Kommunizierende Gefüge - Tanja Postpischil

Kommunizierende Gefüge

Zur Rekonstruktion der Nachstellungen in Elfriede Jelineks "Stecken, Stab und Stangl. Eine Handarbeit"
Buch | Softcover
323 Seiten
2010 | 1., Aufl.
Büro f. Realitäts Design (Verlag)
978-3-930509-21-8 (ISBN)
25,00 inkl. MwSt
Kurzinfo
Tanja Postpischil behandelt in ihrer Arbeit Kernfragen der Jelinek-Forschung vor allem aus medientheoretischer Sicht und kommt dabei zu häufig überraschenden Antworten.
Im Zentrum ihrer Analyse gattungsdiffuser Texte der Autorin steht die »Handarbeit« »Stecken, Stab und Stangl«. In Elfriede Jelineks polyvalentem Begriff der »Nachstellung(en)« findet Tanja Postpischil, indem sie ihn mit ihrem eigenen Terminus des »Diskursbildes« verbindet, den entscheidenden Schlüssel für die Freilegung kommunizierender Gefüge im Text. Hierdurch lassen sich viele in den Tiefenschichten von »Stecken, Stab und Stangl« verborgene Rätsel zugunsten einer komplexen Deutung lösen.

Zu Tanja Postpischil: Kommunizierende Gefüge

In ihrem Buch »Kommunizierende Gefüge. Zur Rekonstruktion der Nachstellungen in Elfriede Jelineks Stecken, Stab und Stangl. Eine Handarbeit« räumt Tanja Postpischil mit zahlreichen vorschnellen Urteilen und Vorurteilen der Jelinek-Forschung auf, die es zum Teil bereits zu stehenden Wendungen gebracht haben.
Die Theatertexte Jelineks, so auch Stecken, Stab und Stangl, entzögen sich den Kategorien der herkömmlichen Dramenanalyse, lautet beispielsweise ein beliebtes Diktum. In einer genauen Strukturanalyse widerlegt Tanja Postpischil eine solch grundsätzliche Annahme. Weiter kann sie zeigen, dass Sprachfläche als eine zentrale Kategorie Jelineks zwar häufig für die Analyse ihrer Stücke aufgegriffen, jedoch nie differenziert genug bestimmt wurde. Ebenso problematisch sind die Aussagen der Forschung zu Elfriede Jelineks Theatertheorie. Tanja Postpischil macht als erste darauf aufmerksam, dass die Entwicklung der Theatertheorie nicht unabhängig von Elfriede Jelineks Hörfunkarbeiten betrachtet werden kann, beruhen doch ihre ersten Theatertexte auf modifizierten Hörspielen. Manche ihrer am häufigsten zitierten Forderungen an das Theater sind erst dann zu verstehen, wenn ihr Ursprung in Jelineks radiophoner Ästhetik erkannt wird.
Stecken, Stab und Stangl steht zwar im Zentrum von Tanja Postpischils Buch, sie untersucht das Stück aber stets im Zusammenhang mit anderen Arbeiten Jelineks. So gelingt es ihr, das Genre des Stückes als Tragödie, genauer als Requiem im Sinne der barocken Staatsaktion, zu bestimmen. Stecken, Stab und Stangl kann daher als fehlende dritte den beiden Tragödien Totenauberg und Wolken.Heim zugeordnet werden, die analog der antiken Poetik dem Satyrspiel Raststätte oder Sie machens alle beigesellt sind.
Ausgangspunkt von Tanja Postpischils Überlegungen ist die begründete These, dass Stecken, Stab und Stangl ein klar kalkulierter politischer Theatertext ist, dessen Botschaft der Leser oder Zuschauer sich relativ zweifelsfrei erschließen kann. Für die Oberfläche des Textes – die Widerspiegelung eines Bombenattentats in Oberwart, dem vier Roma zum Opfer fallen – erscheint diese These als unproblematisch. Nun erweist sich aber das Stück, je näher man hinsieht, umso mehr, als ein vertrackt vielschichtiges Gebilde, das in seinen polyvalenten Dimensionen mehr als eine Deutung für den Rezipienten bereithält, die weit über den Fall des Roma-Mordes von Oberwart hinausreichen.
Mit Hilfe einer textbezogen differenzierten Entfaltung der Medientheorie und erweitert um den von ihr entwickelten Terminus des Diskursbildes gelingt es der Autorin, Jelineks spezifisches Verfahren der Anspielungen zu entschlüsseln und methodisch zur Darstellung zu bringen. Der untersuchte Theatertext erweist sich dergestalt als ein locker gestricktes Gewebe, das in wiederkehrenden Schlaufen (loops) zentrale Bilder produziert, welche die tiefere Bedeutung des Textes transportieren. So bilden sich die im Titel des Buches angesprochenen kommunizierenden Gefüge, die letztlich den Rezipienten bis zur Geschichte des Zerfalls der österreichisch-ungarischen k.u.k-Monarchie führen und Antwort suchen auf die Fragen Wer sind wir und Was ist Österreich ...

Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis


I Diskurssplitter (S. 11 – 120)
1 Problemstellung
Theatertexte / Theater und Drama
2 Gattungs- und Genrediffusion bei Elfriede Jelinek
An den Grenzen der Gattung und darüber hinaus / Diffusion und Ironie /
Zwischen Roman und Hörspiel / Gattungsdiffusion zwischen Prosa und Drama /
Offene Entwicklung oder ironisches Panoptikum /
Zur Genrebestimmung von Stecken, Stab und Stangl
3 Medien usw. bei Elfriede Jelinek
Medien als differente Ordnungsformationen / Theatertexte im Medienverbund /
Strukturelle Medientransformation / Das Medium Theater und der Text /
Jelineks Medienästhetik: Diffusion von Rundfunk und Theater /
Versuch über das Seichtsein / Axt im Sinn
4 Die mediale Kompetenz des Textes
Zu Hörendes – Die Sprache des Textes / Zu Sehendes – Die Bilder des Textes /
Zum Diskurs des Bildes / Was der Text zu sehen gibt / Verschiedene Zeiten –
Verschiedene Verhältnisse: Die Literatur und »ihre« Bilder /
Möglichkeiten des Zusammenspiels von Sprache und Bild im Text


II Die Vernichtung Möchtegarns (S. 121 – 286)
1 Hintergrund des Theatertextes Stecken, Stab und Stangl. Eine Handarbeit
2 Forschungslage
3 Die Dimensionen der »Sprachflächen«
4 Zur Anwendbarkeit der Kategorien des Dramas in Stecken, Stab und Stangl
Das fehlende Personenverzeichnis / Zuordnung der Repliken / Dialogformen /
Figurenunterminierung / Handlung, Raum- und Zeitstruktur
5 Exkurs zur österreichischen Politik 1985 – 1995
6 Zur Gestalt und Funktion des Intertextes in Stecken, Stab und Stangl
Hetze und Unmenschlichkeit / Euphemismen / Biblische Sprache /
Philosophie des Todes (Heidegger) / Gegenwort (Celan)
7 Synapsenknattern. Sprachflüsse und Wortspiele
8 Frei flottierende Bilder
Schlagkraft des Titels oder Gott ist ein Metzger / Bühnenbild / Gameshow / Dokumentartheater / Sportbilder / Boulevardisierte Schicksale / Nachstellungen 1: Von Solingen nach Oberwart / Nachstellungen 2: Oberwart – Endstation Treblinka / Nachstellungen 3: Oberwart – Eine Himmelfahrt /
»… sein Auge ist blau«: Die alte und die neue Bewegung
9 Ein erbarmungsloses Requiem

Erscheint lt. Verlag 23.9.2010
Reihe/Serie edition paroikia ; 5
Sprache deutsch
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 420 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Kunst / Musik / Theater Theater / Ballett
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Diskurs • Gattungsdiffusion • Hörspieltheorie • Jelinek, Elfriede • Medientheorie • Österreich • Sprachflächen • Theaterwissenschaft
ISBN-10 3-930509-21-0 / 3930509210
ISBN-13 978-3-930509-21-8 / 9783930509218
Zustand Neuware
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