Oliver Savoy (eBook)
420 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7494-9385-2 (ISBN)
Corinna Maria Conti wurde in Frankfurt am Main geboren und lebt seit ihrem ersten Lebensjahr im Raum Koblenz. Bereits mit zwölf Jahren konnte sie den Gewinn eines Schreibwettbewerbs für sich verbuchen und hat sich nach zahlreichen Kurzgeschichten und Gedichten in das Genre Fantasy gewagt, wo sie Realität und Fiktion eng miteinander verknüpft. Mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans erfüllt sie sich einen großen Traum.
Kapitel 3
Frustriert boxte Oliver mit der Faust neben sich auf die Matratze. Der Anblick der weißen Wand mit dem hässlichen bunt gemusterten Bild machte ihn wahnsinnig. Der Tag war schleppend verlaufen, und nach ein paar neuen Untersuchungen durch Dr. Cameron war irgendein weiterer Spezialist dazugekommen und hatte Olivers Arm und sein Bein begutachtet.
Oliver hatte diese ganzen Tests so satt, und bei den Röntgenbildern, die sie ihm gezeigt hatten, konnte er sich nicht vorstellen, dass er jemals wieder völlig gesund werden würde. Seine rechte Körperhälfte war nutzlos. Er konnte sich immer noch kaum bewegen, nicht eigenständig sitzen. Jedes Mal musste ihn jemand stützen oder ihm etwas zum Anlehnen geben, damit er nicht wie ein nasser Sack umkippte und im schlechtesten Fall aus dem Bett fiel und sich weitere Knochen brach. Er war ein verdammter Krüppel.
Nach dieser Untersuchungs-Odyssee hatte er auch noch von Dr. Cameron erfahren, dass sie ihn schrittweise der Drogen entwöhnten. Jetzt wunderte er sich nicht mehr, weshalb er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Es musste an den Entzugserscheinungen liegen. Mehr hatte Dr. Cameron nicht dazu gesagt und Oliver die restliche Zeit glücklicherweise sich selbst überlassen. Kurz vor Mittag war zumindest das Gefühl in die Fingerspitzen seiner rechten Hand zurückgekehrt. Ein schwacher Trost, aber besser als nichts.
Als es an der Tür klopfte, reagierte er nicht und behielt die Augen geschlossen. Er wollte niemanden sehen, und da er laut Plan erst am Abend wieder Medikamente bekommen würde, ahnte er schon, wer ihm einen Besuch abstatten wollte.
„Hallo Oliver. Ich wollte dir nur sagen, dass da jemand ist, der dich gerne besuchen würde.“ Seine Betreuerin klang ungewohnt kühl; kein Wunder nach ihrem letzten Gesprächsversuch und seinem Wutanfall.
Manchmal fragte Oliver sich, warum sie sich das überhaupt noch antat und seinen Fall nicht längst abgegeben hatte. Warum sie sich ihn noch antat.
„Warum raffen Sie eigentlich nicht, dass ich keinen scheiß Besuch von irgendeinem scheiß Idioten will? Weder von Ihnen noch von diesem bescheuerten Seelenklempner.“ Seine Stimme war nur halb so drohend, wie er es beabsichtigt hatte. Dazu war er immer noch zu müde und kraftlos. Noch ein Grund, weshalb er wütend wurde. Er wollte nicht, dass sie seine Schwäche bemerkte.
Mit geschlossenen Augen wartete Oliver auf eine Reaktion, doch Felicitas Marchant sagte nichts, sondern verschwand wortlos. Sollte es noch Wunder geben, und diese Frau würde einmal im Leben tun, was er sagte? Er hörte Stimmen vom Gang; eine davon gehörte definitiv seiner Betreuerin. Kurz nachdem sie verstummt waren, vernahm er sich nähernde Schritte. Innerlich entfuhr ihm ein Stöhnen. Da hatte er sich wohl zu früh gefreut.
„Hallo.“
Sein tödlicher Blick wanderte in Richtung Tür, wo sich ein älterer Mann zögerlich in den Raum schob. Das war zwar nicht der Seelsorger, der ihm gestern den letzten Nerv geraubt hatte, aber Oliver starrte ihn trotzdem skeptisch an. Der Fremde wich seinem Blick aus und schloss bedächtig die Tür. Anscheinend kam Felicitas Marchant nicht wieder, und wenn sie wegblieb, hatte Oliver zumindest schon mal ein Problem weniger.
„Haben Sie sich in der Tür geirrt oder sind Sie der angekündigte neue Seelenklempner? Dann können Sie nämlich gleich wieder verschwinden.“ Angriff war immer noch die beste Verteidigung.
Der Fremde wirkte von der Abwehrhaltung überfordert und brach den Blickkontakt ab. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn, bevor er sich mehrfach räusperte und etwas erwiderte.
„Weder noch.“
Olivers Augenbrauen schnellten überrascht nach oben. Er musterte den Mann intensiver, der locker Mitte sechzig und schätzungsweise um die eins achtzig groß war. Er sah sehr gepflegt aus, wirkte trotz leichtem Bauchansatz sportlich und hatte kurz geschnittene, graue, lichte Haare. Oliver konnte sich nicht entsinnen, dass sie sich schon einmal begegnet waren. Also hatten sie sich entweder in den Monaten vor dem Unfall kennengelernt und sein Gedächtnis hatte den Mann, wie so vieles, schlichtweg eliminiert, oder er war wirklich ein Fremder.
„Aha“, sagte Oliver verzögert und runzelte die Stirn. Der ältere Mann sah ihn zwar durchgehend an, machte allerdings keinerlei Anstalten, etwas zu sagen oder sich vorzustellen. In dem kleinen Krankenzimmer war es so still, dass sogar die Geräusche und Stimmen vom Gang deutlich zu hören waren.
„Also, wenn Sie irgendwas wollen, dann kommen Sie zum Punkt. Ich hab meiner dämlichen Betreuerin schon gesagt, dass ich keinen Besuch will. Entweder Sie sagen, was Sie zu sagen haben, oder Sie können sich direkt wieder verziehen.“
Keine Reaktion. Oliver wartete und überlegte, dem Fremden Beschimpfungen an den Kopf zu werfen, damit er endlich etwas sagte oder einfach wieder ging. Aber irgendetwas hielt ihn zurück. Zumindest vorerst.
„Sind Sie ein neuer Sozialarbeiter? Was wollen Sie, verdammt?“ Oliver registrierte den veränderten Gesichtsausdruck des Fremden. Anscheinend kapitulierte er. Dieses Mal öffnete er den Mund, um etwas zu erwidern.
„Nein, ich bin kein Sozialarbeiter. Mein Name ist Theodor Campana. Ich bin dein Großvater.“
Die Worte sickerten nur langsam zu Oliver durch. Er stutzte und schüttelte dann den Kopf.
„Meine Großeltern sind tot.“
„Also, eigentlich fühle ich mich noch recht lebendig.“ Der Mann, Theodor, konnte sich ein Schmunzeln offenbar nicht verkneifen. Oliver fixierte das Gesicht des Fremden irritiert, der ihn aus braunen Augen gutmütig ansah und ein wenig lächelte. Oliver spürte, wie ihm heiß wurde. Konnte das wirklich sein?
„Wenn Sie angeblich mein Großvater sind, dann sind Sie …“, setzte er an und machte eine hilflose Handbewegung.
„Der Vater deines Vaters, genau“, vollendete Theodor, was Oliver nicht hatte aussprechen wollen.
„Erzeuger trifft es wohl eher“, schnaubte er verächtlich. Theodor war anscheinend nicht bewusst, dass er sich mit dem Thema auf sehr dünnem Eis bewegte, doch dann straffte er die Schultern und schüttelte seine Unsicherheit ab. Er griff nach dem Stuhl, der an dem klapprigen Tisch neben der Tür stand, und setzte sich zu Oliver ans Bett.
„Eigentlich wollte ich dich gestern schon besuchen, weil ich heute zurück nach Hause muss. Aber dann habe ich die Auseinandersetzung zwischen dir und deiner Betreuerin mitbekommen, und da hat mich der Mut ehrlich gesagt verlassen. Den musste ich über Nacht erst mal wiederfinden.“ Kein Kommentar zu Olivers herablassenden Äußerungen. Keine Reaktion. Einfach nur ein Themenwechsel.
Der Ausdruck in den Augen des Mannes war unheimlich. Oliver konnte sich nicht erinnern, wann ihn jemand mal so angesehen hatte. Offen. Positiv. Und neugierig; Oliver registrierte, wie er gemustert wurde. Theodor schien sein Gesicht genau zu studieren, und Oliver drehte den Kopf weg. Es war ihm unangenehm, so fixiert zu werden, aber wahrscheinlich zog Theodor gerade Vergleiche zu Olivers Erzeuger oder versuchte es zumindest.
Oliver besaß zwar nur ein uraltes Foto von seinem Vater, aber selbst darauf hatte er schon zweifellos erkannt, dass sie sich nicht im Geringsten ähnlich sahen. Er hatte sich selbst schon oft mit dem gleichen Blick betrachtet, mit dem Theodor ihn jetzt musterte. Da waren keine Parallelen. Timothy, Olivers Vater, sah auf dem alten Foto braun gebrannt aus, schlank, sportlich. Hatte braune, glatte Haare. Oliver wusste, dass er hellbraune Augen hatte. Ein freundliches Gesicht. Typ Sonnyboy.
Er selbst hatte dunkle, lockige Haare – zumindest, wenn sie nicht wie jetzt abrasiert waren. Gerade, relativ dichte Augenbrauen in derselben Farbe. Grüne, recht große Augen, die meistens traurig aussahen. Passend dazu eine blasse, glatte Haut. Er war inzwischen um die eins achtzig groß und schlaksig. Sein Gesicht war schmal, sein Kinn abgerundet, normale Nase, normale Lippen. Er war nicht hässlich, aber eben auch nicht so gutaussehend wie sein Erzeuger. Und Oliver wusste auch, dass er auf andere Menschen eher unschuldig und unscheinbar wirkte. Nicht, als wäre er kriminell und drogenabhängig. Nicht, als könne er ausrasten, wie gestern wieder.
„Wieso wollten Sie mich überhaupt besuchen?“ Oliver sprach leise und räusperte sich, um die unangenehme Stille und das Fixieren zu durchbrechen.
„Ich wollte dich kennenlernen. Felicitas Marchant hat uns kontaktiert. Wir sind aus allen Wolken gefallen, als wir hörten, dass wir einen Enkel haben.“ Theodor kratzte sich am Kopf. Er wirkte jetzt etwas verlegen.
„So einen Enkel haben Sie sich wohl immer gewünscht, was?“, kommentierte Oliver und schnaufte abfällig.
„Bisher weiß ich ja noch nicht viel von dir, aber auf den Mund gefallen bist du schon mal nicht.“
Olivers Nackenhaare stellten sich auf und ihm wurde schlagartig wieder heiß. Er erstarrte innerlich, als ihm klar wurde, dass Theodor ihn noch genauso gutmütig ansah wie am Anfang. Oliver runzelte die Stirn und hielt dem Blick länger stand, ehe er ihm doch...
Erscheint lt. Verlag | 11.9.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-7494-9385-5 / 3749493855 |
ISBN-13 | 978-3-7494-9385-2 / 9783749493852 |
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