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Tar Baby (eBook)

Mit einem Vorwort der Autorin. Sprachlich überarbeitet und aktualisiert von Marion Kraft
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
432 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01864-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
17,99 inkl. MwSt
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Eine paradiesische Insel in der Karibik: In der Villa eines weißen Millionärsehepaars begegnen sich die schwarze Amerikanerin Jadine, Sorbonne-Absolventin, Kunsthistorikerin und Nichte des Butlerehepaars, und Son, ein abgerissener, gut aussehender Krimineller auf der Flucht, der alles verkörpert, was Jadine verabscheut und begehrt. Zwischen ihnen entspannt sich eine Affäre, die sich von der Karibik bis nach Manhattan und in den tiefen Süden der USA erstreckt.  In ihrem unvergesslichen Roman untersucht Toni Morrison das Geflecht von Machtverhältnissen zwischen Schwarzen und Weißen, Herr:innen und Diener:innen, Frauen und Männern in allen Nuancen.

Toni Morrison wurde 1931 in Lorain, Ohio, geboren. Sie studierte an der renommierten Cornell University Anglistik und hatte an der Princeton University eine Professur für afroamerikanische Literatur inne. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen «Sehr blaue Augen», «Solomons Lied», «Beloved», «Jazz» und ihr essayistisches Schaffen. Sie war Mitglied des National Council on the Arts und der American Academy of Arts and Letters. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, u. a. mit dem National Book Critics' Circle Award und dem American-Academy-and-Institute-of-Arts-and-Letters Award für Erzählliteratur. 1993 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur, und 2012 zeichnete Barack Obama sie mit der Presidential Medal of Freedom aus. Toni Morrison starb am 5. August 2019.

Toni Morrison wurde 1931 in Lorain, Ohio, geboren. Sie studierte an der renommierten Cornell University Anglistik und hatte an der Princeton University eine Professur für afroamerikanische Literatur inne. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen «Sehr blaue Augen», «Solomons Lied», «Beloved», «Jazz» und ihr essayistisches Schaffen. Sie war Mitglied des National Council on the Arts und der American Academy of Arts and Letters. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, u. a. mit dem National Book Critics' Circle Award und dem American-Academy-and-Institute-of-Arts-and-Letters Award für Erzählliteratur. 1993 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur, und 2012 zeichnete Barack Obama sie mit der Presidential Medal of Freedom aus. Toni Morrison starb am 5. August 2019. Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis.

Er glaubte, er wäre in Sicherheit. Er stand an der Reling der HMS Stor Konigsgaarten und sog in großen Zügen Luft in sich hinein; sein Herz schlug schneller, als er voller Erwartung auf den Hafen starrte. Queen de France errötete ein wenig in dem nachlassenden Licht und senkte vor seinem Blick die Lider. Sieben mädchenhaft weiße Segelschiffe schaukelten im Hafen, aber zwei oder drei Kilometer weiter, wenn man der Strömung folgte, war ein verlassener Pier. Betont ungezwungen ging er nach unten zu den Quartieren, die er mit den schon an Land gegangenen Kameraden teilte, und da er nichts besaß, was er hätte mitnehmen können – kein Briefmarkenalbum, kein Rasiermesser, keinen Schlüssel zu irgendeiner Tür –, schlug er nur noch einmal etwas exakter die Decke unter der Matratze seiner Koje ein. Er zog seine Schuhe aus und knotete die Schnürsenkel an der Gürtelschlaufe seiner Hose fest. Dann, nachdem er sich in aller Ruhe noch einmal umgeschaut hatte, ging er geduckt durch die Zwischendeckpassage und kehrte auf das Oberdeck zurück. Er schwang ein Bein über die Reling, zögerte und überlegte, ob er einen Kopfsprung machen sollte; da er seinen Füßen aber mehr vertraute als seinen Händen, machte er einfach einen Schritt weg vom Schiff. Das Wasser war so weich, dass er es erst wahrnahm, als es ihm schon bis zu den Achselhöhlen reichte. Rasch zog er die Knie an und schoss davon. Er war ein guter Schwimmer. Bei jedem vierten Schwimmstoß drehte er sich um und hob den Kopf, um sich zu vergewissern, ob er seinen Kurs parallel zur Küste auch beibehielt und ihr nicht zu nahe kam. Obwohl sich seine Haut kaum von dem dunklen Wasser unterschied, achtete er darauf, dass seine Arme nicht zu weit aus den Wellen tauchten. Der Pier kam näher, und er stellte zufrieden fest, dass seine Schuhe immer noch an seinen Hüften baumelten.

Nach einer Weile beschloss er, zum Land zu schwimmen – auf den Pier zu. Als er die Beine grätschte, um zu drehen, legte sich ein Ring aus Wasser um sie und zog ihn in einen weiten, leeren Tunnel. Er versuchte, sich daraus zu befreien, und wurde dreimal herumgewirbelt. Gerade als er unter Wasser hätte atmen müssen, wurde er wieder an die samtene Luft befördert und lag ausgestreckt auf der glatten Oberfläche des Meeres. Er trat ein paar Minuten lang Wasser und versuchte, gleichmäßig zu atmen, dann nahm er wieder Kurs auf den Pier. Wieder legte sich der Ring um seine Fußgelenke, und der nasse Schlund schluckte ihn. Er sank tiefer und tiefer, landete jedoch nicht, wie er erwartet hatte, auf dem Meeresboden, sondern wurde in einem Strudel herumgewirbelt. Sein einziger Gedanke war, ich bewege mich gegen den Uhrzeigersinn. Kaum hatte er das gedacht, beruhigte sich die See und spülte ihn nach oben. Wieder trat er Wasser, hustete, spuckte und schüttelte den Kopf, um seine Ohren vom Wasser zu befreien. Als er sich etwas ausgeruht hatte, beschloss er es im Schmetterlingsstil zu versuchen, um seine Füße vor dem Sog zu schützen, den er beide Male von rechts verspürt hatte. Als er jedoch die Wasserfläche vor sich aufriss, fühlte er einen sanften, beharrlichen Druck auf Brust und Bauch, bis hinunter zu den Schenkeln. Als bedränge ihn die Hand einer Frau, die nicht lockerließ. Er wehrte sich mit aller Kraft, aber es nützte nichts. Die Hand schob ihn immer weiter, weg vom Land. Er drehte den Kopf, um zu sehen, was hinter ihm lag. Er sah nur Wasser, das die Sonne, die wie ein blutendes Herz darin versank, purpurrot färbte. In weiter Ferne, zu seiner Rechten, lag die in ganzer Länge erleuchtete Stor Konigsgaarten.

Seine Kräfte ließen nach, und ihm war bewusst, dass er sie nicht im Kampf gegen die Strömung vergeuden durfte. Er beschloss, sich eine Weile treiben zu lassen. Vielleicht würde der Sog nachlassen. Zumindest konnte er neue Kräfte sammeln. Er trieb so gut er konnte im Wasser, das sich hob und senkte und in der nach Ammoniak riechenden Luft pulsierte und immer dunkler wurde. Er wusste, dass er sich in einem Teil der Welt befand, der keine Dämmerung kannte und nie kennenlernen würde und dass er jeden Augenblick in einem pechschwarzen Meer dem Horizont entgegentreiben könnte. In Queen de France gingen schon die ersten Lichter an, tropften wie Tränen aus einem weinenden Himmel, der von der scharfen Spitze eines frühen Sterns aufgerissen worden war. Die Wasserfrau hielt ihn immer noch in ihrer hohlen Hand und schubste ihn hinaus aufs Meer. Plötzlich sah er neue Lichter – vier an der Zahl – zu seiner Linken. Er konnte die Entfernung nicht abschätzen, aber er wusste, dass sie gerade eben auf einem kleinen Boot angegangen waren. Die Wasserfrau zog genauso plötzlich ihre Hand zurück, und der Mann schwamm auf das Boot zu, das im blauen, nicht im grünen Wasser ankerte.

Als er näher herankam, umkreiste er es. Er hörte nichts und sah niemanden. Auf der Hafenseite entdeckte er den Namen Seabird II und eine kurze, etwa einen Meter lange Strickleiter, die sacht gegen den Bug schlug. Er hielt sich an einer Sprosse fest und hievte sich an Bord des Schiffes. Keuchend kroch er über das Deck. Die Sonne war verschwunden, und seine Segeltuchschuhe hingen auch nicht mehr an seinem Gürtel.

Er schob sich seitlich über das Deck, presste sich gegen die Wand des Ruderhauses und schaute in die gewölbten Fenster. Niemand war zu sehen, aber er hörte von unten Musik, und es roch nach kräftig mit Curry gewürztem Essen. Er wusste nicht, was er sagen sollte, falls plötzlich jemand auftauchte. Es wäre besser, wenn er es nicht im Voraus plante, da solche Geschichten doch immer wie Lügen klangen, auch wenn sie noch so schlüssig waren. Er würde sich davon inspirieren lassen, ob diese Person ein Mann oder eine Frau war, ob sie groß oder klein war, wie sie sich verhielt.

Er ging zum Achterdeck und stieg vorsichtig eine kurze Treppe hinunter. Die Musik wurde lauter und der Currygeruch stärker. Die Tür am andern Ende stand offen, und aus ihr kamen das Licht, die Musik und der Currygeruch. In seiner Nähe befanden sich zwei geschlossene Türen. Er entschied sich für die erste; sie führte in einen dunklen Wandschrank. Er kroch hinein und schloss leise die Tür hinter sich. Es roch stark nach Zitrusfrüchten und Öl. Da er nichts erkennen konnte, hockte er sich einfach dort, wo er stand, auf den Boden und hörte der Musik zu, die aus einem Radio oder Plattenspieler zu kommen schien. Langsam streckte er die Hand im Dunkeln vor, sein ausgestreckter Arm stieß aber nirgends auf Widerstand. Als er nach rechts tastete, berührten seine Finger eine Wand. Er kroch darauf zu und setzte sich, mit dem Rücken zur Wand, auf den Boden.

Er wollte unter allen Umständen wach bleiben, aber die Wasserfrau fuhr ihm mit ihren knöchernen Fingern über die Lider, und er fiel wie ein Stein in Schlaf.

Der Motor weckte ihn nicht – er hatte jahrelang beim Geräusch stärkerer Motoren geschlafen. Und auch das Rollen des Schiffs machte ihm nichts aus. Stärker als die Geräusche des Motors war der ungewohnte Klang einer Frauenstimme – so ungewohnt und verheißungsvoll, dass sie seine Traumwelt zum Platzen brachte. Er wachte auf und dachte an eine kurze Straße mit gelben Häusern und offenen weißen Türen, in denen Frauen standen, die ihm zuriefen, «Komm rein, Süßer, komm», und ihr Gelächter breitete sich wie eine Daunendecke über den Befehl. In der Stimme dieser Frau lag jedoch nichts dergleichen.

«Ich bin nie einsam», sagte sie, «nie.»

Die Kopfhaut des Mannes juckte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte das Salz in seinem Schnurrbart.

«Nie?» Es war die Stimme einer andern Frau – heller, halb zweifelnd, halb bewundernd.

«Nein, nie», sagte die erste Frau. Ihre Stimme schien an den Rändern kalt, innen jedoch warm zu sein. Oder war es gerade umgekehrt?

«Ich beneide dich», sagte die zweite Stimme, aber sie klang schon ferner, nach oben entschwebend, begleitet von Schritten auf einer Treppe und dem Geräusch sich reibenden Stoffes – Kordsamt gegen Kordsamt oder Segeltuch gegen Segeltuch –, einem Geräusch, das nur Frauenschenkel machen können. Eine wundervolle Herbsteinladung, sich aus dem Regen an den häuslichen Herd zu flüchten und es sich dort bequem zu machen.

Der Mann konnte den Rest des Gespräches nicht verstehen – die Frauen waren inzwischen an Deck. Er lauschte noch eine Zeit und richtete sich dann langsam und vorsichtig auf und tastete nach dem Türknopf. Der Gang war hell erleuchtet – aber die Musik hatte aufgehört, der Currygeruch hatte sich verflüchtigt. Durch den Spalt zwischen Türrahmen und Tür sah er ein Bullauge, und in ihm spiegelte sich tiefe Nacht. Irgendetwas fiel aufs Deck, und einen Augenblick später rollte es auf die Türschwelle und blieb in dem fingerbreiten Lichtstreifen vor seinem Fuß liegen. Es war eine Flasche, auf deren Etikett er mit Mühe Bain de Soleil entziffern konnte. Er rührte sich nicht. Dachte an nichts, wartete nur. Er hatte niemanden die Treppe herunterkommen hören, aber plötzlich wurde eine Frauenhand sichtbar. Wunderbar geformte, rosa lackierte Fingernägel, elfenbeinfarbene Finger, Ehering. Sie hob die Flasche auf, und er hörte die Frau leise seufzen, als sie sich bückte. Sie richtete sich auf, und ihre Hand verschwand. Ihre Füße bewegten sich lautlos auf den Teakbohlen, aber kurz darauf hörte er, wie eine Tür – wahrscheinlich die Kombüsentür – auf- und zuging.

Er war der einzige Mann an Bord. Er fühlte es – irgendetwas fehlte, wie er erleichtert feststellte. Die zwei oder drei Frauen – er wusste nicht, wie viele es...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2023
Übersetzer Uli Aumüller, Uta Goridis
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Afroamerikanische Folklore • Afroamerikanische Identität • Amerikanische Literatur • Amour fou • bernardine evaristo • Butler Ehepaar • Ehefrau • Ehekrise • Einbrecher • Emanzipation • Feminismus • Identität • Insel • Karibik • Karibische Insel • Liebesroman • Literatur Nobelpreis • Literatur-Nobelpreisträgerin • Magischer Realismus • Maya Angelou • Millionär • Neuerscheinung 2023 • Neuübersetzung • Nobelpreis • Nobelpreisträgerin • Rassismus • Roman Neuerscheinung 2023 • Schwarze Literatur • US-amerikanische Literatur
ISBN-10 3-644-01864-2 / 3644018642
ISBN-13 978-3-644-01864-8 / 9783644018648
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