Machen - nicht denken! (eBook)
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402553-7 (ISBN)
Richard Wiseman, 1966 geboren, studierte Psychologie und war anschließend an verschiedenen Universitäten tätig. Heute leitet er das Forschungszentrum der Psychologischen Fakultät an der Hertfordshire-University. Er hat bereits zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und erhielt renommierte Preise und Auszeichnungen. Seine Bücher ?Machen, nicht denken!? und ?Wie Sie in 60 Sekunden Ihr Leben verändern? waren international große Bestseller. Zuletzt erschien von ihm im Fischer Taschenbuch Verlag ?Superschlaf. So werden aus schlechten Schläfern gute Schläfer und aus guten Schläfern Superschläfer? (2015).
Richard Wiseman, 1966 geboren, studierte Psychologie und war anschließend an verschiedenen Universitäten tätig. Heute leitet er das Forschungszentrum der Psychologischen Fakultät an der Hertfordshire-University. Er hat bereits zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und erhielt renommierte Preise und Auszeichnungen. Seine Bücher ›Machen, nicht denken!‹ und ›Wie Sie in 60 Sekunden Ihr Leben verändern‹ waren international große Bestseller. Zuletzt erschien von ihm im Fischer Taschenbuch Verlag ›Superschlaf. So werden aus schlechten Schläfern gute Schläfer und aus guten Schläfern Superschläfer‹ (2015).
Ein erfrischendes Werk, das einem den Nutzen der Verhaltensforschung vor Augen führt und Spaß macht.
fundiert und gewitzt
Für alle, die sich bewegen wollen.
I. Die radikal einfache Idee, die Ihr Leben verändert
Das erste psychologische Laborexperiment der Welt wurde 1879 von dem deutschen Psychologen Professor Wilhelm Wundt durchgeführt. Diese historische Untersuchung wurde in einem kleinen Zimmer an der Universität Leipzig vorgenommen und zeigt alles, was Sie darüber wissen müssen, wie sich viktorianische Wissenschaftler dem menschlichen Geist näherten.
Wundt hätte die Geburt der experimentellen Psychologie durch die Erforschung jedes beliebigen faszinierenden Themas seiner Wahl zelebrieren können. Etwa warum Menschen sich verlieben, an Gott glauben oder manchmal das Bedürfnis empfinden, sich gegenseitig zu töten. Stattdessen entschied sich der »humorlose und unermüdliche«[1] Wundt dafür, ein seltsames und eigenartiges Experiment mit einer kleinen Messingkugel durchzuführen.
Wundt und zwei seiner Studenten versammelten sich um einen kleinen Tisch und verbanden einen Zeitmesser, einen Schalter und ein sorgfältig gestaltetes Metallgestell miteinander. Dann wurde eine Messingkugel auf dem Gestell ausbalanciert, und einer von Wundts Studenten platzierte seine Hand ein paar Millimeter über dem Schalter. Sekunden später wurde die Kugel automatisch vom Gestell freigegeben, und der Zeitmesser trat in Aktion. Der Student schlug seine Hand auf den Schalter, sobald er hörte, wie die Metallkugel auf dem Tisch landete, was den Zeitmesser sofort stoppte. Indem Wundt die Anzeige auf dem Zeitmesser sorgfältig in sein Notizbuch eintrug, schuf er den ersten Datensatz der Psychologie.
Es wäre schön, wenn man sich vorstellen könnte, Wundt hätte nach etwa einem Tag des Fallenlassens von Kugeln sein Notizbuch zugeklappt, über seine Befunde berichtet und wäre zu etwas Interessanterem übergegangen. Schön, aber falsch. Tatsächlich verbrachte Wundt die nächsten fünf Jahre seines Lebens mit der Beobachtung Hunderter Menschen, die an diesem Test teilnahmen. Genauso wie Physiker versuchten, die grundlegende Beschaffenheit der Materie zu bestimmen, versuchten auch Wundt und sein Team, die grundlegenden Bausteine des Bewusstseins zu entdecken. Manche der Versuchsteilnehmer wurden gebeten, den Schalter in dem Moment zu drücken, wenn sie erstmals hörten, dass die Kugel auf dem Tisch aufschlug, während andere aufgefordert wurden, erst dann zu reagieren, wenn sie sich des Geräuschs voll bewusstgeworden waren. Im ersten Szenario wurden die Beobachter gebeten, ihre Aufmerksamkeit auf die Kugel zu konzentrieren, während sie sich im zweiten Fall stärker auf ihre eigenen Gedanken konzentrieren sollten. Wenn die Aufgaben korrekt durchgeführt wurden, würde die erste Reaktion, glaubte Wundt, einen einfachen Reflex widerspiegeln, während es bei der zweiten eher um eine bewusste Entscheidung ginge. Es überrascht vielleicht nicht, dass viele Versuchsteilnehmer anfangs Schwierigkeiten hatten, den angeblich subtilen Unterschied zwischen den beiden Bedingungen zu erkennen, und daher verlangte man von ihnen, dass sie mehr als zehntausend Versuchsdurchgänge absolvierten, bevor man zu dem eigentlichen Experiment überging.
Nachdem Wundt sorgfältig durch die gewonnene Masse von Daten fallender Kugeln hindurchgewatet war, gelangte er zu dem Schluss, dass die Reflexreaktion im Durchschnitt eine Zehntelsekunde brauchte und bei den Versuchsteilnehmern nur eine ganz schwache geistige Spur vom Geräusch der Kugel hinterließ. Im Gegensatz dazu brachte das bewusste Hören des Geräuschs eine durchschnittliche Reaktionszeit von zwei Zehntelsekunden hervor und mündete in ein weitaus deutlicheres Erleben des Kugelaufpralls.
Nachdem er das Geheimnis der Reflexreaktion gelüftet hatte, widmete Wundt den restlichen Teil seiner Laufbahn der Durchführung von Hunderten ähnlicher Untersuchungen. Sein Ansatz erwies sich als überraschend einflussreich, und nahezu jeder andere Akademiker des 19. Jahrhunderts, der sich in Sachen Geist versuchte, trat in Wundts Fußstapfen. In den psychologischen Labors ganz Europas kamen die Forscher wegen des Lärms von auf Tische fallenden Messingkugeln kaum zum Denken.
Drüben in Amerika wollte ein junger Philosoph und Psychologe namens William James davon nichts wissen.
William James war ein äußerst bemerkenswerter Mensch. Er wurde 1842 in New York City geboren. Sein Vater war ein unabhängiger, wohlhabender, exzentrischer, einbeiniger Religionsphilosoph mit guten Verbindungen, der sich der Erziehung seiner fünf Kinder verschrieben hatte.[2] Infolgedessen verbrachte James einen Großteil seiner Kindheit mit Privatunterricht, dem Besuch von Europas führenden Museen und Kunstgalerien sowie der Begegnung mit Leuten wie Henry Thoreau, Alfred Tennyson und Horace Greeley. James’ älterer Bruder Henry wurde als Romanschriftsteller und seine Schwester Alice als Tagebuchautorin berühmt.
Nachdem er ursprünglich Malunterricht genommen hatte, gab James in seinen Zwanzigern die Kunst auf und schrieb sich stattdessen an der Harvard Medical School ein, um Chemie und Anatomie zu studieren. 1872 stellte Charles Eliot, ein Freund der Familie und Präsident von Harvard, James ein, um Kurse über die Physiologie von Wirbeltieren zu geben. Bald schon fühlte sich James von den Geheimnissen der menschlichen Psyche angezogen. 1875 stellte er Amerikas ersten Psychologiekurs zusammen, worüber er später bemerkte: »Die erste Vorlesung in Psychologie, die ich hörte, war die erste, die ich selbst hielt.«
James war entsetzt über das, was er als die Trivialität von Wundts Werk ansah, denn er glaubte fest daran, dass die psychologische Forschung für das Leben der Menschen relevant sein sollte. Also kehrte er Messingkugeln und Reaktionszeiten den Rücken und konzentrierte seine Aufmerksamkeit stattdessen auf eine Reihe viel interessanterer und pragmatischerer Fragen, nämlich u.a. ob es richtig sei, an Gott zu glauben, was das Leben lebenswert macht und ob es wirklich einen freien Willen gibt.
Wundt und James unterschieden sich nicht nur in ihrem Ansatz im Hinblick auf den menschlichen Geist.
Wundt war förmlich und bieder, seine Vorlesungen waren ernst und feierlich, und sein Schreibstil war glanzlos und geschwollen. James war leger und unprätentiös und spazierte auf dem Hochschulgelände häufig mit »einem Hut aus Seide, Spazierstock, Gehrock und rotkarierten Hosen« einher. Häufig würzte er seine Vorträge mit Witzen und flapsigen Anmerkungen – in einem solchen Ausmaß, dass seine Studenten ihn oft bitten mussten, ernsthafter zu sein. Außerdem war sein Schreibstil eingängig und häufig auch amüsant (»Solange auch nur ein armer Kakerlak den stechenden Schmerz unerwiderter Liebe empfindet, ist diese Welt keine moralische.«).
James und Wundt entwickelten auch vollkommen verschiedene Arbeitsmethoden. Wundt rekrutierte ein großes Team von Studenten, um seine sorgfältig kontrollierten Untersuchungen durchzuführen. An ihrem ersten Tag in Wundts Labor wurden die studentischen Neuzugänge in einer Reihe aufgestellt, und Wundt ging dann die Reihe entlang und händigte jedem eine Beschreibung der Forschungen aus, die sie durchführen sollten. Sobald die Arbeit abgeschlossen war, fungierte er als Richter und Geschworene in einer Person, wobei jeder Student, der Ergebnisse hatte, die die Theorien seines Meisters nicht unterstützten, große Gefahr lief, durchzufallen.[3] Im Gegensatz dazu liebte es James, zu freiem Denken zu ermutigen, drückte den Studenten nur ungern seine Ideen auf und beklagte einmal, dass er gerade gesehen habe, wie ein Akademikerkollege »die letzte Lackschicht auf seinen Schüler auftrug«.
Die beiden großen Denker verbargen ihre Abneigung gegeneinander kaum. James entwickelte eine poetische Wortgewandtheit, die einige Kommentatoren zu der Anmerkung veranlasste, dass er psychologische Aufsätze wie ein Romanschriftsteller schrieb, während sein Bruder Henry Romane wie ein Psychologe verfasste. Wundt blieb jedoch unbeeindruckt, und als er gebeten wurde, Stellung zu James’ Schriften zu nehmen, antwortete er: »Sie sind zwar schön, aber keine Psychologie.« Im Gegenzug beklagte sich James darüber, dass Wundt seine Theorien von einem Buch zum nächsten änderte, und erklärte: »Leider wird er nie ein Waterloo erleben … man schneide ihn in Stücke wie einen Wurm, und jedes Stück kriecht herum … er lässt sich nicht umbringen.«
Obwohl die Armee von Wundts Anhängern zahlenmäßig weit überlegen war, behauptete James doch seine Stellung. Während beinahe jeder Psychologe in Europa wie besessen immer esoterischere Variationen von Wundts klassischem Experiment mit der fallenden Kugel durchführte, spazierte James mit seinen rotkarierten Hosen weiterhin in Harvard umher und forderte seine Studenten auf, über den Sinn des Lebens nachzudenken.
James’ Beharrlichkeit trug Früchte. Schlagen Sie irgendein modernes Psychologie-Lehrbuch auf, und Sie werden Schwierigkeiten haben, auch nur eine flüchtige Erwähnung von Wundt oder seinen Messingkugeln zu finden. Im Gegensatz dazu werden James’ Ideen immer noch weithin zitiert, und er gilt als der Gründungsvater der modernen Psychologie. James’ zweibändiges Opus magnum The Principles of Psychology, das erstmals 1890 erschien, wurde vor kurzem von einem führenden Historiker als »das gebildetste, anregendste und zugleich intelligenteste Buch zur Psychologie, das je erschienen ist«, bezeichnet[4], und beide Bände gelten auch heute noch als Pflichtlektüre für Studenten der Verhaltenswissenschaft. Das Psychologie-Department von Harvard hat sein Gebäude nach James benannt, und jedes Jahr verleiht die...
Erscheint lt. Verlag | 20.6.2013 |
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Übersetzer | Jürgen Schröder |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeines / Lexika |
Schlagworte | Attraktivität • Erfolg • Freundschaft • Glück • Idee • Körperempfindung • Kreativität • Neuanfang • Optimierung • Persönlichkeit • Potentialentfaltung • Ratgeber • Sachbuch • Selbstbestimmung • Selbsthilfe • Selbstwertgefühl • Speeddating • Veränderung • Verhaltenspsychologie • William James |
ISBN-10 | 3-10-402553-3 / 3104025533 |
ISBN-13 | 978-3-10-402553-7 / 9783104025537 |
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