Von Höllengefährten zu schwimmenden Palästen

Die Passagierschifffahrt auf dem Atlantik (1840-1930)

(Autor)

Buch | Softcover
414 Seiten
2015
Campus (Verlag)
978-3-593-50305-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Von Höllengefährten zu schwimmenden Palästen - Dagmar Bellmann
52,00 inkl. MwSt
"So hat der Mensch das Meer unterworfen, dass es Behaglichkeit und Eleganz auf sich dulden muss." Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts schien eine atlantische Überfahrt überall in Westeuropa der Inbegriff von Lebensgefahr und Schrecken für die Passagiere zu sein. Bis zur heutigen Wahrnehmung "vergnüglicher" Kreuzfahrten war es ein langer Weg. Dieses Buch beschäftigt sich in eindrücklicher Weise mit den Mechanismen, aber auch den Grenzen dieses Wahrnehmungswandels von Seereisen im Zuge der Einführung der
Dampfschifffahrt. Einbezogen werden dabei zeitgenössische Presseartikel, Werbebroschüren, Reiseberichte, fiktionale Literatur, Zeitzeugenaussagen und Archivmaterialien.
»So hat der Mensch das Meer unterworfen, dass es Behaglichkeit und Eleganz auf sich dulden muss.« Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts schien eine atlantische Überfahrt überall in Westeuropa der Inbegriff von Lebensgefahr und Schrecken für die Passagiere zu sein. Bis zur heutigen Wahrnehmung »vergnüglicher« Kreuzfahrten war es ein langer Weg. Dieses Buch beschäftigt sich in eindrücklicher Weise mit den Mechanismen, aber auch den Grenzen dieses Wahrnehmungswandels von Seereisen im Zuge der Einführung derDampfschifffahrt. Einbezogen werden dabei zeitgenössische Presseartikel, Werbebroschüren, Reiseberichte, fiktionale Literatur, Zeitzeugenaussagen und Archivmaterialien.

Dagmar Bellmann studierte Geschichte und Germanistik an der TU Darmstadt.

Inhalt
1.Einleitung9
1.1Konzeption und Aufbau11
1.2Forschungsstand und Quellenlage19
2.Die Passagierschifffahrt auf dem Atlantik28
2.1Ein Landwirt auf Erkundungsreise (Persia 1859)30
2.2Vorbild Segelschiffe: Die ersten Dampfschiffe auf dem Atlantik32
2.3Vergnügungsreisen auf See: die 1880er Jahre37
2.4Schifffahrt als nationale Passion: 1890 bis 191443
2.5Seereisen nach dem Ersten Weltkrieg46
2.6Die Reedereien: Angleichung statt Standardisierung50
2.7Exkurs: Kleines Soziogramm der Reisenden53
3.Konsum und Tourismus69
3.1Der protegierte Maschinenvolontär (Chemnitz und Großer Kurfürst 1908)69
3.2Der 'Reisende' und der 'Tourist'73
3.3Reisen als Konsum: Chancen und Risiken76
4.Der Passagier und das Meer85
4.1Ein Geschäftsmann auf einem Höllengefährt (Servia 1884)86
4.2Die Symbolkraft des Meeres89
4.3Das Erhabene des Meeres und der Technik92
4.4Die Überfahrt mit dem Segelschiff 98
5.Imaginationen: Die Vermittlung neuer Erfahrungen 103
6.Imaginationen in der Presse: Die großen Ideale107
6.1Die romantische Fortschrittserzählung der Dampfschifffahrt111
6.2Schwimmende Paläste und Städte 119
6.3Romantische Heldenerzählungen124
6.4Kulturkritik an der Moderne127
6.5Die Tragödie132
6.6Exkurs: Der Sonderfall der Titanic137
6.7Die Komödie als neue Form der Unterhaltung143
7.Imaginationen in der Fiktion: Potenziale einer Seereise149
8.Imaginationen in der Werbung: Wunschvorstellungen157
8.1Ein Professor auf Studienfahrt (Monte Oliva 1925)162
8.2.Werbung in den Kinderschuhen: 1870er bis 1890er Jahre165
8.3Schiffsreise als Vergnügen: Die Jahre bis 1914169
8.4(Scheinbar) gleiches Recht für Alle:Die 1920er und 1930er Jahre180
9.Imaginationen in der Reiseliteratur: Anspruch auf die Wirklichkeit 184
9.1Auswandererliteratur: Anleitung und Moralinstanz185
9.2Reiseführer: Das Bemühen um Objektivität 191
9.3Ratgeber und Essays: Reisen als Ausnahmezustand193
9.4Reiseberichte: Der persönliche Eindruck197
9.5Die Popularität von Charles Dickens und Dr. Johnson205
10.Der Schiffsraum: Schutz, Fürsorge und Entfaltung209
10.1Als Schiffsarzt auf Reisen (Arcadia, Tucuman, Cap Vilano, Main 1910-1911)215
10.2Die Angst vor dem Untergang221
10.3Rollen, Stampfen und Schwanken234
10.4Das Schiff als Störfaktor247
10.5Abgrenzung zu Mitreisenden260
10.6Service und Essen265
10.7Sanitäre Einrichtungen271
10.8Vom Einheitsraum zur Vielfalt276
10.9Raumgestaltung zwischen Publikumsgeschmack und Kunst292
11.Die Praxis der Seereise: Bewältigungsstrategien303
11.1Als Touristin am Nordkap (Sierra Cordoba 1928)307
11.2Rituale310
11.3Spiele und Unterhaltung329
11.4Die Seekrankheit als Initiation341
11.5Der Kapitän als Institution347
11.6Bordzeitungen359
11.7Der Flirt364
12.Fazit369
Schreibweisen und Abkürzungen375
Tabellen 376
Abbildungen 377
Dank379
Literatur380

"Die Studie ist nicht nur anschlussfähig an neuere Forschungen zur Versicherheitlichung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sondern vermag diesen zugleich neue Impulse geben.", H-Soz-Kult, 02.09.2015

»Die Studie ist nicht nur anschlussfähig an neuere Forschungen zur Versicherheitlichung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sondern vermag diesen zugleich neue Impulse geben.«, H-Soz-Kult, 02.09.2015

1.Einleitung
Was bedeutet uns heutzutage das Reisen auf See? Was macht den großen Reiz von Kreuzfahrten aus und wie lässt er sich historisch erklären? Diese Frage berührt keinesfalls nur tourismusgeschichtliche Aspekte. Viel wich-tiger ist die Frage, wie sich das Verhältnis der Menschen zum Meer gewandelt hat. Als um das Jahr 1840 die ersten Dampfschiffe den Atlantik überquerten, galt es im westlichen Kulturkreis noch als Binsenweisheit, dass es gefährlich ist, ein Schiff zu betreten: "[...] wenn uns der liebe Gott vor Sturm behüted, ich bin immer in Todesangst." Ganz anders klingt da das Erlebnis einer Seereise aus dem Jahr 2009: "Ein Highlight war auf jeden Fall die Spa Suite. In der Sauna zu sitzen und aus dem fahrenden Schiff auf das Wasser zu schauen war einzigartig." Wie ist dieser Wandel in der Einstellung gegenüber Seereisen von 'gefährlich' zu 'vergnüglich und entspannend' zu erklären?
Meist wird diese Wahrnehmungsveränderung mit der technischen Ent-wicklung der Schifffahrt, mit den geschickten Marketingstrategien der Reedereien und mit dem Aufstieg des modernen Massenkonsums in Zu-sammenhang gebracht. Damit lässt sich die Passagierschifffahrt als Ge-schichte der Moderne lesen. Die Frage nach dem 'Warum' des Wandels ist jedoch keineswegs so einfach zu beantworten. Eine Seereise blieb noch lange Zeit nach Einführung der Dampfschifffahrt auf offener See für alle, die sie unternahmen, eine gefahrvolle und mit äußerst zwiespältigen Gefühlen verbundene Angelegenheit.
Eine Seereise ist eine besondere Form des Reisens. Ein Schiff ist ein künstlich erschaffener und isolierter Raum inmitten einer menschenfeind-lichen Umgebung und dient deshalb nicht nur als Transportmittel, sondern auch als unentbehrlicher Schutz. Zugleich bildet das Schiff einen Mikrokosmos, eine Welt im Kleinen. Der Gegensatz zwischen der 'Zivilisation' und der 'Natur', aber auch gesellschaftliche Gegensätze werden stärker empfunden, denn die Aufmerksamkeit der Reisenden wird durch die Dauer der Reise, die Isoliertheit und Enge des Schiffes stärker fokussiert als bei anderen Transportmitteln wie der Eisenbahn, wo ein Aussteigen an den Bahnhöfen jederzeit möglich ist. Und schließlich existiert ein reichhaltiges kulturelles 'Gepäck' in Bezug auf das Meer, was wiederum die Wahrnehmung und Bewertung einer Seereise beeinflusst.
Das Neuartige an der Dampfschifffahrt bestand in der Möglichkeit, Reisen auf See mit positiven Vorstellungen und angenehmem Zeitvertreib zu verbinden. Dieser Prozess, der sich während eines längeren Zeit-raumes vollzog, erforderte ein Umdenken in der Vorstellungswelt der Reisenden. Eine Überfahrt auf dem offenen Meer rief bei ihnen häufig das Gefühl hervor, sich in einer Übergangsphase im Niemandsland zwischen zwei Welten zu befinden, existenzieller Einsamkeit und lebensbedrohlicher Gefahr ausgeliefert zu sein. Dieser ambivalente Zustand des 'Dazwischen' verlangte nach Bewältigungsstrategien, die es möglich machten, eine Seereise als positiv zu erleben. Die vorliegende Arbeit widmet sich diesen Bewältigungsstrategien, aber auch ihren Grenzen.
1.1Konzeption und Aufbau
Es sind die Wechselwirkungen zwischen Meer, Schiff und Reisenden, die für den Wandel in der Bewertung von Seereisen verantwortlich gemacht werden können. Jede Veränderung einer dieser Komponenten veränderte zugleich alle anderen.
Die geisteswissenschaftliche Forschung tut sich schwer, das Meer kon-zeptionell zu erfassen. Der Kulturwissenschaftler Christopher L. Connery formuliert es so:
"Perhaps the oceanic, as close an approximation of the infinite as the visible, physical world can provide, requires some of the abstraction that is 'space', its existence being somehow between place and space, but inadequately described by either term."
Materielle Räume können für menschliche Gesellschaften nicht per se exis-tieren, sondern konstituieren sich erst durch kulturelle Praktiken und Vorstellungen. Das offene Meer ist für d

Erscheint lt. Verlag 2.4.2015
Zusatzinfo 17 Abbildungen
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 140 x 214 mm
Gewicht 520 g
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeine Geschichte
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Schlagworte Atlantik • Atlantik, Geschichte • Dampfschifffahrt • Geschichte, maritime • Kreuzfahrt • Lebensgefahr • Meer • Passagierschiff • Passagierschifffahrt • Reise • Seefahrt • Tourismusgeschichte • Überfahrt • Wasser • Westeuropa
ISBN-10 3-593-50305-0 / 3593503050
ISBN-13 978-3-593-50305-9 / 9783593503059
Zustand Neuware
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