Ich und Du (eBook)

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2023 | 1. Auflage
144 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-31056-1 (ISBN)

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Ich und Du -  Martin Buber
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' Ich und Du' ist der Schlüssel zu allen philosophischen und theologischen Schriften Bubers.
»Ich und Du« ist der Schlüssel zu allen philosophischen und theologischen Schriften Bubers. In suggestiver Einfachheit entfaltet Buber hier seine Erkenntnis: Im Anfang ist die Beziehung, und Beziehung ist Gegenseitigkeit. Was geschieht, geschieht zwischen einem »Ich« und einem »Du«.
  • Die Grundschrift zur Philosophie Martin Bubers


Martin Buber (1878-1965), Religionsforscher, Religionsphilosoph und Schriftsteller, war eine der führenden Persönlichkeiten des Judentums im 20. Jahrhundert und ein Vorreiter des jüdisch-christlichen Dialogs.

Die Geschichte des Einzelnen und die der Menschengattung stimmen, worin immer sie auseinandergehen mögen, in dem einen jedenfalls überein, daß sie eine fortschreitende Zunahme der Eswelt bedeuten.

Das wird für die Geschichte der Gattung bezweifelt; man weist darauf hin, daß die einander ablösenden Reiche der Kultur jeweilig mit einer, wenn auch verschiedenartig gefärbten, so doch gleichartig gebauten Primitivität und ihr gemäß mit einer kleinen Gegenstandswelt beginnen; es würde somit dem Leben des Individuums nicht das der Gattung, sondern das der einzelnen Kultur entsprechen. Aber, wenn man von den isoliert scheinenden absieht: die unter dem geschichtlichen Einfluß anderer stehenden Kulturen übernehmen in einem bestimmten – nicht ganz frühen, dem Zeitalter der Höhe jedoch vorausgehenden – Stadium die Eswelt jener, sei es durch unmittelbares Empfangen der noch gleichzeitigen, wie das Griechentum die ägyptische, sei es durch mittelbares der vergangenen, wie die abendländische Christenheit die griechische empfing: sie vergrößern ihre Eswelt nicht bloß durch eigne Erfahrung, sondern auch durch die aufgenommenen Zuflüsse von fremder; und nun erst vollzieht sich an der so gewachsenen die entscheidende, entdeckerische Erweiterung. (Wobei vorerst außer acht gelassen sei, wie übermächtig daran das Schauen und die Taten der Duwelt beteiligt sind.) Es ist somit im allgemeinen die Eswelt jeder Kultur umfänglicher als die der vorangehenden, und trotz etlichen Stockungen und scheinbaren Rückläufen ist in der Geschichte die fortschreitende Zunahme der Eswelt deutlich zu erkennen. Nicht wesentlich ist hierfür, ob dem »Weltbild« einer Kultur mehr der Charakter der Endlichkeit oder der der sogenannten Unendlichkeit, richtiger Nichtendlichkeit, zukommt; eine »endliche« Welt kann recht wohl mehr Bestandteile, Dinge, Prozesse enthalten als eine »unendliche«. Zu beachten ist auch, daß es nicht bloß den Umfang der Naturerkenntnis, sondern auch den der gesellschaftlichen Differenzierung und den der technischen Leistung zu vergleichen gilt; durch beide wird die gegenständliche Welt erweitert.

Das Grundverhältnis des Menschen zur Eswelt umfaßt das Erfahren, das sie immer wieder konstituiert, und das Gebrauchen, das sie ihrem vielfältigen Zweck, der Erhaltung, Erleichterung und Ausstattung des Menschenlebens, zuführt. Mit dem Umfang der Eswelt muß auch die Fähigkeit, sie zu erfahren und zu gebrauchen, zunehmen. Der Einzelne kann zwar immer mehr unmittelbares Erfahren durch mittelbares, das »Erwerben von Kenntnissen«, ersetzen, er kann den Gebrauch immer mehr zur spezialisierten »Verwendung« abkürzen, dennoch ist eine stete Ausbildung der Fähigkeit von Generation zu Generation unerläßlich. Diese meint man zumeist, wenn man von einer fortschreitenden Entwicklung des geistigen Lebens redet. Wobei man sich freilich der eigentlichen Sprachsünde wider den Geist schuldig macht; denn jenes »geistige Leben« ist zumeist das Hindernis für ein Leben des Menschen im Geist und bestenfalls die Materie, die darin, bewältigt und eingeformt, aufzugehen hat.

Das Hindernis. Denn die Ausbildung der erfahrenden und gebrauchenden Fähigkeit erfolgt zumeist durch Minderung der Beziehungskraft des Menschen – der Kraft, vermöge deren allein der Mensch im Geist leben kann.

Geist in seiner menschlichen Kundgebung ist Antwort des Menschen an sein Du. Der Mensch redet in vielen Zungen, Zungen der Sprache, der Kunst, der Handlung, aber der Geist ist einer, Antwort an das aus dem Geheimnis erscheinende, aus dem Geheimnis ansprechende Du. Geist ist Wort. Und wie die sprachliche Rede wohl erst im Gehirn des Menschen sich worten, dann in seiner Kehle sich lauten mag, beides aber sind nur Brechungen des wahren Vorgangs, in Wahrheit nämlich steckt die Sprache nicht im Menschen, sondern der Mensch steht in der Sprache und redet aus ihr, – so alles Wort, so aller Geist. Geist ist nicht im Ich, sondern zwischen Ich und Du. Er ist nicht wie das Blut, das in dir kreist, sondern wie die Luft, in der du atmest. Der Mensch lebt im Geist, wenn er seinem Du zu antworten vermag. Er vermag es, wenn er in die Beziehung mit seinem ganzen Wesen eintritt. Vermöge seiner Beziehungskraft allein vermag der Mensch im Geist zu leben.

Aber das Schicksal des Beziehungsvorgangs reckt sich hier am gewaltigsten auf. Je mächtiger die Antwort, um so mächtiger bindet sie das Du, bannt es zum Gegenstand. Nur das Schweigen zum Du, das Schweigen aller Zungen, das verschwiegene Harren im ungeformten, im ungeschiedenen, im vorzunglichen Wort läßt das Du frei, steht mit ihm in der Verhaltenheit, wo der Geist sich nicht kundgibt, sondern ist. Alle Antwort bindet das Du in die Eswelt ein. Das ist die Schwermut des Menschen, und das ist seine Größe. Denn so wird Erkenntnis, so wird Werk, so wird Bild und Vorbild in der Mitte der Lebendigen.

Was aber so zum Es sich gewandelt hat, dem ist, dem zum Ding unter Dingen Erstarrten, der Sinn und die Bestimmung eingetan, daß es sich immer wieder entwandle. Immer wieder – so war es gemeint in der Stunde des Geistes, als er sich dem Menschen antat und die Antwort in ihm zeugte – soll das Gegenständliche zu Gegenwart entbrennen, einkehren zum Element, daraus es kam, von Menschen gegenwärtig geschaut und gelebt werden.

Die Erfüllung dieses Sinns und dieser Bestimmung wird von dem Menschen vereitelt, der sich mit der Eswelt als einer zu erfahrenden und zu gebrauchenden abgefunden hat und nun das in ihr Eingebundene, statt es zu lösen, niederhält, statt ihm zuzublicken, beobachtet, statt es zu empfangen, verwertet.

Erkenntnis: Im Schauen eines Gegenüber erschließt sich dem Erkennenden das Wesen. Er wird, was er gegenwärtiglich geschaut hat, wohl als Gegenstand fassen, mit Gegenständen vergleichen, in Gegenstandsreihen einordnen, gegenständlich beschreiben und zergliedern müssen; nur als Es kann es in den Bestand der Erkenntnis eingehen. Aber im Schauen war es kein Ding unter Dingen, kein Vorgang unter Vorgängen, sondern ausschließlich gegenwärtig. Nicht in dem Gesetz, das danach aus der Erscheinung abgeleitet wurde, sondern in ihr selber teilt sich das Wesen mit. Daß das Allgemeine gedacht wird, ist nur eine Abwicklung des knäuelhaften Ereignisses, da es im Besondern, im Gegenüber geschaut wurde. Und nun ist dieses in der Esform der begrifflichen Erkenntnis eingeschlossen. Wer es daraus erschließt und wieder gegenwärtig schaut, erfüllt den Sinn jenes Erkenntnisaktes als eines zwischen den Menschen Wirklichen und Wirkenden. Aber man kann Erkenntnis auch so betreiben, daß man feststellt: »so also verhält es sich damit, so heißt das Ding, so ist es beschaffen, da gehört es hin«, daß man das zu Es Gewordene als Es beläßt, als Es erfährt und gebraucht, es mitverwendet für die Unternehmung, sich in der Welt »auszukennen«, und sodann für die, die Welt zu »erobern«.

So auch die Kunst: Im Schauen eines Gegenüber erschließt sich dem Künstler die Gestalt. Er bannt sie zum Gebilde. Das Gebilde steht nicht in einer Götterwelt, sondern in dieser großen Welt der Menschen. Wohl ist es »da«, auch wenn kein Menschenauge es heimsucht; aber es schläft. Der chinesische Dichter erzählt, die Menschen hätten das Lied nicht hören mögen, das er auf seiner Jadeflöte spielte; da spielte er es den Göttern, und sie neigten das Ohr; seither lauschten auch die Menschen dem Lied: – so ist er denn von den Göttern zu denen gegangen, deren das Gebild nicht entraten kann. Nach des Menschen Begegnung schaut es wie im Traum aus, daß er den Bann löse und die Gestalt umfange, für einen zeitlosen Augenblick. Da kommt er nun gegangen und erfährt, was zu erfahren ist: so ist es gemacht, oder dies ist darin ausgedrückt, oder solcherart sind seine Qualitäten, und dazu wohl auch noch, welchen Rang es einnimmt.

Nicht als ob wissenschaftlicher und ästhetischer Verstand nicht vonnöten wäre: aber um sein Werk getreu zu tun und unterzutauchen in der überverständlichen, das Verständliche umschließenden Wahrheit der Beziehung.

Und zum dritten, über Geist der Erkenntnis und Geist der Kunst erhöht, weil hier der vergängliche körperhafte Mensch sich nicht dem dauernderen Stoff einzubilden braucht, sondern ihn überdauernd selber als Gebild, von der Musik seiner lebendigen Rede umrauscht, am Sternenhimmel des Geistes aufgeht: das reine Wirken, die Handlung ohne Willkür. Hier erschien dem Menschen aus tieferem Geheimnis das Du, sprach ihn aus dem Dunkel selber an, und er antwortete mit seinem Leben. Hier ist das Wort Mal um Mal Leben geworden, und dieses Leben, ob es Gesetz erfüllte oder Gesetz brach – beides tut jeweilig not, damit der Geist auf Erden nicht sterbe –, ist Lehre. So steht es vor den Nachgeborenen, sie zu lehren, nicht was ist und nicht was sein soll, sondern wie im Geist, im Angesicht des Du, gelebt wird. Und das heißt: es steht bereit, ihnen allzeit selbst zum Du zu werden und die Duwelt aufzutun; nein, es steht nicht bereit, es kommt immerdar auf sie zu und rührt sie an. Sie aber, zum lebendigen Verkehr, dem weltauftuenden, unlustig und untauglich geworden, wissen Bescheid; sie haben die Person in der Geschichte und ihre Rede in der Bücherei eingefangen; sie haben die Erfüllung oder den Bruch, gleichviel, kodifiziert; und sie geizen auch nicht mit Verehrung und gar Anbetung, hinlänglich mit Psychologie untermischt, wie es dem modernen Menschen geziemt. O einsames Angesicht sternhaft im Dunkel, o lebendiger Finger auf einer unempfindlichen Stirn, o verhallender Schritt!

Die Ausbildung der erfahrenden und gebrauchenden Funktion erfolgt zumeist durch Minderung der Beziehungskraft des Menschen.

Derselbe Mensch, der den Geist sich zum Genußmittel präparierte,...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Judentum
Schlagworte 2023 • Beziehung • Dialogphilosophie • eBooks • Erkenntnis • Gegenseitigkeit • Israel • Judentum • Neuerscheinung • Österreich • Philosophie • Theologie
ISBN-10 3-641-31056-3 / 3641310563
ISBN-13 978-3-641-31056-1 / 9783641310561
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