Theorien über Judenhass - eine Denkgeschichte

Kommentierte Quellenedition (1781-1931)

Birgit Erdle, Werner Konitzer (Herausgeber)

Buch | Hardcover
362 Seiten
2015
Campus (Verlag)
978-3-593-50470-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Theorien über Judenhass - eine Denkgeschichte -
49,00 inkl. MwSt
Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts
Wie hat man - vom späten 18. bis zum frühen 20.Jahrhundert -über den Antisemitismus nachgedacht? Diese Anthologie dokumentiert signifikante, oft vergessene Quellentexte, die sich mit dem Phänomen des Judenhasses auseinandersetzen und es theoretischzu erklären versuchen. Sie zeigt die Erkenntnisarbeit, die in den zumeist von jüdischen Autoren verfassten Texten steckt und macht die Anstrengung deutlich, die darin liegt, dass diese Reflektionen in den nichtjüdischen Zeitgenossen oft kein intellektuelles Gegenüber fanden. Jeder der abgedruckten Quellentexte wird von einem kommentierenden Artikel begleitet.

Birgit Erdle ist Walter Benjamin Visiting Professor an der Hebrew University in Jerusalem. Apl. Prof. Dr. Werner Konitzer ist stellvertretender Direktor des Fritz Bauer Instituts.

Inhalt
Einleitung9
Christian Wilhelm Dohm
Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781/1783)25
Kommentar zu Christian Wilhelm Dohm35
Stephan Braese
Saul Ascher
Eisenmenger der Zweite (1794)47
Die Germanomanie (1815)67
Die Wartburgfeier (1818)72
Kommentar zu Saul Ascher74
Bettina Stangneth
David Friedländer
Beitrag zur Geschichte der Verfolgung der Juden
im 19ten Jahrhundert durch Schriftsteller (1820)85
Kommentar zu David Friedländer97
Uta Lohmann
Heinrich Heine
Donna Clara (1823)111
An Edom! (1824)114
Shakespeares Mädchen und Frauen (1838)116
Der Rabbi von Bacherach (1840)119
Artikel zur Damaskus-Affäre (1840)123
Atta Troll (1841/1843)132
Prinzessin Sabbat (1851)134
Geständnisse (1854)139
Kommentar zu Heinrich Heine 140
Willi Goetschel
Karl Marx
Zur Judenfrage (1843/1845)153
Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik (1845)179
Kommentar zu Karl Marx187
Shlomo Avineri
Hermann Cohen
Die Nächstenliebe im Talmud (1888)201
Kommentar zu Hermann Cohen 215
Astrid Deuber-Mankowsky
Constantin Brunner
Die Antisemitenfrage (1918)231
Kommentar zu Constantin Brunner247
Irene Aue-Ben-David
Max Wiener
Deutscher Geist und wissenschaftlicher Antisemitismus (1922)257
Kommentar zu Max Wiener262
Daniel Weidner
Oskar Baum
Die jüdische Gefahr (1923)271
Kommentar zu Oskar Baum287
Micha Brumlik
Arnold Zweig
Caliban oder Politik und Leidenschaft (1927)297
Kommentar zu Arnold Zweig316
Alfred Bodenheimer
Felix Weltsch
Antisemitismus als Völkerhysterie (1931)329
Kommentar zu Felix Weltsch 346
Vivian Liska, David Dessin
Editorische Notiz355
Autorinnen und Autoren der Kommentartexte356

»Der Band enthält auch für die heutige Forschung noch wichtige Anregungen.«, Humanistischer Pressedienst, 02.12.2015»Die analytische Tiefenschärfe aller Theorieentwürfe [ist] beeindruckend.« Thomas Gräfe, Buchinformationen.de, 30.01.2017»Alle Quellenauszüge sind knapp und prägnant von kundigen Autorinnen und Autoren eingeführt und interpretiert, und so wird [...] 'in Umrissen eine Geschichte des Antisemitismus als Forschungsgegenstand' erkennbar.« Ulrich Wyrwa, Das Historisch-Politische Buch»Es handelt sich bei der vorliegenden Zusammenstellung von ausgewählten Texten früher Versuche einer Erklärung des Judenhasses um eine insgesamt gelungene und sehr anregende Publikation, die man als Seminarlesebuch oder zum Selbststudium empfehlen kann.«, IFB, 14.12.2015

»Der Band enthält auch für die heutige Forschung noch wichtige Anregungen.«, Humanistischer Pressedienst, 02.12.2015

»Die analytische Tiefenschärfe aller Theorieentwürfe [ist] beeindruckend.« Thomas Gräfe, Buchinformationen.de, 30.01.2017

»Alle Quellenauszüge sind knapp und prägnant von kundigen Autorinnen und Autoren eingeführt und interpretiert, und so wird […] ›in Umrissen eine Geschichte des Antisemitismus als Forschungsgegenstand‹ erkennbar.« Ulrich Wyrwa, Das Historisch-Politische Buch

»Es handelt sich bei der vorliegenden Zusammenstellung von ausgewählten Texten früher Versuche einer Erklärung des Judenhasses um eine insgesamt gelungene und sehr anregende Publikation, die man als Seminarlesebuch oder zum Selbststudium empfehlen kann.«, IFB, 14.12.2015

Einleitung
"Ich kann es nicht; versuche ich es, gleich sinkt mir die Hand", notiert Franz Kafka im Juni des Jahres 1922 in einem Brief an Robert Klopstock. Die gestische Beschreibung Kafkas zeugt vom Scheitern mehrerer Anläufe, eine Besprechung zu einem Buch zu verfassen, das kurz zuvor im Druck erschienen war: Secessio Judaica. Philosophische Grundlegung der historischen Situation des Judentums und der antisemitischen Bewegung von Hans Blüher. Ende Juli kommt Kafka auf Blühers Buch zurück, in der Passage eines Briefs an Max Brod, in der er den ebenfalls 1922 veröffentlichten Band Deutsche Dichtung in neuer Zeit von Friedrich von der Leyen kommentiert:
"Zu der Literaturgeschichte: [...] sie scheint eine Begleitmusik zur Secessio Judaica und es ist erstaunlich, wie innerhalb einer Minute einem allerdings sehr günstig voreingenommenen Leser mit Hilfe des Buches die Dinge schön sich ordnen, etwa die Menge halb bekannter, gewiß ehrlicher, dichterischer Männer, die in einem Kapitel 'Unser Land' auftauchen, nach Landschaften geordnet, deutsches Gut, jedem jüdischen Zugriff unzugänglich, und wenn Wassermann Tag für Tag um 4 Uhr morgens aufsteht und sein Leben lang die Nürnberger Gegend von einem Ende zum andern durchpflügt, sie wird ihm nicht antworten, schöne Zuflüsterungen aus der Luft wird er für ihre Antwort nehmen müssen."
Versucht Kafka dem Antisemitismus im Feld der Literaturgeschichte ironisch zu begegnen, mit einer subtilen Deutung der Zuschreibungen "deutsch" und "jüdisch", so muss eine solche Umgangsweise in Bezug auf Blühers Secessio Judaica als sinnlos erscheinen. Das hält Kafka in einer abgebrochenen Tagebuchnotiz vom Juni 1922 fest: "[M]erkwürdig leicht, bei jeder Bemerkung fast", komme man "in den Verdacht [...], man wolle die Gedanken dieses Buches ironisch abtun", selbst dann, "wenn man wie ich angesichts dieses Buches von nichts weiter entfernt ist als von Ironie." Wie kann man ein Antisemit sein, ohne ein Judenfeind zu sein? Blüher, so schreibt Kafka, "nennt sich einen Antisemiten ohne Haß, sine ira et studio, und er ist es wirklich, aber er erweckt sehr leicht, fast bei jeder Bemerkung, den Verdacht, daß er ein Judenfeind ist, sei es in glücklichem Haß, sei es in unglücklicher Liebe."
Diese neue (deutsche) Form eines philosophischen Antisemitismus, der die erwähnte Literaturgeschichte, wie Kafka vermutet, die "Begleitmusik" liefert, ist gegenüber einem ethnisch argumentierenden Nationalismus, wie er Kafka in Prag begegnete, etwas grundsätzlich Anderes. Franz Kafka nennt Hans Blühers Buch einen "Anruf", der nicht der "Widerlegung" bedarf, sondern eine "Antwort" erfordert - eine Erwiderung, die nicht als ein "in jedem Fall entscheidende[r] Wettkampf" zu denken wäre, etwa als "Kampf zwischen Goliath und David", sondern als "seitliche[n] Beobachtung des Goliath", "beiläufige[n] Feststellung der Kräfteverhältnisse", "Revidierung der eigenen Bestände". Oskar Baum übernimmt es schließlich, eine öffentliche Antwort zu geben, in einem Vortrag und in seinem Artikel "Die jüdische Gefahr", der 1923 in der von Martin Buber herausgegebenen Monatsschrift Der Jude veröffentlicht wurde und in der hier vorgelegten Quellenedition wiederabgedruckt ist.
Die von Kafka bezeugte Müdigkeit mag auch der Erkenntnis geschuldet sein, dass "Widerlegung", also eine Argumentation, die die Tatsachen richtigstellt, angesichts dieser Form der Judenfeindschaft ins Leere greift. Zu einer Antwort genötigt - in einer Situation der Bedrohung, oft auch einer der Isolation, und fast immer gegen die Zeitströmung herrschenden Denkens gerichtet - sahen sich nahezu alle in diesem Band versammelten Autoren, und nur selten teilten die nichtjüdischen deutschen Intellektuellen die Last solcher Nötigung. Die vorliegende Edition will die Erkenntnisarbeit, die in den zumeist von jüdischen Autoren verfassten Texten steckt, zeigen und analysieren, und sie will zugleich die Anstrengung deutlich machen, die darin liegt, dass diese Erkenntnisarb

Erscheint lt. Verlag 12.11.2015
Reihe/Serie Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts ; 26
Co-Autor Irene Aue-Ben-David, Shlomo Avineri, Alfred Bodenheimer, Stephan Braese, Micha Brumlik, David Dessin, Astrid Deuber-Mankowsky, Willi Goetschel, Vivian Liska, Uta Lohmann, Bettina Stangneth, Daniel Weidner
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 218 x 150 mm
Gewicht 559 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeines / Lexika
Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte Antijuadismus • Antisemitismus • Antisemitismustheorie • Edition • Judenhass • Quellen • Theorie
ISBN-10 3-593-50470-7 / 3593504707
ISBN-13 978-3-593-50470-4 / 9783593504704
Zustand Neuware
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