Die Mitford Schwestern (eBook)
416 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31144-0 (ISBN)
Marie Benedict, geboren 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law. Ihre Bücher über starke Frauen der Weltgeschichte haben Bestsellerstatus. Ihr Roman »Frau Einstein« verkaufte sich über 100.000 Mal allein in Deutschland. Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh.
Marie Benedict, geboren 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law. Ihre Bücher über starke Frauen der Weltgeschichte haben Bestsellerstatus. Ihr Roman »Frau Einstein« verkaufte sich über 100.000 Mal allein in Deutschland. Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh. Karen Gerwig studierte Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaften in Germersheim und Rennes (Frankreich). Sie übersetzt aus dem Französischen, Englischen und Portugiesischen. Zu den von ihr übersetzten Autorinnen gehören Meena Kandasamy, Melissa Broder, Denise Mina und Hiromi Goto. Sie lebt in München und besitzt leider keinen Zweitwohnsitz in Frankreich. Marieke Heimburger, geboren 1972, hat in Düsseldorf Literaturübersetzen für Englisch und Spanisch studiert. Seit 1998 übersetzt sie englischsprachige Literatur, u.a. Stephenie Meyer, Rowan Coleman, Kiera Cass, Sally McGrane, seit 2010 auch aus dem Dänischen, u.a. Jussi Adler-Olsen, Anna Grue, Mads Peder Nordbo.
Kapitel 4 Nancy
24. Januar 1933
London, England
»Bist du dir wirklich ganz sicher, Bodley? Du bist noch sehr jung für eine solche Entscheidung – ihr seid doch im Grunde noch ganz frisch verheiratet.« Forschend sehe ich meine sehr gelassene kleine Schwester an und suche nach Anzeichen des Zögerns oder von Selbstzweifeln in ihrem Blick. Selbst die winzigste Besorgnis könnte mir den Anlass bieten, das hervorzubringen, worum Muv mich gebeten hat. Aber ich sehe nichts als begeisterten Glanz in ihren Augen, Diana ist schöner denn je.
»Ach, Naunce, du bist mir immer so treu gewesen und ganz oft meine einzige Verbündete«, sagt sie lachend mit ihrer angenehmen Stimme und spricht mich dabei mit dem Spitznamen an, den sie seit unserer Kindheit für mich verwendet. Als hätte ich ihr einen besonders guten Witz erzählt und nicht versucht, einen Blick in ihr Herz zu werfen und sie von ihrem äußerst destruktiven Weg abzubringen. »Ich bin alt genug, um schon fünf Jahre verheiratet zu sein und zwei Jungs zur Welt gebracht zu haben, und darum würde ich sagen, ich bin mehr als alt genug, um ganz genau zu wissen, was – und wen – ich will.«
Ich weiß, dass sie mich nicht verletzen will, wenn sie sich selbst als »alt« bezeichnet, denn sie hat es tatsächlich geschafft, bereits im reifen Alter von zweiundzwanzig Jahren sowohl eine Ehe geschlossen als auch zwei Kinder bekommen zu haben, während ich mit meinen neunundzwanzig Jahren bislang nichts davon erreicht habe. Dank Hamish St. Clair-Erskine und seiner ellenlangen Liste von Ausreden und Verschiebungen. Und doch tut es mir weh, was sie sagt, aber ich schlucke die Verletzung hinunter und hebe sie mir für später auf. Wir Mitford-Schwestern vergessen nichts. Und tun, als würden wir vergeben.
»Ich möchte doch nur nicht, dass du es später irgendwann bereust.« Ich ziehe kräftig an meiner Zigarette und sehe mich in dem kleinen Haus am Eaton Square um, das sie gemietet hat. Kein Vergleich zu dem Palast am Cheyne Walk und dem Landgut Biddlesten, aber dennoch weitaus besser als meine Wohnung. »Kannst du denn nicht einfach nur eine Affäre mit diesem Mann haben? Musst du dich von deinem wunderbaren Mann scheiden lassen und den anderen unbedingt heiraten? Ich glaube, Bryan würde lieber Rosenblätter über eurem ehebrecherischen Lager verstreuen, als dich für immer zu verlieren.«
Wieder das glockenhelle Lachen, aber dieses Mal meine ich, eine Spur Spott herauszuhören. »Wer hat denn gesagt, dass ich ihn heiraten werde?«
Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich sprachlos, etwas, das mir sonst nie passiert. Als ich meine Sprache wiederfinde, stammele ich: »Oh. Wir hatten alle angenommen –«
Warum zum Teufel sollten wir das auch nicht annehmen?, denke ich. Wenn Diana es wagte, ihren Ehemann zu verlassen, ein für seinen Stand und sein Geschlecht außergewöhnlich anhängliches und ergebenes Exemplar, warum sollte ihre Familie dann nicht annehmen, dass sie das tat, um sich voll und ganz diesem verfluchten »M« hinzugeben? Warum sollten wir davon ausgehen, dass es dabei ausschließlich um fleischliche Gelüste ging? Für Muv und Farve war Dianas Verhalten eine einzige Schmach – sie hatten uns Schwestern den Umgang mit ihr verboten, mit Ausnahme dieser Mission, die sie zur Vernunft bringen sollte –, und wenn sie von dieser Entwicklung erfuhren, würde das die Kränkung noch verstärken, die sie erstmalig dazu veranlasste, sie mit Missachtung zu strafen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, in welche Rage Farve geraten wird, wenn er hört, dass Diana nicht vorhat, ihren Geliebten zu heiraten. Wie viel Porzellan wird seinem Zorn zum Opfer fallen?, frage ich mich. Als wir noch kleiner waren, gingen viele Tassen und Teller schon für weit geringere Vergehen zu Bruch, wie zum Beispiel das Kleckern mit Marmelade.
Diana lässt sich wie üblich nicht aus der Ruhe bringen und fährt fort: »Naunce, meine Liebe, nur weil ich Bryan um die Scheidung gebeten habe, heißt das noch lange nicht, dass ich plane, M zu heiraten.« Ihr sonst elfenbeinfarbener Teint nimmt bei der Erwähnung ihres teuren »M« einen leichten Rosaschimmer an. Ich hasse es, wie sie über Sir Oswald Mosley redet – diesen oberflächlichen Politiker, durchaus charismatisch, aber bekannt dafür, jederzeit die Partei zu wechseln, wenn es ihm in den Kram passt, und darüber hinaus ein notorischer Schürzenjäger. »M hat nämlich nicht vor, seine Frau zu verlassen. Ich werde voll und ganz zufrieden sein mit jeder Minute, die er für mich erübrigen kann. Und offen gestanden hätte ich sehr gerne etwas mehr Zeit für mich allein. Bryan war da immer ziemlich erdrückend.«
Ich bin fassungslos. Warum ist Diana bereit, sich mit Brosamen zu begnügen? Von jedem anderen könnte sie alles haben, die ungeteilte Aufmerksamkeit. Doch sie scheint sich regelrecht darauf zu freuen, ihren Buhlen mit seiner Ehefrau Cimmie zu teilen, jener Erbin des enormen Curzon-Vermögens, mit der er bereits seit dreizehn Jahren verheiratet ist, sowie mit allen möglichen anderen Frauen, die er nach Lust und Laune zu seinen Gespielinnen macht.
Gerade, als ich sie genau das fragen möchte, höre ich jemanden die Treppe herunterkommen. Wer konnte das sein? Jonathan und Desmond waren mit dem Kindermädchen in den Park gegangen. Es ist zwar kalt draußen, aber auch ungewöhnlich sonnig für die Jahreszeit.
»Lady«, dröhnt eine Stimme im Foyer, und ich weiß sofort, zu wem sie gehört. Bobo. Sie ist die Einzige, die mich hin und wieder »Lady« nennt, und ich kenne niemanden, der so laut ist wie sie.
Ich stehe auf, begrüße sie mit einem Kuss auf jede Wange und bemerke, dass sie sich in eins von Dianas Tweed-Etuikleidern gequetscht hat. Es steht ihr überhaupt nicht, und ich bin versucht, einen entsprechenden Kommentar zu machen, aber in diesem heiklen Moment halte ich mich doch lieber zurück. Unity würde sofort einen Wutanfall bekommen, und das Gespräch wäre im Handumdrehen beendet.
»Bobo. Hast du denn noch gar nichts von Muvs und Farves Edikt bezüglich Diana gehört? Sie ist persona non grata. Wir sollen nicht mit ihr reden.« Ich mache mich ein wenig lustig über die Anweisungen unserer Eltern – ich bin neunundzwanzig, sie können mir also schlecht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, insbesondere, da sie mich finanziell nicht unterstützen –, aber Unity steht noch immer unter ihrer Fuchtel. Es überrascht mich, dass sie sich ihren Weisungen widersetzt.
Sie lächelt, entblößt dabei ihre seltsam grauen Zähne. »Ich kann doch Nard nicht einfach ignorieren, wenn ich mal in London bin. Schon gar nicht, wenn sie gerade schwere Zeiten durchmacht.« Unity bedient sich ihres persönlichen Spitznamens für Diana, den sie nur dann verwendet, wenn sie sich ihr ganz besonders zugeneigt fühlt, und bedenkt ihre Schwester mit einem fast schon schwärmerischen Blick.
Muv und Farve hatten Unitys Bitten nachgegeben, während der Saison in London wohnen und Zeichenunterricht nehmen zu dürfen, in der verzweifelten Hoffnung, dass sie ausreichend neue Leute kennenlernen und womöglich einen geeigneten Freier finden möge. Ich hatte ganz vergessen, dass sie viel häufiger in London sein würde, als die Ballsaison es erforderte, weil ihr Kunstunterricht in der Harley Street das verlangte.
»Aber mich ignorierst du, obwohl ich doch auch in London bin«, scherze ich. Ich sollte wohl beleidigt sein deswegen, aber tatsächlich verbringe ich gar nicht so gerne Zeit mit Unity. Sie ist fürchterlich launenhaft und hegt sehr eigenartige Interessen, beides empfinde ich als anstrengend. Ganz zu schweigen davon, dass ich Ratular verabscheue. Herrje, wer hält sich denn bitte eine Ratte als Haustier?
»Du hast doch viel zu viel um die Ohren, Lady. Entweder schreibst du, oder du triffst dich mit deinen Kumpels«, sagt sie, lässt sich neben Diana nieder und nimmt ihre Hand. Wie schafft Diana es bloß, so mühelos eine Verbindung zu Unity aufzubauen?, frage ich mich. Worüber reden die beiden, wenn sie unter sich sind? Ich finde es seltsam, Unity so oft an Dianas Seite zu sehen. Früher war Tom ihr steter Begleiter, zumindest, solange wir noch Kinder waren, aber jetzt ist alles anders. Er hat ihr bis heute nicht ganz verziehen, dass sie seinen Freund Bryan verlassen hat, außerdem hat unser einziger Bruder ein sehr erfülltes eigenes Leben.
Ich beschließe, über die Spitze hinwegzuhören, und sage: »Ich freue mich jedenfalls sehr, dich zu sehen, Bobo. Die Ferien auf Swinbrook sind ja schon wieder eine Ewigkeit her.«
Muv und Farve leben zusammen mit unseren jüngsten Schwestern Pamela, Decca und Deborah, genannt Debo, in Swinbrook House in Oxfordshire, einem ganz wunderbaren, geräumigen Landhaus, das wir alle deshalb nicht mögen, weil es nicht Batsford Mansion und auch nicht Asthall Manor ist, wo wir zuvor glückselig gewohnt haben, bis Farves Vermögen aufgrund einiger Fehlentscheidungen und des allgemeinen wirtschaftlichen Abschwungs schrumpfte und der Umzug nach Swinbrook nötig wurde. Wir wuchsen wie ein Haufen streunender Katzen in weitgehender Isolation auf, hatten nur einander und mieden den Kontakt zur stets nichtssagenden Muv und dem launenhaften Farve, weshalb unsere Umgebung eine große Rolle spielte, eine entscheidende Rolle.
Wie kann ich das Gespräch zurück auf Dianas Scheidung lenken, wenn Unity direkt neben ihr sitzt? Noch bevor ich bezüglich einer Taktik zu einem Schluss komme, klingelt das Telefon. Ein Mädchen, Teil von Dianas »reduziertem« Personal, klopft an und sagt: »Entschuldigen Sie die Störung,...
Erscheint lt. Verlag | 10.10.2024 |
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Reihe/Serie | Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte |
Übersetzer | Karen Gerwig, Marieke Heimburger |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bestsellerautorin • Bonnie Garmus • buch frauen • Cotswold • Eine Frage der Chemie • Emanzipation • Familienloyalität • Feminismus • Flusskrebse • Frau Einstein • Frauen in der Weltgeschichte • Frauenroman • Geschenk für Frauen • Historischer Roman • Lady Churchill • Nancy Mitford • Nazi-Deutschland • Schwesterbeziehung • Schwestern • Unity Mitford |
ISBN-10 | 3-462-31144-1 / 3462311441 |
ISBN-13 | 978-3-462-31144-0 / 9783462311440 |
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