Alkohol und Alkoholfolgekrankheiten (eBook)

Grundlagen - Diagnostik - Therapie
eBook Download: PDF
2005 | 2. Auflage
XVI, 614 Seiten
Springer-Verlag
978-3-540-26446-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alkohol und Alkoholfolgekrankheiten -  Manfred V. Singer,  Stephan Teyssen
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Alkohol gefährdet Ihre Gesundheit!

Deutschland belegt weltweit einen Spitzenplatz

Über 10 Liter reiner Alkohol werden pro Kopf und Jahr getrunken

1,7 Millionen Menschen sind alkoholabhängig

10,4 Millionen Menschen haben einen riskanten Alkoholkonsum

Interdisziplinär für alle betroffenen Organsysteme

Grundlagen, Klinik, Diagnostik, Therapie

Berücksichtigung der sozialen, genetischen und rechtsmedizinischen Aspekte

Sozialer Gebrauch, Missbrauch und Alkoholabhängigkeit

Direkte Schädigungen und Folgekrankheiten

NEU in der 2. Auflage

Verbesserte Gliederung zum schnellen, praxisorientierten Nachschlagen

Neue Kapitel:
Experimentelle Modelle des Alkoholismus,
Alkoholabusus: Risikofaktoren für die Anästhesie und Intensivmedizin, Neurobiologie der Alkoholabhängigkeit,
Alkohol und Psychologie Ausführlicher Serviceteil mit Internetadressen aus dem Suchtbereich

DAS Expertenwerk zu Alkohol und seinen gesundheitlichen Folgen für Internisten, Neurologen, Psychiater, Arbeitsmediziner, Ärzte in Suchtzentren und Rehabilitationskliniken und Psychologen

Vorwort zur 2. Auflage 5
Vorwort zur 1. Auflage 7
Inhaltsverzeichnis 9
Autorenverzeichnis 13
I Alkohol in Kultur und Gesellschaft 17
1 Alkohol und Alkoholismus: Kulturgeschichtliche Anmerkungen 18
1.1 Funktionen des Alkohols 19
1.2 Ursprünge des Alkoholkonsums 20
1.3 Gesellschaftliche Regulierungsversuche 22
1.4 Alkoholprobleme und Gegenmaßnahmen am Beispiel der »Gin-Epidemie« 23
1.5 Mäßigkeitsbewegungen und Prohibition in den USA 24
2 Alkohol und bildende Kunst 28
2.1 Alkohol in der Kunst seit Mitte des 19. Jahrhunderts 29
2.2 Einzelne Künstler 31
3 Alkohol und Literatur 35
3.1 Trinkerdarstellungen in der Literatur 35
3.2 Der Autor als verkappter Alkoholiker 36
3.3 Der Autor mit Trinker-Image 36
3.4 Der Autor als Kunsttrinker 37
II Grundlagen 42
4 Begriffsbestimmungen 43
4.1 Historie 43
4.2 Alkoholgenuss 43
4.3 Übergang zwischen Alkoholgenuss/ -gebrauch und -missbrauch 44
4.4 Alkoholrausch 45
4.5 Sucht, Süchtigkeit und Abhängigkeit 46
4.6 Abhängigkeitssyndrom nach ICD-10 und DSM-IV 46
5 Alkoholkonsum – Zahlen und Fakten 49
5.1 Pro-Kopf-Verbrauch 49
5.2 Wirtschaftliche Bedeutung 50
5.3 Konsumverhalten 51
6 Individuelle, soziale und epidemiologische Aspekte des Alkoholismus 56
6.1 Allgemeines 56
6.2 Individuelle Aspekte 58
6.3 Soziale Aspekte 59
6.4 Tiermodelle 61
6.5 Epidemiologie des Alkoholismus 62
6.6 Lebenserwartung der Alkoholiker 65
7 Alkohole und alkoholische Getränke: Herstellung, Eigenschaften und Zusammensetzung 69
7.1 Chemische und physikalische Eigenschaften von Alkoholen 69
7.2 Herstellung von reinen Alkoholen 75
7.3 Inhaltsstoffe des Bieres, dargestellt am Beispiel des Pilsener Lagerbieres 79
7.4 Inhaltsstoffe des Weines 84
7.5 Inhaltsstoffe von Spirituosen 97
8 Alkoholstoffwechsel 103
8.1 Pharmakokinetik des Alkohols: Modelle der Blutalkoholkurve 103
8.2 Gastrointestinale Alkoholabsorption 105
8.3 Verteilung des Ethanols 106
8.4 Eliminierung des Alkohols 107
9 Experimentelle Modelle der Alkoholsucht 113
9.1 Alkoholforschung und Tierversuche 113
9.2 Alkoholaufnahme beim Labortier 113
9.4 Alkohol-Deprivations-Modell – ein Tiermodell zur Messung von Rückfallverhalten 115
9.6 »Point of no return« – die Entwicklung der Sucht 119
10 Genetische Aspekte von Alkoholismus und alkoholassoziierten Organschäden 122
10.1 Genetische Variabilität im Alkoholstoffwechsel 122
10.2 Genetisch bedingte Alkoholunverträglichkeitsreaktionen 124
10.3 Interethnische Unterschiede im Alkoholtrinkverhalten 125
10.5 Genetische Prädisposition zur Alkoholabhängigkeit 126
10.6 Genetik des Alkoholismus 126
10.7 Biologische/Genetische Marker für Alkoholismus 128
10.8 Alkoholassoziierte Organschäden: Genetischer Einfluss 130
III Diagnostik 133
11 Biologische Marker des Alkoholismus und alkoholassoziierter Organschäden 134
11.1 Einführung 134
11.2 Systematik biologischer Marker 135
11.3 Marker für die Diagnose und Differenzialdiagnose von Lebererkrankungen 140
11.4 Anwendung von Markern in der Praxis 140
12 Klinisch-psychiatrische Diagnostik des Alkoholismus 143
12.1 Aktuelle Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV 143
12.2 Subtypen von Alkohol abhängigkeit 147
12.3 Diagnostische Verfahren zur Sicherung einer Alkoholabhängigkeit 149
13 Allgemeine ärztliche Aspekte bei der Erkennung der Alkoholkrankheit und alkoholassoziierter Organschäden 156
13.1 Häufige Diagnosen bei Krankenhauseinweisung 156
13.2 Besondere Anforderungen an die ärztliche Aus- und Weiterbildung 156
13.3 Wissenschaftliche Daten zu Alkoholabhängigkeit und Alkoholfolgeerkrankungen 158
13.4 Alkoholmenge und Gesundheitsrisiko 159
IV Organ- und fachspezifische Wirkungen des Alkohols 162
14 Alkohol und Mundhöhle/Pharynx einschließlich schlafbezogener Atmungsstörungen 164
14.1 Epidemiologie 164
14.2 Alkoholwirkungen auf Mundhöhle/Pharynx/Larynx 165
14.3 Klinische Manifestationen 169
14.4 Alkohol und Schlaf 171
15 Alkohol und Ösophagus 177
15.1 Gastroösophagealer Reflux – Refluxkrankheit 177
15.2 Refluxösophagitis 178
15.3 Barrett-Syndrom 181
15.4 Mallory-Weiss-Syndrom 181
15.5 Boerhave-Syndrom 182
15.6 Ösophaguskarzinom 182
16 Alkohol und Magen 187
16.1 Akute und chronische Wirkungen von Alkohol und alkoholischen Getränken auf die Funktion des Magens 187
16.2 Pathophysiologische Mechanismen der Mukosaschädigung 194
16.3 Klinische Manifestationen – Diagnostik – Therapie 197
17 Alkohol und Darm 206
17.1 Wirkungen von Alkohol und alkoholischen Getränken auf den Dünndarm 206
17.2 Wirkungen von Alkohol auf das Kolon 212
18 Alkohol und Motilität des Magen-Darm-Traktes 216
18.1 Epidemiologie 216
18.2 Alkoholwirkungen auf die glatte Muskulatur des Gastrointestinaltraktes – In-vitro-Befunde 217
18.3 Organspezifische Alkoholwirkungen auf ösophagogastrointestinale motorische Funktionen 217
19 Alkohol und Pankreas 225
19.1 Wirkung von Alkohol und alkoholischen Getränken auf die exokrine Pankreassekretion 225
19.2 Alkoholische Pankreatitis 230
19.3 Alkohol und Pankreaskarzinom 235
20 Alkohol und Leber 243
20.1 Pathogenese alkoholischer Lebererkrankungen 243
20.2 Epidemiologie, Pathologie und klinisches Spektrum alkoholischer Lebererkrankungen 270
20.3 Diagnostik alkoholischer Lebererkrankungen 277
20.4 Therapie 282
21 Alkohol und Immunsystem 288
21.1 Einfluss von Alkohol auf die unspezifische Entzündungsreaktion 288
21.2 Einfluss von Alkohol auf das spezifische Immunsystem 292
21.3 Fötales Alkoholsyndrom (FAS) und Immunabwehr 297
21.4 Folgen der durch Alkohol induzierten Störungen des Immunsystems 297
22 Alkohol und Stoffwechsel 300
22.1 Alkohol und Fettstoffwechsel 300
22.2 Diagnose und Therapie der alkoholischen Fettstoffwechselstörung 304
22.3 Alkohol und Harnsäure - stoffwechsel 306
22.4 Alkohol und Proteinstoffwechsel 308
23 Alkohol und Porphyrinstoffwechsel 312
23.1 Erkrankungen und Störungen des Porphyrinstoffwechsels 312
23.2 Epidemiologie 313
23.3 Pathogenese 314
23.4 Therapie 323
24 Alkoholinteraktionen mit exogenen Substanzen und Nahrungsmitteln 328
24.1 Mechanismen der Interaktion 328
24.2 Interaktionen mit Medikamenten 330
24.3 Interaktionen mit Nahrungs- mitteln/Genussmitteln/Drogen 335
25 Alkohol und Ernährung 339
25.1 Alkohol und Energiestoffwechsel 339
25.2 Alkohol und fettlösliche Vitamine 341
25.3 Alkohol und wasserlösliche Vitamine 345
25.4 Alkohol, Mineralien und Spurenelemente 351
25.5 Klinische Manifestation, Diagnostik und Therapie der Malnutrition 356
26 Alkohol und Krebs 362
26.1 Epidemiologie 362
26.2 Pathogenese 367
26.3 Diagnostik und Therapie 374
27 Alkohol und endokrine Drüsen 378
27.1 Epidemiologie von alkoholinduzierten Erkrankungen endokriner Organe 378
27.2 Akute und chronische Wirkungen von Alkohol und alkoholischen Getränken auf endokrine Organe 378
28 Alkohol und Niere 399
28.1 Geschichtlicher Abriss 399
28.2 Alkoholwirkung auf Nierenmorphologie und Nierenfunktion 400
28.3 Alkoholbedingte Veränderungen renal relevanter Parameter 400
28.4 Alkoholbedingtes akutes Nierenversagen 402
28.5 Alkoholismus und chronische Nierenerkrankungen 403
29 Alkohol und Herz-Kreislauf 407
29.1 Epidemiologie 407
29.2 Akute und chronische Wirkungen – Pathogenese 410
29.3 Klinische Manifestation 413
29.4 Diagnostik 417
29.5 Therapie 418
30 Alkohol und Blut 423
30.1 Veränderungen der roten Zellreihe 424
30.2 Veränderungen der weißen Zellreihe 430
30.3 Veränderungen der Thrombozytopoese 431
31 Alkohol und Haut 435
31.1 Epidemiologie 435
31.2 Pathogenese 436
32 Alkoholabusus: Risikofaktoren für die Anästhesie und Intensivmedizin 442
32.1 Symptome 442
32.2 Diagnose des Alkoholmissbrauchs 443
32.3 Perioperative Besonderheiten 446
32.4 Postoperative Morbidität 448
32.5 Therapie des Alkoholentzugssyndroms 450
32.6 Perioperative Interventionen 451
32.7 Algorithmus und Schlussfolgerung 452
33 Alkohol und Schwangerschaft – Alkoholeffekte bei Embryonen, Kindern und Jugendlichen 455
33.1 Epidemiologie 455
33.2 Alkoholembryopathie und Alkoholeffekte 456
33.3 Alkohol und Schwangerschaft 466
34 Alkoholkonsum und Alkoholabhängigkeit bei Frauen 470
34.1 Epidemiologie 470
34.2 Körperliche Reaktionen und Folgeschäden 471
34.3 Soziokulturelle Aspekte des Alkoholkonsums von Frauen 471
34.4 Ätiologie 472
34.5 Therapie 475
35 Alkohol und Neurologie 478
35.1 Alkohol und Nervensystem 478
35.2 Pathophysiologie 478
35.3 Akute Alkoholfolgeerkrankungen 479
35.4 Chronische Alkoholfolgeerkrankungen 482
35.5 Alkohol und Schlaganfall 489
35.6 Alkohol und Bewegungsstörungen 490
35.7 Bildgebende und morphologische Befunde bei chronischer Alkoholabhängigkeit 490
36 Neurobiologie der Alkoholabhängigkeit 493
36.1 Die Disposition zur Alkoholabhängigkeit 493
36.2 Neurobiologische Korrelate des chronischen Alkohol - missbrauchs 495
36.3 Aufrechterhaltende Faktoren der Alkoholabhängigkeit bei chronischem Konsum 495
36.4 Dopaminerges System 497
36.5 Opiat-System 498
36.6 Sensitivierung 498
37 Alkohol und Psychologie 501
37.1 Trinkmotive 502
37.2 Alkoholwirkungserwartungen 502
37.3 Erwartungsbildung beim Erlernen von Alkoholkonsum 503
37.4 Stress und Alkohol 504
37.5 Toleranzentwicklung 505
37.6 Psychologische Risikofaktoren für Alkoholprobleme 506
37.7 Ausblick 507
38 Alkohol und Psychiatrie 509
38.1 Epidemiologie 509
38.2 Neuropsychologische Defizite bei Alkoholabhängigkeit 510
38.3 Komorbidität von Alkoholismus mit psychischen Störungen 511
38.4 Neuropsychiatrische Folgeschäden 514
38.5 Hirnorganische Veränderungen 519
39 Konzepte der Alkoholismustherapie 522
39.1 Behandlung von Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit 522
39.2 Stationär-ambulante Kombinationsbehandlung 526
39.3 Behandlungsergebnisse und Erfolgsbeurteilung 527
39.4 Behandlung des Alkoholentzugsyndroms und des Delirium tremens 528
V Auswirkungen des Alkoholkonsums in Betrieben und im Straßenverkehr 532
40 Alkohol im Betrieb 533
40.1 Warum Hilfsmaßnahmen im Betrieb? 534
40.2 Koabhängigkeit als suchtstabilisierender Faktor 535
40.3 Merkmale von Alkoholgefährdung und -abhängigkeit im Betrieb 536
40.4 Grundlagen eines betrieblichen Hilfeprogramms 538
40.5 Das psychosoziale Hilfsnetz für Abhängigkeitskranke 540
41 Alkohol im Straßenverkehr 544
41.1 Alkoholwirkungen 544
41.2 Rechtliche Aspekte 546
VI Juristische und rechtsmedizinische Grundlagen 553
42 Rechtsgrundlagen bei der Behandlung von Alkoholfolgekrankheiten und Suchtkrankheiten 554
42.1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Allgemeiner Teil (SGB I) 554
42.2 Gesetzliche Krankenversicherung (KV) 555
42.3 Gesetzliche Unfallversicherung (UV) 557
42.4 Gesetzliche Rentenversicherung (RV) 558
42.5 Arbeitsförderung – Arbeitslosenversicherung 559
42.6 Soziale Entschädigung 559
42.7 Sozialhilfe 560
42.8 Pflegeversicherung 561
43 Rechtsmedizinische Aspekte von Alkohol und Alkoholismus 562
43.1 Alkoholgehalte und typische Volumina als Beurteilungsgrundlagen 563
43.2 Alkoholnachweis, Analyseverfahren 565
43.3 Alkoholstoffwechsel, speziell aus forensischer Sicht 567
43.4 Berechnung von Blutalkoholkonzentrationen (BAK) 574
43.5 Intoxikationen und Alkohol als Todesursache 575
43.6 Alkohol und Verkehrssicherheit 575
43.7 Alkohol und Schuldfähigkeit 577
43.8 Begleitstoffanalytik und Alkoholmarker aus rechts- und verkehrsmedizinischer Sicht 578
44 Moderater Alkoholkonsum, Gesamtmortalität und Morbidität 588
44.1 Alkoholkonsum und Gesamtmortalität: Ein Überblick 588
44.2 Todesursachen mit Hinweis auf Alkohol per Definition 590
44.3 Methodologische Erwägungen 592
44.4 Alkoholkonsum und Morbidität (inkl. Behinderungen) 593
Anschriften aus dem Suchtbereich 599
Sachverzeichnis 612

9 Experimentelle Modelle der Alkoholsucht (S. 99)

9.1 Alkoholforschung und Tierversuche
9.2 Alkoholaufnahme beim Labortier
9.3 Alkohol-Präferenz-Modelle
9.4 Alkohol-Deprivations-Modell – ein Tiermodell zur Messung von Rückfallverhalten
9.5 Reinstatement-Modell – messbares Drogensuchverhalten bzw. Craving
9.6 »Point of no return« – die Entwicklung der Sucht
Zusammenfassung
Literatur

9.1 Alkoholforschung und Tierversuche

Trotz intensiver Forschung ist es bis heute nicht gelungen, die zellulären und molekularbiologischen Mechanismen der Suchtentstehung vollkommen zu entschlüsseln. Eine unverzichtbare Grundlage zum Verständnis dieser Erkrankung des Gehirns sind Tierversuche in der präklinische Forschung. Tiermodelle ermöglichen gerade im Bereich der Suchtforschung Studien, welche aus ethischen Gründen am Menschen nicht durchführbar wären. Die Verabreichung von Substanzen mit Suchtpotential ist ebenso wenig zu verantworten wie mögliche Konsequenzen einer solchen Behandlung. Neben ethischen Gesichtspunkten sind es jedoch v. a. auch wissenschaftliche Argumente für den Tierversuch.

Wenn auch heutzutage Zell- und Gewebekulturen für biochemische, molekularbiologische oder pharmakologische Studien wertvolle Ergebnisse liefern, so lassen sie sich nicht mit bestimmten Verhaltensweisen korrelieren. Eben diese Korrelation der entsprechenden Verhaltensweisen mit den unterlie genden biochemischen Prozessen vermitteln uns heute dringend notwendige Einsichten in Suchtentstehung und -mechanismen. Insbesondere bei so komplexen Störungen wie Suchterkrankungen bieten Tiermodelle eine »Vereinfachung « von Verhaltensmustern bei gleichzeitiger Parallelität zur menschlichen Situation und einem hohen Grad an experimenteller Kontrolle.

Die Tiere der Wahl für verhaltenspharmakologische Experimente sind kleine Labornager wie Ratten und Mäuse. Mehrere Gründe machen diese Tiere zu geeig neten Forschungsobjekten: ihre hohe Reproduktionsrate und vergleichsweise einfache Haltung oder die Ähnlichkeit grundlegender biologischer Mechanismen im Vergleich zum Menschen. In den letzten Jahren konnten neue Tiermodelle entwickelt werden, die verschiedene Aspekte einer Drogensucht abbilden.

! Kontrollverlust, Toleranzentwicklung, Craving oder Rückfallverhalten – nach DSM-IV und ICD-10 charakteristische Merkmale einer Abhängigkeit – lassen sich heutzutage relativ verlässlich im Tierversuch darstellen.

9.2 Alkoholaufnahme beim Labortier

Betrachtet man Tiere in freier Wildbahn, findet man Alkoholaufnahme als ein durchaus natürliches Phänomen. Vor allem frugivore (früchteverzehrende) Spezies, darunter viele Nager, konsumieren regelmäßig vergärende und überreife Früchte. Deren Alkoholgehalt ist zwar mit bis zu 0,6% vergleichsweise gering, bemerkenswert ist jedoch die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Ethanol in der Natur. Inwieweit der Alkoholgehalt selbst maßgeblich für den Konsum solcher Früchte ist und nicht etwa die geschmackliche Komponente aufgrund des enthaltenen Fruchtzuckers, ist derzeit noch unbekannt. Unabhängig davon aber kann freiwilliger Alkoholkonsum somit als dem natürlichen Verhaltensrepertoire zugehörig klassifiziert werden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Beobachtung von Frank Wiens im Urwald von Malaysia.

Er hat kürzlich festgestellt, dass die Bertrampalme Früchte mit über 5% Ethanolgehalt trägt und von vielen Kleinnagern nachts immer wieder besucht wird. In einer Art Co-Abhängigkeit wird so einerseits Nahrung für die Kleinnager bereitgestellt, anderseits sorgen die Tiere für die Verbreitung der Pflanze, dabei ist das Bindeglied der Alkohol. Diese und andere Beobachtungen scheinen Ratten und Mäuse zu idealen Versuchstieren zu machen, um Wirkung und Einfluss von Ethanol auf Verhalten und Physiologie zu erforschen. Die Tatsache, dass Nagetiere auch in der Laborumgebung freiwillig Alkohol und andere Drogen zu sich nehmen, macht sich die Forschung bereits seit Jahrzehnten zu Nutze. Durch die Beobachtung des Trinkverhaltens der Tiere erhoffen sich Forscher mehr Verständnis über die Entwicklung (mal)adaptiver Veränderungen des zentralen Nervensystems. Diese wiederum stehen in enger Verbindung mit Toleranzentwicklung und physischer Abhängigkeit und sind Folge eines chronischen Drogenkonsums.

Nur wenige Hinweise deuten allerdings darauf, dass Versuchstiere Alkohol in niedriger Konzentration aufgrund pharmakologischer Effekte zu sich nehmen und nicht etwa seines süßlichen Geschmacks wegen. Übereinstimmend wurde gefunden, dass Ethanollösungen von bis zu 6% (in Wasser gelöst) einen süßlichen Geschmack aufweisen, der von den Tieren gegenüber reinem Wasser bevorzugt wird. Ein Alkoholgehalt von über 6% hingegen hat mit steigender Tendenz aversiven Charakter, der Geschmack geht hin zum »Scharfen«. Dennoch sind Ratten abhängig von den jeweiligen Versuchsbedingungen bereit, Alkohollösungen mit einer Konzentration von bis zu 40% aufzunehmen.

Als Schlüsselkriterium einer Abhängigkeit muss auch im Tiermodell der Kontrollverlust nachgewiesen werden, sollen tierexperimentelle Forschungsergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sein. Wie aber definiert sich dieser im Tiermodell? Alkoholpräferenz alleine stellt sicherlich kein ausreichendes Kriterium zu seiner Bewertung dar, sie ist vielmehr Charakteristikum eines kontrollierten Konsums (s. Kap. 9.3). Demzufolge dürfen auf Alkoholpräferenz selektierte Zuchtlinien nur äußerst kritisch als valide Modelle für Alkoholismus betrachtet werden – zumindest solange ein Kontrollverlust nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Dieser zentrale Aspekt süchtigen Verhaltens ist zwingende Voraussetzung für die Konstatierung einer echten Drogenabhängigkeit.

Erscheint lt. Verlag 1.8.2005
Mitarbeit Mitglied der Redaktion: Alexander Schneider
Zusatzinfo XVI, 614 S. 103 Abb., 19 Abb. in Farbe.
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Sucht / Drogen
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Innere Medizin
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Neurologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Alkohol • Alkoholabhängigkeit • Alkoholismus • Alkoholkonsum • Alkoholstoffwechsel • Diagnostik • Epidemiologie • Frauen • Klinisch-psychiatrische Diagnostik • Organschäden • Organsysteme • Psychiatrie • Rehabilitation • Schlaf • Sucht
ISBN-10 3-540-26446-9 / 3540264469
ISBN-13 978-3-540-26446-0 / 9783540264460
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