Philippine Welser (eBook)

Eine geheimnisvolle Frau und ihre Zeit

(Autor)

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2013 | 1. Auflage
312 Seiten
Haymon (Verlag)
978-3-7099-7308-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Philippine Welser -  Gunter Bakay
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Ihre Schönheit und ihr überzeugendes Wesen sind legendär; ihre Kochkunst, ihr Wissen um die Heilkraft der Kräuter und ihr soziales Engagement ebenso; und ihre heimliche Heirat mit Ferdinand II. ist eine der außergewöhnlichsten Liebesgeschichten: Philippine Welser. Unzählige Mythen ranken sich um die Augsburger Kaufmannstochter, für die der Tiroler Landesfürst Schloss Ambras zu einem prächtigen Renaissanceschloss umbauen ließ. Detektivisch spannend und historisch fundiert entführt Gunter Bakay in die Zeit des 16. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund zeichnet er das schillernde Porträt einer ungewöhnlichen Frau und spürt den kuriosen Pfaden nach, auf welchen die berühmte Liebesgeschichte zwischen der Bürgerlichen und dem Sohn eines Kaisers bis in die Gegenwart gelangt ist. Zugleich liefert er in seinem reich bebilderten Buch ein kulturhistorisch packendes Bild einer turbulenten Zeit.

Gunter Bakay, geboren 1963, Studium der Philosophie und Europäischen Ethnologie/Volkskunde in Wien und Innsbruck; lebt als Kulturhistoriker, Schriftsteller und Redakteur ebendort. Zahlreiche Publikationen zu alltags- und kulturgeschichtlichen Themen, u.a. Bauernerotik in den Alpen, Tiroler Wettergeschichten und Wilde, Hexen, Heilige (gemeinsam mit Petra Streng).

Gunter Bakay, geboren 1963, Studium der Philosophie und Europäischen Ethnologie/Volkskunde in Wien und Innsbruck; lebt als Kulturhistoriker, Schriftsteller und Redakteur ebendort. Zahlreiche Publikationen zu alltags- und kulturgeschichtlichen Themen, u.a. Bauernerotik in den Alpen, Tiroler Wettergeschichten und Wilde, Hexen, Heilige (gemeinsam mit Petra Streng).

Auftakt


   

Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck hängt ein großformatiges Ölbild, das wir ruhigen Gewissens als Schinken bezeichnen dürfen. Wer unvorbereitet darauf stößt, wird an der Hängung der Kuratoren zweifeln, wird sich jedenfalls fragen, was das ca. 166 x 215 cm große Unding zwischen den anderen durchaus qualitätsvollen Arbeiten zu suchen hat. Wer nicht weiß, dass er sich vor einem bedeutenden Mythos der Tiroler Geschichte befindet, der wird jedenfalls staunen.

Das überraschende Bild stammt von Giustiniano degli Avancini aus Belluno. Wie aus dem Jahrbuch des Museums von 1825 hervorgeht, hat der Maler damit einen Beweis sowohl seines Kunsttalents als auch seines vaterländischen Patriotismus’ gegeben. An Ersterem mag man zweifeln, an Zweiterem sicher nicht – dies umso weniger, als dass Avancini dem Bild auch noch eine eigens verfasste Novelle beigelegt hat, welche den Titel Ferdinando – Conte del Tirolo trägt.

Erzherzog Ferdinands II. sagenhafte erste Begegnung mit Philippine Welser während des Geharnischten Reichstages 1547/48 in Augsburg. Romantischer Ölschinken von Giustiniano degli Avancini, Ferdinand erblickt Philippine Welser, 1825 (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck; Foto: Frischauf-Bild)

Geschildert wird in Wort und Bild die erste Begegnung von Philippine und Ferdinand – sie Bürgerstochter, er Erzherzog aus dem Hause Habsburg. Folgt man der Novelle, dann geschah dies an einem Abend im Jahre 1548 während des Reichstages in der berühmten Stadt Augsburg: Ferdinand und zwei Begleiter erholen sich auf einem Ritt durch die Häuserzeilen und über die Marktplätze, als des Erzherzogs Auge unvermittelt auf ein Geschöpf fällt, das schwerlich von dieser Welt stammen dürfte. Abrupt reißt er am Zügel seines Pferdes und ruft erstaunt und ganz fassungslos: „Chi é dunque colei, ch’ha divine sembianze?“ Also ungefähr: „Wer ist denn jene, die so göttliche Züge trägt!“

Philippine ist’s, weiß ein Begleiter Bescheid. Und: Sie ist die Tochter des Franz Welser, an dessen palazzo man zu diesem jähen, unerwarteten Halt gekommen ist. Auf dem Ölbild sehen wir diesen Moment der berühmten und patriotischen Liebesgeschichte.

Der bärtige Begleiter Ferdinands hat seinen rechten Arm erhoben, wie um Philippine zu präsentieren und ein lautes Voilà zu rufen. Im Original sieht man, dass dieser Arm merkwürdig verkürzt und anatomisch nicht ganz korrekt ist (was wohl auf die noch mangelnde Übung des erst 18-jährigen Malers und Dichters zurückzuführen ist). Dem Erzherzog in seinem bunten Phantasiekostüm ist das aber völlig egal, weil er ohnehin nur Augen für die meravigliosa bellezza hat.

Und Philippine? Nun, Philippine hat ihre rechte Hand auf die Brust gelegt, als müsste auch sie an sich halten. Ihr Blick allerdings geht nicht hinunter zu Ferdinand, sondern hinaus in unbestimmte Ferne. Wovon sie wohl träumt? Wir wissen es nicht. Sicher aber ist, dass sie nicht von der großen weiten Welt träumen wird. Denn sie lebt ja in ihr.

Augsburg!

Augsburg war damals Weltmetropole. Nabel, Zentrum. Wirtschaftsmacht. Auf dem Bild ist dies alles aber nicht zu sehen und in der Novelle nicht zu lesen. Hier ist alles auf romantische Verklärung getrimmt und auf den bunten Anstrich einer Geschichte, deren Protagonisten einem Ritterfilm in Minnesängerausstattung zu entspringen scheinen (Ferdinands blondes Haar ist viel zu lang, seine roten Stulpstiefelchen zu feminin, Cape, Flaumfederbusch, Goldtressen … – so hat sich damals im 16. Jahrhundert keiner mehr auf die Straße getraut). Und wie um den Ruch purer Illusion, den Duft des poetischen Wurfs noch zu verstärken und vertiefen, ist selbst die Hausfassade als reine Scheinarchitektur wiedergegeben. Nur die Loggia, in der Philippine verweilt, zeigt perspektivischen Raum und präsentiert die Schöne wie in einem Schatzkästchen.

Als die Honoratioren des Ferdinandeums dieses Bild seinerzeit zugeschickt bekommen haben (vom Maler auf eigene Kosten! wie eigens vermerkt wird), müssen sie sehr zufrieden gewesen sein. Jedenfalls haben sie es unter der Inventarnummer Gem. 1099 in die Sammlungen auf genommen und (damals wie heute) prominent an die Wand gehängt. Wahrheitsgehalt und Realismus spielten dabei keine Rolle.

Oder doch?

Heute tun wir uns leicht damit, über den ausgestellten Schinken zu lästern. Damals aber, damals im Jahr 1825, als man das Bild zugeschickt bekam, befand man sich mitten in einer Philippinen-Seligkeit, die eine Sissy, eine Postmeisterstochter Anna Plochl und eine Mary Vetsera um Jahrzehnte vorweggenommen hat.

Das Bild zeigt Gefühl. Jede Menge davon. Es zeigt, dass Liebe stärker ist als jeder Standesunterschied: weil sie einschlägt wie ein Blitz. Vom Blitz getroffen wurde in diesem Falle eine Bürgerliche aus Augsburg (aus gutem Hause, aber bürgerlich) und einer vom Hochadel. Einer, der mit ein bisschen Glück glatt auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hätte werden können. Kaiser!

Was aber dem Ganzen die buchstäbliche Krone aufsetzte, war, dass man es hier nicht mit einem Roman zu tun hatte, der einem empfindsamen Bürgerherzen entsprungen ist, sondern mit der Wirklichkeit. Mit einer Wirklichkeit, die auch ihre Artefakte hinterlassen hat: Schloss Ambras zum Beispiel als Liebesgabe. Oder Philippines Grabmal in der Silbernen Kapelle – im Schoß der habsburgischen Hofkirche gewissermaßen. Nichts erfunden also.

Nichts erfunden. Leider aber war man sich dennoch nicht mehr so ganz im Klaren, wie sich die Geschichte bis ins kleinste Detail abgespielt hat. Und wer sollte denn um Himmels willen über jedes Fitzelchen der Historie Bescheid wissen – waren doch schon gut 300 Jahre vergangen seit damals! So ein beschränktes Wissen ist allerdings der perfekte Nährboden für all die aufsprießenden Mythen, die Leben und Wirken der Handlungsträger zu einer plausiblen und spannenden story machen. Solche Mythen folgen dem Druck der Neugier. Und sie antworten darauf.

Etwa wie sich das Liebespaar kennengelernt hat. Was denn an der sogenannten Bürgerlichen dran war, dass sich der Hochadelige so schnurstracks in sie verschossen hat (War Philippine wirklich so schön? Wie hat sie ausgesehen? War sie reich? Hat sie ihn etwa eingekocht mit ihrer berühmten Küchenkunst?). Ja, der Mythos antwortet letztlich auch auf die Umstände ihres Todes und weiß, dass sie in ihrem berühmten Bad auf Schloss Ambras erdrosselt worden ist oder, alternativ, dass ihr die Pulsadern im Auftrag der Tiroler Landstände aufgeschnitten worden sind, damit es endlich einen standesgemäßen, erbberechtigten Nachfolger abgibt. Opium war bei diesem Attentat im Spiel.

Die Geschichte von Philippine und Ferdinand ist von solchen sagenhaften Erzählungen kaum zu trennen – und zwar deshalb nicht, weil ihre Biografie arm an verlässlichen Fakten ist und man sich deshalb entlang der Möglichkeits- und der Wahrscheinlichkeitsform bewegen muss. Ohne diese heikle Faktenlage aber hätte die Verehrung der schönen, guten, weisen, keuschen, heilkundigen, edlen, bürgerlichen, küchenfeenhaften … Tiroler Landesfürstin wohl kaum die Ausmaße angenommen, wie sie es eben getan hat.

Zwar mag der Zenit dieser Verehrung überschritten und es auch nicht mehr nötig sein, ihr marmornes Grabmal wie früher durch ein schmiedeeisernes Gitter vor allzu stürmischen Bekundungen zu schützen – die zurückgebliebenen Artefakte sind aber nach wie vor da und schreien nach einer Geschichte: eine Geschichte, die bis in die unmittelbare Gegenwart ein bisschen brach gelegen ist, und warum dies so ist, das mag man nach der Lektüre der folgenden Erzählung selbst ermessen.

Obwohl die Geschichte also nach einem Autor geschrien hat, bin auch ich selbst erst in mehreren Anläufen zu dem Philippinen-Thema gekommen: Trotz der permanenten Gegenwart von Schloss Ambras im Weichbild der Stadt Innsbruck ist es mir keineswegs naturwüchsig zugefallen. Erste Bekanntschaft mit der Augsburgerin machte ich wie seinerzeit üblich noch in der Volksschule im Heimatkundeunterricht, doch sehr rasch sind die phantastischen Erzählungen im profanen Geschichtsunterricht des Realgymnasiums untergegangen. Eine schon nachhaltigere Auferstehung feierte das Thema dann durch die Praktika bei meinem Oheim, dem bekannten Restaurator Frambert Wall-Beyerfels. Als Schüler und später als Student konnte ich mir gutes Geld verdienen, indem ich ihm bei seinen Aufträgen zur Hand ging und so nicht nur beim Goldenen Dachl, dem Riesenrundgemälde und so weiter, sondern vor allem auch bei den umfangreichen Arbeiten oben in Schloss Ambras im Spanischen Saal und im anschließenden Kaiserzimmer mitgeholfen habe. Ab Ende der 1970er Jahre kam ich also mit meinem späteren Thema erstmals und leibhaftig in Hautkontakt, und dies umso mehr, als dass das Bad der Philippine...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2013
Verlagsort Innsbruck
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 1500-1600 • Augsburg • Ferdinand II. • Geschichte 1500-1600 • Geschichte Österreich • Habsburger • Heilkunde • Historische Persönlichkeit • Innsbruck • Leben • Monarchie • Pharmazie • Schloss Ambras
ISBN-10 3-7099-7308-2 / 3709973082
ISBN-13 978-3-7099-7308-0 / 9783709973080
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