A Song to Drown Rivers (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-29347-8 (ISBN)
Die New-York-Times-Bestsellerautorin Ann Liang wurde in Peking geboren und wuchs zwischen China und Australien auf. Sie schrieb mehrere Jugendbücher, bevor sie mit A Song To Drown Rivers ihren ersten dramatischen historischen Roman vorlegte. Anns Bücher wurden in mehr als 20 Länder verkauft. Heute lebt sie in Melbourne, kreiert ausgefeilte To-do-Listen und führt tiefgehende Gespräche mit ihrem Labradoodle darüber, wer denn nun ein guter Hund ist.
Die New-York-Times-Bestsellerautorin Ann Liang wurde in Peking geboren und wuchs zwischen China und Australien auf. Sie schrieb mehrere Jugendbücher, bevor sie mit A Song To Drown Rivers ihren ersten dramatischen historischen Roman vorlegte. Anns Bücher wurden in mehr als 20 Länder verkauft. Heute lebt sie in Melbourne, kreiert ausgefeilte To-do-Listen und führt tiefgehende Gespräche mit ihrem Labradoodle darüber, wer denn nun ein guter Hund ist. Michelle Gyo studierte in Mainz Germanistik und Buchwissenschaft und arbeitete danach als Lektorin bei Piper Fantasy und Random House. Aus Neugier machte sie sich nach zehn Jahren Verlagsarbeit selbständig, seither lebt sie, wo sie will, wandert häufig durch phantastische Welten, kann nicht ohne Kaffee, Katzen und Kreativität und übersetzt Bücher aus dem Englischen.
Kapitel 1
An dem Tag, als ich geboren wurde, stießen die Wildgänse vom Himmel herab, und die Fische sanken auf den Grund des Teichs und vergaßen zu schwimmen, so sagte man. Sogar die Lotusblüten in unseren Gärten bebten und wandten die Köpfe ab, so sehr schämten sie sich über das Verblassen ihres Liebreizes in meiner Gegenwart. Diese Geschichten kamen mir immer lächerlich übertrieben vor, doch sie alle zeigten eins: Meine Schönheit war übernatürlich, sie überstieg selbst die von der Natur gegebenen Grenzen. Und sie zeigten auch, dass sich Schönheit und Zerstörung nicht so sehr unterscheiden.
Deshalb bestand meine Mutter darauf, dass ich mein Gesicht bedeckte, wenn ich das Haus verließ.
»Du darfst nicht auffallen, Xishi«, warnte sie und hielt mir den Schleier entgegen. Er kräuselte sich leise, schimmernd im Licht der Mittagssonne, der Saum leuchtend weiß. »Das ist gefährlich für ein Mädchen wie dich.«
Ein Mädchen wie mich.
Diese Worte meinten tausenderlei Dinge, und ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, obwohl sie alte Erinnerungen in mir heraufbeschworen. Gackernde Dorftantchen mit roten Wangen, die uns früher besucht und mich bestaunt hatten. Sie ist so hübsch, hatte eine geseufzt. Eine so außerordentliche Schönheit – sie besitzt die Macht, Königreiche zu stürzen und Städte zu Fall zu bringen. Es war als Kompliment gedacht. Eine andere hatte mich ihrem Sohn vorstellen wollen, der dreimal so alt war wie ich, als Holzfäller arbeitete wie mein Vater und dessen Miene mich an einen bitteren Kürbis erinnerte.
»Komm her«, sagte Mutter.
Ich trat vor und ließ mir den Schleier um den Kopf legen, spürte, wie ihre dünnen, schwieligen Finger – erschöpft vom Waschen der Rohseide am Tag und vom Schrubben verrosteter Woks am Abend – an den Bändern nestelten. Der Stoff fiel weich über meine Nase, meine Lippen, mein Kinn, kühl gegen die schwüle Sommerhitze. Ich sollte wohl Dankbarkeit empfinden, weil sie den Wunsch hegte, mich vor fremden Blicken zu schützen. Zhengdans Mutter schleifte sie praktisch hinaus auf die Straßen und führte allen vor, wie gut sie aussah. Und es funktionierte. Sieben Männer aus unserem Dorf hatten bereits auf ihrer Schwelle gestanden und mit großzügigen Gaben um ihre Hand angehalten. Das hatte Zhengdan mir spätabends erzählt, die Lippen angewidert verzogen, die Hand unter meiner zur Faust geballt.
»Ich komme zurück, ehe es dunkel wird«, versprach ich Mutter, die sich schon viel früher Sorgen machen würde, das wusste ich, obwohl der Fluss nicht weit weg war von unserer Hütte im Westen des Dorfs und ich den gleichen Weg schon zahllose Male zurückgelegt hatte.
Doch manchmal verschwanden Mädchen wie ich. Obwohl verschwinden ein zu freundliches Wort dafür war. Die Wahrheit war hässlicher: Sie wurden gestohlen, abgeschlachtet, verkauft. Von Männern gehandelt wie kostbares Porzellan. In diesen Zeiten traf das besonders zu, da die Kriegsverletzungen in unserem Königreich noch frisch waren, die Wu unserem Volk im Nacken saßen und unsere verbliebenen Soldaten zu müde und zu weit verstreut waren, als dass man sie mit trivialen Angelegenheiten wie verschwundenen Mädchen belästigen konnte.
»Komm zurück, so schnell du kannst«, drängte Mutter und drückte mir einen grob geflochtenen Bambuskorb mit einem Stapel Seidenballen in die Arme.
Ich lief durchs Dorf, allein und wachsam. Der lange Schleier kitzelte meine Wange, und bald klebte er daran, feucht vom Schweiß, doch er dämpfte die weniger angenehmen Gerüche nach Ziegenfell, Unrat und rohem Fisch. Um mich herum lagen die meisten Häuser noch in Ruinen, mit klaffenden Löchern wie Stichwunden in den Mauern oder zersprungenen Steinbrocken, die wie Schädel in den Gärten herumlagen. Die Erde zeigte noch die schwarzen Spuren von dem Tag, an dem die Wu-Soldaten gekommen waren, mit lodernden Feuern, die Schwerter schwingend, das Blut unserer Leute von ihren Händen tropfend. Der Vorfall war mir noch deutlich im Gedächtnis, eher eine Plage als eine Erinnerung. Nachts meinte ich manchmal, Geister über den staubgelben Pfaden zu sehen. All die Dorfbewohner, die nicht überlebt hatten.
Rechts von mir knarrte eine Tür, das Geräusch holte mich zurück in die Gegenwart. Stimmen drangen durch den Spalt nach draußen. Ein Mann hustete zähen Schleim hoch. Ich lief schneller, den Korb fest an meine Brust gedrückt.
Wie immer hörte ich den Fluss, bevor ich ihn sah. Das ruhig fließende Wasser ein Lied, in das sich der Ruf der Gänse hinter den Bäumen mischte, der blausüße Duft eine Erleichterung. Dann teilten sich die Ulmen, boten mir einen unverstellten, atemberaubenden Blick auf das Flussufer, das Gras, das sich in der Brise wiegte, die glatten Kiesel am Ufer, weiß-grau getupft wie Wachteleier. Die Stelle war leer, nur ich war da – und darüber freute ich mich. Schon immer hatte ich den Klang der Einsamkeit, die Ruhe meines Atems genossen. Oft, wenn ich in Gegenwart von anderen war und ihre Blicke auf mir spürte, hatte ich das seltsame, unangenehme Gefühl, dass mein Gesicht und mein Körper nicht mir gehörten. Als wäre ich nur dazu geschaffen worden, ihnen mit meinem Anblick Vergnügen zu bereiten.
Langsam entrollte ich den ersten Seidenballen und tauchte ihn ins kühle Flusswasser. Einmal, zweimal, noch mal. Dann wrang ich ihn aus, und das Wasser floss in Strömen an meinen Handgelenken hinab. Diese Arbeit wirkte trügerisch leicht, war aber schwerer, als die meisten ahnten. Ungewaschen war die Seide rau auf meiner Haut, brachte mir rosafarbene Bläschen ein; nass war sie so schwer, dass sie meine Arme herabzog wie Schafsfelle. Immer wieder hielt ich inne, machte kurze Pausen, um wieder zu Atem zu kommen und meine Muskeln zu lockern. Die weiche Haut über meinem Herzen mit einer Hand zu massieren. Die seltsameren Geschichten besagten, dass meine Mutter an genau diesem Fluss Seide gewaschen hatte, als eine Perle sie streifte. Bald darauf soll sie mit mir schwanger geworden sein. Diesen Geschichten zufolge bin ich kein menschliches Wesen, sondern eine Kreatur aus den Mythen, doch immerhin würde das meine von klein auf angegriffene Gesundheit erklären, den Schmerz in meiner Brust, der gelegentlich nachließ, jedoch nie ganz verschwand. Hin und wieder stellte ich mir vor, dass ein Riss durch mein Herz verlief, einer, den ich nicht flicken konnte, ganz gleich, was ich auch versuchte.
Jetzt wurde der Schmerz schlimmer. Ich zuckte zusammen, runzelte die Augenbrauen, legte die Seide mit einem Platschen ab. Versuchte auszuatmen. Es nutzte nichts, gegen den Schmerz anzukämpfen, wenn er kam; ich konnte nur darauf hoffen, dass er wieder verging. Immer noch drückte ich die Hand auf meine Brust, da hörte ich in der Ferne einen Schrei.
Wie von einem Kind.
Susu, war mein erster Gedanke, aber das war närrisch.
Ich richtete mich auf und kniff die Augen zusammen, mein Herz pochend vor Schmerz und Angst. Zwei Gestalten näherten sich am Ufer – ein gertenschlankes Mädchen, gefolgt von einem sehr viel größeren Mann. Bei seinem Anblick gefror mir das Blut. Sein schwarzes Haar war auf traditionelle Wu-Art kurz geschnitten.
Monster.
Ein Feind aus Fleisch und Blut. Hier in Zhuji, in unserem Dorf. An unserem Fluss.
»Hilf mir, bitte«, weinte das Mädchen, als ihre großen Augen mich erblickten. Sie hatte höchstens einen Tierkreislauf erlebt – war so alt, wie Susu heute wäre, hätte sie die Chance auf ein Leben bekommen. Als sie ihre mageren Arme hob, sah ich die violetten Abdrücke, die ihre sonnenverbrannte Haut zierten. Sie wirkten frisch.
Das Mädchen und sein Verfolger waren jetzt nur noch einige Meter entfernt. Dann weniger.
Tu etwas. Die Worte drängten sich in meinen Geist, schienen aber wie losgelöst, als würden sie von jemand anderem gedacht. Meine Hände waren noch nass vom Fluss, kalter Schlick klebte unter meinen Nägeln. Meine Zähne klapperten. Ich sah mich um, nach etwas – jemandem –, aber da war nur gelbes Sonnenlicht, das sich auf dem Wasser spiegelte, Gänse, die am Horizont aufstiegen, und die zerknitterte Seide im Korb.
Das Mädchen stolperte mit dem Kopf voran, ihre Knie prallten auf die Kiesel. Das Geräusch fuhr mir selbst in die Knochen, und ich spürte einen Schmerz, der nicht meiner war. Ein Schrei entfuhr ihren Lippen, aber in meinen Ohren verwandelte er sich in den Schrei eines anderen Kinds. Ein vertrauter Schrei, schrill vor Panik und Verwirrung. Jemand, der mich mehr brauchte als alles andere.
Susu. Nein, geh nicht raus, wir müssen in unserem Versteck bleiben.
Hör auf mich.
Komm zurück.
Für einen Augenblick schien sich die Zeit zu zerteilen, und ich sah meine kleine Schwester, ihre großen Augen, ihr weiches Gesicht, das aus allem Reinen und Guten auf der Welt bestand. Ich sah, wie das Schwert ihre Seite durchbohrte. Sah sie stürzen …
»Hilfe!«
Eilig wollte das Mädchen wieder aufstehen, aber der Mann ragte so riesig über ihr auf wie das Urwesen Pangu, das in den alten Mythen als Weltachse im Mittelpunkt von Himmel und Erde steht, und sein Schatten verdeckte die Sonne. Bedrohlich näherte er sich ihr, und sein Stiefel stampfte auf den Saum ihrer fadenscheinigen Tunika. Nagelte sie am Boden fest wie ein Pfeil im Flügel eines Vogels.
»Kleine Diebin«, fauchte er, sein Wu-Akzent deutlich in seinen Worten, den zwischen den Zähnen zerquetschten Silben. »Dachtest du wirklich, du könntest die Birne unter meinen Augen klauen und damit durchkommen?«
Das Gesicht des Mädchens war so weiß und starr wie Knochen, aber die Augen...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2024 |
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Übersetzer | Michelle Gyo |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alles unter dem Himmel • asiatische historische romane liebe • Asiatische Literatur • asiatische Romane • Asien • bewegende bücher • bewegender Liebesroman • China • chinesische liebesromane • chinesische romane auf deutsch • epische liebesromane • Historische Bücher • Historische Liebesromane • Historische Romane • Historische Romane China • historische romane liebe • Intrigen • Kaiserreich • Königreich • Konkubine • Liebesgeschichten • Liebesromane • romane aus asien • romane china • Spion • Starke Frauen • Tianxia • Vier Schönheiten • whodidthistoyou • Wuxia |
ISBN-10 | 3-426-29347-1 / 3426293471 |
ISBN-13 | 978-3-426-29347-8 / 9783426293478 |
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