Atlas der unbegangenen Wege (eBook)
224 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-324-8 (ISBN)
Melanie Wolfers, Dr. theol., Mag. Phil., Jahrgang 1971, ist Philosophin und Mutmacherin. Aufgewachsen in Norddeutschland, studierte sie Philosophie und Theologie in Freiburg und München und wirkt seitdem als Beraterin, Rednerin und Autorin. Seit 2004 lebt die Expertin für Lebensfragen und Spiritualität in einer christlichen Ordensgemeinschaft in Wien. Melanie Wolfers schöpft aus ihrer langjährigen Erfahrung als Seelsorgerin; sie ist Bestsellerautorin, schreibt für überregionale Magazine wie BRIGITTE und betreibt den erfolgreichen Podcast GANZ SCHÖN MUTIG - dein Podcast für ein erfülltes Leben. www.melaniewolfers.de
Melanie Wolfers, Dr. theol., Mag. Phil., Jahrgang 1971, ist Philosophin und Mutmacherin. Aufgewachsen in Norddeutschland, studierte sie Philosophie und Theologie in Freiburg und München und wirkt seitdem als Beraterin, Rednerin und Autorin. Seit 2004 lebt die Expertin für Lebensfragen und Spiritualität in einer christlichen Ordensgemeinschaft in Wien. Melanie Wolfers schöpft aus ihrer langjährigen Erfahrung als Seelsorgerin; sie ist Bestsellerautorin, schreibt für überregionale Magazine wie BRIGITTE und betreibt den erfolgreichen Podcast GANZ SCHÖN MUTIG – dein Podcast für ein erfülltes Leben. www.melaniewolfers.de Andreas Knapp, Dr. theol., ist Priester und erfolgreicher Autor. Im Jahr 2000 schloss er sich dem Orden der »Kleinen Brüder vom Evangelium« an. Heute lebt er in einem Plattenbau in Leipzig und engagiert sich in der Flüchtlingsarbeit. Sein Werk wurde u. a. mit dem renommierten Herbert-Haag-Preis (2018) ausgezeichnet.
4. Pilgern: Sich selbst entgegenwandern
Tagebuch Andreas (7. November 2019)
Gestern ist mir etwas passiert! Ich ging von der Arbeit nach Hause und durchquerte wie gewohnt eine Straße, die von zwei hohen Wohnblöcken gesäumt wird. Plötzlich hallte ein ungewöhnliches Geräusch durch die Häuserschlucht, kreischend und ächzend; wie eine quietschende Landmaschine. Doch was hat diese in einem Hochhausviertel verloren? Das Geräusch kam von vorn, und der merkwürdige Lärm wurde immer lauter. Gespannt wartete ich auf die Maschine, die jeden Augenblick um die Ecke biegen musste. Aber nichts da.
Plötzlich fiel mein Blick nach oben. Direkt über mir flog eine Schar von Wildgänsen in Pfeilformation über den Himmel. Wildgänse hatte ich hier nicht erwartet! Also keine ächzenden Maschinen, sondern krächzende Vögel hatten mich irritiert. Ich schaute den Zugvögeln nach, die hinter dem nächsten hohen Gebäude schnell wieder verschwunden waren. Und auch ihr kreischendes Schreien war bald nicht mehr zu hören.
Aber in mir klang etwas nach. Ein altbekanntes Gefühl wurde wieder geweckt: Wenn sich im Herbst die Zugvögel sammeln und dann die Stare, Gänse oder Schwalben fortziehen, dann will immer etwas in mir mitziehen. Ein Fernweh, ein Weh wie eine alte Wunde, die anderswo auf Heilung hofft.
Trotz aller Sesshaftwerdung schlummert in uns noch das Nomaden-Gen. Der Mensch ist ein ewiger Wanderer. Und sein Leben eine Reise. Vielleicht wurde Pilgern zu einem Megatrend, weil wir dabei mit dem Körper ausdrücken, was unser Dasein charakterisiert: dass wir uns nirgends auf Dauer einrichten können, sondern zeit unseres Lebens unterwegs sind. Und dass wir vom ersten bis zum letzten Atemzug wachsen und reifen können.
Das Wort »Pilgern« leitet sich vom lateinischen per‑egrinatio ab. Man geht per ager, über den Acker; man schweift über die Felder. Was bewegt Leute, dass sie nicht mehr auf der heimischen Scholle sitzen bleiben, sondern sich vom Acker machen? Warum lassen sie für mehrere Wochen den Alltag hinter sich und brechen zu einer körperlich herausfordernden Weitwanderung auf?
Die Motive zum Pilgern sind so verschieden wie die Menschen, die mit einer Muschel am Rucksack losziehen. Manche lockt einfach das Abenteuer: möglichst ungeplant loslaufen und sich überraschen lassen. Finde ich den Weg, ein Nachtquartier, umgängliche Weggefährtinnen? Wie werde ich auf Regen, Hitze, Hunger und Blasen an den Füßen reagieren?
Andere fühlen sich angezogen vom Wunsch nach einfachem Leben und Ursprünglichkeit: Ich will wieder das Elementare spüren, Erde, Luft, Wasser, Sonne. Will weniger im Kopf und mehr in den Beinen sein und meinen Körper wahrnehmen.
Auf viele übt Pilgern eine geradezu magische Anziehungskraft aus, weil sie damit körperlich ausdrücken, was seelisch dran ist. Manche machen sich auf die (Wander-)Socken, um einen Abschied und einen Neustart zu markieren und zu gestalten: Sie pilgern nach dem Studienabschluss oder vor dem Eintritt ins Rentenalter, um sich über das Kommende klarer zu werden und den Übergang besser zu bewältigen. Manche wollen Abstand gewinnen nach dem Scheitern einer Beziehung und suchen im Gehen einen Weg, auf dem ihr Schmerz vergehen kann. Andere pilgern, um in einer Krise wieder Boden unter den Füßen zu spüren. Und nicht zuletzt be‑wegt Menschen der Wunsch nach einer Auszeit: Sie steigen aus dem stressenden Hamsterrad aus und lassen den Trott des Alltags für eine (un)bestimmte Zeit hinter sich, um das Leben wieder unmittelbarer wahrzunehmen. Und um mehr zu sich selbst zu finden.
Alles in allem: Beim Pilgern kann man anstehenden Lebensfragen, Übergängen oder Entscheidungen symbolisch nach‑gehen. Manche nehmen bewusst eine Frage mit auf den Weg und bearbeiten sie laufend. Andere haben eher ein vages Gefühl – und lassen sich davon überraschen, was sich unterwegs alles zu Wort meldet.
So vielfältig die Pilgermotive auch sein mögen, so kommen sie doch in mehreren Punkten überein: Erstens erfahren viele Menschen Pilgern als ein klassisches Übergangsritual, das ihnen ermöglicht, ihre Schwellensituation bewusst zu gestalten. Zweitens spüren viele Pilgernde auch eine spirituelle Sehnsucht – und zwar unabhängig davon, ob sie sich als religiös verstehen oder nicht. Sie sehnen sich nach Sinn und Bedeutung, nach innerem Frieden und Heilsein, nach Ganz-sein und Verbundenheit. Und drittens hoffen die meisten, dass das Unterwegssein ihnen hilft, auch innere Wandlungsschritte zu gehen: dass ich im Aufbrechen auch eine seelische Stagnation überwinde. Dass ich beim Schreiten in die Weite auch innerlich weiterkomme. Und so Schritt für Schritt mir selbst entgegenwandere.
Ich bin dann mal bei mir
Pilgern kann einen Wandlungsprozess unterstützen, und zwar aus mehreren Gründen. Ein erster: In der Dynamik eines Pilgerweges spiegeln sich seelische Bewegungen wider. Ja, die verschiedenen Etappen des Pilgerns entsprechen dem inneren Ablauf eines persönlichen Entwicklungsprozesses. Denn beide gliedern sich in die drei Phasen Aufbruch – Unterwegssein – Rückkehr: Es beginnt mit dem Aufbruch aus der vertrauten Welt. Darauf folgt das abenteuerliche Unterwegssein in der Fremde. Schließlich kehrt man in die alte Welt zurück, um diese mit dem neu gewonnenen Erfahrungsschatz positiv zu verändern. Das äußere Geschehen beim Pilgern lässt sich also mit der inneren Logik von Entwicklung und Wachstum verknüpfen. Diese Schritte finden sich auch in der sogenannten Heldenreise, deren Struktur Joseph Campbell aus zahlreichen Märchen und Mythen der Welt herauskristallisiert hat.4
Ein zweiter Aspekt: Der Pilger oder die Pilgerin ist ein archetypisches Bild der menschlichen Seele. Die Figur des Pilgers taucht wie ein Traumbild in der Seele auf, wenn es dran ist, wieder aufzubrechen und Neues zu suchen. Wenn die Zeit reif ist, sich auf Wanderschaft zu begeben, um sich selbst und die Welt ein Stückchen voranzubringen. Und das bedeutet – und zwar völlig unabhängig davon, ob Sie jemals gepilgert sind oder nicht: Immer dann, wenn Sie Ja sagen zum Ruf des Lebens und aufbrechen, kommt jener Aspekt Ihrer Persönlichkeit zum Zug, der sich auch als »der Pilger in mir«, als »die Pilgerin in mir« umschreiben lässt.
Und schließlich: Deuten Sie Ihr Dasein im Licht des Pilgersymbols, dann werden Sie hellhöriger für die Signale des Lebens. Denn dann wächst Ihre Bereitschaft, sich bei jedem Ereignis zu fragen: Was will diese Situation mich lehren? Was kann und was soll (s)ich dadurch entwickeln?
Diesen Perspektivwechsel fasst die Kinderbuchautorin Lena Raubaum wunderbar in Worte:
Leben, du, ich frage dich:
Was hast du vorgeseh’n für mich?
Da höre ich das Leben sagen:
Das wollte ich dich auch schon fragen.5
Wegmarken und Landkarten
In unserem Buch werden Sie immer mal wieder dem Sinnbild des Pilgerns begegnen. Denn damit lässt sich gut veranschaulichen, wie wir Menschen die Neuaufbrüche in unserem Leben meistern und einen persönlichen Wandlungsprozess durchlaufen können. Und mit welchen Widerständen auf dem Weg wir rechnen sollten.
Das Pilgern hat auch viel mit uns zu tun, die wir gemeinsam dieses Buch geschrieben haben: Wir beide pilgern leidenschaftlich gerne und sind schon Tausende von Kilometern allein oder mit von uns geleiteten Gruppen gepilgert: nach Jerusalem und Santiago de Compostela, nach Rom und Assisi, nach Monte Cassino und Saintes-Maries-de-la-Mer. Unsere Tagebuchauszüge spiegeln etwas wider von unseren Erlebnissen und Einsichten, von unseren Abenteuern, Krisen und unverhofften Wendungen.
Und ebenso können wir – wie alle Menschen! – aus erster Hand berichten, wenn es um Neuanfänge und Wandlungskrisen geht. Einmal stand für uns beide ein radikaler Aufbruch an: Wir haben unser bisheriges Leben hinter uns zurückgelassen, um uns einer Ordensgemeinschaft anzuschließen – Andreas im Jahr 2000 den »Kleinen Brüdern vom Evangelium« und Melanie im Jahr 2004 den Salvatorianerinnen. So erzählen wir auch von persönlichen Erfahrungen, etwa von unserer Sehnsucht, aufzubrechen, und von unserer Angst vor diesem Schritt. Wir kennen von innen her, wie es sich anfühlt: das Zurücklassen prestigeträchtiger, guter Jobs; die ersten Schritte in einem neuen Umfeld, der Zauber des Anfangs, monatelange Zweifel, Scheitern und Erfolge; unerwartete Begegnungen und die Freiheit, sich selbst neu zu (er)finden. Wir kennen die Glücksmomente, in denen wir spüren: Ja, es hat sich gelohnt! Und die Dankbarkeit, angekommen zu sein.
Tagebuch Melanie (5. Oktober 2003)
Heute bringe ich endlich zu Papier, was mich in den letzten Monaten umgetrieben hat – und schaue dabei auf den türkisblauen Chiemsee. Seit eineinhalb Jahren lebe ich in München und fühle mich wie ein Fisch im Wasser: Meine Arbeit als Seelsorgerin an der Universität macht mich total glücklich. Ich liebe es, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, die in eine neue Lebensphase...
Erscheint lt. Verlag | 3.3.2025 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | achtsam wandern • Andreas Knapp • Auf und Ab des Lebens • bücher selbstfindung • christliche lebenshilfe bücher • christliche Ratgeber • Der Weg ist das Ziel • entscheidungen treffen buch • Etappen des Lebens • Fragen in der Lebensmitte • Geschenk Umbruchsphase • innere Transformation • krisen bewältigen buch • Leben als Reise • Leben ändern Buch • Lebensentscheidungen • lebenskrise bewältigen • Lebensmitte • Lebensphasen • Lebenswege • Melanie Wolfers • neuanfang im leben • Orientierung im Leben • Persönlichkeitsentwicklung • Phasen des Lebens • Pilgern • Pilgerreise • Selbstreflexion Buch • sich selbst erfahren • Sich selbst kennen lernen • Sinn des Daseins • Sinn des Lebens • sinn des lebens buch • Sinnsucher • Sinnsuche Ratgeber • Umbruchsituationen • Umbruchzeiten • Wendepunkt im Leben |
ISBN-10 | 3-96340-324-1 / 3963403241 |
ISBN-13 | 978-3-96340-324-8 / 9783963403248 |
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