Monstertouren (eBook)

Wie ich herausfand, dass Familiencamping fröhlich macht, auch wenn es nicht immer lustig ist - Ein SPIEGEL-Buch
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-31367-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Monstertouren -  Sandra Schulz
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Anti-Camperin verliebt sich in Wohnmobil: Ungewöhnliche Geschichten vom Campingplatz
Wir - das bin ich, die Anti-Camperin, die einen Camper heiratete. Das ist mein Mann, der mich genauso liebt wie unser Wohnmobil, und das ist unsere Tochter, die es vom Brutkasten auf den Strandparkplatz geschafft hat und am liebsten frühmorgens durch die Dachluke spricht. Mehr als die Hälfte ihres Lebens ist sie mittlerweile Camperin, mit Down-Syndrom und Matschhose.

Dies ist ein Buch für Menschen, die losfahren wollen. Ein Buch für Menschen, die erst langsam begreifen, was das Wohnmobil von ihnen verlangt. Ein Buch für Menschen, die nie verstehen werden, warum man sich das antut. Und für alle, die es schon lange verstanden haben.

Der Nutzwert dieses Buches ist der Lachwert. Ein Buch, das man gerne an Freunde verschenkt. Ein Buch, das man sich selbst noch schnell vor der ersten oder vor der fünfzigsten Tour kauft. Ein Sommerferien-Buch, auch für Wintercamping-Fans.

Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin. Sie absolvierte die Berliner Journalisten-Schule, war erst Redakteurin bei mare, Die Zeitschrift der Meere, und ist seit 2008 Redakteurin beim SPIEGEL, für den sie mehrere Jahre aus Asien berichtet hat, unter anderem als China Korrespondentin in Shanghai. Im September 2021 startete ihre Reihe »Das Monster und ich« im SPIEGEL-Ressort »Leben«, für das sie heute arbeitet. Sandra Schulz wurde unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis ausgezeichnet.

VORWORT – Auf der Strecke geblieben


Warum muss man den Mulch fürchten? Wieso unterhalten sich Menschen so gern, während sie mit ihrer Chemietoilette unterwegs sind? Können Wohnmobile Ehen zerstören?

Das sind Fragen, die ich mir lange nicht gestellt habe – so lange, bis ich anfing zu campen.

Ich habe nie davon geträumt, ein Wohnmobil zu haben. Aber jetzt ist es da und wartet. Auf mich, auf uns. Es wartet, dass die nächste Reise beginnt, in den Spessart oder an die Atlantikküste, auf den Campingplatz oder auf eine Löwenzahnwiese. Unser Monster gehört zu uns, und die Beziehung zu diesem Fahrzeug ist eine besondere, genauso wie unsere Familie.

Wir – das bin ich, die Anti-Camperin, die einen Camper heiratete. Das ist mein Mann, der mich genauso liebt wie unser Wohnmobil, und das ist unsere Tochter, die es vom Brutkasten auf den Strandparkplatz geschafft hat und am liebsten frühmorgens durch die Dachluke spricht. Mehr als die Hälfte ihres Lebens ist sie mittlerweile Camperin, mit Downsyndrom und Matschhose. Und vielen liebenswerten Eigenarten.

So habe ich immer angenommen, jedes Kind habe Interesse, wenn nicht sogar Begeisterung für Tiere. Aber wenn ich während der Fahrt rufe: »Schau, eine Kuh! Schau, ein Pferd!«, verzieht unsere Tochter keine Miene. Anders sieht es aus, wenn wir an Parkplätzen und Einfahrten vorbeirollen. »Mama, Womo, da!«, ruft unsere Tochter freudig, wenn sie wieder eines hinter ihrer Fensterscheibe entdeckt hat. Ich denke, es ist nicht übertrieben zu sagen: Wohnmobile sind eine Kategorie des Lebens für sie.

Und damit geht es ihr wahrscheinlich wie Ihnen. Oder sind Sie noch nicht so weit? Überlegen Sie noch, ob Sie vielleicht mal ein Fahrzeug mieten sollten oder sogar kaufen? Fragen Sie sich, ob Sie überhaupt der Typ dafür sind?

Eines müssen Sie sich von Anfang an klarmachen: Ein Wohnmobil macht Arbeit. Und gerade am Anfang, nach der ersten Euphorie, ist man mit der Fehleranalyse beschäftigt, führt Mängellisten, pocht auf Gewährleistung. Es soll Leute geben, die die erste Nacht vor dem Hof des Händlers verbringen, um bei Tagesanbruch reklamationsbereit zu sein. Wir hatten immerhin einen Babysitter besorgt, um das Wohnmobil in Ruhe abzuholen, und ich weiß noch, wie ich mir bei der Einweisung eifrig Notizen machte, während mein Mann nur fachmännisch nickte.

Dann das erste Fotomotiv: Mein Mann tankt. Es ist eine ganze Serie geworden. Auf Bild vier oder fünf neben der Zapfsäule legt er dem Wohnmobil eine Hand auf die Haube. Nicht besitzergreifend, eher ungläubig. Betört.

Die nächste Serie ist im Innenhof vor unserer damaligen Wohnung entstanden.

Wir stellten die neugekaufte Camping-Garnitur auf dem Stellplatz des abwesenden Nachbarn auf und aßen auf Klappstühlen zu Abend, mit Tischdecke auf dem Parkplatz, das Kind angeschnallt im Hochstuhl. Dazu eine Flasche aus dem Restbestand unseres guten Hochzeitsweins, weiß und trocken, mit einem Bild von uns beiden auf dem Etikett. Im Rücken, imposant, unser Wohnmobil, das Monster. Es war das erste Familienfoto zu viert.

Meine Erfahrung ist, dass die Probleme, die einem gleich zu Beginn ins Auge fallen, bleiben. Bei uns sind es der sperrige Mechanismus, mit dem man das Kaffeemaschinenfach herunterzieht, dazu die Elektronik im Kombigerät von Navi, Rückfahrkamera und CD-Spieler und eine gewisse innere Inflexibilität meines Mannes, ähnlich der des Kaffeemaschinenfachs. Da war ich auch reklamationsbereit, aber erst wusste ich nicht, an wen ich mich wenden sollte, und später gewöhnte ich mich daran.

Natürlich, manchmal kommt ein bisschen Wehmut auf, wenn ich an mein altes Leben denke. Ich war schon immer gut in Stadt - Land - Fluss, machte mir einen Spaß daraus, die Hauptstädte der Welt parat zu haben. Es gab Zeiten, da wartete mein Pass immer in irgendeiner Botschaft auf ein Visum. Ich war dauernd unterwegs, mit dem Rucksack im Urlaub oder mit dem Notizbuch für die Arbeit, in einem Nachtzug in Vietnam oder auf einer indischen Landstraße oder im 47. Stock eines Hochhauses, irgendwo in einer chinesischen Millionenstadt. Jetzt kann ich deutsche Mittelgebirge aufsagen. Wollte ich nie können.

Trotzdem hat sie mich gepackt, die Campingleidenschaft. Denn das Schöne am Wohnmobilfahren ist ja, dass man mit der Tür in den Tag fällt. Jeder Tag beginnt anders, mal auf einem Schwarzwald-, mal auf einem Alpengipfel, und einer der schönsten Morgen, die mir das Monster beschert hat, war an einem Stellplatz am Strand.

Im Halbdunkel hatte ich meine Vorbereitungen getroffen, ein verstohlenes Scharren nur, dann kehrte ich meiner Familie den Rücken und trat einen ersten Schritt ins Licht.

Ich finde ja, eines der besten Gefühle auf der Welt ist die Vorfreude, und so rein und so unbändig wie in diesen Minuten vom Stellplatz in die Dünen habe ich sie selten empfunden. In der rechten Hand eine Tasse Tee balancierend, in der linken ein Ofenpfännchen mit warmem Apfelstrudel, überquerte ich die menschenleere Küstenstraße am Atlantik, wissend, dass ich mich gleich in den Sand setzen würde, barfuß, glücklich und allein mit meinem Apfelkuchen und dem Meer.

Oder dieses herrliche Gefühl, in Flipflops am Alpenrandsee einzusteigen und in Flipflops auf 2000 Metern wieder auszusteigen, um die Badelatschen gegen Wanderschuhe einzutauschen und den nahen Gipfel zu erklimmen. Diese Zufriedenheit, die sich abends im Wohnmobil breitmacht, wenn alle erfüllt sind von den Bildern des Tages. Die eine denkt an das größte Schokoladeneis ihres Lebens, hausgemacht im Berggasthof, die anderen erinnern sich an den glitzernden Bergsee, und alle freuen sich daran, dass man angekommen ist nach langer Serpentinenfahrt und sich auf wundersame Weise wieder einmal alles gefügt hat: Der letzte Stellplatz jenseits der Baumgrenze hatte auf uns gewartet, und nun schauen die Eltern auf das schokoladenbraun gefärbte Gesicht der Tochter und die rotgefärbten Gipfel in der Abendsonne, und das Kind schaut auch: eine Folge Conni.

Um dann, noch in demselben Urlaub, auf dem Meeresgrund zu fahren, dieser freundliche Grusel, der sich schon auf den letzten Metern Festland einstellt, während man an dem Verkehrsschild vorbeifährt, das ein Auto in Wellen zeigt und die Warnung: »Bei Flut besteht Lebensgefahr«. Ein Grusel, der sich in Spaß verwandelt, während man in Kolonne den Weg befährt, der das Meer teilt, rechts und links Schlick, Algen und Rettungskörbe auf Stelzen, voll mit lachenden Touristen, in der Ferne lauter Punkte: Menschen mit Eimern auf Muschel-Beutezug und man selbst auf dieser gut vier Kilometer langen Straße, die nur dann sichtbar wird, wenn das Wasser weicht.

Immer dabei: ein Kind, das weder das Alpenpanorama noch den Meeresgrund besonders interessant findet, dafür das Loch im Strumpf, durch das man seinen großen Zeh bohren kann. Das begeistert ruft: »Guck mal!«, wenn es geschafft hat, auch den zweiten Zeh durchs Loch zu zwängen. Eine Mini-Camperin, die jederzeit dazu bereit ist, noch vor dem Frühstück zu einer kleinen Expedition aufzubrechen, so wie an jenem Morgen am Fluss, der in mehr Grüntönen leuchtete, als ich kannte. Einfach raus dem Schlafsack, raus aus dem Campingplatz, den Trampelpfad am Ufer entlang, mitten durch den Wald mit hinabhängenden Lianen.

Und dann dieser Duft von Eierkuchen, der das ganze Fahrzeug erfüllt, wenn man seine erste Schlafanzug-Wanderung schon hinter sich hat. Nirgends kann man gemütlicher frühstücken als im Wohnmobil, wenn man auf dem gedrehten Fahrersitz lümmelt, hinter den Scheiben Berg, See oder Ozean, und unsere Tochter auf die Sitzbank klettert, um dem Pfannkuchen beim Brutzeln zuzusehen und schnell noch einen Schinkenwürfel zu ergattern, bevor ihn mein Mann in die Bratpfanne wirft.

Beim Campen, finde ich, kann man viel übers Leben lernen, nicht nur, dass die besten Wanderungen die Schlafanzug-Wanderungen sind, von denen man am Vorabend noch nicht wusste, dass es sie geben wird. Man lernt auszuhalten, dass zusammenkommt, was nicht zusammenpasst: die Sehnsucht nach Freiheit und die Nähe zum Stellplatznachbarn, das Bedürfnis nach Privatsphäre und die Öffentlichkeit des Intimen, der Wunsch nach Individualität und die Gesetze der Tourismusindustrie, der Drang nach Originalität und das Diktat der Massenware. Und vielleicht der krasseste Widerspruch: das Bedürfnis nach Erholung und der Urlaub mit der Familie.

Es sind Sehnsüchte, die jedes Mal aufs Neue an der Realität scheitern, oft aber auf interessante Weise. Und so entstehen beim Wohnmobilfahren gute Geschichten, während man selbst mit seinen Träumen auf der Strecke bleibt. Was hilft: So zu tun, als stünde man auf einem Hügel und schaue sich selbst beim Strampeln in der Ebene zu. Denn die Komik des Lebens sieht man ja oft erst aus der Entfernung.

Und wenn es einem gelingt, mit dem einen Fuß schon auf dem Hügel zu stehen, während der andere noch strampelt, dann weiß man, warum es einen immer wieder auf die Straße zieht und wir nun schon seit über fünf Jahren freiwillig und gemeinsam auf der Strecke geblieben sind. Auf vielen wunderschönen Strecken, um genau zu sein.

Unsere Geschichte beginnt mit den ersten Touren, auf denen ich das Campingleben wie ein Insekt unter der Lupe betrachtet habe: neugierig, fasziniert und oft kopfschüttelnd. Sie erzählt, wann es bei mir zum Durchbruch kam und ich zur überzeugten Camperin wurde, nämlich ausgerechnet dann, als mein Mann anfing, über die Beschwernisse des Campingurlaubs zu klagen und unsere Tochter mit dem Monster fremdelte. Drei Jahre war sie alt, als sie das erste Mal in ein Wohnmobil stieg, neun Jahre wird sie sein, wenn Sie diese Zeilen lesen.

Wann unsere Campinggeschichte endet? Keine...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte
Schlagworte 2024 • Beziehung • Beziehungsratgeber • Camping • camping mit kind • digitale Nomaden • Down Syndrom bei Kindern • eBooks • Erstmal für immer • Fräulein Draußen • Gesundheit • Mobile Office • mobiles Arbeiten • Neuerscheinung • Ratgeber • Reisen • Reisen mit Kind • vanlife • Wohnmobilreisen
ISBN-10 3-641-31367-8 / 3641313678
ISBN-13 978-3-641-31367-8 / 9783641313678
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