Eltern setzen Grenzen -  Jan-Uwe Rogge

Eltern setzen Grenzen (eBook)

Partnerschaft und Klarheit in der Erziehung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01976-8 (ISBN)
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Der pädagogische Bestseller «Kinder brauchen Grenzen» hat seit seinem Erscheinen viele Diskussionen ausgelöst. Im vorliegenden Fortsetzungsband hat der bekannte Familien- und Erziehungsberater Dr. Jan-Uwe Rogge aus seinen zahlreichen Seminaren mit Pädagogen und Eltern u. a. folgende Fragen aufgegriffen: Was tun bei «schmutzigen» Wörtern, Monsterfiguren und Raufereien? Wie mit Sexualität umgehen? Grenzen ab welchem Alter setzen? Gewalttätige Jungen - friedfertige Mädchen? Wie verhalte ich mich bei Trauer und Tod? Unterschiede zwischen Konsequenz und Strafe? Wie gehe ich mit eigenen Fehlern um? Kinder brauchen Rituale und Orientierung. Dabei müssen Partnerschaft und Autorität kein Widerspruch sein. Das zeigen die vielen anschaulichen, zum Teil auch amüsanten Beispiele und konkreten Vorschläge in diesem Buch. Sie führen zum besseren Verständnis der Kinder und zu einem gelasseneren Umgang miteinander im Erziehungsalltag. Und lassen Sie sich nicht einreden, Ihre Kinder wären Tyrannen. «Lebenshilfe leichtgemacht!» (Familie & Co)

Jan-Uwe Rogge gilt als Deutschlands erfolgreichster Erziehungsexperte. Er ist Familien- und Kommunikationsberater sowie Buchautor. Seit Jahrzehnten liefert er Antworten auf Fragen, die Eltern bewegen. Er hält Vorträge und führt Seminare im In- und Ausland durch. Seine Bücher sind Klassiker der Elternliteratur und Bestseller, sie wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Er ist als Experte regelmäßiger Gast in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen. Rogge lebt in der Nähe von Hamburg.

Jan-Uwe Rogge gilt als Deutschlands erfolgreichster Erziehungsexperte. Er ist Familien- und Kommunikationsberater sowie Buchautor. Seit Jahrzehnten liefert er Antworten auf Fragen, die Eltern bewegen. Er hält Vorträge und führt Seminare im In- und Ausland durch. Seine Bücher sind Klassiker der Elternliteratur und Bestseller, sie wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Er ist als Experte regelmäßiger Gast in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen. Rogge lebt in der Nähe von Hamburg.

1 Grenzen setzen ist (k)ein Kinderspiel


Kapitel 1 Vom Umgang mit Fehlern


Wenn Sie etwas schreiben oder formulieren, fragen Eltern, hört sich alles einfach an. Aber im Alltag und im Stress vergisst man so vieles! Wie vermeidet man Fehler?

Zugegeben: Es ist manchmal ein Kreuz mit der Kindererziehung. «Egal, wie man’s macht», erklärt mir ein Vater, «man macht’s falsch. Wenn ich sauer bin, mein Kind anschreie, entwickle ich Schuldgefühle. Obgleich ich nach dem Schreien irgendwie erleichtert bin!» Er schaut mich erstaunt an. «Aber wenn ich mein Kind nicht anschreie, obgleich es nervt, sich nicht an Absprachen hält, dann quäle ich mich noch stärker und frage mich hinterher ständig, warum hast du keine Grenzen gesetzt? Warum bist du ständig das Opfer? Wo bleibst du mit deinen Gefühlen?»

Dieser Vater hat sich eine klassische Falle aufgestellt: Er kann nicht «immer richtig» handeln. Entweder, er stellt seine eigenen Bedürfnisse hintenan, denkt nur an die Befriedigung kindlicher Wünsche. Oder er verstößt gegen seine Prinzipien, indem er z.B. sein Kind anschreit.

In vielen Eltern-Kind-Beziehungen wollen die Eltern perfekt sein – und perfekt meint, einem selbstverordneten Ideal zu entsprechen. Dafür verzichten sie oft darauf, eigene Gefühle zu artikulieren. Eine merkwürdige Situation: Es scheint manchmal befreiender zu sein, spontan etwas Falsches zu tun, z.B. zu schimpfen oder zu schreien, als stunden- und tagelang mit heruntergeklappter Unterlippe durch die Wohnung zu laufen, dem anderen ein beleidigtes Gesicht zu präsentieren, um ihm ohne Worte, aber ebenso nachdrücklich zu zeigen, wie schlecht und unmöglich dieser Mensch ist.

Zweifellos haben alle Familienmitglieder Anspruch darauf, angemessen behandelt zu werden. Aber dies gelingt nicht immer. Wer die Schwäche hat, Fehler zu begehen, sollte die Stärke besitzen, sich zu entschuldigen – nicht unwillig, hingenuschelt oder weil «man» es tut, sondern als ernstgemeinte Wiedergutmachung und mit der Absicht, künftig andere Konfliktlösungen zu entwickeln als die ungenießbare Melange aus Zuckerbrot und Peitsche oder wortlos beleidigtem Rückzug.

Perfekte Lösungen passen nicht

Eine Mutter berichtet: «Ich habe eine Absprache mit meinen Söhnen. Sie sollen mich mittags dreißig Minuten alleine lassen. Ich brauche diese Ruhe. Aber nach zehn Minuten kommt Benjamin, mein Jüngster, vier Jahre, ins Zimmer, weil er Durst hat. Ich hab zu ihm ganz bestimmt gesagt: ‹Du weißt ja, wo alles steht. Geh!› Dann hab ich mit dem Finger zur Tür gewiesen. Ein klassischer Rausschmiss, er ist gegangen. Und ich hab mir gedacht, war das richtig? Gibt es nicht doch eine elegantere Lösung?» Sie denkt einen kleinen Augenblick nach, dann klingt ihre Stimme ganz bestimmt: «Ja, es muss eine bessere Lösung geben, eine, die alle zufriedenstellt!»

Wiederum eine paradoxe Situation: Da führt eine Handlung zum gewünschten Ergebnis. Der Sohn verstößt gegen eine getroffene Absprache, die Mutter besteht auf Einhalten der Absprache. Sie artikuliert ihre Bedürfnisse. Das Kind akzeptiert dies – wenn auch nicht freudestrahlend. Trotzdem ist die Mutter nicht zufrieden; sollte Benjamin etwa sagen: «Mutter, ich danke dir, dass du so konsequent bist»? Mütter, Väter, pädagogisch Handelnde sind anscheinend niemals zufrieden. Sie haben Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen, aber unendlich mehr Schwierigkeiten mit den Konsequenzen und die allergrößten Probleme mit den eigenen Gefühlen, die sich aus den vollzogenen Konsequenzen ergeben. Wer Grenzen setzt, konsequent handelt, wird nicht geliebt, vielmehr respektiert und geachtet – manchmal auch gehasst. Diese anderen Seiten gehören zu einer gefühlsmäßig reifen Eltern-Kind-Beziehung.

Aber der Perfektionismus lässt diese Schatten nicht zu.

 

Perfektionistisches Handeln wirkt sich auch in anderen Bereichen negativ aus. Wenn ich mit Eltern Situationen und Ideen entwickle, Probleme beim Grenzensetzen zu lösen, höre ich schnell den Satz: «Hab ich alles schon versucht. Das klappt nicht!» Aber was hin und wieder nicht funktioniert, muss nicht für alle Zeiten verworfen werden. Eltern – wie andere pädagogisch Handelnde – sind in der Situation eines Schlossers, der ein unbekanntes Schloss zu knacken hat. Wenn er perfekt sein will, hat er Hunderte von Schlüsseln dabei, die er so lange ausprobiert, bis einer passt. Das kann lange dauern, und manchmal passt überhaupt kein Schlüssel. Der clevere Türöffner benutzt deshalb einen Dietrich. Ein Dietrich öffnet ein Schloss, ohne dessen spezifische Einzelheiten bis ins Detail zu kennen. Mal passt ein Dietrich, mal nicht, dann kommt ein anderer zum Einsatz.

Ein unbekanntes Schloss zu öffnen ist mit der Lösung eines Problems vergleichbar. Wenn man lange über dessen Ursachen nachdenkt, kommt man möglicherweise zu einer absolut richtigen Lösung – meist aber nicht, sitzt doch ein kleiner Specht im Hinterkopf, der ständig auf eine bessere Lösung pocht.

Nicht nach dem Warum, sondern nach dem Wozu fragen

Aus ebendiesem Grunde helfen «Warum?»-Fragen wenig, einen Streit, wie er für Eltern-Kind-Beziehungen üblich ist, aus der Welt zu schaffen. Dies gilt insbesondere bei Heranwachsenden – aber natürlich nicht nur bei ihnen. Auf insistierende «Warum?»-Fragen erhält der Erwachsene ein achselzuckendes «Darum!», ein trotziges «Weil andere Schuld haben!», ein verlegenes Grinsen oder ein leises «Weiß nicht!». Kreativer, weil lösungsorientierter ist die Verwendung von Fragen, die Dietrichen gleichkommen. Diese Vorgehensweise konzentriert sich nicht auf das «Warum?» – «Warum machst du das?» –, sondern darauf, dass ein Kind so handelt, z.B. bummelt, andere schlägt.

Daraus ergibt sich eine unterschiedliche Lösungsperspektive: Während «Warum?»-Fragen den Blick nach rückwärts richten, verändern «Wozu?»-Fragen – «Wozu handelt ein Kind so, wie es handelt?» – den Blickwinkel. Es stellt das Kind mit seiner Umgebung in den Mittelpunkt – z.B. ein Kind, das um sich schlägt, um damit Aufmerksamkeit zu bekommen. Solche «Wozu?»-Fragen zwingen den Erwachsenen zu einer genaueren Beobachtung des Kindes: «Was hat das Kind davon, wenn es so handelt, wie es handelt?» «Wozu?»-Fragen bleiben im Hier und Jetzt, in der Gegenwart des Kindes, und bringen eine veränderte zweite Perspektive mit sich: «Wie kann ich gemeinsam mit dem Kind sein störendes Verhalten verändern?» «Welche Lösungen bietet das Kind an, ohne dass es bisher davon wusste?» Und dies geht – einige Übung vorausgesetzt – schneller, als man glaubt.

Peter Rudolf, ein Vater, hört aufmerksam zu, runzelt die Stirn: «Das mit den Dietrichen ist ja alles schön und gut. Aber auch nicht einfach. Also wenn ich jetzt sauer auf meinen zehnjährigen Christoph bin. Er hat sich nicht an Absprachen gehalten. Also, ganz konkret: Wenn er sein Zimmer nicht aufräumt, seine Klamotten rumliegen lässt, sodass sie zerknittern, dreckig werden, werden sie nicht gewaschen. Er muss das machen. Das ist die Absprache. Gut, ich weiß schon im Vorhinein, dann zieht er ständig die gleichen Sachen an und stinkt dann, oder was weiß ich, was denken die Leute.»

In diesem kurzen Gesprächsausschnitt wird ein weiterer kritischer Punkt perfektionistischer Erziehung thematisiert.

Eltern verzichten deshalb auf Absprache und Konsequenz, weil sie meinen, die Folgen ihres Handelns vorauszusehen. Meist sind es Phantasien darüber, was nicht funktioniert. Die negative Prophezeiung trifft dann nicht selten als eine sich selbst erfüllende Vorhersage ein. Eltern betrachten konsequentes Erziehungshandeln häufig unter problematischen Vorzeichen («Was alles passieren könnte!»), kaum unter einer produktiven Perspektive – dies selbst dann nicht, wenn sich positive Folgen zeigen, sich Eltern in ihrer konsequenten Haltung bestätigt sehen.

Mit den Dietrichen zu arbeiten meint deshalb, mehr von dem zu praktizieren, was funktioniert – «Tue mehr vom Guten!» Das heißt: Entscheidungen für bestimmte pädagogische Handlungsmuster gelten nur für einen bestimmten Zeitraum, dann werden sie ungültig, die Schlösser haben sich verändert, neue Dietriche müssen her. Dies spricht nicht gegen die alten. Sie sind nicht generell überholt, sie passen nur momentan nicht mehr, müssen deshalb nicht verworfen oder gar weggeworfen werden. Weil Kinder (und Eltern) sich entwickeln, entwickeln sich auch die Beziehungen. Und damit verändern sich Grenzen. Dieses Gefühl, nicht zur Ruhe zu kommen, ist das «Nervende», wie es eine Mutter ausdrückt. «Da hast du das Kind sauber, dann kommt es auf diese Schimpfwörter aus dem Kindergarten, und kaum hast du das klar, sitzt er auf dem Hausdach und schreit: ‹Ich bin Tarzan.› Und wenn du gut drauf bist, rufst du: ‹Deine Liane ist hier unten! Komm runter!› Und wenn du schlecht drauf bist, machst du alle Fehler der Welt auf einmal. Und so geht’s weiter – du denkst morgens beim Aufstehen schon: Was der Tag wohl heute noch bringt?»

Was ist falsch? Was ist richtig?

Zwei irrationale Überzeugungen rufen jene Probleme hervor, die viele Eltern und pädagogisch Handelnde im Umgang mit Fehlern machen: Ich werde ärgerlich, vielleicht sogar wütend, wenn der Erziehungsalltag nicht so ist, wie ich ihn mir...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Illustrationen Uwe Schildmeier
Zusatzinfo Mit 16 s/w Ill.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte Eltern-Kind-Beziehung • Erziehung • Konfliktlösung
ISBN-10 3-644-01976-2 / 3644019762
ISBN-13 978-3-644-01976-8 / 9783644019768
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