Der Erste Weltkrieg (eBook)

und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918
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2013 | 1. Auflage
1222 Seiten
Böhlau Verlag
978-3-205-79259-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Erste Weltkrieg -  Manfried Rauchensteiner
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Nach der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand in Sarajevo stand fest, dass es Krieg geben würde. Kaiser Franz Joseph wollte es und in Wien rechnete man durchaus mit der Möglichkeit eines großen Kriegs. Wie der Krieg entfesselt wurde und bereits Wochen später Österreich-Ungarn nur deshalb nicht zur Aufgabe gezwungen war, weil es immer wieder deutsche Truppenhilfe bekam, hat bis heute nichts an Dramatik verloren. Zwei Monate vor seinem Tod verzichtete der österreichische Kaiser auf einen Teil seiner Souveränität und willigte in eine gemeinsame oberste Kriegsleitung unter der Führung des deutschen Kaisers ein. Der Nachfolger Franz Josephs, Kaiser Karl, konnte das nie mehr rückgängig machen. Auch ein Teil der Völker Österreich-Ungarns fürchtete die deutsche Dominanz. Schließlich konnten nicht einmal die militärischen Erfolge 1917 den Zerfall der Habsburgermonarchie verhindern. Das Buch beruht auf jahrzehntelangen Forschungen und bleibt bis zur letzten Seite fesselnd, obwohl man das Ende kennt. Viele Zusammenhänge werden aber erst jetzt klar. Rauchensteiner sieht den Ersten Weltkrieg als Zeitenwende. Ob er die 'Urkatastrophe' des 20. Jahrhunderts war, muss der Leser entscheiden.

Manfried Rauchensteiner ist Historiker, Universitätsprofessor und Autor zahlreicher Bücher, darunter das Standardwerk 'Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918'. Er lebt und arbeitet in Wien.

Manfried Rauchensteiner ist Historiker, Universitätsprofessor und Autor zahlreicher Bücher, darunter das Standardwerk "Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918". Er lebt und arbeitet in Wien.

[<< 11 Seitenzahl der gedruckten Ausgabe] 
Hundertjahr-Feier der Völkerschlacht von Leipzig in Wien, 16. Oktober 1913. Kaiser Franz Joseph vor den Fahnendeputationen an der Ringstraße. Rechts von ihm der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand
und die Erzherzöge mit militärischen Rängen. In der zweiten Reihe ganz rechts Erzherzog Friedrich.  [<< 12] 
1. Der Vorabend
Schon vor Jahrzehnten hat man im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und der Eroberungspolitik des nationalsozialistischen Deutschland die Semantik bemüht und gefragt, ob dieser Krieg ausgebrochen oder bewusst entfesselt worden ist. Verhältnismäßig einmütig wurde von Entfesselung gesprochen. Beim Ersten Weltkrieg ist das nicht so klar. Er ist wohl ebenso herbeigeführt und entfesselt worden, wie er ausgebrochen ist. Doch wer herbeiführte, auslöste, entfesselte oder auch nur nicht verhinderte, ist meist Sache subjektiver Einschätzungen und Hervorhebungen geworden. Jeder Standpunkt wurde bereits mit Vehemenz vorgetragen und mit Dokumenten untermauert.1 Mittlerweile ist die Formulierung des amerikanischen Diplomaten George F. Kennan eine Art unverbindlicher Gemeinplatz geworden, wonach man es mit der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« zu tun hätte.2
Bereits lange vor 1914 wurde in zahllosen Publikationen über einen zukünftigen Krieg sehr verallgemeinernd der Begriff »Weltkrieg« verwendet. Als ob man seine Dimension in Worte fassen und zur Abschreckung verwenden wollte. Dann gab es ihn. In der englischen, französischen und italienischen Literatur festigte sich der Begriff vom »Großen Krieg« (Great War, Grande guerre, Grande guerra), während das deutsche Reichsarchiv nach dem Krieg den Begriff »Weltkrieg« aktualisierte.3 In Österreich mischte sich Nostalgisches in die Begrifflichkeit, und man sprach und schrieb dann von Österreich-Ungarns letztem Krieg.
Doch das mit der »Urkatastrophe« hat gewiss einiges für sich, denn aus den Folgen des ersten großen Kriegs des 20. Jahrhunderts, mit seiner doch weit gehenden Beschränkung auf Europa und seine angrenzenden Gebiete, resultierten die meisten Voraussetzungen für den zweiten tatsächlichen Weltkrieg, vor allem das Aufkommen totalitärer Regime in Russland und Deutschland sowie die Involvierung von Staaten aller sechs Kontinente und aller Weltmeere. Und bis zu einem gewissen Grad wurde der Erste Weltkrieg erst ein Vierteljahrhundert später, doch noch innerhalb derselben Generation zu Ende gekämpft. Während aber die meisten Mächte, die schon im Ersten Weltkrieg die Bezeichnung »Hauptkriegführende« erhalten hatten, ihren Anteil am zweiten großen Krieg des 20. Jahrhunderts noch steigerten, galt das für ein Reich nicht mehr: Österreich-Ungarn. Es war im Gegensatz zum Deutschen Reich, dem zur  [<< 13] Sowjetunion gewordenen Russland, aber auch der nunmehr neutralen Türkei unwiederbringlich dahin. Die Donaumonarchie unter habsburgischer Herrschaft war an den Folgen der »Urkatastrophe« zugrunde gegangen. Sie zählte ab nun zu den gescheiterten Staaten.
Auf der Suche nach den Ursachen für den ersten großen Konflikt wurde vieles genannt, nicht zuletzt auch die ins Auge springende Tatsache, dass für die meisten großen Mächte, die wissentlich und willentlich 1914 Krieg begannen, in erster Linie deren Stärke, vielleicht auch nur deren scheinbare Stärke und der Wunsch nach Gebietserweiterung, zumindest aber Machtzuwachs ausschlaggebend waren. Deutschland suchte Macht und Einfluss auszuweiten, zumindest aber nicht zu verlieren. Ihm wurde eine »Flucht in den Krieg« nachgesagt.4 Für Frankreich wurden Prestige und eine ordentliche Portion Revanchismus und für Russland gerade jüngst wieder das Bestreben, im Umweg über einen siegreichen Krieg den Weg nach Konstantinopel zu finden, genannt.5 Großbritannien fürchtete die deutsche Dominanz, das Osmanische Reich wollte die in mehreren Kriegen verlorenen Territorien wiedergewinnen. Italien, schließlich, wollte sich mit seinem Beitritt zur Koalition von Briten, Franzosen und Russen um die von Italienern bewohnten Gebiete erweitern und seine nationalen Träume erfüllen. Österreich-Ungarn aber, eine – wie es so schön hieß – »stagnierende Großmacht«6, sah ähnlich wie Großbritannien in der Aufrechterhaltung der geltenden europäischen Ordnung eine Chance. Das aber nicht aus innerster Überzeugung, sondern aufgrund einer evidenten Schwäche. Sie, und vor allem sie war der Grund dafür, dass Krieg zur Lösung der Probleme dann doch wenn schon nicht angestrebt, so nicht mehr regelrecht ausgeschlossen wurde.
Dieses Zögern der Habsburgermonarchie, ihre staatlichen Ziele entschlossener zu vertreten, wird mit ihren strukturellen Besonderheiten, dem komplizierten dualistischen Aufbau des Vielvölkerreichs in eine österreichische und eine ungarische Reichshälfte, den besonderen und vor allem durch Nationalitätenfragen ausgelösten Problemen, mit den vorhandenen Bündnissen und schließlich auch mit personellen Fragen in Verbindung gebracht. Es sind dies aber nur einige Aspekte für die meist nicht reflektierte Feststellung, die Monarchie hätte sich überlebt gehabt. Vielleicht ist sie an ihrem »Absolutismus« zugrunde gegangen, den der österreichische Sozialdemokrat Viktor Adler lediglich »durch Schlamperei gemildert« sah. Schon lange vor 1914 waren Staatsbesuche in der Donaumonarchie auch mit der Feststellung kommentiert worden, die ausländischen Gäste würden kommen, um sich Österreich noch einmal anzuschauen, »eh’s zerfallt«.7
Bei der Beschreibung dessen, was gerade die Habsburgermonarchie die Flucht in den Krieg antreten ließ, wird aber auch noch anderes berücksichtigt werden müssen. Das Fin de Siècle, jene Stimmung, die zunehmend und nicht zuletzt in der Kunst ihren Ausdruck fand, war wohl weniger Endstimmung als vielmehr ungeduldiges Aufbre [<< 14] chen in eine neue Zeit. Das Wegtrotzen stieß jedoch nicht nur in der Kunst an seine Grenzen, sondern ebenso in der Wirtschaft und vor allem in der Politik. Die Völker des Reichs wurden von zentrifugalen Kräften beherrscht. Es war wie eine zeitverschobene Wiederholung von Biedermeier und Vormärz, nur dass weniger der staatliche Zwang als die Konvention die Zügel anlegten. Letztlich staute sich Jahrzehnte hindurch etwas auf, bis schließlich ein einzelnes Ereignis eine Kettenreaktion auslöste.
Immer häufiger war die Ansicht zu hören, nur ein Krieg könnte helfen, die anstehenden Probleme zu überwinden. Das war freilich keine ausschließlich österreichisch-ungarische Marotte oder Ausdruck eines gesteigerten Bellizismus. Auch Staaten wie Großbritannien, Frankreich und Russland, aber auch Italien, das Osmanische Reich und die Länder im Balkanraum hatten immer wieder Krieg als Mittel zur Konfliktregelung eingesetzt. Die Habsburgermonarchie aber erweckte den Anschein, als ob sie so sehr mit sich selbst beschäftigt wäre, dass sie weder die Sozialisierung der Gewalt mitmachte noch Krieg als Mittel der Politik einzusetzen bereit und imstande wäre. Bis sie schließlich doch in dieses europäische Konzert einstimmte. Vielleicht hatte sie sich gerade wegen ihres Zögerns, Krieg zu führen, in den Augen jener, die ihre Armeen sehr viel eher einzusetzen bereit waren, überlebt. Doch der Tod des Doppeladlers ging in Etappen vor sich.
1908 schien die Welt noch einigermaßen in Ordnung zu sein, zumindest aus Wiener Sicht. Der 78-jährige Kaiser Franz Joseph feierte sein 60-jähriges Regierungsjubiläum. Es war nicht sein Wunsch gewesen, dass es groß begangen wurde, doch nach einigem Zögern fügte sich der Monarch den Argumenten eines rührigen Personenkomitees. Dabei wurde ein Aspekt ganz bewusst in den Vordergrund gerückt: Die Feier und vor allem ein Huldigungs-Festzug vom Wiener Prater über die Ringstraße sollten dazu dienen, die Einheit in der Vielfalt zu demonstrieren, die Völker der Habsburgermonarchie ein gemeinsames Bekenntnis ablegen zu lassen und Treue zum Herrscher zu bekunden.8 Es ging darum, den übernationalen Reichsgedanken zu beschwören. Am Freitag, dem 12. Juni 1908, fand der Festzug statt. Spektakel, Schaustellung und Huldigung gingen programmgemäß über die Bühne. 12.000 Menschen setzten sich in einem sieben Kilometer langen Zug in Bewegung. Hunderttausende sahen zu. Im Nationalitätenzug marschierten vorneweg Vertreter des Königreichs Böhmen, gefolgt von jenen der Königreiche Dalmatien und Galizien, geteilt in eine ost- und eine westgalizische Abordnung, dann die Gruppen der Erzherzogtümer Niederösterreich und Oberösterreich, der Herzogtümer Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain, Schlesien und der Bukowina, unter denen sich auch Rumänen, Ruthenen und Lippowaner fanden. Eine der prächtigsten Gruppen repräsentierte die Markgrafschaft Mähren, dann folgten die Gruppen der Markgrafschaft Istrien und Triest, der gefürsteten Grafschaften Görz und Gradisca und schon gegen Ende des Nationalitätenzugs die Gruppen der gefürsteten Grafschaft Tirol und des Landes Vorarlberg.  [<< 15] Sämtliche Glocken Wiens läuteten, Ansprachen wurden gehalten, die Volkshymne erklang. Die Sonne schien, der Kaiser war zufrieden. Doch bei genauerem Hinsehen waren nicht nur die Gruppen und Delegationen aufgefallen, die in diesem Festzug mitgezogen waren, sondern auch jene, die fehlten. Die Völker der ungarischen Reichshälfte, vornehmlich also Ungarn, Slowaken, Kroaten und Serben, hatten keine Veranlassung gesehen, bei diesem Wiener...

Erscheint lt. Verlag 19.9.2013
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte Erzherzog Franz Ferdinand • Kaiser Karl • Österreich-Ungarn • Sarajevo
ISBN-10 3-205-79259-9 / 3205792599
ISBN-13 978-3-205-79259-8 / 9783205792598
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