Sonnenvögel (eBook)
464 Seiten
marixverlag
978-3-8438-0785-2 (ISBN)
Daniila Beser wurde 1995 geboren auf der Halbinsel Krim. Sie wuchs auf als Ukrainerin krimdeutscher Abstammung und lebt heute in Süddeutschland. Richard Mackenrodt, geboren 1963 in Stuttgart, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Erlangen. Seit 1991 lebt er als freier Autor in München und verfasste neben Romanen, Sach- und Kinderbüchern bisher Drehbücher für mehr als 20 Fernsehserien des Öffentlichen Rundfunks. 'Daniila Beser wurde 1995 geboren auf der Halbinsel Krim. Sie wuchs auf als Ukrainerin krimdeutscher Abstammung und lebt heute in Süddeutschland. Richard Mackenrodt, geboren 1963 in Stuttgart, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Erlangen. Seit 1991 lebt er als freier Autor in München und verfasste neben Romanen, Sach- und Kinderbüchern bisher Drehbücher für mehr als 20 Fernsehserien des Öffentlichen Rundfunks.'
Daniila Beser wurde 1995 geboren auf der Halbinsel Krim. Sie wuchs auf als Ukrainerin krimdeutscher Abstammung und lebt heute in Süddeutschland. Richard Mackenrodt, geboren 1963 in Stuttgart, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Erlangen. Seit 1991 lebt er als freier Autor in München und verfasste neben Romanen, Sach- und Kinderbüchern bisher Drehbücher für mehr als 20 Fernsehserien des Öffentlichen Rundfunks. "Daniila Beser wurde 1995 geboren auf der Halbinsel Krim. Sie wuchs auf als Ukrainerin krimdeutscher Abstammung und lebt heute in Süddeutschland. Richard Mackenrodt, geboren 1963 in Stuttgart, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Erlangen. Seit 1991 lebt er als freier Autor in München und verfasste neben Romanen, Sach- und Kinderbüchern bisher Drehbücher für mehr als 20 Fernsehserien des Öffentlichen Rundfunks."
1 - Franz | 1868
2 - Viktoria | 1947
3 - Henning | 1924
4 - Daniila | 2011
5 - Franz | 1871
6 - Viktoria | 1957
7 - Henning | 1926
8 - Daniila | 2012
9 - Viktoria | 1957
10 - Franz | 1871
11 - Henning | 1926
12 - Viktoria | 1958
13 - Daniila | 2013
14 - Franz | 1872
15 - Viktoria | 1960
16 - Henning | 1933
17 - Viktoria | 1962
18 - Daniila | 2014
19 - Franz | 1872
20 - Viktoria | 1962
21 - Henning | 1933
22 - Daniila | 2014
23 - Viktoria | 1962
24 - Franz | 1872
25 - Henning | 1934
26 - Viktoria | 1962
27 - Daniila | 2014
28 - Viktoria | 1962
29 - Franz | 1872
30 - Henning | 1938
31 - Viktoria | 1962
32 - Daniila | 2014
33 - Franz | 1872
34 - Viktoria | 1962
35 - Henning | 1938
36 - Viktoria | 1963
37 - Franz | 1873
38 - Viktoria | 1965
39 - Daniila | 2014
40 - Henning | 1939
41 - Daniila | 2014
42 - Franz | 1873
43 - Viktoria | 1967
44 - Daniila | 2015
45 - Henning | 1941
46 - Franz | 1873
47 - Daniila | 2015
48 - Viktoria | 1968
49 - Henning | 1942
50 - Daniila | 2016
51 - Franz | 1873
52 - Viktoria | 1971
53 - Daniila | 2016
54 - Henning | 1943
55 - Franz | 1874
56 - Daniila | 2018
57 - Viktoria | 1981
58 - Henning | 1944
59 - Daniila | 2020
60 - Franz | 1882
61 - Daniila | 2022
62 - Viktoria | 1982
63 - Henning | 1944
64 - Daniila | 2022
65 - Franz | 1882
66 - Viktoria | 1992
67 - Henning | 1944
68 - Daniila | 2023
1 Franz
1868
Gute Zähne waren selten. Nur wer reich war, hatte – vor allem in fortgeschrittenem Alter – noch ein makelloses, weißes Gebiss, weil er es sich leisten konnte, die Zähne bleichen, oder, was noch teurer war, mit Keramik oder gar Gold eine unansehnliche Lücke schließen zu lassen. Unter den kleinen Leuten dagegen war es üblich, zum Fotznreißer zu gehen, wie man in Oberbayern sagte. Der griff dann zur Zange und zog den schmerzenden Zahn einfach heraus. Das tat weh, war aber auch schnell vorbei.
Unter Flößern waren vollständige Zahnreihen besonders ungewöhnlich. Diese Männer übten einen gefährlichen Beruf aus, im Laufe ihres Arbeitslebens ließ sich der eine oder andere Sturz kaum vermeiden. Wer auf dem Floß das Gleichgewicht verlor, brach sich schon mal den Arm oder das Bein, und ab und zu verlor er auch ein oder zwei Zähne. Dafür wurden Flößer aber auch überdurchschnittlich gut bezahlt, weil nur wenige Kerle für diesen Beruf geeignet waren.
Franz Beser hatte, obwohl er schon seit mehr als zehn Jahren in diesem Gewerbe arbeitete, noch immer alle Zähne im Mund. Und kein einziger davon war auch nur im Mindesten verfault, was bei einem Mann über dreißig höchst erstaunlich war.
Wo Flößer an Land gingen, wurden sie bestaunt. Kinder scharten sich um sie und bewunderten ihre kniehohen Stiefel, die exzentrischen Hüte und die bärtigen, wettergegerbten Gesichter. Auch die jungen Mädchen versuchten, sich den Anblick dieser Männer nicht entgehen zu lassen, wurden von ihren Müttern aber zumeist rechtzeitig in die Stube gerufen, bevor die Flöße in Sicht kamen. Die Betreiber der Gasthöfe an der Isar hingegen freuten sich, es kam reichlich Geld in die Kasse, wenn die Flößer bei ihnen anlegten, die bekannt dafür waren, dass sie gerne tranken und feierten.
»Ich frag mich immer, wieso du so narrisch weiße Zähne hast, Franz«, sagte der Toni, den alle Otter nannten, weil er die vorgeschobenen Kiefer eines Fischotters hatte.
Der Franz saß mit dem Otter nach dem Anlegen oft zusammen. Meist aßen sie und tranken dabei eine Maß nach der anderen, bis sie sternhagelvoll auf ihre Pritschen fielen. Aber heute hatte der Franz andere Pläne.
»In meiner Familie haben alle solche Zähne«, erwiderte er. Ist auch gut so, dachte er, die Damen mögen das.
Während der Otter und die anderen Flößer sich beim Schafkopfen der zweiten und bald auch der dritten Maß hingaben, zog der Franz das frische Leinenhemd aus dem kleinen Sack, den er mit sich führte, streifte es über, bändigte mit groben Fingern sein braunes, lockiges Haar, setzte den Hut wieder auf und machte sich auf den Weg. Schon von Weitem konnte er die weißen Pferdekutschen in der Sonne glänzen sehen, die auf der feingekiesten Auffahrt des noblen Hotels standen. Die Sommerfrischler waren stets Leute aus den großen Städten, Angehörige der oberen Zehntausend. Münchner in der Regel, aber heute waren auch ein paar illustre Gäste aus Berlin dabei, wie Franz in einem kurzen Gespräch mit einem der Kutscher in Erfahrung brachte. Mehrere adelige Damen waren mit ihrer Entourage abgestiegen, Gattinnen von hochrangigen Staatsmännern und Militärs. Während sie sich hier ein paar Tage Erholung gönnten, waren ihre Ehemänner zu Hause geblieben, denn die hatten viel zu tun. Der sogenannte Deutsche Krieg war schließlich erst zwei Jahre her und um die neue Ordnung im Kaiserreich wurde in den hohen Kreisen noch hart verhandelt. Solche Dinge waren Franz gleichgültig, mit Politik hatte er nichts am Hut – egal, wie die Grenzen gerade gezogen wurden, Flöße würden immer gebraucht werden. Ihm gefiel es einfach, wenn schicke Frauen ohne ihre Männer unterwegs waren, das war genau das, was ihm ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Er betrat das Hotel, aber nicht durch den Dienstboteneingang, sondern durch die Vordertür. Mit einem festen »Griasst’s euch!« trat er in die mit edlen Stoffen drapierte Wirtsstube, im selben Moment konnte er das teure Eau de Toilette der hochwohlgeborenen Damen erschnuppern, das seine Nase umschmeichelte. Alle Blicke wandten sich ihm zu. Franz lächelte entspannt und tippte grüßend mit dem Finger an den Hut. Im Nu hatte er überrissen, wo die Damen saßen – es waren vier – und wo ihre Angestellten, vier Zofen und zwei Männer im mittleren Alter, deren Aufmachung darauf schließen ließ, dass sie als eine Art Leibwache dienten. Der beleibte Wirt kam auf Franz zugelaufen, stellte sich ihm in den Weg und erklärte in tiefem Oberbayerisch:
»G’schloss’ne G’sellschaft. Schleich di.«
Die Leibwächter erhoben sich, und fast synchron wanderten ihre Hände zu den Griffen ihrer umgegürteten Degen. Ein Bayer, der in diesen Tagen unaufgefordert die Nähe von Preußen suchte, erregte Misstrauen, schließlich hatte Bayern den Krieg an der Seite von Österreich gegen die Preußen verloren, und viele Bajuwaren, die jene Niederlage – vor allem als Soldaten – miterlebt hatten, waren nicht gut auf die Saupreißn zu sprechen.
Doch eine der Damen, die jüngste und hübscheste, wie Franz längst festgestellt hatte, zögerte nicht zu widersprechen: »Lasst ihn eintreten. Er sieht freundlich aus. Und amüsant. Sieh sich einer diese Stiefel an! Wir wollen doch auch etwas vom bayerischen Leben sehen.«
Mit leisem Knurren trat der Wirt beiseite. Franz deutete eine leichte Verbeugung an und vollführte mit der rechten Hand eine kleine Abwärtsspirale, was der humorvollen Verballhornung eines höfischen Grußes gleichkam.
»Hocherfreut«, sagte er. »Ich bin Franz, der Flößer. Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Er ist ganz schön frech«, meldete sich einer der Wachhunde zu Wort, doch er wurde von der Hübschen überstimmt, die Franz bat, sich zu ihnen zu setzen. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, und auch zum Weintrinken musste er nicht lange überredet werden. Er hatte auf Frauen diese Wirkung. Warum das so war, wusste er nicht, es war ihm auch egal. Er verstellte sich nicht, versuchte niemals etwas anderes zu sein als das, was er nun einmal war. Die junge Herrin war verheiratet mit einem preußischen Minister, was sie aber nicht davon abhielt, dem ungebildeten Flößer zu zeigen, wie spannend sie ihn fand.
»Äußerst hohe Stiefel hat er da«, sagte sie.
»Damit kein Wasser reinläuft«, erwiderte er. »Aus bestem Büffelleder.«
»Ob die mir auch stehen würden?«, fügte sie kokett hinzu.
»Kommt auf den Versuch an«, erklärte Franz, zog die Stiefel aus und stellte sie vor ihr auf den Tisch – was schon wirklich dreist war, einige Anwesende sprachlos machte und dafür sorgte, dass so manche Nase gerümpft wurde. Die Leibwächter rieten ihr ab, die Stiefel auch nur anzufassen, wenn sie sich nicht mit irgendwelchen Arme-Leute-Krankheiten anstecken wollte.
»Keine Angst«, fügte Franz hinzu, »hab sie vorhin mit Kernseife und frischem Isarwasser gebürstet. Innen wie außen. Sauber wie zwei Neugeborene nach dem ersten Bad.«
Die Minister-Gattin zog die Stiefel an, und obwohl sie ihr einige Nummern zu groß waren, stakste sie damit in der Wirtsstube auf und ab und ließ sich von ihren Mitreisenden bestätigen, wie fabelhaft sie darin aussah.
Alles Speichellecker, ging es Franz durch den Kopf, außer ihr. Sie gefiel ihm, weil sie nicht so gekünstelt daherredete wie die anderen und die einzige Frau im Raum war, deren Gesicht nicht unter einer dicken Schicht aus Puder begraben war. Im Laufe des Abends raunte sie ihm die Nummer ihrer Suite zu – als auch die Leibwächter sich wieder beruhigt hatten und nicht mehr jede Bewegung von Franz mit misstrauischen Blicken verfolgten. Noch später, als sich alle schon in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, wartete Franz am Isarufer, drehte sich im Mondlicht eine Zigarette und betrat, nachdem er sie aufgeraucht hatte, das feine Hotel erneut, diesmal durch einen rückwärtigen Eingang. Der war zwar abgeschlossen, wie alle anderen Türen auch, aber Franz hatte stets ein paar kleine Metallstifte in der Hosentasche und war geschickt im Öffnen von Schlössern. Er wusste, in welchen Zimmern die Wachhunde lagen, ihr Schnarchen war nicht zu überhören. Die beiden hatten kräftig dem Wein zugesprochen. Wenn die erst einmal schliefen, dann schliefen sie. Als er in die Suite trat, saß Agnes auf ihrem riesigen Bett, hatte das Haar geöffnet, das ihr nun weich auf die Schultern fiel, und trug ein dünnes Nachtgewand. Ihre leicht geröteten Wangen offenbarten, dass ihre Aufregung größer war, als sie zeigen wollte. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er kommen würde, aber da stand er...
Erscheint lt. Verlag | 20.2.2025 |
---|---|
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 20. Juli 1944 • Ahnen • Attentat • Claus Schenk Graf von Stauffenberg • Fabian von Schlabrendorff • Familiengeschichte • Familienroman • Flößerei • Henning von Tresckow • historische Fiktion • Historischer Roman • Kasachstandeutsche • Krimdeutsche • Krimkonflikt • Krimkrise • Russland-Ukraine-Krieg • Sabotage • Safari • Selbstjustiz • Südostafrika • Ukraine • Vorfahren • Widerstand im Dritten Reich |
ISBN-10 | 3-8438-0785-X / 384380785X |
ISBN-13 | 978-3-8438-0785-2 / 9783843807852 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 3,0 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich