Erinnern ist nicht genug
1924 wird Hedy Epstein in Freiburg als Tochter jüdischer Eltern geboren. Da ihre Eltern keine praktizierenden Juden sind, wächst sie in Unkenntnis ihrer Glaubenszugehörigkeit auf. Erst durch den Religionsunterricht in der ersten Klasse erfährt Hedy von ihrer Konfession. Später, im Realgymnasium, in das Hedy trotz ihrer Begabung nur aufgenommen wird, weil ihr Vater im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, beginnt sich ihr Leben in einen Alptraum zu verwandeln. Alle Grausamkeiten, die ihr durch den immer offener ausgetragenen Antisemitismus bereits täglich begegnen, wachsen in Gestalt ihres Mathematiklehrers ins Unerträgliche. Meist erscheint er mit einer SS-Uniform bekleidet zum Unterricht. Mehr als einmal zielt er während der Mathematikstunde mit seinem Revolver direkt auf Hedy. Alle Antworten die Hedy während des Unterrichts gibt, werden als jüdische und damit falsche Antworten abgetan. Als im November 1938 die Synagoge brennt, die Scheiben der jüdische Geschäfte zertrümmert und jüdische Kinder endgültig der Schule verwiesen werden, erlebt Hedy den Abtransport ihres Vaters nach Dachau. Gebrochen, kahlgeschoren und verprügelt kommt er zurück. Immer verzweifelter bemühen sich ihre Eltern Deutschland zu verlassen. Doch niemand erklärt sich bereit, für die ganze Familie zu bürgen. Gemeinsam beschließen sie Hedy in Sicherheit zu bringen. 1939, im Alter von 14 Jahren, verläßt sie Deutschland mit einem Kindertransport nach England. Im Oktober 1940 werden alle badischen Juden zur Internierung nach Südfrankreich deportiert, Hedys Eltern ins Camp de Gurs. Währenddessen lebt Hedy in einer Familie in England, besucht wieder die Schule und bemüht sich mittels ihrer noch geringen Sprachkenntnisse abermals vergeblich um eine Bürgschaft für ihre Eltern. Am 24. Januar 1942 schreibt ihr die Mutter beschwichtigend nach England: „Mach Dir keine Sorgen um uns. Wir halten schon durch, schon in Gedanken, daß wir wieder alle Drei glücklich zusammen sein sollen.“ Vier Tage zuvor, am 20. Januar 1942, war auf der Wannsee-Konferenz die Vernichtung der europäischen Juden beschlossen worden. Ihr Vater wird im Frühjahr1941 in das Camp les Milles in der Nähe von Marseille verlegt. Er hatte ein entsprechendes Gesuch gestellt, um näher am im Marseille befindlichen Amerikanischen Konsulat zu sein, immer noch in der Hoffnung, daß die Familie in die USA gelangen könnte. Der letzte Gruß vom Vater ist vom 9.August 1942 datiert, der letzte der Mutter vom 4. September 1942: „Auf der Fahrt nach dem Osten sendet Dir von Montauban noch viele innige Abschiedsgrüße Deine liebe Mutti.“ Diese Karte trägt keinen Absender. Da Montauban nördlich an das Camp de Rivesaltes angrenzt, vermutet Hedy, „warf sie die Karte aus dem Zug, und jemand, eine unbekannte Seele, hob sie auf uns schickte sie weiter“. Nach einigen Schwierigkeiten lebt Hedy inzwischen in einem Mädchenheim. Direkt gegenüber befindet sich das Haus der Londoner FDJ. Im Sommer 1943 schließt sich Hedy der FDJ an, wo, wie sie selbst formuliert, „die Weichen für einen politischen Weg gelegt wurden“. Sie besucht politische Arbeitskreise, zieht in eine Wohngemeinschaft und beschließt, in einer kriegsgewichtigen Produktionsstätte zu arbeiten, um so endlich etwas gegen Nazi-Deutschland unternehmen zu können. Als sich ihr 1945 die Gelegenheit eröffnet für die US-Civil-Censorship in Deutschland zu arbeiten, ergreift Hedy sie und übersetzt u.a. beim Nürnberger Ärzteprozeß. 1947 reist sie in US-Uniform nach Kippenheim, doch das Elternhaus zu betreten, wagt sie sich nicht. In dieser Zeit wird ihr klar, daß sie nicht zurückkehren kann, ihr Haß auf die Deutschen ist noch zu groß. 1948 siedelt sie in die USA, 1953 stellt sie einen Einbürgerungsantrag, doch Senator McCarthy macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Jahrelang befragt man sie zu ihrer Mitgliedschaft in der FDJ. Erst 1960 erhält sie schließlich die Staatsbürgerschaft. Seit ihrer Ankunft in den USA engagiert sich Hedy Epstein sowohl politisch als auch privat getreu ihrem Lebensprinzip: „Erinnern ist nicht genug“ Sie protestiert gegen den Vietnamkrieg, ist Mitglied in zahlreichen Organisationen, in denen sie sich kompromißlos für soziale Gerechtigkeit, gegen Diskriminierung, Gewalt und Krieg einsetzt. 1980 unternimmt sie eine Reise in die Vergangenheit, besucht das ehemalige Camp de Gurs und den dortigen Deportierten-Friedhof und entdeckt dort das Grab ihres Großvaters. Ihre „Pilgerfahrt in die Vergangenheit“, wie sie ihre Reise selbst nennt, führt sie weiter nach Dachau und Auschwitz. Als sie vor der Rampe in Auschwitz steht, wird ihr klar, daß ihre Eltern wirklich tot sind, „daß sie keinesfalls überlebt haben können. Ihr Tod und der Millionen anderer ist die einzige Realität von Auschwitz-Birkenau“. 1981 nimmt Hedy am Welttreffen der Überlebenden des Holocaust in Israel teil. Sie sucht nach Menschen, die vielleicht etwas vom Schicksal ihrer Eltern wissen, doch ihre Fragen bleiben weiterhin unbeantwortet. Im Oktober 1990 folgt sie einer Einladung ihres Heimatortes Kippenheim. Nun kann sie auch ihr Elternhaus besuchen. Hedy fühlt sich befreit: “Ich war nach Hause gekommen. Ich war geheilt. Die Geschichte hatte mich große Schmerzen gelehrt, aber ich hatte mein Trauma überwunden.“ Bei einem ihrer inzwischen wieder häufigeren Besuchen in Deutschland lernt sie die Historikerin Marion Böker kennen. Diese motiviert Hedy ihre Autobiographie zu schreiben und übersetzt Hedys Lebensgeschichte vom Englischen ins Deutsche.
Übersetzer | Marion Böker |
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Zusatzinfo | 34 Abb. |
Verlagsort | Münster |
Sprache | deutsch |
Maße | 135 x 215 mm |
Gewicht | 546 g |
Einbandart | Halbleinen |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► 20. Jahrhundert bis 1945 |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Schlagworte | Antifaschismus • Auschwitz • Drittes Reich /Allg. Geschichte • HC/Sachbücher/Geschichte/20. Jahrhundert (bis 1945) • Judenverfolgung (Nationalsozialismus); Biografien • Kindertransport • Nationalsozialismus • Nürnberger Prozesse • Reichspogromnacht |
ISBN-10 | 3-928300-86-5 / 3928300865 |
ISBN-13 | 978-3-928300-86-5 / 9783928300865 |
Zustand | Neuware |
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