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Nachtglimmen (eBook)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
304 Seiten
Dörlemann eBook (Verlag)
978-3-03820-883-9 (ISBN)
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18,99 inkl. MwSt
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Claudia Hampton war Kriegsreporterin, sie ist Schriftstellerin und Historikerin. Eine kluge und selbstbewusste Frau, berühmt, in ständiger intellektueller Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung und sich selbst. Jetzt, todkrank in einem Krankenhausbett, blickt sie zurück. Persönliche Erinnerungen gehen nahtlos über in politische Ereignisse. Sie erzählt von einer Kindheit kurz nach dem Ersten Weltkrieg, über den Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus. Alles in ihrem Leben ist Gegenwart: Kindheit und Krieg, Ägypten und England, die ganze Welt und ihre Vergangenheit. Aber Claudias Geschichte ist auch mit anderen verwoben, und sie muss denen, die sie kannten und liebten, die Möglichkeit geben, zu sprechen. Da ist Gordon, ihr Bruder und Rivale. Jasper, ihr unzuverlässiger Liebhaber und Vater von Lisa, Claudias kühler, konventioneller Tochter. Und dann ist da noch Tom, ihre einzige große Liebe, und jener tragische Zwischenfall in der Wüste. »Was mich interessiert, ist das Gedächtnis, die Art und Weise, wie Menschen und Landschaften aus Erinnerungen zusammengesetzt sind«, schreibt Penelope Lively. Und darum geht es in Nachtglimmen: Die ganze Welt steckt voller Erinnerungen, die Vergangenheit ist allgegenwärtig - man muss nur, wie Claudia Hampton, bereit sein, die Augen zu öffnen.

Penelope Lively, geboren 1933 in Kairo, wuchs nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrem Vater in Ägypten auf, wo sie Privatunterricht bekam, bis er sie 1946 in ein Internat nach England schickte. Später studierte sie Geschichte an der University of Oxford. Lively schreibt seit 1970 Romane, Erzählungen und Kinderbücher, immer präsent sind die Themen historischer Kontinuität und die Bedeutsamkeit des Erinnerns. Sie stand zwei Mal auf der Shortlist des Man Booker Prize for Fiction, bevor sie ihn 1987 mit Nachtglimmen gewann. Für ihr literarisches Schaffen wurde Lively 2001 Commander of the Order of the British Empire und 2012 zur Dame Commander of the Order of the British Empire ernannt. Sie lebt in London.

Penelope Lively, geboren 1933 in Kairo, wuchs nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrem Vater in Ägypten auf, wo sie Privatunterricht bekam, bis er sie 1946 in ein Internat nach England schickte. Später studierte sie Geschichte an der University of Oxford. Lively schreibt seit 1970 Romane, Erzählungen und Kinderbücher, immer präsent sind die Themen historischer Kontinuität und die Bedeutsamkeit des Erinnerns. Sie stand zwei Mal auf der Shortlist des Man Booker Prize for Fiction, bevor sie ihn 1987 mit Nachtglimmen gewann. Für ihr literarisches Schaffen wurde Lively 2001 Commander of the Order of the British Empire und 2012 zur Dame Commander of the Order of the British Empire ernannt. Sie lebt in London.

Vorwort


Penelope Livelys außergewöhnlicher, mit dem Booker Prize ausgezeichneter Roman Nachtglimmen fesselt von der ersten Zeile an. »Ich schreibe eine Geschichte der Welt«, sagt die Hauptfigur. »Und während sie sich entfaltet: meine eigene.« Ich erinnere mich noch daran, wie ich diesen eindrucksvollen Anfang zum ersten Mal las – das ist inzwischen viele Jahre her – und dann innehielt und darüber nachdachte, wie unerwartet diese Sätze aus dem Mund einer Frau waren. Eine alte, kranke, sterbende Frau ist die letzte Person, der man eine so kühne Behauptung zutrauen würde. »Mich selbst will ich ins Auge fassen, in meinem Kontext: alles und nichts.«

Auch wenn es in unserer Gesellschaft selten laut ausgesprochen wird, die Wahrheit ist: Wir sind es nicht gewohnt, dass Frauen den Anspruch erheben, für die gesamte Menschheit zu sprechen, dass sie das Persönliche und das Kollektive mit so viel Selbstbewusstsein so untrennbar miteinander verknüpfen. Genau genommen sind wir das Gegenteil gewohnt: Die Erinnerungen von Frauen sollen in ihren eigenen Schubladen bleiben, verschlossen und verriegelt, klar getrennt von der großen Weltgeschichte, die hauptsächlich als männliche Geschichte verfasst und erinnert wurde und wird.

Die französische Philosophin, Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir verstarb 1986, nur ein Jahr vor dem Erscheinen von Nachtglimmen. Ich frage mich, was de Beauvoir wohl von Penelope Livelys Meisterwerk gehalten hätte, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte, es zu lesen. Ich glaube, sie wäre begeistert gewesen. De Beauvoir versuchte, die dualistischen Denkmuster aufzuzeigen, auf die sich das Patriarchat maßgeblich stützt. Sie legte dar, wie Männer sich zum Essenziellen, zum »Subjekt« erklärt haben und aus dieser Rolle heraus allgemeingültige Narrative erzählen, während Frauen nur aus ihrer partiellen, subjektiven Perspektive heraus sprechen können. Die bedeutende Literaturkritikerin Toril Moi hat diese Problematik weitergedacht: Von Frauen, schreibt sie, erwarte man nicht, dass sie »mit einem Anspruch auf Universalität sprechen, mit der vermessenen Forderung, dass man mit ihnen übereinstimmt – ein Recht, das Männer seit Jahrhunderten als selbstverständlich annehmen.« Diesen tief verwurzelten Gegensatz bringt Penelope Lively schon mit ihren ersten Zeilen ins Wanken.

Indem sie die unvergessliche Protagonistin Claudia Hampton erschuf und ins Zentrum ihrer Erzählung rückte, hat Lively mehrere Konventionen gleichzeitig gebrochen. Claudia ist intelligent, meinungsstark, leidenschaftlich selbstständig, zeitweise unnahbar, oft aber auch überraschend verletzlich und damit eine einnehmende, wenn auch komplexe Figur. Die Historikerin und ehemalige Kriegsberichterstatterin hat Geschichte nicht nur studiert, sie hat Geschichte gelebt. »War sie jemand Besonderes?«, fragt eine der Krankenschwestern. Und sie war tatsächlich jemand Besonderes. Forscherin, Zweiflerin, Beobachterin, Entdeckerin … Tochter, Schwester, Mutter, Geliebte … sie war eine »Myriade von Claudias«. Jetzt, im hohen Alter, liegt sie in einem Krankenhausbett und denkt über ihr langes, ereignisreiches Leben und die Welt ringsherum nach, und wir, ihre Leser*innen, begeben uns auf eine faszinierende Reise, die Geschichte, Erinnerung und Memoiren vereint. Persönliche Erinnerungen verschmelzen nahtlos mit umfassenderen politischen, sozialen und kulturellen Ereignissen. Nahtlos, nicht aber chronologisch. Unser Gedächtnis ist weder linear noch statisch, die Vergangenheit keine schnurgerade Abfolge von Zwischenfällen und Daten. Der Roman pendelt, analog zur nicht-chronologischen Funktionsweise menschlicher Erinnerungen, zwischen einer subjektiven und einer allwissenden Perspektive. Sich so weit von den traditionellen Normen des Romans zu entfernen, ist kein geringes Risiko, und wir sind dankbar, dass Lively es eingegangen ist, um diese ihr eigene Struktur zu entwerfen. Nachtglimmen ist wie Wasser: Es fließt gleichzeitig in verschiedene Richtungen, ohne je den Fokus oder Rhythmus zu verlieren. Der Roman empfängt die Feinheiten des Lebens mit offenen Armen, akzeptiert und ehrt seine Mehrstimmigkeit auf eine Art, wie nur großartige Literatur es vermag. »Die Stimme der Geschichte ist selbstverständlich eine vielfältige. Viele Stimmen, all die Stimmen, denen es gelungen ist, sich Gehör zu verschaffen … Meine Geschichte ist mit den Geschichten anderer Menschen verstrickt.«

Das erste Mal habe ich Nachtglimmen damals in Istanbul gelesen, als junge aufstrebende Schriftstellerin, das zweite Mal erst kürzlich für dieses Vorwort. Ich war beeindruckt, wie lebhaft ich mich noch an den Roman erinnern konnte, obwohl so viel Zeit verstrichen war. Manche Bücher lesen wir mit Freude und legen sie dann irgendwo irgendwie sanft wieder beiseite. In andere Bücher verlieben wir uns und spüren, dass sie etwas in uns in Bewegung gesetzt haben. Diese Art Buch bleibt für immer ein Teil von uns. Nachtglimmen wird mich mein Leben lang begleiten.

Die Figur Claudia ist so komplex entworfen, dass sie die kaleidoskopische Natur der Weltgeschichte selbst aufgreift und widerspiegelt. Darin besteht Penelope Livelys Geniestreich. Claudia vereint eine Vielzahl von Eigenschaften in sich, die teilweise bewundernswert sind, teilweise nicht einfach wertzuschätzen; sie verkörpert, in unterschiedlichem Maße, Gutes und Schlechtes – wie wir alle. Claudia lässt sich unmöglich auf einen roten Faden oder ein Adjektiv reduzieren, sondern ist zutiefst menschlich. Während sie erzählt, erinnert sie sich pausenlos. Aber sind Erinnerungen verlässlich? Können sie je vollständig sein? »Bei jedem Schütteln des Kaleidoskops abwarten, was sich dabei ergibt.«

Einige Literaturkritiker*innen haben den Roman als »experimentell« bezeichnet. Ich würde Livelys Umgang mit Form jedoch weniger als experimentell beschreiben – vielmehr spiegelt sich in der Form des Romans sein Sujet wider. Geschichte ist mehrstimmig und erzählt außerdem vieles durch Schweigen – das Schweigen der Vergessenen, der Ausgelöschten. Indem Lively wechselnde Perspektiven, willkürliche Zufälle und »Was wäre, wenn …?«-Fragen in den Fokus rückt, fängt Nachtglimmen sowohl die Vergangenheit als auch deren Schweigen ein. Wenn alles, was wir als Gesellschaft als gegeben annehmen, in Bewegung gerät, dient die Erzählkunst als gemeinsamer Anker, als Verbindung zwischen uns allen. »Die Macht der Sprache. Sie bewahrt das Flüchtige – verleiht Träumen Gestalt, Sonnenstrahlen Dauer.« Die Erzählung wechselt zwischen Vergangenheitsform und Präsens ab. So entsteht ein höchst feines, vielschichtiges Narrativ. Es handelt sich dabei keineswegs um ein Mosaik oder eine Collage, bei denen jedes Teil seinen festen Platz hat. Nachtglimmen erinnert mich eher an türkische Ebru-Kunst – »Malen auf Wasser« –, bei der Farbpigmente in Wasser getropft werden und darin anfangen zu tanzen, sodass eigene Muster und Motive entstehen.

Poetisch, sinnlich und philosophisch zugleich schreckt Lively auch vor den rauen Realitäten der Politik nicht zurück. Doch selbst über die dunkelsten Kapitel der menschlichen Geschichte schreibt sie voll tiefem Mitgefühl und Weisheit, voller Bewusstsein für Claudias Schmerz, Leid und Verlust – sowie auch für Schmerz, Leid und Verlust der anderen: »Mutter, Gordon, Jasper, Lisa … Vater starb an der Somme«, und die sanfte, wohlmeinende Mutter »zog sich aus der Geschichte zurück«. Im Gesicht ihres Bruders Gordon spiegelt sich, auf schaurige Weise, immer das ihre. Die rührendsten Passagen des Romans handeln von Tom Southern, dem britischen Panzerkommandanten, den Claudia geliebt hat. Vor dem Krieg las Tom mit Leidenschaft Geschichtsbücher, dann hörte er damit auf. »Wenn alles aus dem Geleis ist, dann wird man unangenehm darauf gestoßen, dass Geschichte wahr ist und dass man selbst leider ein Teil von ihr ist.«

Nachtglimmen ist reich an solch brillanten Sätzen, die man immer und immer wieder lesen möchte. Wie die Unterströmung eines Flusses durchzieht das Buch ein bewusster Pazifismus. Claudia, eine Agnostikerin aus Instinkt, sagt: »Kriege werden von Kindern geführt. Von ihren verrückten, dämonischen Eltern ausgeheckt und dann von Jungen geführt.« Wenige Schriftsteller*innen können die existenzielle Angst, die eine sich rasch verändernde Welt mit sich bringt, mit so viel Tiefgang einfangen; den Moment, an dem wir aufhören, Geschichte als etwas zu betrachten, was irgendwann anders passiert ist, und begreifen, dass wir mittendrin sind, während sich Geschichte abspielt: hier und jetzt. In der kaputten Welt von heute ist Nachtglimmen noch ebenso relevant und allgemeingültig wie zum Zeitpunkt seiner Entstehung.

Literatur hilft uns, Nuancen wahrzunehmen, die Zerbrechlichkeit und Widerstandsfähigkeit der menschlichen Existenz zu begreifen, ebenso wie die Flüchtigkeit der Zeit, bei Lively symbolisiert durch die Asche, die sich sammelt, während der Moon Tiger langsam verbrennt. In diesem Buch stecken – zwischen Kairo zu Kriegszeiten und ländlichem England – ein enormer Rechercheaufwand und jede Menge Lebenserfahrung. Nachtglimmen ist Penelope Livelys siebter Roman. Er setzte sich im Jahr seiner Ehrung mit dem Booker Prize gegen eine sehr starke Shortlist durch, gegen Chinua Achebe, Iris Murdoch, Peter Ackroyd, Nina Bawden und Brian Moore. 2018 war er außerdem für den Golden Man Booker Prize nominiert, eine einmalige Auszeichnung für die fünf besten Romane aus der fünf Jahrzehnte langen Geschichte des Preises. Es ist einer der besten Romane der...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2025
Übersetzer Ulrike Miller
Vorwort Elif Shafak
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Booker Prize • Bruder • Erinnerung • Familie • Kindheit • Liebe • Mutter • Rivalität • Schwester • Sohn • Tochter • Vater • Vergangenheit • Wüste • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-03820-883-3 / 3038208833
ISBN-13 978-3-03820-883-9 / 9783038208839
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