Wie wir die soziale Welt machen (eBook)

Die Struktur der menschlichen Zivilisation

(Autor)

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2012 | 1. Auflage
351 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78030-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie wir die soziale Welt machen - John R. Searle
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Existieren soziale Tatsachen nur, weil wir an sie glauben? Zerfällt die Welt damit in unterschiedliche Sphären des Seins? Nein, sagt John Searle, es gibt nur eine einzige Realität - die durch die Naturwissenschaften beschriebene. Searle ergründet, wie sich die Bestandteile der sozialen Welt nahtlos in diese Realität einfügen lassen und warum sie ebenso wirklich sind wie die Dinge, die unabhängig vom Menschen existieren. Sprache und Denken, Geist und Natur, Freiheit und Determinismus werden ebenso behandelt wie Institutionen oder das Phänomen der Macht. Wie wir die soziale Welt machen führt so sämtliche Lebensthemen Searles zu einer einheitlichen Theorie der menschlichen Zivilisation zusammen.



<p>John R. Searle wurde in Oxford ausgebildet und ist seit 1959 Slusser Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley. Für sein umfangreiches Werk, das die Philosophie der Gegenwart auf vielen Gebieten maßgeblich beeinflußt hat, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Jean Nicod Preis und die National Humanities Medal.</p>

John R. Searle wurde in Oxford ausgebildet und ist seit 1959 Slusser Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley. Für sein umfangreiches Werk, das die Philosophie der Gegenwart auf vielen Gebieten maßgeblich beeinflußt hat, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Jean Nicod Preis und die National Humanities Medal. Joachim Schulte ist Autor mehrerer Bücher über Ludwig Wittgenstein und Mitherausgeber der Kritischen Editionen von Wittgensteins Hauptwerken.

Cover 1
Impressum 4
Widmung 5
Inhalt 7
Vorwort 9
1 Zielsetzung 11
I. Der Gesellschaftsbegriff, die Grundtatsachen und das philosophische Gesamtunterfangen 11
II. Philosophie der Gesellschaft 14
III. Begriffsapparat 16
1. Status-Funktionen 17
2. Kollektive Intentionalität 18
3. Deontische Macht 20
4. Wunschunabhängige Handlungsgründe 21
5. Konstitutive Regeln 22
6. Institutionelle Tatsachen 23
IV. Durch Deklaration geschaffene Status-Funktionen 24
V. Das Verhältnis dieses Buchs zum philosophischen Gesamtprojekt 31
VI. Prinzipien und Unterscheidungen, die für unsere Untersuchung maßgeblich sind 33
1. Mentale, geistabhängige und geistunabhängige Phänomene. Intentionalitätsrelativität 34
VII. Objektivität und Subjektivität im epistemischen Sinn versus Objektivität und Subjektivität im ontologischen Sinn 35
Anhang: Vergleich zwischen der allgemeinen Theorie des vorliegenden Buchs und der speziellen Theorie der Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit 37
1. Fälle ad hoc 38
2. Freistehende Y-Termini 39
3. Institutionelle Tatsachen, die keine kollektive Anerkennung voraussetzen 40
Modifikationen der Terminologie 43
2 Intentionalität 46
I. Intentionalität. Grundbegriffe 46
Intentionalität und Bewußtsein 48
Die Struktur intentionaler Zustände 49
II. Netz und Hintergrund 56
III. Absichten und Handlungen 59
IV. Komplexe Absichten und Handlungen 63
V. Die allgemeine Struktur der Intentionalität 68
3 Kollektive Intentionalität und Zuweisung von Funktionen 75
I. Analyse der kollektiven Intentionalität 76
II. Gängige Erklärungen der kollektiven Intentionalität 80
Ein Argument gegen die Zurückführung von Wir-Intentionalität auf Ich-Intentionalität 83
Business School, erster Fall 84
Business School, zweiter Fall 85
III. Verschiedene Auffassungen von kollektiver Intentionalität 86
IV. Wie ist es möglich, den Körper des einzelnen durch Wir-Intentionalität in Bewegung zu setzen? 89
V. Die intuitive Motivation der Analyse 96
VI. Die Unterscheidung zwischen Kooperation und kollektiver Anerkennung 98
VII. Die Zuweisung von Funktionen 102
VIII. Fazit 104
4 Biologische und soziale Aspekte der Sprache 106
I. Phonologische, syntaktische und semantische Aspekte der Sprache 109
Diskretheit 110
Kompositionalität 110
Generativität 111
II. Welche Merkmale sind der Sprache und der vorsprachlichen Mentalität gemeinsam? 112
III. Welche Merkmale der Sprache fehlen dem vorsprachlichen Bewußtsein? 117
IV. Besondere Merkmale des Bewußtseins, die der Sprache abgehen 120
V. Die Funktionen der Sprache: Bedeutung, Kommunikation, Repräsentation und Ausdruck 122
VI. Die Unterscheidung zwischen Ausdruck und Repräsentation 124
VII. Sprecherbedeutung als Zuordnung von Erfüllungsbedingungen zu Erfüllungsbedingungen 126
VIII. Sprachliche Konventionen, Wortbedeutung und Satzbedeutung 129
IX. Syntaktische Kompositionalität 131
X. Der nächste Schritt: Deontologie 137
XI. Die Ausdehnung der Deontologie auf die gesellschaftliche Wirklichkeit: Wie die Sprache die Schaffung sozialer Institutionen ermöglicht 144
XII. Zusammenfassung der bisherigen Argumentation 148
XIII. Status-Funktionen-Deklarationen haben nichts Mysteriöses 151
5 Allgemeine Theorie der Institutionen und der institutionellen Tatsachen. Sprache und soziale Realität 153
I. Das Meer der institutionellen Wirklichkeit 153
II. Die allgemeine Theorie der Institutionen und der institutionellen Tatsachen 157
Die Schaffung institutioneller Tatsachen 159
III. Sprechakte und deontische Macht 171
IV. Die fortwährende Aufrechterhaltung der institutionellen Realität: Weitere Deklarationen von Status-Funktionen 174
V. Weitere Fragen 178
Frage 1: Status-Funktionen und deontische Macht 179
Frage 2: Wie kommen wir damit durch? 180
Frage 3: Inwiefern ist diese Erklärung mit der Grundforderung zu vereinbaren? 183
Frage 4: Wieso ist die Sprache nicht nur eine Institution unter vielen, sondern etwas Besonderes? 185
Frage 5: Welches ist die spezielle Rolle der Schrift? 195
Frage 6: Sofern institutionelle Tatsachen nur deshalb existieren, weil man an sie glaubt, stellt sich folgende Frage: Wie ist es möglich, diesbezüglich überraschende, neue Fakten zu ermitteln? Wie können uns die Sozialwissenschaften irgend etwas Neues mitteilen? 196
Frage 7: Warum sind Konstatierungen institutioneller Tatsachen im Regelfall intensionale Aussagen (»intensional« mit S)? 202
Frage 8: Welches ist die Rolle der Phantasie bei der Schaffung der institutionellen Realität? 205
VI. Fazit 207
6 Willensfreiheit, Rationalität und institutionelle Tatsachen 208
I. Deontische Macht 208
II. Warum soll die Gesellschaft diese und nicht eine andere Struktur haben? 223
III. Die Konstruktion der Gesellschaft als technisches Problem 226
IV. Institutionen für unbewußte Roboter? 229
V. Können wir so programmiert werden, daß wir uns wie Roboter verhalten? 232
VI. Die Zusammenhänge zwischen Deontologie, Rationalität und Freiheit 235
VII. Institutionen und brachiale Gewalt 239
VIII. Fazit 241
7 Formen der Macht: Deontische Macht, Hintergrundmacht, politische Macht und andere 244
I. Begriff der Macht 244
II. Foucault und Biomacht 256
III. Hintergrundpraktiken und Machtausübung 260
IV. Das Paradox der politischen Macht: Regierungssystem und Gewalt 270
1. Politische Macht hängt immer von Status-Funktionen ab darum ist politische Macht stets deontische Macht.
2. Da alle politische Macht von Status-Funktionen abhängt, kommt jegliche politische Macht, obwohl sie von oben ausgeübt wird, von unten. 277
3. Obwohl der einzelne aufgrund seiner Fähigkeit zur Mitwirkung an der kollektiven Intentionalität die Quelle aller politischen Macht ist, fühlt er sich im Regelfall machtlos. 279
4. Daß das System politischer Status-Funktionen funktioniert, liegt zumindest teilweise daran, daß anerkannte deontische Macht wunschunabhängige Handlungsgründe generiert. 280
5. Aus der bisherigen Analyse ergibt sich, daß politische Macht im allgemeinen und politische Führungskompetenz als spezielle Fähigkeit auseinandergehalten werden müssen. 284
6. Da politische Macht von Status-Funktionen abhängt, ist sie weitgehend sprachlich konstituiert. 284
7. Um politische Realität in unserem Sinn zu haben, muß eine Gesellschaft mehrere weitere Unterscheidungsmerkmale aufweisen: ... 286
8. Ein Monopol auf bewaffnete Gewalt ist eine wesentliche Voraussetzung für die Existenz eines Regierungssystems. 287
9. Spezielle Merkmale der Demokratie 288
V. Fazit 290
8 Menschenrechte 292
I. Rechte als deontische Machtbefugnisse, die sich von Status-Funktionen herschreiben 295
II. Alle Rechte implizieren Pflichten 297
III. Wie sind allgemeine Menschenrechte möglich? 300
IV. Negative und positive Rechte 308
V. Das Recht auf Redefreiheit 313
VI. Menschenrechte und menschliche Natur 321
VII. Gibt es positive Rechte? 323
VIII. Pragmatische Überlegungen zur Formulierung von Rechten 326
IX. Fünf verbreitete logische Fehler in bezug auf Rechte: Absolute Rechte versus bedingte Rechte versus Prima-facie-Rechte 328
X. Fazit 332
Anhang 334
Abschließende Bemerkungen: Die ontologischen Grundlagen der Sozialwissenschaften 337
Danksagung 341
Sachregister 347
Namenregister 350

462 Intentionalität


Unser Ziel ist es, die Sozialontologie des Menschen zu erklären. Da diese Ontologie ein Produkt des menschlichen Geistes ist, müssen wir bei der Eigenschaft des Geistes ansetzen, von der die Realität, die wir zu analysieren versuchen, hervorgebracht wird. Wir müssen bei der Intentionalität ansetzen.

Diese Richtung der Analyse erfüllt auch unsere Grundforderung: Es soll gezeigt werden, inwiefern die höherstufigen geistigen und gesellschaftlichen Phänomene von den Phänomenen der niedrigeren Stufen (Physik und Biologie) abhängig sind. Biologie beruht auf Physik. Neurobiologie ist ein Zweig der Biologie. Bewußtsein und Intentionalität werden von neurobiologischen Phänomenen verursacht und im Bereich der Neurobiologie realisiert. Die kollektive Intentionalität ist eine Form von Intentionalität, und die Gesellschaft ist ein Produkt der kollektiven Intentionalität.

I. Intentionalität. Grundbegriffe


Das Wort »Intentionalität« ist ein ambitionierter Philosophenausdruck für jene Fähigkeit des Geistes, die es ermöglicht, ihn auf Gegenstände und Sachverhalte in der Welt zu richten – die es also ermöglicht, daß er von diesen im Regelfall geistunabhängigen Gegenständen und Sachverhalten handelt. Wenn ich glaube, daß es regnet, einen Anstieg des Zinssatzes befürchte, ins Kino gehen möchte oder lieber Cabernet Sauvignon als Spätburgunder trinke, befinde ich mich in jedem dieser Fälle in einem intentionalen Zustand. 47Intentionale Zustände sind immer derart, daß sie von etwas handeln, das heißt: sich auf etwas beziehen. In einem gewöhnlichen Fall – beispielsweise dann, wenn ich ins Kino zu gehen beabsichtige – ist das Intendieren (Beabsichtigen) nur eine Art von intentionalem Zustand unter vielen, wie zum Beispiel: Glauben, Wünschen, Hoffen und Fürchten.[1]

Bei der Intentionalität müssen wir deshalb ansetzen, weil man, um die Gesellschaft zu verstehen, kollektives menschliches Verhalten verstehen muß. Kollektives menschliches Verhalten wiederum ist eine Äußerung kollektiver Intentionalität; und um diese zu verstehen, muß man begreifen, was es mit der individuellen Intentionalität auf sich hat. Ja, um überhaupt etwas von alledem zu verstehen, muß man sich ein Bild vom Bewußtsein machen; und um das Bewußtsein durch und durch zu begreifen, müßte man erfassen, wie das Bewußtsein von Gehirnstrukturen verursacht wird und in diesen Strukturen realisiert ist. Zur Zeit kennt niemand die Antworten auf Fragen wie diese: Wie wird das Bewußtsein von Gehirnvorgängen hervorgebracht? Wie ist es im Gehirn realisiert? Über die philosophischen Aspekte des Bewußtseins wissen wir meines Erachtens ganz gut Bescheid, doch damit werde ich mich an dieser Stelle allenfalls insoweit befassen, als diese Aspekte mein Hauptthema – also die Intentionalität – betreffen. In diesem Kapitel werde ich in Umrissen eine Theorie der Intentionalität darlegen, welche die wesentliche Voraussetzung für ein Verständnis der Sozialontologie bildet. Die Hauptaufgabe besteht darin, eine Handvoll von Grundbegriffen zu erklären. Dieser Aufgabe, die ich in recht nüchterner und 48konventioneller Weise zu erfüllen gedenke, wende ich mich jetzt zu.[2]

Intentionalität und Bewußtsein


Intentionalität ist, wie gesagt, ein Name für die Gerichtetheit oder Bezüglichkeit mentaler Zustände. Nicht alle mentalen Zustände sind intentionaler Art. Ich kann etwa in einem Zustand der Besorgtheit oder der Nervosität sein, ohne daß ich wüßte, worüber ich mir Sorgen mache oder worauf sich meine Nervosität bezieht. Besorgtheit und Nervosität brauchen keinen Bezug auf irgend etwas zu haben. Solange ich wach bin, bin ich mir zu jedem gegebenen Zeitpunkt einiger meiner intentionalen Zustände bewußt. Im jetzigen Augenblick etwa bin ich mir dessen bewußt, daß ich hungrig bin, aber viele meiner mentalen Zustände sind mir meistens gar nicht bewußt. Daß George Washington der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war, glaube ich auch dann, wenn ich nicht daran denke, ja sogar dann, wenn ich schlafe. Die Unterscheidung zwischen Bewußtheit und Unbewußtheit und die Unterscheidung zwischen dem Intentionalen und dem Nichtintentionalen kreuzen sich demnach in einer Weise, die uns vier logisch mögliche Formen an die Hand gibt: bewußte intentionale Zustände, unbewußte intentionale Zustände, bewußte nichtintentionale Zustände und unbewußte nichtintentionale Zustände. Daß es Beispiele für die ersten drei Kategorien gibt, liegt auf der Hand. Über die Frage, ob wirklich Fälle vorkommen, die unter die vierte Rubrik – die unbewußten nichtintentionalen mentalen Zu49stände – fallen, bin ich mir nicht im klaren. Vielleicht wäre die unbewußte ungerichtete Besorgheit ein Beispiel für einen solchen Zustand. Darüber, ob es wirklich solche Beispiele gibt, bin ich mir zwar nicht sicher, aber zumindest wird die Möglichkeit ihres Vorkommens von der Taxonomie berücksichtigt.

Die Struktur intentionaler Zustände


Jeder intentionale Zustand läßt sich in zwei Komponenten teilen: in den Typus des jeweiligen Zustands und dessen Inhalt, im Regelfall einen propositionalen Inhalt. Die Unterscheidung zwischen intentionalem Typus und propositionalem Inhalt läßt sich mit Hilfe der Notation »S(p)« darstellen. So kann ich zum Beispiel glauben, daß es regnet, befürchten, daß es regnet, oder wünschen, daß es regnet. In jedem dieser Fälle habe ich es mit demselben propositionalen Inhalt – nämlich p (daß es regnet) – zu tun, aber der intentionale Typus ist jeweils ein anderer. Das heißt, es handelt sich um verschiedene psychische Modi: Glauben, Befürchten, Wünschen und so weiter, und für diese Modi steht das »S«. Viele intentionale Zustände kommen in Gestalt ganzer Propositionen daher, und deshalb werden die Zustände, für die das gilt, von Philosophen häufig als »propositionale Einstellungen« bezeichnet. Das ist eine ungeeignete Terminologie, denn sie legt den Gedanken nahe, der intentionale Zustand sei eine Einstellung zu einer Proposition. Im allgemeinen ist es jedoch so, daß Überzeugungen, Wünsche und so weiter keine Einstellungen zu Propositionen sind. Wenn ich glaube, Washington sei der erste Präsident gewesen, bezieht sich meine Einstellung nicht auf die Proposition, sondern auf Washington. Nur sehr wenige unserer intentionalen Zustände sind auf Propositionen gerichtet. Die meisten richten sich, unabhängig von jeder Proposition, auf Gegenstände und Sachverhalte in der Welt. 50Manchmal kann es allerdings vorkommen, daß ein intentionaler Zustand auf eine Proposition gerichtet ist. Wenn ich beispielsweise glaube, das Gesetz von Bernoulli sei trivial, ist der Gegenstand meines Glaubens eine Proposition, nämlich das Gesetz von Bernoulli. Wenn man den Satz »Andreas glaubt, daß Washington der erste Präsident war« betrachtet, sieht es so aus, als sei die Proposition, daß Washington der erste Präsident war, der Gegenstand des Glaubens. Das ist jedoch eine grammatische Täuschung. Die Proposition ist nicht das Objekt, sondern der Inhalt des Glaubens. In diesem Fall ist Washington der Gegenstand des Glaubens. Die verfehlte Auffassung, »glauben« und sonstige intentionale Verben bezeichneten Relationen zwischen Subjekten des Glaubens und Propositionen, haben in der Philosophie und in der Kognitionswissenschaft einen Schaden angerichtet, dessen Ausmaß zu überschätzen ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Es gibt intentionale Zustände, deren Inhalt keine ganze Proposition ist. Man kann zum Beispiel in Käthe verliebt sein, Willi hassen oder Thomas Jefferson bewundern. In diesen Fällen umfaßt der intentionale Zustand keinen ganzen propositionalen Inhalt, sondern die Repräsentation eines Gegenstands. Das läßt sich nach dem Muster S(n) darstellen, etwa so: »Lieben (Käthe)«, »Hassen (Willi)« oder »Bewundern (Jefferson)«.

Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, geht die Repräsentation der Wirklichkeit durch Sprechakte mit unterschiedlichen Paßrichtungen einher; und ebendieser Begriff der Paßrichtung läßt sich auch auf intentionale Zustände anwenden. Der Glaube etwa hat das Ziel, wahr zu sein; und wenn er falsch ist, verfehlt er sein Ziel. Insofern der Glaube wahr ist, kann man sagen, daß er der Welt entspricht oder sie richtig wiedergibt. Der Glaube, die Überzeugung, hat die Paßrichtung Geist-nach-Welt ?. Wünsche und Absichten hingegen sollen nicht darstellen, wie die Welt ist, sondern wie man sie gern hätte (im Fall der Wünsche) oder wie man sie zu for51men beabsichtigt (im Fall der Absichten). In solchen Fällen kann man sagen, daß die Absicht und der Wunsch die Paßrichtung ? haben. Ein besserer Ausdruck als das Wort »Richtung« wäre vielleicht der Ausdruck »Verantwortung«, die im Hinblick auf das Passen getragen werde. Denn die Überzeugung soll wahr sein und ist daher dafür verantwortlich, daß sie der Welt entspricht. Sie hat die Paßrichtung Geist-nach-Welt. Wenn es der Überzeugung gelingt, dieser Paßrichtung gerecht zu werden, ist sie wahr; sonst ist sie falsch. Doch wenn der Wunsch oder die Absicht fehlschlägt, trägt nicht der Wunsch oder die Absicht die Schuld, sondern es ist die Welt, der man sozusagen den Fehler ankreidet. Aus diesem Grund kann man sagen, daß Wünsche und Absichten die Paßrichtung Welt-nach-Geist haben beziehungsweise die entsprechende Verantwortung für das Passen tragen. Diese Unterscheidung ist hoffentlich intuitiv einleuchtend. Folgendes ist ein nützlicher Anhaltspunkt: Wenn man von einem mentalen...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2012
Übersetzer Joachim Schulte
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Making the Social World. The Structure of Human Civilization
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Analytische Philosophie • Deontologie • Institution • Intentionalität • Making the Social World. The Structure of Human Civilization deutsch • Sozialer Tatbestand • Sozialontologie • Soziologie • Sprache • STW 2222 • STW2222 • suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2222
ISBN-10 3-518-78030-1 / 3518780301
ISBN-13 978-3-518-78030-5 / 9783518780305
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