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Am anderen Ufer des Meeres (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
448 Seiten
Luchterhand Literaturverlag
978-3-641-30153-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
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Ein meisterhafter, dreistimmiger Roman über das Erinnern, über Rassismus und über die Sehnsucht nach einem anderen Leben.
In seinem neuen Roman begibt sich Weltliterat António Lobo Antunes an die Anfänge des portugiesischen Kolonialkriegs gegen Angola und zeichnet in kunstvoll überbordender Sprache ein gnadenloses Porträt von drei vereinsamten Menschen.

Im Januar 1961 protestieren die Arbeiter der Baumwollplantagen in der Baixa do Cassanje für bessere Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung, doch schon kurze Zeit später wird der Aufstand vom portugiesischen Militär äußerst brutal niedergeschlagen. Es sind diese Ereignisse, auf die die drei Protagonisten in »Am anderen Ufer des Meeres« zurückschauen - ein hochrangiger Soldat, ein Bezirksverwalter und die Tochter eines Plantagenbesitzers. Lobo Antunes blickt tief hinein in die Gefühlswelt seiner Charaktere, legt Schichten von Gewalt und Rassismus frei und lässt in inneren Monologen die Vergangenheit spuken und die Erinnerungen schwirren.

António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkriegs 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.


Ich bin der Pretas wegen nach Angola gekommen und weil man mir erzählt hatte, dass einer unserer Verwandten hier zwischen Löwen und verdammten Pretos dank der Baumwolle reich geworden ist, der Vater meiner festen Freundin, dessen Wunsch war, mich loszuwerden

– Der bringt es im Leben zu nichts der denkt nur an Billard

jede Menge Vögel und jede Menge Kräne am Kai der Einschiffung, mein Gott, und all das schrie, und ich erinnere mich daran, dass es regnete, es fällt einem weniger schwer abzureisen, wenn das Wetter traurig ist, wenn es kalt ist, und Ausländerinnen überall, die größer sind als ich, das gefällt mir, möglicherweise würde es dort so sein, Möwen auf dem Dach einer Lagerhalle, reglos wartend, mit diesen Schnäbeln und grimmigen Augen, ich habe siebzehn gezählt, Ehrenwort, das vergesse ich nicht, der Vater meiner Freundin hat mir, um mich loszuwerden, zusammen mit meiner Patentante das Geld für die Passage geliehen, da sie mich nie wiedergesehen haben, werden sie jetzt bei ihrer Seele schwören

– Habe ich nicht gleich gesagt dass er ein Betrüger ist?

während meine Freundin sich, unter Tränen an ihre Mutter geklammert, rechtfertigte

(Frauen)

– Aber was kann ich denn dafür?

(sie, die zu diesem Zeitpunkt, darauf wette ich mit doppeltem Einsatz, seit Ewigkeiten verheiratet ist, möge es ihr wohl bekommen)

während der Vater ihr, in der Zeitung aufgelöst, zuzischte

– Halt den Mund

mit mehr Zahnfleisch als Lippen, den jedenfalls bin ich los, wer weiß, vielleicht erscheine ich eines Tages in Lissabon, allein, nur um ihm den Hals umzudrehen, ich mag keine Männer, bei denen man ein Stück vom Bein sieht, haarlos, weil das Alter einem alles nimmt, zwischen Strumpf und Hose, siebzehn Möwen, Ehrenwort, die in meinen Träumen dreihundert oder tausend zu sein scheinen, ihr Piepsen weckt mich, und ihre Augen jagen einem Angst ein, Lissabon, immer undeutlichere Dächer, bis es im schmutzigen Wasser oder in den Mangobäumen der Baixa do Cassanje verschwindet, Baumwollblüten an seine Stelle treten, manchmal nachts, weit weg im Ohr die Klage meiner Patentante

– Was ich dir gegeben habe fehlt mir jetzt Kleiner ich bin nicht reich

sie humpelte auf mich zu, denn ein Sturz als Kind hatte ihren Fußknöchel schwergängig gemacht, der immer weiter zurückblieb, die Arme, sie hatte immer eine kleine billige Schokolade, so eine aus dem Kolonialwarenladen, zwischen Schnüren und Holzwäscheklammern in der Schürzentasche, um sie mir zu schenken, sie klebte am Silberpapier fest, sodass mir, wenn ich daran leckte, etwas davon in die Nase stach

(ich frage mich, ob ich Sehnsucht nach den Möwen habe, und weiß keine Antwort darauf)

sie war tatsächlich nicht reich, ich habe oft gesehen, dass sie nur einen Apfel als Mittagessen hatte, von dem sie sogar das Kerngehäuse kaute

– Wenn ich Hunger habe möchte ich mich am liebsten selbst aufessen

daher würde ich Sie, wären Sie hier bei mir in Afrika

(Möwen, Möwen, eine Erinnerung aus Portugal begleitet mich)

mit Maismehl und Grillen vollstopfen, sie ist weder auf den Feldern noch im Lagerschuppen erschienen, noch viel weniger im Haus, obwohl sie weiß, und das weiß sie ganz sicher, dass ich nicht allein bin, das muss man nicht erfragen, dass sieht man in den Augen, ich habe sie nie im Dorfladen auf der Suche nach Trockenfisch auch nicht in der Sanzala rauchen sehen, wenn ein Postenchef Personal aus Xá Muteba oder aus Quiriba zum Verkauf brachte, mit der kleinen Peitsche auf ihre Beinmuskeln schlug

– Und wenn sie sich noch so an den Dornen aufreißen die halten die ganze Ernte lang mein Freund

und ich habe sie auch nicht wiedergesehen, denn António Mariano tauchte, barfuß und mit einer Tunika bekleidet, mit seinen Jüngern in der Baixa do Cassanje auf und begann, die Sanzalas gegen uns aufzuwiegeln, ich hörte sie nachts singen, während die Fledermäuse mit den roten Streifen ihrer Schreie die Dunkelheit ritzten, ich sah sie in den Büschen hinter dem Haus, dieser Hütte des Postenchefs, in der ich wohnte, so schnell, so unerwartet, Stücken von Regenschirmen im Wind so ähnlich, die Albina, die bei mir wohnte, während sie das Fenster schloss

– Hast du keine Angst dass sie uns das Blut aussaugen?

die Jünger von António Mariano waren fast alle aus dem Kongo, mit Canhangulos, selbst gebauten Vorderladern, und Stöcken bewaffnet, und obwohl ich der Albina keine Antwort gab, hatte ich Angst vor den Fledermäusen, na klar, die wütenden Augen, die Krallen, die Zähne, als Kind wickelte meine Mutter die Bettdecke fester um mich, während ich Tränen schluckte, die nach dem Essig aus der Menage schmeckten, und sie am Arm zog

– Wieso regst du dich auf Dummkopf da ist kein Räuber auf dem Flur nun erfinde doch keine Ausreden um nicht schlafen zu müssen

mein Vater rückte drinnen mit dem Stuhl

– Wird das heute noch mal was?

und ich erfinde weiterhin Ausreden, um nicht schlafen zu müssen, der Ellenbogen der Albina bringt, selbst wenn ich mich daran hänge, überhaupt nichts, die Baumwolle welkt im Wind, Flocken fliegen von Strauch zu Strauch, färben sich grau, verschwinden, und in der Umgebung kein einziger mieser Preto eines Postenchefs, die Sanzalas leer, die Hütten verlassen, die Maniokfelder tot, Hunde trotten ziellos, keine jungen Mädchen waschen Wäsche, keine Alten rauchen die Mutopa, die Vorarbeiter dort unten bei den Jüngern von António Mariano lernen die Frohe Botschaft von Maria und zählen den Fisch und den Tabak, den sie in den Dorfläden gestohlen haben, Gott Zumbi unsichtbar, ein winziges Huhn, das noch durchgehalten hat, bald schon wird ein Falke kommen und es mit den Fängen zerpflücken, es bleibt ein Bein, zwei Beine, etwas, das nach Blutstropfen aussieht, auf dem Boden, eine Schlange kreist umher, die Januarregen nach dem ersten Blitz, sobald sich die Wolken öffnen, die Albina zu mir, sie sagt nicht

– Du

die Albina zu mir

– Senhor

und ihr Körper reglos unter meinem, um die Taille eine Glasperlenkette und die kompakten Wurzeln ihrer Füße letztlich so leicht, das Gelb der Handflächen, obwohl die Furchen in der Haut schwarz sind, die raue Tätowierung an der Wurzel der Schenkel, Pupillen, die mir immer ausweichen, wenn ich sie fragte

– Willst du mich nicht sehen?

Schweigen, sie lächelte nicht, sprach nicht, schien mich nicht einmal wahrzunehmen

– Warum fliehst du vor mir?

und Schweigen

– Warum rückst du weg?

und Schweigen

– Warum sprichst du nicht mit mir?

und Schweigen, und dennoch dein Geruch im ganzen Haus, stärker als der des Lehms der Wände oder des Manioks draußen auf der Matte, während das Dach langsam in breiten grauen Placken verschimmelt, und Mücken und dicke Raupen in der Lampe, diese Asche, diese Hitze, wenn ich an Lissabon denke, erinnere ich mich weder an die Stadt noch an meine Eltern, es sind die siebzehn Möwen im Regen am Kai der Abfahrt, mal unscharf, dann wieder scharf, so reglos, grau oder weiß, wo genau bin ich, erkläre es mir, du hast nie meinen Namen ausgesprochen, hast mich nie angelächelt, du wirktest zufrieden, mich kommen zu sehen, und dennoch bist du nicht gegangen, ich fand dich immer an die Wand gelehnt vor, reglos, als würdest du auf mich warten, ich habe dich deinem Vater abgekauft, habe fünf Decken und zwei Ziegen gezahlt, obwohl ein Mädchen in deinem Alter nur etwa vier Decken kostet, während der regenlosen Jahreszeit, wenn das Sumpffieber zunimmt, deine Brust nass, nicht vor Fieber, von einer Art heißem Wasser, und es schmeckte nach dem ersten Tau auf den Mangobäumen vor dem Morgen, und damals redetest du leise, du, die nicht redete, zwei oder drei wirre Sätze, immer mit geschlossenen Augen, die offen wirkten, in das Kongotuch gewickelt wie in ein Leichentuch, einmal habe ich dich gebeten

– Stirb bloß nicht

und ich weiß nicht, warum ich gebeten habe

– Stirb bloß nicht

denn mir war gleichgültig, ob du lebtest oder starbst, für den Preis, für den ich dich deinem Vater abgekauft habe, hätte ich zwei ebenfalls junge, gehorsame Mädchen in den Hütten kaufen können, die bereit waren, den Abtreibungstee zu trinken, falls sie schwanger wurden, Mulatos, nicht dran zu denken, Möwen, Möwen, glaubt ja nicht einen Augenblick lang, ich hätte Sehnsucht nach euch, Mö, bereit, ein Loch zu graben und darin zu begraben, was ein Sohn sein würde, was bereits ein Sohn war, und die Möwen rings um das Schiff, so wie ich hier um uns herum, sie schrien, während ich von der Reling aus auf Lissabon schaute, vom Fenster meiner Eltern aus sahen wir die Kräne am Tejo sich weit in der Ferne drehen, António Mariano ging von Sanzala zu Sanzala, um mit den Sobas und den Pretos von der Baumwolle zu sprechen, die den Postenchefs abgekauft worden war, wir hörten ihr Getrommel, ihre Gesänge, die im Takt klatschenden Hände, die einstimmigen Rufe

– Euá

und niemand zur Ernte bei mir, ich blickte, die Hände in den Taschen, auf die Plantage am Hügel

– Sie wird sterben

ich, der ich mich vorbeugen und mein Ohr an den Mund meiner Patentante im Krankenhaus legen musste, um zu hören, wie sie, so mager

– Adieu mein Sohn

hauchte, ein eingeklemmter Wirbel, solange ich denken kann, auf Taillenhöhe, es fällt mir schwerer, mich vorzubeugen, als ihrem Tod beizuwohnen, wozu darüber traurig sein, wo es doch das Schicksal der Alten ist, sie hat es bis achtzig geschafft, eine...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2024
Übersetzer Maralde Meyer-Minnemann
Sprache deutsch
Original-Titel A OUTRA MARGEM DO MAR
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Afrika • Angola • baixa do cassanje • eBooks • Kriegsvergangenheit • Lissabon • mehrstimmig • Neuerscheinung • Nobelpreiskandidat • polyphone Literatur • Portugal • portugiesischer Kolonialkrieg • Potugiesische Literatur • Roman • Romane • Sechzigerjahre • Weltliteratur
ISBN-10 3-641-30153-X / 364130153X
ISBN-13 978-3-641-30153-8 / 9783641301538
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