Moral

Ihre Natur, ihre Dynamik und ihr Schatten

(Autor)

Buch | Hardcover
526 Seiten
2012 | 1. Auflage 2012
Böhlau Köln (Verlag)
978-3-412-20893-6 (ISBN)
35,00 inkl. MwSt
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Dieses Buch handelt von der nobelsten Errungenschaft der menschlichen Kultur. Es handelt von einem erbarmungslosen Mordinstrument, dem mehr Menschen zum Opfer gefallen sind als den schlimmsten Naturkatastrophen. Es handelt von einem Schatz, dessen Glanz Festredner beschwören, ohne die Schlangen und Skorpione zu bemerken, die sich unter ihm sammeln. Es handelt von Gut und Böse, die sich als Antipoden gebärden und doch nur zwei Seiten derselben Sache sind. Es handelt von der Moral.
Der Psychologe und Verhaltensforscher Norbert Bischof analysiert aus interdisziplinärer Perspektive, wie die affektiven Mechanismen funktionieren, denen das moralische Werturteil entspringt. Dabei legt er deren evolutionäre Wurzeln frei, würdigt aber auch den Qualitätssprung, den die Tiernatur beim Übergang zum Menschen durchlaufen hat. Bischof argumentiert aus der Distanz empirischer Forschung, verharrt aber nicht im Unverbindlichen. Er besteht darauf, unbequeme Fragen aufzuwerfen, wohlfeile Antworten zu problematisieren, Tabus in Frage zu stellen und dort, wo sich das Undenkbare abzeichnet, die Augen geöffnet zu halten. So wird erkennbar, dass Moral ein zutiefst paradoxes Phänomen ist, das bei gut gemeinter, aber maßloser Auslegung die Brände schürt, die es löschen soll.

Norbert Bischof lehrt seit 1997 als Honorarprofessor an der Universität München. Er ist Mitglied der nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Träger des Deutschen Psychologiepreises.

Vorwort

Erster Teil – Philosophie der Moral

Kapitel 1 Werte und Tatsachen
Schlüsse und Trugschlüsse
Eine aufschlussreiche Diskussion – Der naturalistische Trugschluss – Der moralistische Trugschluss

Moralisten und Empiristen
Ideologische Standorte – Th eorieverständnis – Menschenbild

Empirie der Moral
Grenzen der moralistischen Perspektive – Der moralistische Refl ex: Eine Warnung – Drei sinnvolle Fragestellungen – Die vierte Frage

Kapitel 2 Was ist Wahrheit?

Das Erwachen aus der Naivität
Die Würde des Menschen – Das trialistische Schema – Zentrifugales und zentripetales Wahrnehmungsverständnis

Das kognitive Potential der Adaptation
Evolutionäre Epistemologie – Veridikalität und Evidenz – Transzendentale Gedankenspiele

Ortho-, Para- und Metakosmos
Veridikalität und Objektvität – Veridikalität und soziale Wahrnehmung –
Drei Klassen von Evidenz – Höhenlinien

Kapitel 3 Auf der Suche nach Letztbegründung

Naturalistische Begründungsversuche
Natur und Setzung – Der historische Wandel des Naturbegriff s – Kritik des naturalistischen Ansatzes

Intuitionistische Begründungsversuche
Die geometrische Methode – Sachverhalte und „Wertverhalte“ – Kritik des intuitionistischen Ansatzes

Eudämonistische Begründungsversuche
Die egoistische Variante – Die utilitaristische Variante – Die harmonistische Variante – Hedonismus und Ungebundenheit – Kritik des eudämonistischen Ansatzes

Deontologische Begründungsversuche
Das Prinzip Pfl icht – Das Gewissen – Formalismus und die Ethik der Tat – Der kategorische Imperativ – Kritik des deontologischen Ansatzes

Diskurstheoretische Begründungsversuche
Die Transformation ins Soziale – Die Argumentation überhaupt – Performative
Letztbegründung – Kritik des diskurstheoretischen Ansatzes

Kapitel 4 Münchhausens Zopf

Das Elend der Philosophie
Philosophia perennis? – Das Münchhausen-Trilemma

Postmoderner Karneval
Das Ende der großen Erzählungen – Anti-Ethik

Der Souverän und das nackte Leben
Homo sacer – Biopolitik

Wassermusik
Sprachbarrieren – Der Wohlklang der Worte – Das Möbius-Band – Zurück zu den Sachen

Kapitel 5 Mechanik und Intentionalität

Freiheit und Vorhersagbarkeit
Das Leib-Seele-Problem – Moral und Gesetz – Das Jaynessche Prinzip – Quantensprünge

Dimensionen anschaulicher Kausalität
Die Achse der Intentionalität – Die Achse der Determination – Die Achse der Autonomie –
Die historische Erschließung der drei Dimensionen

Moral und Intentionalität
Das Trolley-Problem – Notwendigkeit und Verantwortung – Verstehen oder verurteilen

Zweiter Teil – Genealogie der Moral

Kapitel 6 Die ultima ratio

Psychologische Ordnungsversuche
Moral als Motiv – Der milieutheoretische Zugang – Der schichttheoretische Zugang

Anlage und Umwelt
Die Angst um die Freiheit – Adaptation und Bedeutung – Alimentation – Stimulation – Unausweichliche Folgerungen

Das Eleusische Fest
Kopernikus, immerhin – Die Segnungen der Ceres – Gesellschaft als Übernatur

Evolution und Historie
Die „erste“ und die „zweite“ Natur – Die Umpolung der Adaptation – Die Dekonstruktion der natürlichen Umwelt – Die Entmachtung der Selektion – Der ungleiche Wettlauf

Kapitel 7 Mutmaßungen über den Menschen
Die Frage Kants
Randkontraste – Der Wettstreit der Perspektiven – Evolution und Metamorphose

Defizitäre Deutungsansätze
Unzulängliche Definitionsversuche – Das „Mängelwesen“ – Der Hiatus

Innovative Deutungsansätze
Reflexion – Sprache – Zeitbewusstsein

Kapitel 8 Evolutionäre Anthropologie

Das Kräftespiel der Instinkte
Die instinktive Grundausstattung – Der Coping-Apparat – Die Erschließung der Endsituation

Die innere Probebühne
Die Erfindung der Phantasie – Sprachliche Präadaptation – Das Lächeln der Cheshire-Katze

Der Hiatus der Selbstkontrolle
Das Problem des Antriebsmanagements – Primäre und sekundäre Zeit – Santinos Munitionsdepot – Exekutive Kontrolle

Die Grammatik der Kommunikation
Der gemeinsame Bau am Weltgerüst – Universale Grammatik – Die kommunikative Funktion der Syntax

Kapitel 9 Die beunruhigenden Musen

Identität
Kategorien – Diachrone Identität – Synchrone Identität – Permanente Identität

Exzentrizität
Das „I“ und das „me“ – Empathie – Th eory of Mind – Reflexion auf Bezugssysteme

Aeternität
Zwischen zwei Nichtse eingekrümmt – Die offene Zukunft – Missweisungen der permanenten Identität

Kapitel 10 Moralanaloges Verhalten

Definitionsfragen
Bedeutungsverwandte Begriff e – Erste Arbeitsdefinition von Moral

Nächstenliebe
Gruppenselektion – Die Rolle der Blutsverwandtschaft – Vertrautheit und Fremdheit

Fernstenliebe
Die Funktion der Sexualität – Die fehlfarbige Königin – Die Keime des Kosmopolitismus

Verwandtschaftsneutrale Prosozialität
Spieltheoretische Anleihen – Falken, Tauben und Vergelter – Reziproker Altruismus

Diesseits des Tauschprinzips
Ultimate und proximate Erklärungen – Können Tiere „Buch führen“? – Der bekannte Unbekannte

Kapitel 11 Der moralische Instinkt

Soziogene Moral
Zweite Arbeitsdefinition von Moral – Das Volk ohne Liebe – Stimulation oder Alimentation?

Biogene Moral
Jenseits von Gut und Böse – Moralische Grammatik – Wider eine „Fassadentheorie“ der Moral – Die Kontinuitätsannahme

Das labile Gleichgewicht
Der innere Schiedsrichter – Der Fluch der Sekundärzeit – Der Drang zur Mitte

Eine neue Geschichte der Menschheit
Die Erfindung der Elternliebe – Das Ende der Gewalt – Die inneren Dämonen und die besseren Engel – Die Intentionalität der Meme

Dritter Teil – Synergie der Moral

Kapitel 12 Soziale Selbstorganisation

Die Entstehung von Struktur
Autopoiese – Dissipative und konservative Strukturen – Enkrustation

Soziologische Analogien
Gesellschaft als dissipative Struktur – Die Metapher der „Versklavung“ – Bifurkationen und lokale Minima – Phasenübergänge

Wertgefühl und Normen
Das normative Korsett – Stabilisierende Effekte – Spielarten der Sanktion Sozialstruktur und Motivstruktur
Die Frage der „Materialeigenschaften“ – Der „psychische Apparat“ – Gewissen und Gemüt

Kapitel 13 Moralische Entwicklung

Genetische Epistemologie
„Heteronome“ und „autonome“ Moral – Ein Schlupfloch für den naturalistischen Trugschluss?

Die Ontogenese des moralischen Urteils
Dilemmata – Das „präkonventionelle“ Stadium – Das „konventionelle“ Stadium – Das „postkonventionelle“ Stadium

Methodenfragen
Kritische Stimmen – Explizite und implizite Moral – Sachimmanente Entfaltungslogik?

Kapitel 14 Die Regulation der sozialen Distanz

Die Wahlverwandtschaften
Sympathie und Antipathie – Chemie als Modell – Blutsverwandtschaft und Wahlverwandtschaft

Kybernetik der Bindungsmotivation
Die Bindungstheorie – Sicherheit und Erregung – Synchronisation und Dominanz – Alpha- und Omega-Hierarchie – Autonomie und Sexualität

Soziale Entwicklung
Kindheit und Adoleszenz – Sekundäre Bindung – Akklimatisation und Revision

Kapitel 15 Gut und Böse

Psychische Grenzen
Distanzäquivalente – Verschmelzende und spiegelnde Identifikation – Ichgrenze und Ranghöhe

Liebe und Hass
Pro bono – contra malum – Lebenstrieb und Todestrieb – Bindung und Aufl ösung – Libido und Destrudo

Das sogenannte Böse
Reaktive Aggression – Spontane Aggression – Die Blüte aus dem ruppigen Ast

Kapitel 16 Tugend und Schönheit

Autonomie und Altruismus
Von der philonikia zur philotimia – Status auf zwei Ebenen – Selbstwertgefühl und Leistungsmotivation – Die Attraktivität der Tüchtigkeit – Areté und Hilfsbereitschaft

Das Problem der Kalokagathia
Areté als Schönheit – Die „graue Seele“ – Soziologische Erklärungsversuche – Soziobiologische Erklärungsversuche

Das „ästhetische Werturteil“
Ethologische Erklärungsversuche – Das Erscheinungsbild der Selbstdomestikation – Evolutionsstabile Gruppenselektion – Kritik des ästhetischen Werturteils

Kapitel 17 Der Werthöhensinn Richtung und Gewicht von Werten
Moral und Werthöhe – Das Relativismusproblem – Kulturvergleichende Studien – Werte und Motivdynamik

Gerechtigkeit
Das bindende Versprechen – Das Prinzip des sozialen Gleichgewichts – Reziprokation – Solidarität – Die Energie des Ungleichgewichts

Reinheit
Die Vollkommenheit der Person – Phylogenese der Reinheit – Prägnanz – Rein bleiben und reif werden

Kapitel 18 Schuld und Scham

Zur Phänomenologie des Schuldgefühls
Schuld und Gehorsam – Schuld und Ausgleich – Schuld und Permanenz

Psychodynamik der Schuld
Status und Besitz – Dysfunktionale Eff ekte – Strategien der Schuldreduktion

Zur Phänomenologie des Schamgefühls
Scham und Schwäche – Scham und Aufmerksamkeit – Scham und Grenze – Scham und Reinheit

Psychodynamik der Scham
Das schutzbedürftige „I“ – Abgrenzung und Schuldfähigkeit – Scham und Aufwand – Aidos und ais’chyne

Vierter Teil – Paradoxie der Moral

Kapitel 19 Die Relativitätstheorie der Moral

Das Bindemittel der Identifi kation
Biologische Wurzeln der Vergesellschaftung – Die beiden Achsen der permanenten Identität – Gestaltfaktoren der Identifi kation – Identität und Gleichheit – Global village?

Die Geschichte von der Kosbi
Säuberung – Integration oder Ausrottung – Als Kaiser Rotbart lobesam

Gott und der Teufel
Die Moral und ihr Schatten – Das Forum der Pharisäer – Gnadenlose Pfl icht

Das antisoziale Dreieck
Der Krieger und sein Feind – Der Mörder und sein Opfer – Der Henker und sein Täter –
Die Relativität der Perspektive

Dilemmata und Paradoxe
Der Radius der Wir-Gruppe – Die Frage der Kriegsschuld – Die Immunität der Nichtkombattanten – Gottesurteil und Siegerjustiz

Kapitel 20 Der Meister aus Deutschland

Die dunkle Seite der Macht
Die These der Singularität – Die Shoah-Identität – I’m bad

Stereotype
Das Ärgernis des Nationalcharakters – Sir Roger’s Smoking – Das Bild vom anderen

Der hässliche Deutsche
Ordnung und Maßlosigkeit – Machthunger und Unterwürfigkeit – Sentimentalität und Gemütskälte

Akademische Deutungen
Der autoritäre Charakter – Hitlers willige Vollstrecker – Ganz normale Männer – Intentionalisten und Funktionalisten – War Hitler ein Mensch?

Kapitel 21 Das Volk ohne Grenzen

Der Gottesstaat
Der Leviathan – Die Sozialstruktur der Kapauku – Die Sozialstruktur der Tsonga – Demos und Ethnos

Die Immunschwäche des Leviathan
In etwas Größerem aufgehen – Das Böse in den Genen – Die Trägheit der Meme – Kultur als Inzuchtgemeinschaft

Der „spatial turn“
Gesellschaft und Raum – Historische Positionen – Die Wiederentdeckung des Raumes – Geographie als Schicksal?

Kapitel 22 Die eigene Gebärde

Das Unbehagen in der Leitkultur
Die „deutsche Geste“ – Erste Nachkriegs-Modelle – Der Historikerstreit – Anschwellender Bocksgesang – Die Moralkeule

Ablösung und Rückbindung
Die Dialektik der Adoleszenz – Die Ladung der Identitätsachsen – Die Spiegelung in der Zeit

Degeneration
Verschmelzung und Distanzierung – Die Apotheose der Sicherheit – Die Apotheose der Erregung – Die Disruption der Werthaltungen

Die Moral von der Geschichte
Patchwork-Identität? – Nie wieder! – Unverkrampft ist leicht gesagt

Literatur
Abbildungsnachweise
Namen- und Sachregister

Erscheint lt. Verlag 3.8.2012
Zusatzinfo 220 s/w-Abb.
Sprache deutsch
Maße 170 x 240 mm
Gewicht 1120 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Das Böse • Das Gute • Empirische Forschung • Gut und Böse • Moral
ISBN-10 3-412-20893-0 / 3412208930
ISBN-13 978-3-412-20893-6 / 9783412208936
Zustand Neuware
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