohin marschieren die denn?“, fragte noch eine andere Stimme. „Zur alten Kirche”, wurde geantwortet. „Ist das nicht das frühere Minoritenkloster?”, fragte jemand zurück. „Ja, aber das ist ja jetzt Garnisonskirche.“ „Ach, ja.” – Nachdem die Soldaten vorüber gezogen waren, lief Peter hinaus.


1.1. Als preußischer Lehrer in Münster

Im Folgenden geht es um die Situation von Lehrern zu Beginn des 19. Jh. in Münster.

Dabei werden Schulakten dieser Zeit aus dem Landesarchiv ausgewertet und angesichts ihrer Sperrigkeit in dialogische Form gebracht. Auf diese Weise regen sie nicht nur zum Vergleich mit der Gegenwart an, sondern auch zur Inszenierung eins solchen Dialogs (und z.B. eines eigenen Vergleichs-Gesprächs aus 2015).

Er erkannte sein Stadt kaum wieder. So lief er über den Prinzipalmarkt am Rathaus vorbei in Richtung Apostelkirche, die damals alte Kirche hieß „Gehst du auch zur Normalschule?“, hörte er ein Kind ein anderes fragen. „Natürlich“, war die Antwort. „Mein Papa hat mir erzählt, dass es die Schule schon seit 1783 gibt und dass hier auch Lehrer für die Elementarschule ausgebildet werden, aber erst seit kurzem für Lehrerinnen. Bei uns sind immer wieder Prüfungen, z. B. Anstellungsprüfungen für die zukünftigen katholischen Elementarschullehrer. Leider kann der Generalvikar nicht immer teilnehmen. Die Prüfungen sind insgesamt erfolgreich.“ „Ja, bestätigt das andere Kind, „in der Prüfungskommission sind berühmte Leute, die Pfarrer Overberg und Natorp zum Beispiel. Und ein paar Namen von Lehrern, die bestanden haben, kenne ich auch: Gehilfslehrer Ferdinand Schmidt aus Herzfeld, der Nebenschullehrer Gerhard Heinrich Schulte aus Düystendieck bei Mettingen und Schulkandidat Johann Gerhard Rave aus Erle, Schullehrer Josef Cremer aus Wülle und Nebenschullehrer Bernhard Althoff aus Horst bei Werne.“ „Toll, was du alles weißt“, bewundert ihn sein Freund, man könnte meinen, du hättest die Prüfung zum Lehrer bestanden. „Ich weiß das von meinem Vater“, klärt ihn der Angesprochene auf. „Er musste viele Vorarbeiten vorlegen, außerdem ein sittliches Führungszeugnis, das von Pfarrer und Bürgermeister unter schrieben wurde, und musste sich einer schriftlichen und mündlichen Prüfung im Lesen, Schreiben, Rechnen, in Religion, Sittenlehre, Naturlehre, Land- und Staatswirtschaft, Erdkunde, Geschichte, Gesangskunst und Orgelspiel unterziehen. Es wurde genau darauf geachtet, dass man älter als 17 ist. Er musste er sogar den Taufschein mitbringen und als Beweis vorzeigen.” „Schade, dass noch keine Lehrerinnen die Möglichkeit zur Anstellung in Mädchenschulen haben“, meldet sich jetzt wieder der andere. „Es muss ja auch so vieles geklärt werden“, fährt er fort, „soll es ein lebenslanger oder befristeter Beruf sein, selbständige oder Hilfslehrerinnenarbeit? Sollen sie durch Lehrer oder Vorsteher ausgebildet werden? In welchem Alter, mit welcher Vorbildung und Qualifikation was muss aufgrund bisheriger Erfahrungen im Amt modifiziert werden, welche Art von Schulen sind erforderlich? Wie lange soll die Ausbildung dauern? Sollen praktische Übungen eingebunden sein, wie sieht die Prüfung und spätere Anstellung aus?“



1.2. Der Kaiserbesuch

Im Folgenden werden weitere Abschnitte aus der Gemeindechronik ausgewertet, die sich auf das Jahr 1907 beziehen, das durch den Bau des neuen Krankenhauses und den Kaiserbesuch geprägt war. Vor allem letzteres Ereignis motiviert dazu, sich über die Stimmungslage im Kaiserreichs näher zu informieren und diese mit dem heutigen Verhältnis zu Staatsoberhäuptern oder Idolen zu vergleichen.

Dann kehrte er wieder nach Hause zurück. Irgendwie müsste er doch wieder zurückkommen können. In der Ecke lag die alte Uniform. Peter zog sie sich noch einmal an. Wieder begann sich alles zu drehen. Diesmal wollte er alles mitbekommen, doch als er erwachte, schien alles unverändert.  Als er durchs Fenster sieht, erblickt er in der Ferne den Turm einer neuen Kirche an der Eisenbahnstraße. Als er sich noch wundert, hört er, wie Spaziergänger sich unter dem Fenster unterhalten: „Gut, dass wir jetzt endlich das neue Krankenhaus haben. Ich kann mich noch gut an die Grundsteinlegung durch Prinzessin Adolf erinnern, die in Vertretung der erkrankten Kaiserin kam. Ja, endlich bekommen wir wirklich professionelle Hilfe, vor allem bei Lungenkrankheiten. Ja, und dann dieses Ereignis! Wann hat man schon mal den Kaiser zu Besuch?!“ Dann blicken beide nach oben. Vorwurfsvoll schauen sie Peter an: „Musst du nicht längst in der Schule sein?“ Peter schließt schnell das Fenster und rennt aus dem Haus. Auf der Erde liegt eine weggeworfene Zeitung. Überrascht liest er, was dort über den Kaiserbesuch geschrieben steht: Der Kaiser war hier, und er hat es verpasst. So ein Pech aber auch! Dann überlegt er: In welche Schule soll er denn gehen? Zunächst geht er ziellos durch die Stadt. Sie ist moderner geworden. Dann steht er vor dem neuen Krankenhaus. Es ist sehr beeindruckend. Peter sieht sich um, betrachtet es von allen Seiten, besucht die Kapelle. Dann hört er die Glocken der alten Kirche. Er läuft hin, und kommt gerade noch rechtzeitig zu einer Konfirmationsfeier. Die Kirche ist beeindruckend. Die Predigt hält Pfarrer Burgbacher, die Liturgie sein Kollege Möller. Dann läuft er weiter durch die Stadt. Von ferne sieht er ein Gebäude, das wie eine Schule wirkt. Als er näher kommt, sieht er tatsächlich eine Schulklasse, die sich zum Foto...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
ISBN-10 3-7392-1741-3 / 3739217413
ISBN-13 978-3-7392-1741-3 / 9783739217413
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 447 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Eine Einführung

von Hans Karl Wytrzens; Elisabeth Schauppenlehner-Kloyber …

eBook Download (2024)
Facultas (Verlag)
19,99