Lebenserhaltung als Haftungsgrund (eBook)

(Autor)

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2010 | 2010
XVI, 300 Seiten
Springer Berlin (Verlag)
978-3-642-12731-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lebenserhaltung als Haftungsgrund - Petra Baltz
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In der Arbeit wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen die Erhaltung menschlichen Lebens Schadensersatzansprüche des Patienten begründet. Die Fragestellung ergibt sich aus dem Patientenrecht auf Selbstbestimmung, das auch die Ablehnung lebenserhaltender Maßnahmen regelt. Nach Darstellung der straf- und haftungsrechtlichen Grundlagen erläutert die Autorin, wer in welcher Situation über lebenserhaltende Maßnahmen zu entscheiden hat. Anhand verschiedener Fallkonstellationen wird geprüft, inwieweit diese Maßnahmen Schadensersatzansprüche auslösen.

Vorwort 6
Inhaltsverzeichnis 7
A. Einführung 14
I. Der Gegenstand der Untersuchung 14
II. Der Gang der Untersuchung 15
B. Die strafrechtlichen Vorgaben zur Sterbehilfe 17
I. Die verschiedenen Patientengruppen 17
1. Sterbende 17
2. Patienten mit infauster Prognose und weit fortgeschrittener Erkrankung 17
3. Patienten mit schwersten zerebralen Schädigungen und anhaltender Bewusstlosigkeit 18
II. Die Formen der Sterbehilfe 19
1. Die aktive Sterbehilfe 19
2. Die indirekte Sterbehilfe 19
3. Die passive Sterbehilfe und der tödliche Behandlungsabbruch 22
4. Die Beteiligung an einem Suizidgeschehen 23
a) Die Beihilfe zum Suizid 23
aa) Abgrenzung zur Tötung in mittelbarer Täterschaft 23
bb) Abgrenzung zur Tötung auf Verlangen 25
b) Die strafrechtliche Beurteilung der unterlassenen Suizidverhinderung 26
aa) Strafbarkeit wegen Tötung durch Unterlassen nach §§ 211 ff., 13 StGB 26
bb) Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB 29
C. Grundlagen der Haftung für medizinische Behandlung 32
I. Haftungsbegründende Verhaltensweisen des Arztes 32
II. Anspruchsgrundlagen im Arzthaftungsrecht 32
III. Pflegehaftungsrecht 53
D. Die Entscheidung über die Vornahme lebenserhaltender Maßnahmen 54
I. Der einwilligungsfähige Patient 54
II. Der nicht oder nicht mehr einwilligungsfähige Patient 57
III. Die Bedeutung von Patientenentscheidung, Vertreterentscheidung und mutmaßlichem Patientenwillen in den tatbestandlichen Str 134
E. Lebenserhaltung bei Sterbenden, unheilbar Kranken und anhaltend bewusstlosen Patienten 138
I. Die Vornahme lebensverlängernder Maßnahmen 138
II. Die Verweigerung indirekter Sterbehilfe 185
III. Die Verweigerung der Beihilfe zum Suizid 186
IV. Die Verweigerung aktiver Sterbehilfe 199
F. Die lebensrettende Bluttransfusion ohne die Einwilligung des heilungsfähigen Patienten 200
I. Der Sachverhalt im Fall OLG München NJW-RR 2002, S. 811 ff. 201
II. Schadensersatzansprüche wegen eigenmächtiger Bluttransfusion 202
1. Überblick über die Anspruchsgrundlagen 202
2. Die Eigenmächtigkeit der Bluttransfusion 202
3. Die Rechtswidrigkeit der eigenmächtigen Bluttransfusion 213
4. Verschulden 217
5. Anspruchsumfang 222
6. Subsidiäre Haftung anstelle der wegen Unzumutbarkeitnormgemäßen Verhaltens entfallenen Haftung 228
7. Ergebnis 230
III. Ansprüche wegen der unterlassenen Ablieferung der Vorsorgevollmacht 231
G. Die Rettung des Suizidenten 233
I. Die anwendbaren Vorschriften 233
II. Anspruch aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 678 BGB 234
III. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB 251
IV. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB 257
H. Schlussbetrachtungen 264
I. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 264
II. Ausblick 274
Literaturverzeichnis 277
Sachverzeichnis 302

"D. Die Entscheidung über die Vornahme lebenserhaltender Maßnahmen (p. 43-44)

Wie bereits ausgeführt wurde, setzt die Rechtmäßigkeit medizinischer Maßnahmen voraus, dass die Behandlung des Patienten nicht eigenmächtig erfolgt.1 Im Folgenden soll dargestellt werden, wer in welcher Situation für die Entscheidung über die Vornahme oder Nichtvornahme lebenserhaltender Maßnahmen zuständig ist, nach welchem Maßstab die Entscheidung getroffen werden muss und welche Auswirkungen auf die Haftung des Handelnden bestehen. Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich zwar vorrangig auf lebenserhaltende Behandlungen, die von Ärzten durchgeführt werden, sie lassen sich aber auf pflegerische Maßnahmen übertragen.

I. Der einwilligungsfähige Patient

Solange der Patient einwilligungs- und äußerungsfähig ist, entscheidet er selbst über die Vornahme oder Nichtvornahme medizinischer Maßnahmen.2 Willigt der entscheidungsfähige Patient in eine Maßnahme nicht ein oder lehnt er sie durch eine auf den konkreten Eingriff bezogene Erklärung sogar ausdrücklich ab, handelt der Arzt deshalb eigenmächtig, wenn er die Maßnahme gleichwohl vornimmt.

Dies gilt unstreitig auch dann, wenn der Patient ohne die Maßnahme verstirbt, da auch bei vitaler Indikation keine Therapiegewalt des Arztes besteht.3 Ohne Belang ist auch, ob die Gründe für die Ablehnung der Heilbehandlung aus der Sicht anderer unvernünftig erscheinen.4 Das Selbstbestimmungsrecht des aktuell entscheidungsfähigen Patienten umfasst das Recht, jede ärztliche Behandlung abzulehnen, ohne dass es hierzu einer besonderen Begründung des Betroffenen bedarf.

1. Einwilligungsfähigkeit


Die Einwilligungsfähigkeit, verstanden als das rechtliche Können, in eine ärztliche Behandlung einzuwilligen oder die Einwilligung zu verweigern, setzt nicht die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit im Sinne der §§ 104 ff. BGB voraus.Die Einwilligungsfähigkeit ist nach herrschender Meinung vielmehr zu bejahen, wenn der Patient die Bedeutung und die Tragweite der Behandlung einschließlich der Folgen ihres Unterbleibens zu erkennen vermag.

Da es für die Einwilligungsfähigkeit auf die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit nicht ankommt, können auch Minderjährige über die Vornahme oder Nichtvornahme einer Behandlung entscheiden, sofern sie über die nötige Urteilskraft verfügen. Minderjährigen unter vierzehn Jahren fehlt nach herrschender Meinung allerdings generell die erforderliche Einsichtsfähigkeit.

Bei der Prüfung der Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen im Alter zwischen vierzehn und achtzehn Jahren ist nach herrschender Ansicht das Alter des Betroffenen sowie die Bedeutung, die Risikoträchtigkeit, die Schwierigkeit und die Dringlichkeit der Entscheidung zu berücksichtigen.8 Die Entscheidung über die Vornahme oder Nichtvornahme lebenserhaltender Maßnahmen ist die denkbar schwerwiegendste, dennoch erscheint auch diesbezüglich die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger nicht völlig ausgeschlossen.

Wenn beispielsweise ein beinahe 18-Jähriger seit Jahren unter einer unheilbaren Krankheit leidet, über die er sehr gut informiert ist und deren Verlauf er bei anderen miterleben konnte, ist eine wirksame Ablehnung weiterer Maßnahmen vorstellbar. Bisweilen wird auch vertreten, dass eine 17-jährige Zeugin Jehovas eine Bluttransfusion wirksam ablehnen kann."

Erscheint lt. Verlag 27.5.2010
Reihe/Serie MedR Schriftenreihe Medizinrecht
MedR Schriftenreihe Medizinrecht
Zusatzinfo XVI, 300 S.
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Sprachwissenschaft
Recht / Steuern Öffentliches Recht
Recht / Steuern Strafrecht
Schlagworte ARB • Arzthaftung • Arzthaftungsrecht • Einwilligung • Gerätesicherheitsgesetz • Haftung • Haftungsrecht • Lebenserhaltende Maßnahmen • MD • Patientenrechte • Patientenverfügung • Selbstbestimmung • Selbstbestimmungsrecht • Sterbehilfe • Wachkoma
ISBN-10 3-642-12731-2 / 3642127312
ISBN-13 978-3-642-12731-1 / 9783642127311
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