Schwestern in einem anderen Leben (eBook)
416 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491818-1 (ISBN)
Christiane Wünsche wurde 1966 in Lengerich in Westfalen geboren, aber schon kurze Zeit später zog die Familie nach Kaarst am Niederrhein. Mit zwanzig begann Christiane Wünsche ihr Studium in der Großstadt, dennoch blieb sie der Heimat eng verbunden. Seit 1991 wohnt sie wieder in Kaarst, wo sie auch heute lebt und arbeitet. Sie hat eine erwachsene Tochter, der Familie genauso wichtig ist wie ihr. Mit ihren Romanen »Aber Töchter sind wir für immer« und »Heldinnen werden wir dennoch sein« gelang Christiane Wünsche auf Anhieb der Einstieg auf die Bestseller-Liste.
Christiane Wünsche wurde 1966 in Lengerich in Westfalen geboren, aber schon kurze Zeit später zog die Familie nach Kaarst am Niederrhein. Mit zwanzig begann Christiane Wünsche ihr Studium in der Großstadt, dennoch blieb sie der Heimat eng verbunden. Seit 1991 wohnt sie wieder in Kaarst, wo sie auch heute lebt und arbeitet. Sie hat eine erwachsene Tochter, der Familie genauso wichtig ist wie ihr. Mit ihren Romanen »Aber Töchter sind wir für immer« und »Heldinnen werden wir dennoch sein« gelang Christiane Wünsche auf Anhieb der Einstieg auf die Bestseller-Liste.
Eine spannende Familiengeschichte, die besonders ist und doch vertraut anmutet.
Christiane Wünsche erzählt einfühlsam und spannend [...].
eine tolle, einfühlsam geschriebene Familiengeschichte
Der Roman ist einfühlsam, gefühlvoll und authentisch geschrieben.
Es wird unterhaltsam, einfühlsam und authentisch – ein ›echter Wünsche‹ halt.
spannende Familiengeschichte
Christiane Wünsche transportiert mit schnörkellosen Ton ein hoch emotionales Thema
Rebecca, 1976
Bald würde der Sommer zu Ende sein. Schon wurde es abends früher dunkel, und es war kühler als in den sonnenverwöhnten Wochen zuvor. Nur noch zwei Tage bis zum Ende der Sommerferien! Dann war es mit der süßen Freiheit vorbei, und das frühe Aufstehen und Pauken ging wieder los. Doch diese zwei Tage würde Rebecca noch voll auskosten, obwohl ihre Mutter gesagt hatte, dass sie den Lernstoff vom letzten Schuljahr durchgehen und Bücher und Hefte einpacken sollte. Pah! Welch eine Zeitverschwendung! Das konnte sie auch Sonntagabend fix erledigen.
Rebecca klemmte sich das zusammengerollte Handtuch unter den Arm, angelte vorsichtig ihre Strickjacke von der Garderobe und hielt die Luft an, weil einige leere Kleiderbügel klackend aneinanderstießen. Sie blickte zur Küche hinüber, wo ihre Mutter Pflaumenkuchen buk. Eine süße Wolke zog aus dem Backofen unter der Tür hindurch und erfüllte den schmalen Flur mit seinem Duft. Rebecca lief das Wasser im Munde zusammen. Den Kuchen würde es morgen Nachmittag geben; sie freute sich schon sehr darauf. Jetzt aber musste sie aufpassen, leise zu sein. Sie hatte keine Lust auf Mamas Fragen und auch nicht darauf, sie schon wieder anlügen zu müssen.
Erst als sie aus der Küche Abwaschgeräusche vernahm, atmete sie auf, schlich auf leisen Sohlen nach draußen in die Dämmerung und zog die Haustür hinter sich sanft ins Schloss. Nachdem sie die Handtuchrolle auf dem Gepäckträger ihres Hollandrades, das an der Hauswand lehnte, verstaut hatte, schwang sie sich auf den Sattel und hielt sich links, damit sie nicht an der Schreinerei ihres Vaters vorbeimusste. Sie fuhr über das unebene Kopfsteinpflaster bis zu der schmalen Gasse zwischen zwei Fachwerkhäusern, die eine Abkürzung zum Wald darstellte. Gerade wollte sie in deren Schatten abbiegen, als sie aus dem Augenwinkel einen roten Haarschopf wahrnahm. Mist, an der Bushaltestelle bei »Haushaltswaren Esser« stand ihre ältere Schwester Ruth und quatschte mit ihrer Busenfreundin Birgit. Bestimmt waren die zwei gerade mit dem Bus aus Brüggen von der Eisdiele zurückgekommen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass Ruth sie nicht gesehen hatte!
Kaum war Rebecca raus aus dem Dorf, wurde die Luft kühler, und von den Feldern wehte ein erdiger Herbstgeruch herüber. Leises Bedauern mischte sich in ihre Vorfreude. Bald wären die Treffen mit der Clique hier draußen vorbei. Sie holperte über einen unebenen Feldweg, der zwischen einem Rübenacker und einer Pferdekoppel entlangführte, und umklammerte die Griffe des Lenkers fester, um ihre Geschwindigkeit beibehalten zu können. Ihr Rad klapperte bei jeder Senke und jedem Grasbüschel, das ihr unter die Reifen geriet; Erdklümpchen flogen. Auf dem geebneten Waldweg, auf den sie schließlich abbog, fuhr es sich gleich viel ruhiger. Unter dem Dach aus Kiefernzweigen und Buchenlaub rollte sie leicht abwärts in Richtung See, dessen Wasser sie nun schon silbern zwischen den Stämmen aufblitzen sah. An einem von Farn gesäumtem Trampelpfad sprang sie vom Sattel, um das Fahrrad die letzten Meter bis zum Ufer zu schieben. Nun musste sie sich nur noch vorsehen, dass sie sich die nackten Beine nicht an den Dornen der Brombeerranken aufriss, die in den kaum erkennbaren Weg ragten.
Bald hörte sie Stimmen, Gelächter und Musik. Zarte Gitarrenakkorde drangen an ihr Ohr. Also war er schon da, und ihr Herz schlug höher. Das Dickicht endete abrupt und gab einen atemberaubenden Blick auf den in der Abendsonne glänzenden See frei.
Rebecca nahm die Schönheit nur beiläufig wahr, denn sie konzentrierte sich ganz auf ihre Freunde am Ufer, die im Gegenlicht der untergehenden Sonne schemenhaft zu erkennen waren. Sie entdeckte Ulfs lange, schmale Silhouette. Er saß auf einem großen Gesteinsbrocken, etwas abseits von den anderen, die offenbar emsig Feuerholz zusammensuchten. Er hockte leicht nach vorn gebeugt da, so dass ihm das Haar wie ein Vorhang vors Gesicht fiel, und hielt die Gitarre zärtlich in seinen Händen. Rebecca spürte Eifersucht in sich aufsteigen. Die Musik war Ulfs große Liebe, da konnte sie machen, was sie wollte.
Rasch verdrängte sie die unschöne Regung, indem sie sich auf die Melodie besann, die er nun spielte. Es war einer seiner eigenen Songs, erfüllt von Sehnsucht, so wie Ulf selbst. Ihr Herz zog sich zusammen, und sie ließ ihr Rad fallen, schlüpfte aus den Sandalen und rannte barfuß zu ihm. Moorige Erde quetschte sich kitzelnd zwischen ihre Zehen. Der laue Abendwind fuhr ihr durchs Haar, dann war sie bei ihm.
»Ulf!«
Er hörte sofort auf zu spielen, richtete sich zu seiner vollen Größe von über einem Meter neunzig auf und lehnte die Gitarre behutsam an den Stein, bevor er sie in die Arme schloss.
Sie küssten sich lange, und Rebecca schmiegte sich immer noch an ihn, als Gaby und Moni kamen, um sie zu begrüßen.
»Hi Becky, da bist du ja endlich. Gehen wir zwei noch eine Runde schwimmen, bevor uns die Mücken auffressen?« Gabys hellblonder Pferdeschwanz wippte. Sie trug nur ein Batikshirt über ihrem Bikini.
»Was ist denn mit dir?«, fragte Rebecca ihre andere Freundin, während Ulf sich an Frank wandte, der soeben zu ihm getreten war und ihm eine Zigarette anbot.
Moni schüttelte den Kopf, ergriff mit einer Hand eine ihrer dunklen Haarsträhnen und kaute darauf herum. »Geht nicht«, sagte sie mit gesenkter Stimme und schrägem Blick auf die beiden Jungs. »Ich hab meine … Regel.«
»Ach so.« Rebecca nickte verständnisvoll. Mit einer Binde zwischen den Beinen zu schwimmen ging ja nicht, und Tampons durfte Moni ebenso wenig benutzen wie sie selbst. In den Augen ihrer Mütter war das unhygienisch.
Dann fuhr ihr der Schreck heiß in die Glieder. Wie lange war es eigentlich her, dass sie das letzte Mal geblutet hatte? Hatten sie da nicht noch Schule gehabt? Das wären dann schon über sechs Wochen. Oder gar noch länger?
Ihr hastiges Nachrechnen wurde jäh unterbrochen, als plötzlich blechern Musik losplärrte. Jens hatte sein brandneues Kofferradio dabei und gab wie immer damit an. »Girls, Girls, Girls«, sang die Band Sailor aus den Lautsprechern.
Rebecca konnte den hektischen Song, der – wie sie fand – die romantische Abendstimmung zerstörte, überhaupt nicht leiden. Sie mochte die sanfte Musik von Supertramp, Cat Stevens oder Simon & Garfunkel wesentlich lieber. Und natürlich Ulfs Gitarrenspiel. Außerdem würden die lauten, übersteuerten Klänge womöglich bis ins Dorf hinüberwehen, und sie bekämen alle Ärger.
»Na, komm, Gaby«, rief sie entnervt gegen den Lärm an, schlüpfte aus Rock und T-Shirt und warf beides über den großen Stein, während die Freundin ihr T-Shirt einfach Moni über die Schulter legte. Hand in Hand sprinteten sie ins dunkle Wasser, Fontänen spritzten. Rebecca ignorierte die Kälte, als sie ganz eintauchte, und begann sofort mit kräftigen Schwimmzügen. Neben sich hörte sie Gaby prusten.
Vom Dämmerlicht umhüllt, schwammen sie weit hinaus auf den dunklen See. Mit jedem zurückgelegten Meter schien die Wassertemperatur zu sinken. Einige Mücken tanzten über ihnen, eine Ente quakte in der Ferne. Hoch über ihnen blinkten die ersten Sterne am weiten Nachthimmel. Rebecca fröstelte und überlegte, wie weit es hier bis zum Grund sein mochte und was unter ihnen alles herumschwamm. Hechte, Welse, Aale, Rotaugen … Sie erschauderte und konzentrierte sich lieber auf Gaby, die vor ihr schwamm und sich nun zu ihr umdrehte.
»Hast du deinen Eltern eigentlich inzwischen gesagt, dass du mit Ulf zusammen bist?«
»Psst! Nicht so laut! Das Wasser trägt unsere Stimmen!«, raunte Rebecca. »Nein, noch nicht«, gestand sie dann der Freundin und begann, auf der Stelle zu paddeln. Ihre Füße fühlten sich wie Eisklumpen an. Lange würde sie es nicht mehr im Wasser aushalten. Außerdem schien die Dunkelheit gleichsam nach ihnen zu greifen. Das Ufer war kaum mehr zu erkennen.
»Meinst du nicht, dass es langsam mal Zeit wird?« Gabys Stimme klang mahnend. »Sie kriegen es doch sowieso raus. Deine Schwester …«
»Ja, ich weiß!«, unterbrach Rebecca sie. »Aber Mama und Papa finden, dass ich in meinem Alter noch keinen Freund haben soll. Und sie wollen auch nicht, dass ich mich mit euch allen treffe.«
»Phh!« Gaby paddelte ein Stück von ihr weg. »Du bist sechzehn und kein kleines Kind mehr. Und Ulf ist sooo toll!«
Rebecca unterdrückte ein Seufzen. Gaby war also immer noch verknallt in ihren Freund! Und wahrscheinlich wurmte es sie weiterhin, dass der sich nicht für sie, sondern für Rebecca entschieden hatte. Als ob das eine Frage der Entscheidung gewesen wäre! Wer konnte schon steuern, in wen er sich verliebte? Bei wessen Anblick man ein Kribbeln im Bauch spürte und wer einen kaltließ?
Rebecca strampelte mit den Beinen, bevor diese ganz gefühllos wurden. Sie hatte inzwischen am ganzen Körper eine Gänsehaut und fror.
»Ja, das ist er«, antwortete sie, »und wir sind superglücklich. Ich muss bloß den richtigen Moment abpassen, um es meinen Eltern zu sagen. Die werden sich schon wieder einkriegen. Jetzt am Wochenende bringe ich es ihnen bei. Mama und Papa müssen endlich kapieren, dass ich nicht so verklemmt bin wie Ruth. Aber lass uns jetzt zurückschwimmen. Mir ist arschkalt. Guck mal, das Feuer brennt schon!«
Sie deutete zum Uferstreifen, wo gelborange Flammen in den Abendhimmel züngelten und einen Lichtkreis bildeten, an dessen Rand ihre Freunde wie Scherenschnitte zu erkennen waren. Fast alle saßen schon. Nur...
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2024 |
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Zusatzinfo | 1 s/w-Abbildung |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | aufwachsen auf dem Land • Ausreißerin • buch für freundin • Coming of Age • Düsseldorf • falsche Identität • Familienroman Neuerscheinung 2024 Bücher • Frauenromane Neuerscheinung 2024 • Gegenwartsliteratur • Generationenkonflikt • Glückssuche • Kindheitserinnerungen • Neuss • Niederrhein • Romane Bestseller Frauen 2024 • Roman Geschwister • Siebziger Jahre • Soziale Bewegungen • Verschwundene Schwester |
ISBN-10 | 3-10-491818-X / 310491818X |
ISBN-13 | 978-3-10-491818-1 / 9783104918181 |
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