Versuche über Husserl (eBook)

Stefania Centrone (Herausgeber)

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2013 | 1. Auflage
276 Seiten
Felix Meiner Verlag
978-3-7873-2409-5 (ISBN)

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Versuche über Husserl -
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Husserls Werk ist an begrifflichen Herausforderungen gewiss nicht arm, was durchaus seiner messianischen Überzeugung entspricht, »dass aus meiner Lebensarbeit eine völlige Umwälzung des ganzen Stils, der notwendigen Problemstellung der gesamten Philosophie der Jahrtausende hervorgeht«. Dieser Band versammelt acht leicht verständliche Interpretationen namhafter Husserl-Forscher zu den zentralen Begriffen der Intentionalität, Reflexion, Eidetik und Evidenz, zur Rolle des Handelns, zum Personenverstehen und zur Rechtfertigung sowie zu Husserls Position im Psychologismus-Streit. Zugleich versuchen die Autoren, die Diskussionsgrundlagen zwischen Husserl und einigen seiner wichtigsten und einflussreichsten Gesprächspartner wiederherzustellen: Bernard Bolzano, Franz Brentano, Gottlob Frege, Martin Heidegger und Ludwig Wittgenstein. Ergänzt wird der Band durch einen Abriss zu Husserls Leben, Werk und Wirkung. Mit Beiträgen von: Christian Beyer, Stefania Centrone, Dagfinn Føllesdal, George Heffernan, Wolfgang Künne, Eduard Marbach und Markus Stepanians

Cover 1
Inhaltsverzeichnis 6
Vorwort 8
Edmund Husserl: Leben, Werk und Wirkung 10
Anmerkungen 25
Bibliographie 25
»Es war mir nicht gegeben, Mitgliedseiner Schule zu bleiben«Husserls Kritik an Brentano 34
Anmerkungen 61
Bibliographie 64
Aspekte des Psychologismus-Streits 66
Anmerkungen 92
Bibliographie 96
Intentionalität: Bolzano und Husserl 98
Anmerkungen 135
Bibliographie 141
Husserl und Heidegger über die Rolle des Handelnsbei der Konstitution der Welt 146
Anmerkungen 164
Bibliographie 165
Rechtfertigung bei Husserl und Wittgenstein 168
Anmerkungen 191
Bibliographie 192
Wer hat Angst vor der reinen Phänomenologie?Refl exion, Reduktion und Eidetik inHusserls Phänomenologie 194
Anmerkungen 215
Bibliographie 217
Vom Wesen der Evidenz zur Evidenz vom Wesen 220
Anmerkungen 249
Bibliographie 252
Einfühlung und das Verstehen einer Person 256
Anmerkungen 275
Bibliographie 277

– MARKUS STEPANIANS

»Es war mir nicht gegeben, Mitglied seiner Schule zu bleiben«

Husserls Kritik an Brentano

Interviewer: “Are you denying that we have a great deal going on inside us?”

Gilbert Ryle: “What I would like to do is throw a brick at you for saying ‘inside’.”

Brian Magee: Modern British Philosophy, Oxford 1986, 137.

I. Franz Brentano

1. Brentanos Leben und Werk1

Franz Clemens Honoratus Hermann Josef Brentano wird am 16. Januar 1838 in Marienberg bei Boppard am Rhein als zweiter Sohn einer katholischen Intellektuellenfamilie geboren. Die Brentanos waren im 17. Jahrhundert aus der Gegend um den Comer See nach Deutschland eingewandert. Sie ließen sich in Frankfurt am Main nieder und brachten es durch Handel mit Wein, Gewürzen und Zitrusfrüchten schnell zu Ansehen und Wohlstand. Franz Brentanos Großmutter Sophie von La Roche war eine bekannte Schriftstellerin. Sein Onkel Clemens und seine Tante Bettina von Arnim (neé Brentano) gehören zu den bedeutendsten Autoren der Deutschen Romantik. Tante Gunda war verheiratet mit Friedrich Carl von Savigny, einem der bedeutendsten Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts. Brentanos jüngerer Bruder Lujo machte sich als Wirtschaftswissenschaftler und Sozialreformer einen Namen. Im Jahr seiner Geburt ziehen seine Eltern ins bayerische Aschaffenburg um, wo Brentano mit seinen Geschwistern in einem streng katholischen Umfeld aufwächst. Von 1856 bis 1862 studiert er in München, Würzburg, Berlin und Münster Philosophie. Sein besonderes Interesse gilt den Aristoteles-Vorlesungen Friedrich A. Trendelenburgs in Berlin und den Vorlesungen über die Scholastik von Franz J. Clemens in Münster. Mit der Dissertation Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles wird Brentano 1862 in Tübingen promoviert. Im gleichen Jahr entscheidet er sich für den Priesterberuf und verbringt drei Monate als Novize im Dominikanerkonvent in Graz, ohne jedoch dem Orden beizutreten. 1864 wird Brentano in Würzburg zum Priester geweiht. 1866 habilitiert er sich an der Universität Würzburg mit der Arbeit Die Psychologie des Aristoteles, insbesondere seine Lehre vom ›Nous Poietikos‹ und lehrt dort bis 1872 als Privatdozent. 1869 wendet sich Brentano in einem Gutachten gegen das von Papst Pius IX. angestrebte (und ein Jahr darauf durchgesetzte) Unfehlbarkeitsdogma und setzt sich damit den Anfeindungen der papsttreuen Katholiken aus. Die negativen Folgen seines Gutachtens werden sofort spürbar. 1870 stellt Brentano einen Antrag auf eine außerordentliche Professur an der Universität Würzburg, der auf erbitterten Widerstand stößt. Weil er all dem »Abscheulichen«, das er als Reaktion auf sein als Papstkritik gewertetes Gutachten in Würzburg erfährt, »möglichst fern« sein möchte, erwägt Brentano Deutschland zu verlassen. Er reist 1872 nach England, wo er Herbert Spencer trifft. Ein Jahr später scheitert ein Treffen mit John Stuart Mill nur an dessen plötzlichem Tod in Avignon. Aufgrund einer erfolgreichen Intervention des seinerzeit hoch angesehenen Göttinger Philosophen Hermann Lotze wird Brentano 1873 schließlich doch eine außerordentliche Professur in Würzburg angeboten. Viel Freude scheint sie ihm jedoch nicht bereitet zu haben, denn kaum ein Jahr später legt Brentano seine Professur nieder, gibt sein Priesteramt auf und tritt der Sache nach (formal erst 5 Jahre später) aus der katholischen Kirche aus. Anfang 1874 wird Brentano, erneut mit Unterstützung Lotzes, auf eine ordentliche Professur nach Wien berufen. Er zieht nach Wien und nimmt die österreichische Staatsbürgerschaft an. Im gleichen Jahr erscheint sein Hauptwerk, Die Psychologie vom empirischen Standpunkte.2 In Wien lernt Brentano die Bankierstochter Ida von Lieben kennen und will sie heiraten. Die österreichischen Behörden sehen ihn jedoch weiterhin an das priesterliche Gelübde der Ehelosigkeit gebunden, das laut impedimentum ordinis (§ 63 des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches) eine Heirat ausschließt: »Geistliche, … welche feierliche Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt haben, können keine giltigen Eheverträge schliessen«. Um dieses Gesetz zu umgehen, gibt Brentano 1880 die österreichische Staatsbürgerschaft auf und legt seine Wiener Professur nieder. Er fährt mit seiner Verlobten nach Leipzig, wird sächsischer Staatsbürger und heiratet dort. Zuvor hatte er mit der Wiener Universität und der Regierung vereinbart, dass er bei der Rückkehr nach Wien seine Professur zurückerhalten würde. Aber es kommt anders. Zwar nominiert die Philosophische Fakultät Brentano einstimmig und unico loco für den Lehrstuhl, aber Kaiser Franz Josef I. persönlich legt sein Veto ein und verhindert so Brentanos Neuberufung. Das Wechselspiel von Nominierung und Ablehnung wiederholt sich mehrfach.3 Zunächst unverdrossen lehrt Brentano in den folgenden 14 Jahren unentgeltlich, aber mit großem pädagogischem Erfolg als Privatdozent. 1889 erscheint Brentanos nächste größere Schrift, diesmal zur Moralphilosophie: Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis. Einige Jahre später folgen Ueber die Zukunft der Philosophie. Mit apologetischkritischer Berücksichtigung der Inaugurationsrede von Adolf Exner ›Ueber politische Bildung‹ als Rector der Wiener Universität (1893) und die philosophiehistorische Abhandlung Vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand (1895). Als 1894 Brentanos Frau Ida stirbt und seine Ernennung zum ordentlichen Professor erneut am Widerstand der Regierung scheitert, fühlt Brentano, »dass man ihn brüskieren und moralisch zum Abschiede von der Universität nötigen wollte«.4 Er beschließt, der Wiener Universität und Österreich für immer den Rücken zu kehren. Brentano verfasst 1895 seine Letzten Wünsche für Oesterreich, erwirbt die italienische Staatsbürgerschaft und zieht im Jahr darauf nach Florenz. Brentanos ehemaliger, seit 14 Jahren vakanter Lehrstuhl geht an den Physiker Ernst Mach. Bis 1901 veröffentlicht der Pensionär nur einen einzigen philosophischen Vortrag. Aber er findet nun auch Zeit für schachtheoretische Studien über die »Spanische Partie«, die er in der Wiener Schachzeitung publiziert. Wahrscheinlich hat es ihn nicht überrascht, dass auch diese Publikation in der Wiener Schachwelt »einen Sturm der Entrüstung« auslöst.5 In Florenz heiratet Brentano 1897 die fast 30 Jahre jüngere Emilie Rueprecht. Um die Jahrhundertwende zeigen sich die ersten Symptome eines Augenleidens, das 1907 trotz zweier Operationen zu seiner fast völligen Erblindung führt. Infolge der Kriegserklärung Italiens an Österreich und Deutschland verlässt Brentano Florenz. Seine italienische Staatsbürgerschaft verhindert jedoch eine Rückkehr nach Deutschland oder Österreich und so lässt er sich 1915 im eidgenössischen Zürich nieder. Dort erliegt der 79jährige Brentano am 17. März 1917 einer Blinddarmentzündung. Er wird auf dem Züricher Friedhof Sihlfeld beigesetzt, jedoch auf Wunsch seiner Familie 1953 exhumiert, eingeäschert und in die Familiengruft der Brentanos nach Aschaffenburg überführt.

2. Die geistesgeschichtliche Situation der Philosophie im 19. Jahrhundert

Anlässlich seines Abschieds von der Wiener Universität und seiner Emigration aus Österreich erzählt Brentano 1895 eine Anekdote vom Beginn seiner Lehrtätigkeit in Wien aus dem Jahr 1874, die in seinen Augen die geistesgeschichtliche Krise der Philosophie seiner Zeit in ein helles Licht setzt: »Bezeichnend für die Lage war es, dass kurz nach meiner Ankunft ein wissenschaftlicher Studentenverein mich einlud, einem ihrer Vorträge beizuwohnen. Darin setzt der Vortragende auseinander, es habe eine Zeit der Theologie gegeben, auf sie sei eine Zeit der Philosophie gefolgt; nun aber sei auch die Philosophie abgethan, und das, was einzig berechtigt an ihre Stelle trete, seien die exakten Wissenschaften. Aus der versammelten akademischen Jugend hatte keiner etwas einzuwenden. Ja, dass man zu einem solchen Vortrage nicht zum Hohn, sondern in allerehrlichster Freundlichkeit mich geladen, zeigte mir genugsam, dass man diese These bereits für etwas so allgemein Zugestandenes hielt, dass auch der Professor der Philosophie … innerlich von der Nichtigkeit seines Treibens überzeugt sein musste.«6 Brentano verschweigt, dass der Vortragende kaum mehr tut, als das »Dreistadiengesetz« des auch in seinen Augen »hervorragendsten französischen Denkers neuester Zeit, Auguste Comte« zu referieren, dem Brentano selbst attestiert, er habe »klare Blicke getan in die Missstände unserer Philosophie und die Übel unserer Zeit überhaupt«.7 Auch wenn Brentano die These vom Ende der Philosophie und ihrer endgültigen Ablösung durch die Naturwissenschaften nicht teilt, hält auch er sie zumindest insofern für »etwas allgemein Zugestandenes«, als sie einer weit verbreiteten Überzeugung des Bildungsbürgertums nicht nur in Österreich entspricht.8 Mehr noch, genau wie der Vortragende ist...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2013
Reihe/Serie Blaue Reihe
Blaue Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Schlagworte Analytische Philosophie • Edmund • Husserl • Phänomenologie
ISBN-10 3-7873-2409-7 / 3787324097
ISBN-13 978-3-7873-2409-5 / 9783787324095
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