Staatsversagen (eBook)

Wie unsere Politik Deutschland vor die Wand fährt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
270 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-4853-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Staatsversagen -  Hans-Jürgen Moritz
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Aus der Gütemarke »Made in Germany« ist »Blöd in Germany« geworden. Denn, was ist eigentlich los, dass wir nicht vor einer Flutkatastrophe früh genug warnen können? Eine Bundeswehr wie eine Dorfarmee haben und ein Konzern wie Wirecard jahrelang alle Aufsichtsbehörden verschaukeln kann? In seiner Streitschrift nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund, redet Klartext, auch, wenn es manchmal weh tut: Verlässliche Mobilfunk- und Internetabdeckung bleibt in der Republik ein verzweifelter Wunsch frustrierter User, eine ungehemmt wuchernde Bürokratie verhindert ein halbwegs transparentes Steuersystem, beratungsresistente Politiker leiden an Gedächtnislücken, wenn es darauf ankommt usw. Doch, wie kommen wir da wieder raus? Der Autor bietet Antworten.



<p>Hans-Jürgen Moritz schreibt seit mehr als drei Jahrzehnten über das Zeitgeschehen. Nach dem Studium in Berlin und Amsterdam mit anschließender Ausbildung an der Hamburger Henri-Nannen-Schule arbeitete er unter anderem in Berlin, Bonn, Washington, D.C. und Brüssel. Er war Redakteur und Korrespondent für die Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters, die Voice of America sowie das Nachrichtenmagazin FOCUS. Er ist nunmehr als freier Journalist und Autor tätig.</p>

Hans-Jürgen Moritz schreibt seit mehr als drei Jahrzehnten über das Zeitgeschehen. Nach dem Studium in Berlin und Amsterdam, mit anschließender Ausbildung an der Hamburger Henri-Nannen-Schule, arbeitete er unter anderem in Berlin, Bonn, Washington, D.C. und Brüssel. Er war Redakteur und Korrespondent für die Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters, die Voice of America sowie das Nachrichtenmagazin FOCUS. Er ist nunmehr als freier Journalist und Autor tätig.

EINLEITUNG


»Wir leben nur noch von unserem Ruf«

Die Idee für dieses Buch entstand im Sommer 2022. Mein Schwager und ich saßen in unserem Ferienhaus in Siebenbürgen bei einem Schnaps beisammen. Es wurden dann mehrere, weil wir uns ein bisschen echauffierten. Wir redeten darüber, wie die Mobilfunk- und Internetabdeckung an unserem Rückzugsort, wo Ziegen- und Schafherden vorbeiziehen, die in Deutschland um Längen schlägt – in Rumänien, einem Land, das zu den ärmsten Europas zählt, von Korruption geschüttelt ist und bei der EU-Ost-Erweiterung 2007 eigentlich nicht beitrittsfähig war.

Unser Sommerdomizil befindet sich rund 15 Kilometer entfernt von Hermannstadt (Sibiu). Die 155 000-Einwohner-Ansiedlung in Transsilvanien, Gründung und früheres kulturelles sowie politisches Zentrum der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen in Rumänien, zählt heute nicht einmal mehr als zweitausend einheimische deutsche Muttersprachler. Schon unter dem Neostalinisten Ceaușescu hatte Bonn etliche ihrer Angehörigen mit Kopfgeld aus dessen Steinzeit-Kommunismus herausgekauft, darunter meine Frau. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs setzte der Exodus dann mit unaufhaltsamer Macht ein.

Dennoch bestimmen die wenigen verbliebenen Deutschen die Verwaltung Hermannstadts, unterhalten dort und anderswo im Land deutschsprachige Schulen, bei den Rumänen wegen ihrer Qualität beliebt. Der frühere Bürgermeister Hermannstadts, der deutschstämmige Klaus Johannis, wurde sogar Staatspräsident. Die Rumänen empfehlen die Geschicke Hermannstadts mehr oder weniger vollständig, die ihres Landes teilweise mit unerschütterlichem Vertrauen einer verschwindend kleinen deutschen ethnischen Minderheit an. Warum? Weil sie auf »deutsche« Tugenden setzen: Verlässlichkeit. Planungsgeschick. Korruptionsfreiheit. Deutsche Gründlichkeit eben.

Dieser Eindruck hat sich auch anderswo gehalten. Als ich 2020 meine möblierte Zweitwohnung in Brüssel aufgab, gingen meine belgischen Vermieter bei der Wohnungsabnahme mit anerkennendem Nicken durch die Räume. Sie versicherten einander, dass es eine gute Idee gewesen sei, die bei meinem Einzug gerade runderneuerte Wohnung in die Obhut eines Deutschen gegeben zu haben: Die halten den Laden eben in Ordnung.

Die schwäbische Kehrwoche hat den Status eines international bekannten Nimbus. Deutsche Gründlichkeit und Verlässlichkeit waren und sind ein im Ausland oft bewundernd, manchmal besorgt beobachtetes Alleinstellungsmerkmal. Doch wenn man genauer hinsieht, stellt man fest: In Hermannstadt und Brüssel mag sich das Klischee von den unverrückbaren deutschen Qualitäten noch gehalten haben. Doch in ihrem Ursprungsland sind sie verschüttet.

Von diesem Phänomen handelt dieses Buch. »Warum die Deutschen es besser machen« nannte der britische Autor John Kampfner eine Analyse, mit der er seiner lemminggleich in den Brexit-Abgrund taumelnden Nation vor Augen führen wollte, wie man ein Land viel besser organisieren könnte als den Exzentriker-Staat auf der Britischen Insel. Man muss Kampfner leider widersprechen: Wir Deutsche scheinen nur noch wenig auf die Reihe zu kriegen.

Wir haben unser eigenes Haus, im Urteil der Welt früher ein Bollwerk der Effizienz und Effektivität, nicht in Ordnung gehalten. Viele Kehrwochen, -monate und -jahre wären nötig, daran etwas zu ändern. »Wir leben nur noch von unserem Ruf«, sagte beim zweiten Glas Schnaps mein Schwager.

Die frühere Nation der Planer und Macher scheiterte zum Beispiel an Großprojekten wie dem berlin-brandenburgischen Hauptstadtflughafen BER und dem Bahnhofsdesaster Stuttgart 21, offenbarte erschreckende Mängel bei der Bekämpfung der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz 2021 sowie der Abwehr der Corona-Pandemie.

Unsere Autobauer, Aushängeschild des Landes und immer noch dessen industrielle Stütze, verschliefen zunächst den Einstieg ins Elektro- und Wasserstoffzeitalter. Lieber setzten sie ihre Ingenieure, von denen wir inzwischen viel zu wenige haben, darauf an, neben Kinkerlitzchen wie beheizbaren Lenkrädern betrügerische Umgehungsmechanismen für Abgasnormen auszutüfteln.

Dieses Thema, obwohl symptomatisch für den Verlust früherer deutscher Alleinstellungsmerkmale, behandle ich hier nicht – wir haben trotz einiger Anzeichen dafür keine allgemein verstaatlichte Autoindustrie, und mein Thema ist nun mal das Staatsversagen.

Unsere »Energiewende« aber ist staatlich verordnet – und ein Witz. Im Internet kursierte er in folgender Fassung: »Was ist der Unterschied zwischen Deutschland und der Titanic? Auf der Titanic brannte noch Licht, als sie unterging.« Das Wall Street Journal machte sich über die »dümmste Energie-Politik der Welt« lustig.

Kopflos und rein umfragegesteuert übers Knie gebrochen, drehte sich das Energiewende-Manöver von Angela im Wunderland nur um sich selbst und ließ Bürger- und Wirtschaftsinteressen sträflich außer Acht. Bundeskanzlerin Angela Merkel leitete es unter dem Eindruck des japanischen Fukushima-Desasters in dem verfehlten Glauben ein, dass wir ungefährdet jede Menge Energie aus Russland beziehen könnten. Als dieses wenig verlässliche Russland sich als handfeste militärische Bedrohung herausstellte, stand unsere Bundeswehr dann »blank« da – kaputtgespart und bis zur Unkenntlichkeit entkernt.

Verlässliche, schnelle Mobilfunk- und Internetabdeckung bleibt in der Bundesrepublik ein verzweifelter Wunsch frustrierter User. Was gegen die Covid-Krise nach Ansicht von Fachleuten geholfen hätte – die elektronische Patientenakte – steckte zwei Jahrzehnte im Planungsstadium fest, ein BER der Gesundheitspolitik, und liegt bis heute nicht praktikabel vor. Wenn deutsche Lehrer tatsächlich mal ein Smart Board – eine interaktive High-Tech-Tafel – in ihrem Klassenraum stehen haben, können sie es entweder nicht bedienen oder stellen fest, dass es nicht funktioniert. Weshalb sie dann eine Folie darüber ziehen, auf der man wie früher mit Kreide schreiben kann.

Aus der alten Gütemarke »Made in Germany« ist »Blöd in Germany« geworden. Wellen von Bildungsreformen haben das Land überzogen. Das Ergebnis war der PISA-Schock. Selbst deutsche Abiturienten sind heute oft nicht in der Lage, die Weltozeane und Kontinente zu benennen oder Zagreb zutreffend dem EU-Mitgliedsland Kroatien als Hauptstadt zuzuordnen. Es könnte sich bei »Zagreb« ja auch um den Namen eines allmächtigen Magiers in einem interaktiven Rollenspiel handeln.

Eine ungehemmt wuchernde Bürokratie verhindert ein halbwegs transparentes Steuersystem, innovative Unternehmensgründungen und andere Eigeninitiative. Gedeihen konnte hingegen ein windiges Geschäftsmodell wie »Wirecard«. Gleichzeitig wuseln Heerscharen teurer Berater durch unsere Gesetzgebungsinstanzen, die offenbar aus eigener Kraft nicht zum Umsteuern fähig sind.

Überlastete und nicht im 21. Jahrhundert angekommene deutsche Polizei und Justiz kommen mit der Ergreifung und Aburteilung dreister Gewohnheitskrimineller nicht hinterher. Aus dem Berliner Brennpunkt-Bezirk Neukölln berichtete der dortige CDU-Kommunalpolitiker Falko Liecke 2022 über das ermittlungstechnische Vorgehen gegen Clan-Kriminalität: »Während die Verbrecher Kryptohandys benutzen, überwachen Polizisten Festnetztelefone und wundern sich, dass keiner anruft.«

Wir haben uns wohl zu lange darauf verlassen, dass schon auf ewig stimmen würde, was die anderen und auch wir selbst gern von uns dachten: Die Deutschen, nach denen kannst du die Uhr stellen. Doch nicht nur der beklagenswerte Zustand der Deutschen Bahn beweist, dass davon keine Rede mehr sein kann und dass die Zeiger für uns vielmehr auf fünf vor zwölf stehen. Unser einst allenthalben bewundertes, gut funktionierendes Staatswesen produziert Staatsversagen, zerbröselt wie unsere vernachlässigte Infrastruktur, während wir nur allzu oft schulterzuckend zusehen und uns Diskussionen darüber aufzwingen lassen, wie viele tatsächliche oder vermeintliche Geschlechter unsere behäbige staatliche Verwaltung bei der Feststellung des Personenstands wohl anerkennen sollte.

Statt uns auf wesentliche Zukunftsaufgaben wie etwa die Digitalisierung zu konzentrieren, verzetteln wir uns auf Nebenkriegsschauplätzen. Wahre Glaubenskämpfe toben um die Frage, wie viele Doppelpunkte und Sternchen die deutsche Sprache wohl braucht, um zu einem herrschaftsfreien Kommunikationsmittel zu werden. Es regiert das kleine Karo. Eine strategische Vorausschau ist für die meisten wirklich zukunftsentscheidenden Handlungsfelder nicht erkennbar. Das nenne nicht nur ich Staatsversagen.

Warum sind wir so kaputt, einer politischen Führungsschicht ausgeliefert, die Attentismus statt Zupacken als Nicht-Handlungsprämisse hat? In einem Staat, der nach der »Stunde Null« als Phönix aus der Asche stieg, Paradebeispiel für die Wiedergeburt einer Nation, die aus der größten Finsternis der Nazi-Barbarei demokratisch gefestigt, wirtschaftlich robust und, ja, auch »der Zukunft zugewandt« neu erstand? Sie geriet zum Staunen der Welt – »Stupor Mundi« (einst der Beiname des von seinen Zeitgenossen bewunderten Stauferkaisers Friedrich II.) Warum ist davon nur noch der pathologische »Stupor« übrig geblieben, den die medizinische Fachlektüre als vollständigen Aktivitätsverlust bei ansonsten wachem Bewusstseinszustand beschreibt?

Schon bevor der mörderische Putin-Imperialismus 2022 schlagartig härtere Zeiten am Horizont aufziehen ließ, hatte ein klammheimlicher Abschied von einer der Grundkonstanten unserer früher so...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte AfD • Ahrtal • Angela Merkel • Außenpolitik • Autobauer • Autokonzerne • BER • Berater • Bildung • Bundeskanzler • Bundeswehr • Bürokratie • CDU • Corona • Deutsche Bahn • Elektro • Energiewende • Europa • Fachleute • FDP • Grünen • Habeck • Innenpolitik • Lindner • Maskenskandal • Mobilfunk • Naturkatastrophe • Olaf Scholz • Pandemie • Partei • Politik • Politiker • staatssystem • Stuttgart 21 • Unternehmen • Untersuchungsausschuss • Verkehrswende • Verwaltung
ISBN-10 3-7517-4853-9 / 3751748539
ISBN-13 978-3-7517-4853-7 / 9783751748537
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