Pferdefreundin (eBook)
248 Seiten
Orte Verlag
978-3-85830-335-6 (ISBN)
Philipp Probst, 1965, in St.Gallen geboren, arbeitete mehr als zwanzig Jahre bei Zeitungen und Zeitschriften als Reporter, Nachrichten- und Politikjournalist. Heute ist er als freier Autor, Kolumnist und Chauffeur bei den Basler Verkehrs-Betrieben tätig.
Philipp Probst, 1965, in St.Gallen geboren, arbeitete mehr als zwanzig Jahre bei Zeitungen und Zeitschriften als Reporter, Nachrichten- und Politikjournalist. Heute ist er als freier Autor, Kolumnist und Chauffeur bei den Basler Verkehrs-Betrieben tätig.
Prolog
«Bist du Philippa?»
«Haben Sie alles dabei?»
«Natürlich. Wie vereinbart.»
«Smartphone?»
«Nein. Wie vereinbart.»
«Gut.»
«Steig ein. Du scheinst zu frieren. Mütze, Schal – und das in einer lauen Frühlingsnacht. Oder ist das eine Vorsichtsmassnahme?»
Philippa antwortete nicht. Langsam ging sie um die mächtige Motorhaube des Wagens herum, warf einen Blick auf das beleuchtete Nummernschild und stellte fest, dass das Auto in Frankreich registriert war. Vermutlich eine Tarnung. Denn der Fahrer war garantiert kein Franzose. Dazu redete er zu geschliffen Hochdeutsch.
Der Wagen war kein gewöhnliches Auto, sondern ein Pick-up mit einer kleinen Ladefläche. Obwohl der Treffpunkt in einer dunklen Seitenstrasse in Biel Bözingen lag, konnte Philippa mehrere Holzkisten, eine Schaufel, einen Pickel und eine Leiter erkennen. Alles war säuberlich festgezurrt. Philippa öffnete die hintere Tür der Fahrerkabine und zwängte sich auf die Rückbank.
«Warum quetschst du dich da hinten hinein?», fragte der junge Mann. «Das sind nur Notsitze.»
«Das spielt keine Rolle», sagte Philippa und gurtete sich an. «Und ich würde es bevorzugen, wenn wir uns siezen.»
«Okay, Madame. Warum so förmlich?»
«Wir erledigen bloss einen Job.»
«Einen Job für eine gute Sache, Madame.»
«Lassen Sie das Madame. Fahren Sie endlich los.»
«Wollen Sie nicht den Mantel ausziehen? Die Heizung funktioniert, hier drinnen ist es schön warm.»
«Fahren Sie endlich!»
Der junge Mann gab Gas. Der Pick-up setzte sich rasant in Bewegung.
«Auf die Autobahn Richtung Delémont», befahl Philippa und schob den Schal, mit dem sie Mund und Nase verdeckt hatte, unters Kinn. «Bei Tavannes verlassen wir die Autobahn und fahren via Tramelan nach Les Breuleux. Ab da lotse ich Sie.»
«Natürlich, wie Sie wünschen. Ich heisse übrigens …»
«Ihren Namen können Sie für sich behalten», unterbrach Philippa.
«Madame, ich bitte Sie. Wir arbeiten für die gleiche Organisation.»
«Es ist eine Sicherheitsmassnahme. Ich kenne nur Ihre Handynummer. Und Sie kennen meine. Es ist besser, wenn das so bleibt.»
«Oh, dann ist Philippa also gar nicht Ihr richtiger Name? Vermummen Sie sich deshalb?» Der junge Mann richtete den Innenspiegel so, dass er sie sehen konnte.
«Fahren Sie einfach», sagte Philippa und zog den Schal wieder vor den Mund.
Der junge Mann hatte einen sportlichen Fahrstil. Das gefiel ihr. Seine Haare weniger. Er hatte halblange, zerzauste Locken. Und auf seinem rechten Oberarm prangte ein Tattoo. Philippa konnte aber nicht erkennen, was für eines. Erst als der junge Mann auf der A16, der Transjurane, ein anderes Auto überholte und dessen Abblendlicht das Innere des Pick-ups beleuchtete, erkannte Philippa das Motiv: Das Tattoo zeigte einen Wolf, der einen Fluss durchwatet.
«Sie mögen Wölfe?», fragte Philippa.
«Wir wollen doch möglichst wenig voneinander wissen, nicht wahr? Deshalb sitzen Sie auch hinten, oder? Damit ich Sie nicht sehen kann.»
Philippa schwieg.
«Ich liebe alle Tiere», antwortete der junge Mann schliesslich. «Sonst würde ich kaum für diese Organisation arbeiten. Wölfe mag ich ganz besonders. Nennen Sie mich doch Isegrim. Wie der Wolf aus der Fabel.»
«Isegrim», sinnierte Philippa. Der Mann, der nun doch einen Namen hatte, war ihr sympathisch. Vom Alter her hätte er gut ihr Sohn sein können. Sie wäre stolz darauf, einen solchen Sohn zu haben. Ihr eigener Sohn Philip Junior war eher nach dem Vater geraten. Gutaussehend, charmant. Aber ein Blender, ein Filou, ein Playboy. Er gab das Geld mit beiden Händen aus. Vertraute auf das Vermögen der Familie Miller-de-Polline, auf die zahlreichen Immobilien und das Gestüt in den Freibergen im Schweizer Jura. Er war eben mehr ein Miller als ein De Polline. Und sie hatte ihm schon mehrmals gesagt, dass es nicht sein Vermögen und auch nicht dasjenige seines Vaters sei, sondern ihres. Und dass er sich mässigen solle. Denn Philippa Miller-de-Polline hatte andere Pläne, als das Vermögen irgendwann ihrem Sohn zu vererben.
Alles für die Tiere. Alles für den Tierschutz, die Organisation.
Philip Junior sah das nicht so. Aber immerhin hatte er ihr den Kontakt zu Isegrim vermittelt. Ein Mann für spezielle Aufgaben, hatte Philip Junior versprochen. Das würde sich nun zeigen.
Als sie Les Breuleux erreichten, dirigierte Philippa Isegrim über kleine Strassen Richtung Mont Soleil – ein Berg im Schweizer Jura mit vielen Windkraftanlagen. Isegrim fuhr jetzt langsam, obwohl die Scheinwerfer die schmale Strasse gut ausleuchteten.
Plötzlich stoppte er. Isegrim drehte sich zu Philippa um: «Ich gehe davon aus, dass der ganze Komplex überwacht wird.»
Philippa starrte in Isegrims Gesicht. Es war ein hübsches Gesicht mit einer leicht gekrümmten Nase und einem spitzen Kinn. «Ja, es gibt überall Kameras.»
Isegrim stieg aus dem Wagen, montierte die Nummernschilder ab und legte die Kennzeichen in den Fussraum des Beifahrersitzes.
Weiter ging es über eine Schotterstrasse.
«Da!», rief Philippa. «Halten Sie vor dem Mast auf der rechten Seite.»
«Das ist das Windrad? Sind Sie sicher?»
«Sie wissen, was Sie zu tun haben?»
«Natürlich.»
Isegrim fuhr gut zwanzig Meter rückwärts an den mächtigen Mast aus Stahl und Beton heran. Dann machte er den Motor und das Licht aus, zog eine dünne Sturmhaube über den Kopf und montierte eine Stirnlampe. Er stieg aus, schlüpfte in eine Windjacke mit vielen Taschen. Von der Ladefläche holte er ein kleines Paket. Damit spurtete er die Gitterrosttreppe hinauf zur Tür, die ins Innere des Mastes führte. Am Schloss der Tür befestigte er das Paket. Dann eilte er zum Pick-up zurück, stieg ein, nahm aus der Seitentasche seiner Handwerkerhose eine kleine Fernbedienung und drückte auf den Knopf.
Ein Knall. Nicht sonderlich laut.
Isegrim wartete einige Sekunden, dann fuhr er nahe zur Gitterrosttreppe, sprang aus dem Wagen und betrachtete sein Werk. «Hat geklappt, Philippa», rief er. «Los geht’s. Es ist praktisch windstill. Ein Wunder, dass die Rotoren überhaupt laufen.»
Philippa stieg ebenfalls aus dem Wagen, drückte ihre Mütze tief ins Gesicht und schob die graumelierten Haarsträhnen darunter. Es war kalt. Und es roch nach Gras. Sie atmete tief ein.
Doch dann zuckte sie zusammen. Da war dieses unheimliche Geräusch. Wumm – Schsch – Wumm – Schsch – Wumm – Schsch.
Das Geräusch des Windrads, das die Luft zerschnitt. Für Philippa war es das Geräusch des Todes, die Guillotine für Millionen von Vögeln.
Wumm – Schsch – Wumm – Schsch – Wumm – Schsch.
Geköpft, zerstückelt, abgeschlachtet.
Sie suchte mit den Augen den Boden ab. Dort, einige Meter entfernt, lagen tatsächlich zwei tote Vögel. Philippa spürte einen Stich im Herzen. Sie konnte nicht näher herantreten.
Isegrim griff sich den Pickel von der Ladefläche, stieg die Treppe hinauf, hebelte die durch die Explosion beschädigte Tür aus den Angeln und warf sie nach unten. Sie schepperte. Dann eilte er zurück zum Pick-up, löste die Gurten um die Holzkisten und packte zusammen mit Philippa die erste Kiste. Sie war verdammt schwer. Die beiden hievten sie ins Innere des Mastes. Hier war das Geräusch der Rotoren noch lauter. «Unheimlich», sagte Philippa und schaute nach oben in den Turm: Eine Leiter, ein Lift, Kabelstränge – alles verschwand irgendwo in der Höhe, in der Dunkelheit.
«Weiter, Madame, weiter!», mahnte Isegrim.
Zusammen schleppten sie auch die zweite Kiste in den Mast. Der junge Mann nahm aus den beiden Kisten kleine, graue Rohre, die zu Batterien zusammengebunden waren. Mehrere davon waren wiederum an Seilen befestigt. Isegrim schulterte vier solcher Konstruktionen, schnappte sich einen Bund dicker Kabelbinder und kletterte die Leiter hinauf. Er schaute zurück. «Geben Sie mir einige Minuten. Falls jemand auftaucht, steigen Sie in den Wagen, hupen und lassen den Motor laufen. Okay?»
«Beeilen Sie sich.»
Philippa stieg die Gittertreppe hinunter, ging um den Mast herum und schaute sich um. Es waren nirgends Scheinwerfer eines Autos zu erkennen.
Der Wind blies etwas kräftiger. Das monotone Geräusch der Rotorblätter wurde jetzt ab und zu durch ein Zischen unterbrochen. Philippa erschauderte.
Wumm – Schsch – Wumm – Schsch – Wumm – Schsch.
Geköpft,...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2024 |
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Verlagsort | Schwellbrunn |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Abenteuer • Aktivismus • Basel • Chemie • Chemiekonzerne • Drama • Freiberge • Freiberger • Gnadenhof • Jura • Kunst • Kunstraub • Labor • Landschaft • Liebe • Pferde • Pharma • Pharmaindustrie • Ranch • Romantik • Selma • Tierschutz • Windräder |
ISBN-10 | 3-85830-335-6 / 3858303356 |
ISBN-13 | 978-3-85830-335-6 / 9783858303356 |
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