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Lachen, Liebe, Nächte (eBook)

Sechs Erzählungen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00584-6 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
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In der Schilderung unbürgerlicher Schicksale und grotesker Situationen erweist sich Henry Miller auch hier als Erzähler von hinreißendem Temperament und als Verfechter ungehemmter Daseinsfreude.

Henry Miller, der am 26. Dezember 1891 in New York geborene deutschstämmige Außenseiter der modernen amerikanischen Literatur, wuchs in Brooklyn auf. Die Dreißiger Jahre verbrachte Miller im Kreis der «American Exiles» in Paris. Sein erstes größeres Werk, das vielumstrittene «Wendekreis des Krebses», wurde - dank des Wagemuts eines Pariser Verlegers - erstmals 1934 in englischer Sprache herausgegeben. In den USA zog die Veröffentlichung eine Reihe von Prozessen nach sich; erst viel später wurde das Buch in den literarischen Kanon aufgenommen. Henry Miller starb am 7. Juni 1980 in Pacific Palisades, Kalifornien.

Henry Miller, der am 26. Dezember 1891 in New York geborene deutschstämmige Außenseiter der modernen amerikanischen Literatur, wuchs in Brooklyn auf. Die Dreißiger Jahre verbrachte Miller im Kreis der «American Exiles» in Paris. Sein erstes größeres Werk, das vielumstrittene «Wendekreis des Krebses», wurde – dank des Wagemuts eines Pariser Verlegers – erstmals 1934 in englischer Sprache herausgegeben. In den USA zog die Veröffentlichung eine Reihe von Prozessen nach sich; erst viel später wurde das Buch in den literarischen Kanon aufgenommen. Henry Miller starb am 7. Juni 1980 in Pacific Palisades, Kalifornien.

Via Dieppe – Newhaven


Es kam daher, daß ich den Wunsch hegte, einmal wieder – wenigstens vorübergehend – unter englisch sprechenden Menschen zu sein. Ich hatte durchaus nichts gegen die Franzosen, im Gegenteil. Endlich hatte ich mir so etwas wie ein kleines Heim in Clichy eingerichtet, und alles wäre gut und schön gewesen, wenn die Sache mit meiner Frau nicht gerade wieder ein kritisches Stadium erreicht hätte. Sie wohnte in Montparnasse und ich mit meinem Freund Fred, der sich die Wohnung gemietet hatte, in Clichy, gerade außerhalb der Porte. Wir hatten beschlossen, uns zu trennen. Sie wollte nach Amerika zurückkehren, sobald das Geld für die Überfahrt eintreffen würde.

Soweit war alles in Ordnung. Ich hatte ihr Lebewohl gesagt und glaubte, es sei alles erledigt. Aber als ich dann eines Tages zu meinem Delikatessenhändler kam, teilte mir die alte Frau mit, soeben sei meine Frau mit einem jungen Mann dort gewesen und habe eine ganze Menge auf meine Rechnung gekauft. Die alte Frau schien ein bißchen verlegen und auch etwas beunruhigt. Ich sagte ihr, es sei in Ordnung. Und es war auch in Ordnung, denn ich wußte ja, daß meine Frau kein Geld besaß, und schließlich hat ja die Ehefrau, wie jeder andere Mensch auch, ein Recht zu essen. Was den jungen Mann anbelangt, so war auch das in Ordnung: wahrscheinlich war es einer von jenen Jünglingen, dem sie leid tat und der sie einige Zeit bei sich wohnen ließ. Es war eigentlich alles in Ordnung, mit Ausnahme der Tatsache, daß sie sich noch in Paris aufhielt, und ich hätte nur gern gewußt, wann in Gottes Namen sie sich endlich aufmachen würde.

Wieder waren einige Tage vergangen, als sie an einem Spätnachmittag vorbeikam, um mit uns zu Abend zu essen. Warum auch nicht? Soviel Essen konnten wir immer zusammenbringen, während es bei dem Volk auf dem Montparnasse kaum etwas zu essen gab. Nach der Mahlzeit wurde sie hysterisch: sie behauptete, schon seit sie mich verlassen hatte, an Durchfall zu leiden, und dies sei meine Schuld, denn ich hätte sie zu vergiften versucht. Ohne ein Wort mit ihr zu sprechen, brachte ich sie zur Metro-Station an der Porte. Ich war derartig ärgerlich, so verdammt ärgerlich, daß ich kein Wort herausbringen konnte. Auch sie war verärgert, weil ich es abgelehnt hatte, mich mit ihr über diese Sache zu unterhalten. Als ich nach Hause ging, dachte ich, das war nun das Letzte. Jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Ich hatte sie ja vergiftet. Wenn sie also dieser Meinung war – nun gut! Damit sollte der Fall ausgestanden sein.

Wenige Tage darauf erhielt ich einen Brief von ihr, in dem sie mich um etwas Geld bat, um ihre Miete bezahlen zu können. Sie schien also doch nicht mit dem Jüngling zusammen zu wohnen, sondern in einem billigen Hotel hinter dem Bahnhof Montparnasse. Gleich konnte ich ihr das Geld auch nicht geben, denn ich hatte selbst keines, und so ließ ich einige Tage verstreichen, bis ich zu ihrem Hotel ging und die Rechnung erledigte. Während ich zu ihrem Hotel unterwegs war, traf ein Rohrpostbrief für mich ein, der besagte, sie müßte das Geld unbedingt haben. Sonst würde man sie hinauswerfen. Hätte ich etwas Geld gehabt, dann hätte ich ihr diese Demütigungen erspart, aber ich besaß keines. Das glaubte sie mir aber nicht. Und selbst wenn es der Fall wäre, sagte sie, hätte ich mir doch etwas leihen können. Worauf sich nichts erwidern ließ. Aber ich habe es noch nie vermocht, mir größere Beträge zu verschaffen; mein Leben lang war ich daran gewöhnt, mir kleine Beträge zu leihen, Kükenfutter sozusagen, und war immer heilfroh, wenn mir das glückte. Sie schien sich dessen nicht mehr zu erinnern. Man konnte es ihr nicht übelnehmen, daß sie bitter und in ihrem Stolz gekränkt war. Und um der Gerechtigkeit willen muß ich auch sagen, daß sie bestimmt Geld beschafft hätte, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre. Immer hatte sie es verstanden, für mich Geld lockerzumachen, aber nie für sich selbst. Das muß ich zugeben.

Mich hatte die ganze Sache ziemlich mitgenommen. Ich kam mir miserabel vor. Und je schlechter ich mich fühlte, um so weniger konnte ich tun. Ich machte sogar den Vorschlag, sie sollte zurückkommen und bei uns wohnen, bis das Geld, das sie für die Überfahrt erwartete, eintreffen würde. Aber davon wollte sie natürlich nichts wissen. Ja, war es denn so natürlich? Ich war derartig bestürzt, elend und verwirrt, daß ich nicht mehr zu sagen vermochte, was natürlich war und was nicht. Geld. Geld. In meinem ganzen Leben spielte die Geldfrage eine Rolle. Nie würde ich das Problem zu meistern wissen; es war hoffnungslos.

Erst irrte ich umher wie eine Maus in der Falle, dann aber kam mir der glänzende Einfall, mich selbst aus dem Staube zu machen. Den Problemen aus dem Wege zu gehen war die einfachste Methode. Ich weiß nicht, wie ich plötzlich darauf kam, aber ich entschloß mich, nach London zu fahren. Selbst wenn man mir ein Château in der Touraine versprochen hätte, ich hätte es ausgeschlagen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte ich mich gerade für London und keinen anderen Ort entschieden. Mir selbst gegenüber begründete ich es damit, daß sie mich nie in London vermuten würde. Sie wußte, wie sehr mir diese Stadt zuwider war. Aber bald entdeckte ich, daß der wahre Grund der Wunsch war, wieder einmal unter englisch sprechenden Menschen zu sein. Bei meinem damaligen Gemütszustand schien mir das wie ein Gottesgeschenk. Englisch zu sprechen und zu hören schien mir die wahre Entspannung. Der Himmel weiß, daß es eine, wenn auch milde Folter ist gezwungen zu sein, in einer fremden Sprache zu sprechen, oder auch nur zuzuhören, weil man vor ihr, selbst wenn man es wollte, seine Ohren nicht verschließen kann. Ich hatte durchaus nichts gegen die Franzosen, auch nichts gegen ihre Sprache. Bis meine Frau wieder aufgetaucht war, hatte ich in einem paradiesischen Zustand gelebt. Aber plötzlich war mir alles vergällt. Ich fluchte plötzlich auf die Franzosen, und besonders auch auf ihre Sprache, was mir vernünftigerweise nie im Traum eingefallen wäre. Ich wußte, es war mein eigener Fehler, aber dadurch wurde es nicht besser – eher schlimmer. Also, dann eben London. Ein kleiner Urlaub, und vielleicht ist sie fort, bis ich zurückgekehrt bin. Das war es.

Ich machte genügend Geld für ein Visum und eine Rückfahrkarte flüssig. Für den Fall, daß ich vielleicht ein zweites oder sogar drittes Mal nach England fahren würde, sollte sich meine Einstellung über die Engländer ändern, erwarb ich ein Jahresvisum. Weihnachten näherte sich, und ich malte mir aus, wie schön es während der Feiertage in London sein würde. Vielleicht würde ich doch einem anderen London als dem mir bisher bekannten begegnen, einem Dickensschen London, von dem die Besucher immer träumen. Das Visum und die Fahrkarte hatte ich in der Tasche und auch genügend Geld, um mich dort etwa eine Woche aufhalten zu können. Ich war von meiner Reise ganz begeistert.

Als ich nach Hause kam, war es fast Zeit zum Abendessen. Ich ging in die Küche und fand dort meine Frau mit Fred beim Abendbrot. Sie lachten und scherzten, als ich eintrat. Ich wußte, Fred würde ihr nichts über meine Londoner Reise sagen, setzte mich ebenfalls an den Tisch und lachte und scherzte auch ein bißchen. Es war eine vergnügliche Mahlzeit, das muß ich zugeben, und alles wäre herrlich gewesen, wenn Fred nicht nach dem Essen zur Redaktion gemußt hätte. Ich war vor einigen Wochen entlassen worden, aber er hatte noch seine Tätigkeit, obwohl er jeden Tag mit dem gleichen Schicksal rechnete. Der Grund, weshalb ich, obwohl Amerikaner, entlassen worden war, lag darin, daß ich kein Recht hatte, an einer amerikanischen Zeitung als Korrektor zu arbeiten. Nach französischer Auffassung konnte dieser Posten ebensogut von einem Franzosen, der mit der englischen Sprache vertraut war, ausgefüllt werden. Diese Tatsache hatte mich doch etwas mitgenommen und war vielleicht der Grund, weshalb sich in den vergangenen Wochen meine Einstellung den Franzosen gegenüber verschlechtert hatte. Das war jedoch überwunden und verschmerzt. Ich war wieder ein freier Mensch, und bald würde ich in London nur englisch sprechen, den ganzen Tag lang und, wenn ich Lust hatte, bis tief in die Nacht hinein. Auch würde mein Buch bald erscheinen, und damit würde sich vielleicht alles ändern. Es war jedenfalls alles nicht so hoffnungslos, wie es noch vor ein paar Tagen erschien. Als ich mir vorstellte, wie geschickt ich allem aus dem Wege gehen würde, wurde ich etwas leichtsinnig, und in einem Augenblick des Überschwanges lief ich hinaus und holte eine Flasche Chartreuse, denn ich wußte, daß sie ihn allem anderen vorzog. Das war ein unverzeihlicher Fehler. Durch den Chartreuse wurde sie erst angeheitert, dann hysterisch und schließlich vorwurfsvoll. Da saßen wir nun beide am Tisch und sprachen über eine Menge Dinge, die wohl besser nicht hätten wieder aufgerührt werden sollen. Endlich war ich so schuldbewußt und zärtlich, daß ich mit meinem ganzen Plan herausplatzte – meiner Londoner Reise, dem Geld, das ich mir geliehen hatte, und so weiter. Ich kramte das ganze Geld heraus und legte es vor ihr auf den Tisch. Da lag es nun – ich weiß nicht, wie viele Pfund und Shillinge, alles in schönem englischem Geld. Ich sagte ihr, es täte mir leid, und zum Teufel mit der ganzen Reise, und morgen würde ich mir die Fahrkarten zurückerstatten lassen und ihr das Geld dann auch noch geben.

Und wieder muß ich ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie wollte das Geld wirklich nicht nehmen. Ich konnte sehen, wie sie zögerte, aber schließlich nahm sie es doch widerstrebend an sich und stopfte es in ihre Handtasche. Als sie ging,...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2023
Übersetzer Kurt Wagenseil
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Opus Pistorum • Skandal • Stille tage in Clichy • Wendekreis
ISBN-10 3-644-00584-2 / 3644005842
ISBN-13 978-3-644-00584-6 / 9783644005846
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