Die Sanddornkönigin (eBook)

Ostfrieslandkrimi | Ein Juist-Krimi
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
208 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01923-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sanddornkönigin -  Sandra Lüpkes
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Ein Mord erschüttert die Inselidylle. Juist in der Nachsaison: Die Insel erholt sich vom Urlaubstrubel des Sommers, und das exklusive «Dünenschloss» bereitet die festlichen «Sanddorntage» vor. Doch da wird die frisch gekürte Sanddornkönigin tot in der Nähe des Strands aufgefunden. Die impulsive Kriminalkommissarin Wencke Tydmers und ihr penibler Kollege Sanders nehmen sich des Falls an. Schon bald wissen sie: Hinter der schneeweißen Fassade des Hotels lauert ein Geheimnis.

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.

Mittwoch


Letztlich war die Telefonzentrale schuld daran, dass Wencke ausgerechnet auf eine Insel verschlagen wurde, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Wäre der unselige Anruf am frühen Mittwochmorgen ins benachbarte Zimmer durchgestellt worden, dann säße jetzt der neunmalkluge Kollege Sanders auf einer Juister Düne. Doch sie hatte sich gemeldet.

«Mordkommission Aurich, Kommissarin Wencke Tydmers am Apparat.» Und zehn Minuten später war sie zu Hause, um die Koffer zu packen, die mahnenden Worte ihres Vorgesetzten noch im Ohr.

«Das ist Ihre Chance, Frau Tydmers. Zeigen Sie, was in Ihnen steckt, und streichen Sie die Außendienstpauschale für den Inselaufenthalt auch noch mit ein. Und nicht vergessen: Mein Stuhl wird bald frei, und die Frauenquote will Sie als Hauptkommissarin sehen. Wenn Sie es aber vermasseln, dann haben wir einen Grund, Sanders zu befördern. Die Bevorzugung der weiblichen Bewerber zieht nur bei gleicher Qualifikation, wie Sie wissen. Und im Moment steht es eins zu null für Ihren lieben Kollegen.»

Sie könnte sich selbst ohrfeigen, dass sie den letzten Fall versaut hatte. Mord im Prostituiertenmilieu: Nette, viel zu junge Mädchen, die über versteckte Wege aus dem grauen Osten in den bunten Westen geschleust worden und schließlich in ostfriesischen Bordellen gelandet waren. Fiese, geldgeile Herren, die ihren Spaß und ihren Verdienst an den Mädchen hatten. Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Gier und Unschuld – und sie, Wencke, hatte es der blassen, stillen Violetta einfach nicht zugetraut, dass sie ihren Geliebten und Zuhälter erbarmungslos über den Haufen schießt. Und das noch nicht einmal aus Rache, sondern nur, um sich an seiner Tageseinnahme zu bereichern. Erst als die Kleine, die auch noch gelispelt hatte, mit dem Geld im Koffer über alle Berge verschwunden war, da war Wenckes Argumentation von dem Streit des Opfers mit dem organisierten Verbrechen der Mädchenschleuser nicht mehr zu halten gewesen. Und da hatte sie ganz schön dumm dagestanden mit ihrer weiblichen Intuition. Doch sie hatte ihre Lektion gelernt. Sie hatte sich am Abend ihrer Niederlage betrunken, allein und zu Hause mit zwei Flaschen Wein. Und nur ihr Kater war Zeuge, als sie sich lallend vor dem Spiegelbild schwor, sich niemals und wirklich niemals wieder von ihrem Gefühl im Bauch beeinflussen zu lassen. Niemals außer manchmal.

«Die Sanddornkönigin», sagte Meint, ihr Assistent. Er hatte gerade mit dem seemannsgesichtigen Zeugen gesprochen, der die Leiche heute Morgen beim Kontrollieren seiner Kaninchenfallen gefunden hatte.

«Sanddornkönigin? Ist das von dir?»

«Nein, ist nicht aus meiner Feder, der Alte da hat sie so genannt. Außerdem ist es doch eher dein Metier, den Mordfällen dramatische Überschriften zu geben, liebe Chefin. Ich erinnere dich nur an den ‹Mühlenschlachter› oder das ‹Wattenputtel›.»

Wencke fühlte sich ertappt. «Sanddornkönigin» hätte wirklich von ihr stammen können.

«Dies hier ist eine andere Kategorie Mord», sagte sie schließlich.

Sie saßen im Sand am Hang einer sanften Düne, es war nicht besonders kalt, nur der Wind, der ab und zu eine Böe über den Strandhafer blies, ließ sie ein wenig frösteln. In der Senke standen die Kollegen von der Spurensuche und steckten kleine nummerierte Täfelchen in den Sand. Viele Spuren gab es nicht, die es zu fotografieren gelohnt hätte. Der Wind war ein Meister im Vernichten von Beweismitteln. Eine zerdrückte, rostige Coladose, die mit Sicherheit nicht der Täter dort liegen gelassen hatte, war bereits vom Flugsand halb verdeckt worden, im Dornenbusch, fast direkt neben der Leiche, hing eine zerfledderte Plastiktüte im Geäst. Ansonsten lag hier nur eine tote Frau.

«Sanddornkönigin im Sinne von Weinkönigin oder so», fuhr Meint fort. «Am kommenden Wochenende steigt hier eine große Fete, in erster Linie wird wohl viel gegessen und getrunken, es sollen deswegen einige wichtige Personen auf die Insel kommen.»

«Freiwillig?»

Meint lachte. «Scheint so.» Er zog aus seiner Mappe ein Faltblatt heraus. Meint war einer von denen, die alles Wichtige und Unwichtige, was sie in einem Fall in die Hände bekommen, in einer eigens dafür angelegten Mappe sammeln. Wenn er einen Fall bearbeitete, so bewahrte er nahezu alles auf, er legte sich eine wahre Enzyklopädie über den Ort, über den Beruf und über die ganzen anderen scheinbaren Nebensächlichkeiten im Leben des Mordopfers an. Manchmal nutzte ihm dieser Wissensumfang tatsächlich zur Aufklärung, doch meistens speicherte er diese Details nur für sich, um sie dann und wann ungefragt zum Besten zu geben. Das hatte ihm im Kollegenkreis den Spitznamen «Lexikon» eingebracht, er schien sich nicht daran zu stoßen. Wencke hatte keine solche Mappe, und ihr Gedächtnis war so zuverlässig wie das Wetter im April, doch sie hatte andere Qualitäten.

Sie nahm das Faltblatt in die Hand. Es fühlte sich teuer an, festes und raues Papier, bedruckt mit goldfarbenen Lettern und geschmückt mit orangen Ornamenten, die wohl Sanddornbüsche darstellen sollten. Sie überflog den Text.

Wir laden Sie herzlich ein, liebe Feinschmecker! Lernen Sie unsere schlanke, schöne Insel kennen und auch unseren heimlichen Schatz: die Sanddornbeere. Diese farbenfrohe Vitaminbombe … blablabla … im bezaubernden Hotel «Dünenschloss» … blablabla … Galamenü, gezaubert von unserem Künstler am Herd, Fokke Cromminga … blablabla … am 17. Oktober, ab 12 Uhr mittags ein ganzer Tag nur für Sie und Ihren verwöhnten Gaumen … blablabla … es freut sich auf Sie, Ihre Juister Sanddornkönigin.

Darunter ein weichgezeichnetes Bild: eine lächelnde Rothaarige in friesischer Tracht vor einem festlich gedeckten Tisch. Nun lag sie nackt im Dünental, und die Fotos von ihr würden mit Sicherheit nicht mit Weichzeichner aufgenommen werden.

«Sie heißt mit bürgerlichem Namen Ronja Polwinski, studiert normalerweise in Hannover Psychologie und Touristik.»

«Was man nicht alles so studieren kann …», sinnierte Wencke.

Siemen Ellers, der Juister Inselpolizist, war zu ihnen gekommen. Er war ein freundlicher Mann kurz vor der Pensionierung, der sich diesen überaus ernsten Blick und das scharfe Einsaugen der Luft von seinem liebsten Sonntagabendkrimi ausgeliehen hatte. «Sie war nicht von der Insel. Aber sie war hier wahrscheinlich ein bekanntes Gesicht.»

Und ein verdammt hübsches, dachte Wencke, sagte aber nichts dergleichen. Sie stand auf und ging zu den Kollegen von der Spurensicherung, die ihre Beweisaufnahme abgeschlossen hatten und nun in einem Halbkreis um die Tote herum standen wie auf einem Begräbnis.

«Sie ist sozusagen taufrisch», sagte Gerichtsmediziner Riemer, als hielte er nun die Grabrede. «Keinerlei Zerhackstückelung, weder kleine Kratzer noch große Beulen, Flecken oder Dellen. Wenn ich sie so daliegen sehe, dann könnte ich schwören, sie steht gleich auf, zieht sich an und geht ihrer Wege. Ich habe noch nie eine so … lebendige Leiche gesehen.»

Als wäre dies das Amen gewesen, breiteten zwei seiner Männer den großen schwarzen Plastiksack aus und machten sich daran, die Tote halbwegs ordentlich hineinzulegen.

Wencke schaute in den Himmel. Sie würde gleich einen kurzen Spaziergang brauchen. Denn so flapsig sie mit den Mordopfern teilweise umging, wenn sie ihnen am Tatort direkt in die toten Gesichter schaute und die Details der grausigen Verletzungen studierte, so nahe ging es ihr, wenn die leblosen Körper dann im schmucklosen Zinksarg abtransportiert wurden.

Dies war nicht die erste Leiche gewesen und auch bestimmt nicht die letzte. Sie hatte sich den Posten bei der Mordkommission bewusst ausgesucht, sie kam damit auch gut zurecht und konnte nachts ruhig schlafen. Dennoch hinterließ dieses «Einpacken und weg damit» bei ihr den schalen Geschmack von Endgültigkeit. Ein paar Schritte ohne Worte vom Tatort weg holten sie jedoch immer wieder zurück in die nüchterne Kriminalbeamtensichtweise.

Meint kannte sie und ließ sie in Ruhe, als sie sich langsam vom Tatort entfernte. Sie fand den geschlungenen Trampelpfad durch die Dünen, der schließlich auf die rot gepflasterte Strandpromenade führte. Ab und zu gaben die wild bewachsenen Sandberge zu ihrer Linken den Blick auf einen riesigen, menschenleeren Strand frei, an dessen Ende sich das Meer die Ehre gab, in Erscheinung zu treten. Ein kleiner Weg führte zum Inseldorf hinunter, auf der Ecke lag eines dieser Strandcafés mit Aussicht, «Sturmklause – genießen Sie Kaffee und Kuchen, Eisspezialitäten und die große Auswahl auf unserer Speisekarte. Herzlich willkommen!». Neben der Tafel war die Tür mit großen Sperrholzplatten vernagelt, alles schien bereits in eine Art Winterschlaf gefallen zu sein, der Sand hatte sich in den Fensterbänken gesammelt und gab dem Ganzen einen verlassenen Ausdruck, so als wäre seit Jahren kein Mensch mehr hier gewesen.

«Herzlich willkommen!?» Wencke musste lachen. Die Zigarette, die sie sich eben angesteckt hatte, schmeckte nicht, sie ließ sie fallen, zertrat die Kippe auf dem brüchigen Backstein und sah die Glut mit dem Wind davonwehen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wartete darauf, dass es salzig schmeckte, so wie sie es unzählige Male in maritimen Büchern gelesen hatte. Es schmeckte nach nichts. Dafür hörte sie das Rauschen, es klang wie das Geräusch im Gehäuse einer Wellhornschnecke, die man sich direkt ans Ohr hielt. Ansonsten war es weniger beeindruckend als von sämtlichen Inselfanatikern beschworen. Wencke fand es unbehaglich. Sie konnte und wollte dem Gedanken, sich auf einer Insel zu befinden, sich vom Meer umzingelt zu...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2023
Reihe/Serie Wencke Tydmers ermittelt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Christian Kuhn • Insel • Inselkrimi • Juist • Klaus-Peter Wolf • Krimis und Thriller • Krischan Koch • Küste • Mord • Nordsee • Nordsee Krimi • Ostfriesische Inseln • Ostfriesland • Ostseekrimi • Regionalkrimi • Sylt Krimis • Wencke Tydmers ermittelt
ISBN-10 3-644-01923-1 / 3644019231
ISBN-13 978-3-644-01923-2 / 9783644019232
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