Jüdisches Denken: Theologie - Philosophie - Mystik (eBook)

Band 3: Von der Religionskritik der Renaissance zu Orthodoxie und Reform im 19. Jahrhundert
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2009 | 1. Auflage
680 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-40756-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jüdisches Denken: Theologie - Philosophie - Mystik -  Karl Erich Grözinger
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In Band 3 zeigt Karl Erich Grözinger, wie sich das italienische Judentum bereits ab dem 16. Jahrhundert, gut 200 Jahre vor der Aufklärung im mitteleuropäischen Judentum, den modernen Wissenschaften und Künsten öffnete und damit das jüdische Denken in Europa grundlegend veränderte. Verstärkt wurde die daraus resultierende religiöse Unsicherheit noch durch den Zuzug der von der iberischen Halbinsel stammenden sephardischen sowie zwangsgetauften Juden. All dies führte zu einer Religions- und Traditionskritik, die in Spinoza ihren letzten Höhepunkt fand. Parallel entstand, besonders in Osteuropa, eine »orthodoxe« und zugleich innovative Restrukturierung der rabbinischen Tradition. Die Berliner Aufklärung um Moses Mendelssohn trug die vom Mittelmeerraum ausgegangenen Debatten ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in das deutsche Judentum. Hieraus entstand die in der gesamten Neuzeit virulente Auseinandersetzung um Gesetz oder Glaube als dem Zentrum des Judentums, die in die bis heute andauernde Trennung in Reform und Orthodoxie mündete.

Karl Erich Grözinger ist Professor emeritus für Religionswissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam und war Senior Professor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Er ist Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung, der ältesten und von ihm seit 2007 wiederbelebten jüdischen Stiftung in Deutschland.

Karl Erich Grözinger ist Professor emeritus für Religionswissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam und war Senior Professor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Er ist Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung, der ältesten und von ihm seit 2007 wiederbelebten jüdischen Stiftung in Deutschland.

INHALT 6
VORWORT 18
EINFÜHRUNG – GESCHICHTE UND KULTUR DES NEUZEITLICHEN JUDENTUMS 22
1. Jüdische Neuzeit zwischen Mittelalter und Aufklärung 22
2. Aufklärung und Emanzipation (1750–1900) 23
3. Die demographische und politische Situation zu Beginn der Neuzeit 24
4. Die kulturelle und mentale Situation des neuzeitlichen Judentums 27
DAS RINGEN UM DIE VIELFALT WIDERSPRÜCHLICHER WAHRHEITEN IM ITALIEN DER FRÜHEN NEUZEIT 48
I. ERSTE ANZEICHEN DER VERÄNDERUNG – VORBEMERKUNG 48
II. ‘ASARJA (BUONAIUTO) DEI ROSSI (CA. 1511 – CA. 1578) UND SEIN ME’OR ‘ENAJJIM 50
1. Leben und Werk 50
2. Historiographische Essays aus jüdischen und nichtjüdischen Quellen 51
3. Prisca theologia und historische Wahrheit 52
4. Ideengeschichte 56
III. DIE ENZYKLOPÄDISTEN 60
A. Anlässe und Ziele der Stoffsammlungen 60
B. Josef Schlomo Delmedigo (1591–1655) und ’Elija Delmedigo (1460–1497) 63
1. Vorbemerkung 63
2. ’Elija Delmedigo – Leben und Werk 63
3. Josef Schlomo Delmedigo – Leben und Werk 66
4. Die Schriften Josef Schlomo Delmedigos 67
5. Arten des Wissens – die Lehren von der doppelten und dreifachen »Wahrheit« 69
6. Josef Delmedigo und die Kabbala 77
7. Das Ende des mittelalterlichen Aristotelismus – Josef Delmedigos Kritik und Neusetzung 80
C. TUVJA HA-KOHEN (1652–1729) 86
1. Ma‘ase Tuvja – eine medizinisch-philosophische Enzyklopädie 86
2. Zielsetzung des Buches – Bildung der Juden 89
TRADITIONS- UND RELIGIONSKRITIK 94
I. LEONE MODENA DI VENEZIA (1571–1648) – ZWISCHEN RABBINISCHER TRADITION, KUNST, PHILOSOPHIE, KABBALA UND CHRISTENTUM 94
1. Biographische Notiz 94
2. Kol Sachal – Stimme eines Toren 94
3. Die Offenbarung und die Bedeutung der Tora 109
4. Das Naturrecht 112
5. Die Schriftliche und die Mündliche Tora 115
6. Der neue Schulchan ‘Aruch 123
7. Vernunft und Offenbarung, ihr Ort im jüdischen Leben 125
8. Die Geschichte als hermeneutische Kategorie 134
II. URIEL DA COSTA (ACOSTA) (1583/4–1640) 137
1. Das Exemplarische des Falles Uriel da Costa 137
2. Biographisches – Rückkehr zum Judentum und Konflikt 139
3. Da Costas marranische Religion 143
4. Die Thesen wider die rabbinische Tradition 145
5. Das Naturrecht 151
6. Der Traktat wider die Unsterblichkeit der Seele 153
7. Biblische Literaturkritik 157
III. BENTO BARUCH BENEDICTUS DE SPINOZA (1632–1677) 159
1. Biographisches 159
2. Spinoza – ein Vertreter des jüdischen Denkens? 160
3. Vernunft und Offenbarung 163
4. Die Traditions- und Religionskritik Spinozas 165
5. Die Philosophie Spinozas 193
RESTAURATIV-INTEGRATIVE ORTHODOXIE DER VORAUFKLÄRUNG 230
I. VORBEMERKUNG – WAS IST JÜDISCHE ORTHODOXIE? 230
II. DIE HAGGADA ALS THEOLOGISCHE MITTE DES JUDENTUMS – JEHUDA LIWAJ BEN BEZALEL – MAHARAL VON PRAG (1512/26–1609) 234
1. Der Maharal als Schöpfer des Golem 234
2. Zwischen Worms, Posen, Nikolsburg und Prag 236
3. Die Schriften des Maharal 237
4. Ziele und Positionen: Tradition-Philosophie-Kabbala 238
5. Kritik der Philosophie und »Kritik der reinen Vernunft« 244
6. Natürliche und spirituelle Erkenntnis in einem zweigeteilten Sein – menschlicher und göttlicher Intellekt 247
7. Das zweigeteilte Sein 252
8. Gott und die Schöpfung 258
9. Der Mensch 262
11. Der Messias 277
III. TRANSFORMATION DER THEOLOGISCH-PHILOSOPHISCHEN SCHOLASTIK IM RELIGIÖSEN GOTTESDIENST – MOSES ISSERLES (1525/30–1572) 282
1. Biographisches und Bedeutung 282
2. Die Transformation von Philosophie und Kabbala in Religion 284
3. Die Entsprechung von Tempel und »Sein« – nach dem Bild der mittelalterlichen Ontologie 286
4. Die Kabbala entspricht der Philosophie 290
5. Gott – ein Kaleidoskop verschiedener Traditionen 293
6. Der Mensch und sein Ziel in dieser Welt – das Gesetz 296
7. Die Halacha als Abbild der Schöpfung – halachische Ebenbildlichkeit 299
8. Die »Glaubensartikel« – ‘Ikkarim, nach Maimonides, ’Albo und Isserles 301
IV. TORAFRÖMMIGKEIT – HAJJIM AUS WOLOSCHYN (VOLOZHIN 1749–1821)
1. Biographisches – die neue Jeschiva 314
2. Die Lehren des Rabbi Hajjim 316
HASKALA – DIE JÜDISCHE AUFKLÄRUNG 344
I. EINFÜHRUNG 344
II. DER NATURWISSENSCHAFTLICH-EMPIRISTISCHE ANSATZ MORDECHAI GUMPEL SCHNABER-LEVISON (1741–1797) 351
1. Biographisches 351
2. Die Beziehungen zur zeitgenössischen Philosophie, insbesondere zu John Locke 352
3. Die neuen Wissenschaften und die Tora 354
4. Physiko-Theologie statt Metaphysik 358
5. Proto-Darwinismus – die Hierarchie der Geschöpfe 364
6. Der Mensch 366
7. Gott 369
8. Wahrheit und Glaube 371
9. Die Prophetie 376
10. Die Notwendigkeit der Tora und ihrer Gebote 378
III. DER RELIGIONSPOLITISCHE ANSATZ – MOSES MENDELSSOHN (1729–1786) 381
1. Biographisches – Konversionsdruck von außen 381
2. Religion und Staat – Definitionen und Aufgaben – die Stellung des Judentums 386
3. Die Religion der Vernunft – oder die natürliche Religion 389
4. Das Judentum 405
IV. DER RELIGIONSWISSENSCHAFTLICHE ANSATZ – SAUL ASCHER (1767–1822) 418
1. Das Wesen des Judentums: Gesetz oder Glaube? – Die Zielsetzung des Leviathan 418
2. Religion als Gegenstand der Religionsphilosophie 421
3. Das Wesen der Religion 422
4. Offenbarungsreligion und der Glaube 426
5. Der Glaube und die Vernunft – zwei eigenständige Erkenntnisweisen 428
7. Gesetz und Glaube – ihr Verhältnis zueinander 436
8. Die Reform des Judentums – Möglichkeiten und Grenzen 438
V. DER HISTORISCHE ANSATZ – WISSENSCHAFT DES JUDENTUMS – NACHMAN KROCHMAL (1785–1840) 445
1. Vorbemerkung 445
2. Biographisches 445
3. Der More Nevuche ha-Seman – »Führer der Irrenden dieser Zeit« 447
4. Die Wege zum neuen Verstehen 451
5. Der Geist eines Volkes als sein »Gott« – und Israels Gott, der »absolute Geist« 459
6. Gott als neoplatonischer Allgeist in neo-idealistischer Version 463
7. Die Geschichte 467
8. Die Mündliche Tora 472
NEUORIENTIERUNG NACH DER AUFKLÄRUNG UND KONFESSIONALISIERUNG DES JUDENTUMS 478
I. SUCHE NACH WEGEN AUS DEM VON DER AUFKLÄRUNG HERBEIGEFÜHRTEN DILEMMA JÜDISCHER IDENTITÄT 478
1. Idealistische Philosophie und Historiosophie – Wege der Neudefinition des Judentums 478
2. Die Einheit Gottes 485
3. Die geschichtliche Hermeneutik oder die »dogmatische Historiosophie« 486
II. UNBEWUSSTER WANDEL IM SELBSTVERSTÄNDNIS DES JUDENTUMS 490
1. Synagogenordnungen 490
III. JUDENTUM ALS RELIGION DER TORA – DIE NEOORTHODOXIE – SAMSON RAPHAEL HIRSCH (1808–1888) 497
1. Samson Raphael Hirsch, seine Neunzehn Briefe über Judentum und seine Gemeinde 497
2. Die Geschichte als Grundlage des Glaubens 499
3. Die Lehren der Geschichte laut der Bibel 503
4. Kritik an Rabbinismus, Philosophie und Teilen der Kabbala 516
5. Ein Judentum von Gebot mit Geist 517
6. Die Tora als jüdische Lebensregel – der Chaurew 519
IV. JUDENTUM ALS RELIGION DES GEISTES – SALOMON FORMSTECHER (1808–1889) 539
1. Biographisches 539
2. Die Religion des Geistes 539
2. Die Religion des Geistes 539
3. Gott und die Welt 542
4. Natur und Geist 545
5. Heidentum und Judentum 562
6. Prophetie, Heilige Schrift und Tradition 565
7. Die mosaische Vision der Staatsgründung als Theokratie 566
8. Die Rolle und Bedeutung der Gebote und Zeremonien 568
9. Die Geschichts-Philosophie 570
10. Christentum und Islam als »getarnte« Sendboten des Judentums 575
V. JUDENTUM DES GEFÜHLS, DES BEWUSSTSEINS UND DER THEOLOGISCHEN WISSENSCHAFT – ABRAHAM GEIGER (1810–1874) 579
1. Biographisches 579
2. Wissenschaft und Jüdische Theologie 580
3. Geigers Judenthum und seine Geschichte als theologisches Werk 583
4. Das Wesen der Religion und das Wesen des Menschen 584
5. Der Mensch als Ebenbild Gottes 592
6. Die Offenbarung – deren anthropologische und ethnische Grundlage 594
7. Das Wirken des Geistes in der Geschichte Israels – Offenbarung und Tradition 602
8. Die theologischen Errungenschaften des Judentums 606
9. Gebot und Gottesdienst im Dienste des religiösen Bewusstseins 611
10. Die Reform des Gottesdienstes 612
11. Die Stellung der Gebote 614
VI. JUDENTUM ALS RELIGION DER VERNUNFT – HERMANN COHEN (1842–1918) 618
1. Biographisches 618
2. Das Wesen der Religion 620
3. Die Korrelation als methodische Grundlage jeglicher Rede von Gott, Welt und Mensch 631
4. Der Mensch 641
5. Offenbarung und Gesetz 654
REGISTER 660

Die Zeit, in der man das jüdische Mittelalter mit Moses Mendelssohn oder der Haskala, also der jüdischen Aufklärung, zu Ende gekommen sah, ist endgültig vorüber, dafür ist dieser Band ein eindrückliches Zeugnis. Das europäische Judentum ist nicht nur Judentum in Europa, sondern seinem Wesen und seiner Kultur nach europäisches Judentum. Das hatte zwar schon das in Band eins und zwei Dargestellte gezeigt, aber die innerjüdischen Veränderungen in der Neuzeit bele-gen mit unwiderlegbarem Nachdruck, wie eng verzahnt das europäische Judentum, trotz aller Ausgrenzungen, Vertreibungen und Pogrome, mit der allgemeinen kulturellen Entwicklung in Europa war. Auch wenn die Schrittmacher zuweilen nur Einzelne waren, und sie waren es nicht immer, so war das doch auch im christlichen Europa kaum anders. Das neue Denken in Philosophie, Wissenschaft und anderen Kulturbereichen hielt stets mit der allgemeinen Entwicklung Schritt, so dass sich auch für das europäische Judentum eine klar abgegrenzte Kultur der Neuzeit erkennen lässt, in deren Rahmen die jüdische Aufklärung letztlich nur ein weiterer Schritt war und nicht ein Umbruch von einem angeblich verlängerten Mittelalter. Dem Ende dieser Neuzeit kann indessen eine gewisse Phasenverzögerung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zugebilligt werden, weshalb dieser Band mit dem philosophischen Höhepunkt des deutsch-jüdischen Denkens abschließt, mit dem Marburger und Berliner Neu-Kantianer Hermann Cohen, der im April 1918 gegen Ende des Ersten Weltkrieges gestorben war. Mit den dem Krieg folgenden Umbrüchen, der Weimarer Zeit, dem erstarkenden Antisemitismus, der drohenden Katastrophe und den verstärkten zionistischen Bestrebungen, bricht auch kulturell und philosophisch eine andere Zeit in der Geschichte des jüdischen Denkens an. Mit dem Tod Cohens wurden die mit der Aufklärung gewachsenen optimistischen Aussichten des neuzeitlichen europäischen Judentums zu Grabe getragen. Das deutliche Profil der jüdischen Neuzeit und die große Fülle an denkerischen Leistungen, von denen hier nur ein bedauerlich schmaler Ausschnitt gezeigt werden kann, hatten zur Folge, dass Autor und Verlag entschieden, dem ur-sprünglich auf drei Bände ausgelegten Werk einen vierten für die Moderne bis zur Gegenwart folgen zu lassen. Viele bekannte und wichtige Namen, die teilweise wenigstens in der Einfüh-rung oder in den Fußnoten genannt werden konnten, wird man in der hier gebotenen ausführlicheren Darstellung vermissen. Aber das Ziel war, wie in den vorangegangenen Bänden, in einem vertretbaren Umfang ein gewisses repräsentatives Bild zu zeichnen, Grundlinien aufzuzeigen und angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Richtungen und Strömungen eine erste Orientierungshilfe zu bieten und dabei die voranschreitenden und die bewahrenden Kräfte gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen. Dies war umso mehr berechtigt, als auch das konservative Bewahren, die 'orthodoxe' Einstellung, nicht einfach eine Weitergabe des Überkommenen bedeutete. Auch das Weitergeben und Hüten der alten Werte konnte doch immer nur durch gewissen Neudeutungen gelingen, weshalb diese Richtung hier als 'Restaurativ-integrative Orthodoxie' benannt wurde, weil sie, wie dann auch die Neoorthodoxie des 19. Jahrhunderts, doch etwas Neues im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen war. Das Überraschende wird für manchen Leser sein, dass Baruch Spinoza, den viele wegen seiner Haltung und seinen Lehren aus dem Kanon des jüdischen Denkens ausgeschlossen sehen wollen, nicht als ein einzelner unbegreiflicher Abtrünniger dasteht, sondern als gipfelnder Abschluss einer Linie, die sich im europäischen Judentum als relativ breiter Strom bis ins 16. Jahrhundert hinab verfolgen lässt. Spinoza ist damit, philosophiegeschichtlich gesprochen, ein inte-grales Glied des jüdischen Denkens. Er steht am Ende des zweiten Teiles, der die Überschrift 'Traditions- und Religionskritik' trägt. Dieser Phase der Traditions- und Religionskritik ging eine andere des 'Ringens um die widersprüchliche Vielfalt von Wahrheiten' voran. In dieser ersten kritischen Phase wurden nicht nur die aristotelischen Lehren des Mittelalters hinterfragt, sondern auch die sich gegenüberstehenden Wahrheiten von rabbinischer Tradition, Kabbala und Philosophie. Hinzu kamen die neuen Wahrheiten der empirischen Wissenschaften, der Astronomie, der Physik, der Medizin und schließlich auch der Geschichts-Wissenschaft, die teilweise als doppelte Wahrheiten oder in enzyklopädischer Pluralität rezipiert wurden. Die in der Forschung bisher zuweilen als Ende des Mittelalters dargestellte Haskala (Aufklärung) markiert vor diesem Hintergrund letztlich nur eine weitere Etappe, die zum Teil von analogen Personengruppen, wie zum Beispiel von Ärzten, getragen wurde. Die Aufklärung selbst ist darum auch keine einlinige Bewe-gung, sondern verläuft in mehreren parallelen Strängen, die hier als unterschiedliche Ansätze dargestellt wurden, als naturwissenschaftlich-empiristischer Ansatz, als religionspolitischer, als religionswissenschaftlicher und als historischer Ansatz. Das folgende 19. Jahrhundert erscheint demgegenüber als eine Phase der versuchten Konsolidierung, hier als 'Neuorientierung nach der Aufklärung' überschrieben. Jetzt wurden neuerliche Gesamtentwürfe der Deutung des Judentums vorgelegt, die zugleich die durch die Aufklärung vorbereitete 'Konfessionalisierung' des Judentums verfestigten. Diese vielfältigen Neuentwürfe von Judentum des 19. Jahrhunderts bedienten sich auf breiter Front der in Deutschland und darüber hinaus angebotenen philosophischen Deutungsparadigmen, deren Herkunft durch die Kapitelüberschriften leicht zu erahnen ist: Judentum der Tora (Neoorthodoxie), und die dem Reformlager zuzurechnenden Entwürfe eines Ju-dentums als Religion des Geistes, Judentum des Gefühls, des Bewusstseins und der theologischen Wissenschaft und schließlich Judentum als Religion der Vernunft. Natürlich hat in der jüdischen Neuzeit die esoterische Theologie, das heißt die Kabbala, und mit ihr verbundene Formen der Mystik gleichfalls eine wesentliche Rolle gespielt. Darauf wurde in der hier folgenden Einführung hingewie-sen, ihre ausführliche Darstellung findet sich jedoch schon im Band zwei des 'Jüdischen Denkens'. Dort setzt die Neuzeit mit der für diese nicht unspezifischen lurianischen Kabbala ein. Hierher gehören die für die Magiegläubige Renaissance und Neuzeit typischen Ba'ale Schemot, die in der Einleitung zum Stifter der hasidischen Bewegung, Jisrael Ba'al Schem Tov vorgestellt wurden und schließlich der Hasidismus selbst. Eine eigenwillige Tora-Mystik trug auch der hier im dritten Band zur restaurativ-integrativen Orthodoxie dargestellte Hajjim aus Woloschyn vor. Ich hoffe, mit dieser Auswahl an Denkern einen für diese Zeit repräsentativen Rahmen gesteckt zu haben, der künftigen Arbeiten zu weiteren Autoren als Anhalt dienen mag. Die lange versprochene Bibliographie muss nun allerdings bis zum vierten Band warten und ich bitte die Leser um Nachsicht, wird sie die hier eingebrachte Ernte doch gewiss dafür entlohnen.

Erscheint lt. Verlag 9.11.2009
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Judentum
Schlagworte Judentum • jüdische Aufklärung • Jüdische Religion • Moses Mendelssohn • Orthodoxes Judentum • Rabbinische Tradition • reformiertes Judentum • Religionskritik • Spinoza
ISBN-10 3-593-40756-6 / 3593407566
ISBN-13 978-3-593-40756-2 / 9783593407562
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