Der Todesengel von Wien (eBook)

True Crime

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
315 Seiten
Gmeiner-Verlag
978-3-8392-7656-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Todesengel von Wien -  Nina Jelinek
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Als Heinrich Truttenberger im Herbst 1937 zum Begräbnis seiner Mutter in seine krisengebeutelte Heimatstadt Wien fährt, muss er feststellen, dass diese ihr Leben kurz vor ihrem Tod komplett auf den Kopf gestellt hat. Als Mitbewohnerin der schillernden Martha genoss sie ihre letzten Tage in einer vornehmen Stadtvilla und vermachte ihr ihr gesamtes Vermögen. Angetrieben von Wut, Trauer und Frustration hält Heinrich die polizeiliche Abteilung für Leib und Leben auf Trab, wobei Erschreckendes ans Licht kommt.

Nina Jelinek wurde 1977 in Linz geboren. Während ihres Studiums der Publizistik und Soziologie lebte sie in einer Wohngemeinschaft im zweiten Bezirk, in deren Nähe sich das Wiener Kriminalmuseum befand. Als sie dieses eines Tages besuchte, zog sie die Geschichte der Martha Marek sofort in ihren Bann und ließ sie seither nicht mehr los. Nach Stationen bei Zeitungen im Bildungsbereich und einem kleinen Forschungsinstitut verschlug es sie schließlich an die Pädagogische Hochschule Linz. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in ihrer Heimatstadt. Der Roman ist ihr erstes Werk.

Nina Jelinek wurde 1977 in Linz geboren. Während ihres Studiums der Publizistik und Soziologie lebte sie in einer Wohngemeinschaft im zweiten Bezirk, in deren Nähe sich das Wiener Kriminalmuseum befand. Als sie dieses eines Tages besuchte, zog sie die Geschichte der Martha Marek sofort in ihren Bann und ließ sie seither nicht mehr los. Nach Stationen bei Zeitungen im Bildungsbereich und einem kleinen Forschungsinstitut verschlug es sie schließlich an die Pädagogische Hochschule Linz. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in ihrer Heimatstadt. Der Roman ist ihr erstes Werk.

Kapitel 2 – 1937
Begräbnis von Emile T.


Der Himmel war voller dunkler Wolken und das braune Herbstlaub wurde durch heftige Windböen aufgewirbelt. Am Wiener Zentralfriedhof herrschte auch bei schönem Wetter eine schaurig düstere Atmosphäre, aber an diesem Tag vermittelte der Schauplatz seinen Besuchern das bedrohliche Gefühl eines nahenden Weltuntergangs. Das Begräbnis der Emile Truttenberger war in vollem Gange, als der Himmel just in dem Moment, in dem die kleine Gesellschaft die große Halle nahe dem Tor 1 verließ, seine Schleusen öffnete. Es begann zu krachen und zu donnern und ein Platzregen prasselte auf die Besucher nieder. Dementsprechend erschrocken schaute die kleine Schar der Trauergäste, als sie sich dem Priester auf seinem Weg zum Grabe anschloss.

Schnell wurden Schirme aufgespannt, im Eilschritt suchte man Schutz unter dem großen Kirschbaum neben Emiles offenem Grab. Die jungen Bestatter gaben sich größte Mühe, ihre Würde zu bewahren und sich vom prasselnden Regen unbeeindruckt zu geben, während die Trauergesellschaft entrückt auf den Sarg starrte, der vom herrschenden Unwetter so schändlich entweiht wurde. Der Priester ließ seinen Blick über die kleine Schar schweifen, während er auswendig die ewig gleichen Gebete murmelte. Er blieb an einer noch jungen und schönen Frau hängen, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Sie hob sich von den anderen Angehörigen eindeutig ab, strahlte eine gewisse Würde aus und schien gleichzeitig von großer Traurigkeit erfasst. Ihre dunklen Augen waren völlig abwesend, es war, als würde sie im Geiste gar nicht hier sein. Zugleich machte sie den Eindruck enormer Erschütterung und Betroffenheit.

Neben ihr stand eine hagere Frau, ebenfalls etwa Mitte dreißig, mit schlotternden grauen Kleidern und einem Schirm in der Hand, den sie fürsorglich über ihre Freundin hielt. Arm in Arm trotzten die beiden ungleichen Freundinnen dem grausigen Wetter.

Für den Priester allemal ein interessantes Paar. Wie oft konnte er beobachten, dass besonders attraktive Frauen und solche, die der Herrgott, abgesehen von Schönheit, mit allen anderen möglichen guten Eigenschaften bedacht hatte, zueinanderfanden und voneinander profitierten. Wie die Hässlichen sich gerne als Schutzpatroninnen aufspielten, für ihre ach so zerbrechlichen Kameradinnen. Und wie dankbar sie oft waren und wie sehr es sich lohnen konnte, einmal dem hässlichen Teil des Paares seine Aufmerksamkeit und Liebenswürdigkeit zuzuwenden. Ob es wohl bei diesen beiden auch so war? Der Priester musste innerlich schmunzeln, während er in seiner Abschiedsrede zum Ende kam.

Heinrich Truttenberger konnte das Ende dieser abscheulichen Zeremonie im fürchterlichen Regen kaum erwarten. Seine trotz Schirm nassen Haare klebten ihm am Kopf und seine Haltung zeigte neben einer gewissen Ernsthaftigkeit und Trauer große Unruhe und Rastlosigkeit. Er stieg von einem Bein aufs andere, am liebsten hätte er sich mehr bewegt, wäre auf und ab gegangen, so sehr rumorte es in ihm. Der plötzliche Tod der Mutter hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Er hatte seine Tätigkeit in München von einem Tag auf den anderen liegen lassen müssen. Nun ruhten seine geschäftlichen Angelegenheiten bereits seit ein paar Tagen, wobei er nach wie vor nicht wusste, wie es um ihn beziehungsweise um sein kleines Handwerksunternehmen stand, welches er sich in so mühevoller jahrelanger Arbeit aufgebaut hatte. Die momentane Situation war ohnehin schon sehr heikel und er konnte sich einen längeren Ausfall keinesfalls leisten.

Ihm war durchaus bewusst, dass das Ableben der Mutter ihn vielleicht vor dem beruflichen Ruin retten könnte. Zwar konnte er keine große Erbschaft erwarten, dennoch musste ein ordentliches Sümmchen da sein. Schließlich hatte die Mutter ein Leben lang gespart. Was hatte sie sich denn jemals gegönnt? War nicht er es gewesen, der ihr bei seinen seltenen Besuchen, die seit seinem Fortgang aus Wien von Jahr zu Jahr weniger geworden waren, immer gut zugeredet hatte, sich auch einmal eine Auszeit zu leisten? Ein paar Tage Sommerfrische oder einen schönen Hut? Doch sie hatte immer nur stumm den Kopf geschüttelt, während sich in ihrer lethargischen, trostlosen Miene eine immerwährende Melancholie widergespiegelt hatte. Er hatte das kaum aushalten können. Die Traurigkeit der Mutter, seit der Vater gestorben war, seit er selbst Wien verlassen hatte. Vielleicht hatte sie schon vorher eingesetzt. Als er aus der engen Wohnung ausgezogen war oder als er als junger Mann erstmals seine eigenen Wege gegangen war und die Mutter mehr und mehr aus seinem Leben ausgeschlossen hatte. Hier, vor ihrem Grab, begann er zum ersten Mal darüber nachzudenken, warum sie eigentlich immer so schrecklich betreten und bedrückt gewirkt hatte. Nie war ihr in seiner Gegenwart ein heiteres Wort oder gar ein kleiner Scherz über die Lippen gekommen, immer hatte eine bedrückte Stimmung geherrscht, wenn er sie gesehen hatte. Natürlich war stets ein schlechtes Gewissen in ihm aufgekeimt und sicherlich war das der Hauptgrund gewesen, warum er immer seltener angerufen und kaum mehr Briefe oder Karten geschrieben hatte. Besuche waren aufgrund der 1.000-Mark-Sperre, die die Regierung 1933 verhängt hatte und die ihm wie jedem anderen Bürger des Deutschen Reiches den Besuch in der alten Heimat 1.000 Mark hätte kosten lassen, jahrelang unmöglich gewesen. Es schien fast eine Ironie des Schicksals zu sein, dass diese Regelung erst im letzten Jahr wieder abgeschafft worden war und ihm so den Besuch der Beerdigung ermöglichte.

Die Nachricht vom Tod der Mutter war völlig überraschend gekommen. Nie hätte er damit gerechnet, dass sie so rasch und ohne Voranzeichen von ihm gehen würde. Immer hatte er seine Mutter als Frau mit Durchhaltevermögen erlebt, zwar unglücklich, aber zäh. Niemals war sie ihm gebrechlich oder schwach vorgekommen, nie hatte sie ihm von Krankheiten oder irgendwelchen Schmerzen oder irgendeinem Leiden geschrieben. Er stutzte. Wann hatte er ihren letzten Brief bekommen? Wie viele Monate waren vergangen? Oder war es gar schon ein Jahr? Was wusste er eigentlich von ihrem jetzigen Leben? Einem Leben ohne Mann, ohne Sohn, ohne Freude.

Natürlich war Heinrich ehestmöglich nach Wien gekommen, um die Mutter zu verabschieden und das Begräbnis zu organisieren. Mehr als nur verwundert hatte er feststellen müssen, dass ihre schäbige kleine Wohnung untervermietet war. Eine jüngere Frau hatte ihm die Tür geöffnet. Sie sei die Mieterin, sagte sie nur. Er könne sich ruhig umschauen, nehmen, was er brauche. Verwirrt war er durch die Wohnung geschlichen, die ihm einst so vertraut gewesen war. Vertraut und verhasst. Das traurige Loch.

Auf Nachfrage hatte ihm die junge Mieterin erzählt, dass seine Mutter auf ihre alten Tage die vertraute Wohnung verlassen und vermietet hatte, um selbst zu einer anderen Frau in Untermiete zu ziehen, einer ihr bislang fremden Frau. Sie hatte ihre wenigen persönlichen Dinge mitgenommen und ein neues Leben begonnen.

Schlussendlich war er in der abgewohnten Küche gelandet, hatte sich zu der jungen Frau gesetzt und wortlos die Tasse Kaffee entgegengenommen, die sie ihm gereicht hatte. Sie heiße Lotte, meinte sie, sie sei vor etwa einem Dreivierteljahr eingezogen. Die Nachbarin sei eine Freundin ihrer Mutter und so habe sie das Angebot erhalten. Sie war zwar noch jung, aber wirkte schon etwas verbraucht. Sie arbeitete in der großen Ankerbäckerei, hier im zehnten Bezirk. Es war eine harte Arbeit und sie musste immer sehr früh aufstehen, aber sie war froh um diese Tätigkeit, die ihr ein regelmäßiges Einkommen einbrachte. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie zu einer praktischen Frisur zusammengebunden. Heinrich hatte die Frau ihm gegenüber gemustert. Sie war nicht unfreundlich gewesen, hatte aber auch keine große Sache um ihn gemacht. Irgendwie hatte er diese unkomplizierte Art gemocht. Wie ihn die Fremde in die Wohnung gelassen und aufgenommen hatte, zwar nicht herzlich, aber auch nicht abweisend. Nüchtern, vorsichtig vielleicht, abwartend. Was er zu tun gedenke, hatte sie wissen wollen, ob er die Wohnung für sich beanspruchen wolle, wie lange er in Wien bleibe, ob er hier nächtigen wolle. Ja, das wollte er schon, Kosten für ein Hotel mussten nicht auch noch dazukommen. Aber war das denn möglich? Wie konnte er hierbleiben mit der fremden Frau und überhaupt, was sollte das Ganze, was hatte seine Mutter getrieben in ihrem letzten Lebensjahr? Wieso hatte sie ihm nichts davon gesagt oder zumindest geschrieben? Wäre sie nicht tot, würde er sie fragen. Er würde sich aufregen, beschweren, sie vielleicht auch anschreien. Aber so? So machte es keinen Sinn, sich zu ärgern, und dennoch war er empört.

Diese Lotte, diese Frau in ihren einfachen, farblosen Kleidern, konnte nichts dafür. Diese Frau mit der praktischen Frisur. Unwillkürlich fragte er sich, wie sie wohl mit offenen Haaren aussah. Vielleicht in einem schöneren Kleid, ein wenig Schminke im Gesicht. Es könnte sein, dass sie dann richtig schön war. Vielleicht keine große Schönheit, aber ihm könnte sie durchaus gefallen. Aber was waren das für Gedanken? Dafür war er nicht nach Wien gekommen, was war bloß mit ihm los? Hatte der seltsame Lebenswandel seiner Mutter ihn so durcheinandergebracht? Hatte der Anwalt, der ihm vom Tod der Mutter in Kenntnis gesetzt hatte, diesen nicht angedeutet? Und war er bitte schön nicht lange verlobt? War er nicht immer treu ergeben und vollkommen erfüllt von der Liebenswürdigkeit und Schönheit seiner Adele? Zumindest soweit er überhaupt Zeit und Energie für seine Liebste hatte. Schließlich musste er all seine Kraft in die Arbeit stecken; als mittelständischer Unternehmer hatte man es wirklich nicht leicht,...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2023
Reihe/Serie Wahre Verbrechen im GMEINER-Verlag
Verlagsort Meßkirch
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Betrügerin • Drittes Reich • Erbe • Erbschaft • Fallbeil • Giftmord • Hinrichtung • Martha Marek • Mörderin • München • Nationalsozialisten • Österreich • True Crime • Verbrechen • Versicherungsbetrug • wahr • Wahre Verbrechen • Wien • Zweiter Weltkrieg • Zwischenkriegszeit
ISBN-10 3-8392-7656-X / 383927656X
ISBN-13 978-3-8392-7656-3 / 9783839276563
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