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Annika und der Stern von Kazan (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
384 Seiten
Atlantis Kinderbuch (Verlag)
978-3-7152-7026-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
15,99 inkl. MwSt
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Wien zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Eigentlich führt Annika ein wundervolles Leben: Sie hat zwei Mütter - die Köchin und das Hausmädchen in einem Professorenhaushalt -, drei Väter - ebenjene Professoren: nicht sehr lebenspraktische, aber liebenswerte Intellektuelle - und viele Freundinnen und Freunde, mit denen sie in ihrem geheimen Garten Menschenfresser oder Pharaonen spielt. Und dann ist da noch die alte Nachbarin, die so viele Geschichten von damals zu erzählen weiß, von ihrer Zeit am Theater, ihren vielen Verehrern und deren Geschenken, wie zum Beispiel dem geheimnisvollen Stern von Kazan. Aber ein Wermutstropfen bleibt: Wie jedes Findelkind sehnt Annika sich nach ihrer leiblichen Mutter. Bis eines Tages eine elegante Adelige vor der Tür steht und behauptet, ebendiese Mutter zu sein. Als Freifrau von Tannenberg ihre Tochter mit in ihr Schloss nach Norddeutschland nehmen will, ist Annika ganz verzaubert. Aber schnell stellt sich heraus: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Eva Ibbotson, 1925 als Maria Charlotte Michelle Wiesner in Wien geboren, 2010 in Newcastle upon Tyne, England gestorben, floh 1933 vor den Nazis aus Österreich. Nach der Trennung ihrer Eltern - ihre Mutter war die Schriftstellerin Anna Gmeyner, ihr Vater der Physiologe Berthold P. Wiesner - wuchs sie in einem Kinderheim auf. Nach Kriegsende studierte sie zunächst Physiologie, später Erziehungswissenschaften und arbeitete dann als Lehrerin. Sie heiratete ihren Kollegen Alan Ibbotson und bekam vier Kinder mit ihm - als das jüngste in die Schule kam, schrieb sie ihr erstes Kinderbuch. In Das Geheimnis von Bahnsteig 13 erfand sie ein geheimes Gleis im Londoner Bahnhof King's Cross, das J. K. Rowling zu Gleis neundreiviertel inspirierte. Viele von Ibbotsons Romanen, darunter auch mehrere für Erwachsene, waren Bestseller.

Eva Ibbotson, 1925 als Maria Charlotte Michelle Wiesner in Wien geboren, 2010 in Newcastle upon Tyne, England gestorben, floh 1933 vor den Nazis aus Österreich. Nach der Trennung ihrer Eltern – ihre Mutter war die Schriftstellerin Anna Gmeyner, ihr Vater der Physiologe Berthold P. Wiesner – wuchs sie in einem Kinderheim auf. Nach Kriegsende studierte sie zunächst Physiologie, später Erziehungswissenschaften und arbeitete dann als Lehrerin. Sie heiratete ihren Kollegen Alan Ibbotson und bekam vier Kinder mit ihm – als das jüngste in die Schule kam, schrieb sie ihr erstes Kinderbuch. In Das Geheimnis von Bahnsteig 13 erfand sie ein geheimes Gleis im Londoner Bahnhof King's Cross, das J. K. Rowling zu Gleis neundreiviertel inspirierte. Viele von Ibbotsons Romanen, darunter auch mehrere für Erwachsene, waren Bestseller.

1 Das Findelkind


In die Kirche war Ellie nur wegen ihrer Füße gegangen. Das istsicher nicht der beste Grund, eine Kirche zu betreten, aber Ellie war korpulent und auch nicht mehr ganz jung, außerdem taten ihr die Füße weh. Sie taten ihr sogar schrecklich weh.

Es war ein schöner, sonniger Junitag, und Ellie und ihre Freundin Sigrid (die so dünn wie Ellie beleibt war) hatten schon sehr früh den Zug aus Wien in die Berge genommen, um auf den Pettelspitz zu steigen.

Jeden letzten Sonntag im Monat, an ihrem freien Tag, gingen sie in die Berge. Sie vertauschten ihre Schürzen mit Dirndlkleidern und füllten ihre Rucksäcke mit Wurstbroten und Stücken von Gugelhupf, sodass sie oben auf dem Berg die Aussicht genießen konnten, ohne dabei hungern zu müssen. Das war der wohlverdiente Lohn für eine Woche harter Arbeit: Für die drei Professoren, bei denen sie angestellt waren, mussten sie waschen und kochen, einkaufen und putzen, und ihre Herrschaft war sehr pingelig, was diese Arbeiten betraf. Ellie war Köchin und Sigrid Hausmädchen, und beide waren seit vielen Jahren befreundet.

An diesem besonderen Sonntag trug Ellie neue Stiefel, was wirklich töricht ist, wenn man eine längere Wanderung plant. Sie hatten den Berg halb erklommen, als sie an einer Blumenwiese vorbeikamen, an deren Ende ein kleines weißes Kirchlein mit Zwiebelturm stand.

Ellie blieb stehen. »Weißt du, Sigrid, ich glaube, ich werde für meine Mutter einen Rosenkranz beten. Ich habe letzte Nacht von ihr geträumt. Geh du doch schon mal vor. Ich treffe dich dann oben.«

Sigrid schnaubte. »Ich hab dir doch gleich gesagt, du sollst keine neuen Schuhe anziehen.«

Aber sie lief dennoch langsam voraus, und Ellie überquerte auf einer kleinen hölzernen Brücke ein Bächlein und betrat die Kirche.

Es war eine zauberhafte Kirche – eine von denen, die so aussehen, als hätte Gott sie höchstpersönlich für ein wundervolles Fest ausgeschmückt. Die Deckengemälde zeigten Engel und goldene Sterne und ein Bildnis der heiligen Ursula, die hilfreich ihre Arme ausstreckte, woraufhin Ellies Füße sich gleich besser fühlten. Auch die Heiligenreliquie hier war nicht etwa ein Zehenknochen oder eine verdorrte Hand oder sonst etwas Unappetitliches; stattdessen lag unter einem Glassturz die mit Perlen geschmückte Locke eines Heiligen. Obgleich die Kirche vom nächsten Dorf ziemlich weit entfernt war, hatte jemand eine Vase mit frischen Alpenrosen zu Füßen der Jungfrau Maria gestellt.

Ellie glitt in eine Kirchenbank und löste ihre Schnürsenkel. Sie sprach ein Gebet für ihre Mutter, die vor vielen Jahren gestorben war … und schloss die Augen.

Sie hatte nur wenige Minuten geschlafen. Als sie erwachte, war die Kirche immer noch leer, aber Ellie hatte das Gefühl, von irgendeinem Geräusch geweckt worden zu sein.

Sie sah sich genau um, konnte aber nichts entdecken. Dann beugte sie sich über die Kirchenbank und sah auf dem roten Teppich unterhalb des Altars – ein Paket.

Das Paket hatte ungefähr die Größe eines Kürbisses, eines ziemlich großen Kürbisses, und Ellies erster Gedanke war, dass es jemand als Erntedankgabe dort gelassen hatte. Aber das Erntedankfest war im Herbst und nicht im Juni. Und nun gab der Kürbis zu Ellies großem Erstaunen auch noch einen Laut von sich. Ein leises Maunzen … Ein Kätzchen? Ein Welpe?

Ellie band ihre Schnürsenkel fest und ging nach vorn, um nachzusehen. Aber es war kein Kätzchen und auch kein Welpe, es war viel schlimmer.

»Ach, du lieber Himmel«, murmelte Ellie. »Ach, du lieber, lieber Himmel!«

 

Sigrid hatte die Spitze des Berges erreicht. Sie hatte die Aussicht bewundert und ein Wurstbrot gegessen und sie hatte ein paarmal tief eingeatmet, aber von Ellie war immer noch nichts zu sehen.

Das war ärgerlich. Wenn man auf der Spitze eines Berges steht und die Aussicht bewundert, dann möchte man, dass jemand dabei ist, der dies mit einem teilt. Sigrid wartete noch eine Weile, dann packte sie den Rucksack und stieg den felsigen Abhang wieder hinunter, durch den Kiefernwald, bis sie zu der Wiese mit der kleinen Kirche kam.

Ellie war immer noch da, sie saß in der ersten Reihe, aber sie hielt etwas im Arm und sah ganz anders aus als sonst, völlig aufgelöst und über und über errötet …

»Das hat jemand hiergelassen«, sagte sie.

Sie schlug das Tuch zurück, und Sigrid beugte sich vor, um zu schauen.

»Herr im Himmel!«

Das Baby war noch sehr klein, nicht mehr als ein paar Tage alt, aber es war erstaunlich lebendig. Strömte Wärme aus, dampfte wie ein frisch gebackenes Brot, seine Beinchen strampelten unter dem Tuch. Und als Sigrid einen knochigen Zeigefinger ausstreckte, um seine Wange zu berühren, da öffnete es seine Augen, und als es sie anblickte, da traf sie dieser Blick mitten ins Herz.

»An dem Tuch war ein Zettel befestigt«, sagte Ellie.

Seien Sie bitte gut zu meiner Tochter und bringen Sie sie nach Wien zu den Nonnen, stand auf dem tränendurchweichten Papier.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Sigrid. Sie war sehr aufgeregt. Weder sie noch Ellie waren je verheiratet gewesen, sie kannten sich mit Babys nicht aus.

»Wir nehmen es mit nach Wien zu den Nonnen, genau wie es da steht. Was sollten wir wohl sonst tun?«

Sie brauchten eine Stunde, um das Baby nach Pettelsdorf zu bringen. Niemand wusste dort etwas von einem Baby, keiner hatte jemanden in die Kirche gehen sehen.

»Die Mutter muss von der anderen Seite, über den Pass, gekommen sein«, sagten die Leute.

Eine Bauersfrau gab ihnen eine Flasche und etwas verdünnte Milch von ihrer Kuh, und sie zogen weiter zu dem kleinen Bahnhof am See, um auf den Zug nach Wien zu warten.

Es war schon spät, als sie mit ihrem feuchten, quengelnden Bündel in der Stadt ankamen, und die beiden Frauen waren sehr müde. Das einzige Kloster, von dem sie wussten, dass es Findelkinder aufnahm, war vom Haus der Professoren, wo sie wohnten und arbeiteten, weit entfernt. Und sie hatten kein Geld für einen Fiaker.

Also nahmen sie die Straßenbahn, und obwohl es eine von den neuen, elektrischen war, war es fast dunkel, als sie den Weg zum Kloster des Heiligen Herzens hinaufgingen.

Das schmiedeeiserne Tor war geschlossen, aus dem niedrigen weißen Gebäude ertönte Gesang.

»Hier wird es ihr gut gehen«, sagte Ellie und strich dem Baby über den Kopf.

Sigrid zog an der Glocke. Sie hörten das Geläut drinnen widerhallen, aber niemand erschien.

Sigrid läutete noch einmal, und sie warteten.

Schließlich kam eine ältere Nonne über den Klosterhof geeilt. »Was ist los?«, fragte sie und linste in die Dunkelheit.

»Wir bringen Ihnen ein Findelkind, Schwester«, sagte Sigrid. »Man hat es in einer Kirche in den Bergen ausgesetzt.«

»Nein, nein, auf keinen Fall!« Die Nonne erhob abwehrend beide Hände. Sie schien zu Tode erschrocken. »Bringen Sie das Kind weg, bleiben Sie keine Sekunde länger hier. Sie hätten nicht kommen dürfen! Wir stehen unter Quarantäne wegen Typhus. Drei Schwestern sind schon erkrankt, und nun breitet sich die Krankheit unter den Kindern aus.«

»Typhus!« Ellie schauderte. Das war eine grauenvolle Krankheit, das wusste jeder.

»Bringen Sie es fort, schnell, schnell!«, sagte die Nonne und schlug mit den Armen, als wollte sie Gänse verscheuchen.

»Aber wo sollen wir das Kind denn hinbringen?«, begann Sigrid. »Es muss doch einen Platz geben.«

»Niemand in Wien wird ein Kind aufnehmen, solange die Epidemie anhält«, sagte die Nonne. »Das wird noch mindestens sechs Wochen dauern.«

Wieder allein, sahen sich die beiden Freundinnen an.

»Wir müssen sie mit nach Hause nehmen und es morgen noch einmal versuchen.«

»Aber was werden die Professoren sagen?«

»Sie müssen es ja nicht wissen«, sagte Ellie. »Wir behalten das Baby unten bei uns. Unsere Herrschaft kommt doch nie in die Küche.«

Aber da irrte sie sich.

 

Die drei Professoren lebten immer noch in ihrem Geburtshaus.

Es stand am südlichen Ende eines kleinen Platzes im ältesten Teil der Stadt, nicht weit von der Hofburg und der Spanischen Hofreitschule entfernt. Wenn man sich aus einem der oberen Fenster beugte, konnte man die Tauben sehen, die um die Türme des Stephansdoms kreisten. Der Stephansdom steht im Herzen der Stadt und für die Wiener somit im Herzen der Welt.

Doch obgleich man von dem Platz zu all den Sehenswürdigkeiten zu Fuß gehen konnte, wirkte er wie abgeschnitten von Trubel und Lärm. In seiner kiesbestreuten Mitte erhob sich das Denkmal von General Brenner auf seinem Schlachtross. Die Kinder liebten es sehr, denn mit so einem Reiterstandbild kann man eine Menge anfangen: so tun, als ob man auf dem Pferd reitet, es tätscheln oder sich bei Regen darunter verstecken. Der General war ein Held gewesen, er hatte gegen Napoleon gekämpft, und deswegen hatte man den Platz nach ihm benannt: Brennerplatz.

Neben dem General auf seinem Pferd gab es einen Springbrunnen mit einem großen flachen Becken und einer breiten Steinumrandung. Manchmal schwamm ein Goldfisch darin, denn die Kinder, die im Prater, dem Vergnügungspark im Nordosten der Stadt, einen Fisch gewannen, warfen ihn auf dem Heimweg nicht selten dort hinein.

An der westlichen Seite des Platzes stand eine Kirche, die nach dem heiligen Florian benannt war, dem Schutzpatron gegen Feuer. Es war eine hübsche Kirche mit einem Friedhof, auf dessen Rasen sich wilde Blumen ausgesät hatten. Der Kirche gegenüber standen aufgereiht Kastanien in eisernen Schutzgittern, die den Platz vom Lärm der Straße abschirmten, die in die Stadtmitte führte. An einer Ecke gab es...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2025
Übersetzer Sabine Ludwig
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte 20. Jahrhundert • Adoption • Adoptiv • Findelkind • Kaiserzeit • Kinderbuchklassiker • Klassiker • Mutter • Mutterliebe • Österreich • Professor • Tochter • Waise • Waisenkind • Wien
ISBN-10 3-7152-7026-8 / 3715270268
ISBN-13 978-3-7152-7026-5 / 9783715270265
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