Realityfernsehen und Fremdschämen: Eine fMRT-Studie
Bachelor + Master Publishing (Verlag)
978-3-95820-262-7 (ISBN)
Textprobe:
Kapitel 1.6, Mögliche Entstehungsprozesse von Fremdschämen - ein Ordnungsversuch:
Relativ unbeantwortet lassen die Forschungsbestrebungen der letzten Jahre allerdings die Frage, welche Prozesse bei der Entstehung von Fremdscham eine Rolle spielen. Daher wird im Folgenden ein theoretischer Versuch unternommen, aus einer Auswahl vorhandener Erkenntnisse zum Phänomen Fremdschämen vier verschiedene Prozesse herauszuarbeiten, die möglicherweise bei der Entstehung von Fremdscham eine Rolle spielen könnten. Dies soll dazu dienen, infolge dessen theoretische Überlegungen in Bezug auf an der neuronalen Antwort von Fremdschämen möglicherweise beteiligte Areale zu schließen.
Bei der Entstehung von Fremdscham ist möglicherweise ein ideosynkratischer Bewertungsprozess beteiligt. Damit ist gemeint, dass das beobachtete normverletzende Verhalten in Bezug zu eigenen moralischen und normativen Grundsätzen gesetzt wird und ein Vergleichsprozess zwischen verschiedenen mentalen Repräsentationen stattfindet. Resultiert der Vergleichprozess in einer starken Abweichung des beobachteten Verhaltens von den eigenen Moralvorstellungen, wird Fremdscham ausgelöst. Fremdscham könnte in diesem Sinne ein salienter affektiver Indikator für die soziale Relevanz der wahrgenommenen Unterschiedlichkeit der mentalen Repräsentationen sein, die in den Vergleichsprozess mit einbezogen werden. Für die Existenz eines solchen oder ähnlichen Bewertungsprozesses sprechen u.a. die Ergebnisse von Marcus et al. (1996). Sie zeigen, dass Fremdschämen ein deutlich subjektiver Prozess ist und das Ausmaß der empfundenen Fremdscham eher vom Beobachter abhängig ist, als von der Charakteristik der beobachteten Situation. Auch die Erkenntnis von Krach et al. (2011), dass nur der Beobachter den normverletzenden Charakter der beobachteten Situation verstehen muss, damit Fremdscham entsteht, spricht für die Beteiligung eines eher subjektiv geprägten Bewertungsprozess. Epley, Keysar, Van Boven und Gilovich (2004) zeigten, dass auch der Prozess der Perspektivübernahme zu weiten Teilen einer egozentristischen Verzerrung unterliegt. Die eigene Perspektive wird dabei als Anker genutzt und schrittweise in Richtung der vermuteten des Gegenübers adjustiert. Diese Adjustierung ende, sobald eine einigermaßen plausible Antwort generiert wurde. In diesem Sinne wäre vorstellbar, dass im Fall des Fremdschämens die schrittweise Adjustierung durch das Erleben der aversiven Emotion Fremdscham vorzeitig abgebrochen werden könnte, was die starken Beobachtereffekte erklären würde.
Letztere Ergebnisse geben außerdem einen Hinweis darauf, dass bei der Entstehung von Fremdscham möglicherweise Prozesse der kognitiven Perspektivübernahme beteiligt sind. Dafür spricht einerseits, dass im Speziellen die Vorstellung, wie man selber an Stelle der in die peinliche Situation involvierten Person denken und fühlen würde (imagine self-Perspektive), das Erleben von Fremdscham nach sich zieht (Stocks et al., 2011). Andererseits zeigte Krach et al. (2011) positive Korrelationen zwischen kognitiver Subskala des verwendeten Empathiemaßes und dem Fremdscham-Erleben sowie der Aktivität im anterioren cingulären Cortex und in der linken anterioren Insula. Auf neuronaler Ebene basieren solche kognitiven Mentalisierungsfähigkeiten auf der intakten Funktionsweise eines neuronalen Netzwerks bestehend aus medialem präfrontalen Cortex (mPFC), den superioren temporalen Sulci (STS) und den temporalen Polen (Shamay-Tsoory, 2009).
Möglicherweise sind bei der Entstehung von Fremdscham aber auch emotionale empathische Prozesse beteiligt. Vorstellbar wäre, dass wenn die beobachtete Person selber Verlegenheit zeigt, Prozesse emotionaler Ansteckung aktiviert werden und dieselbe Emotion beim Beobachter ausgelöst wird - in diesem Fall stellvertretende Verlegenheit. Dass Fremdschämen irgendetwas mit emotionaler Empathie zu tun haben muss, zeigen die von Krach et al. (2011) nachgewiese
Erscheint lt. Verlag | 12.1.2015 |
---|---|
Reihe/Serie | Bachelorarbeit |
Sprache | deutsch |
Maße | 190 x 270 mm |
Gewicht | 180 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeines / Lexika |
Schlagworte | Empathie • Persönlichkeitspsychologie • Reality-TV |
ISBN-10 | 3-95820-262-4 / 3958202624 |
ISBN-13 | 978-3-95820-262-7 / 9783958202627 |
Zustand | Neuware |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
aus dem Bereich