Philanthrokapitalismus und die Aushöhlung der Demokratie (eBook)
320 Seiten
Neue Erde (Verlag)
978-3-89060-389-6 (ISBN)
Dr. Vandana Shiva ist Autorin, Physikerin, Ökologin und Verfechterin der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Rechte der Bauern. Ihre Pionierarbeit in den Bereichen Ernährungssouveränität, nachhaltige Landwirtschaft und Frauenrechte hat zu einem grundlegenden kulturellen Wandel in der Sichtweise der Welt auf diese Themen geführt. Sie ist Mitglied des wissenschaftlichen Ausschusses der Fundacion IDEAS, der Denkfabrik der Sozialistischen Partei Spaniens, und der Internationalen Organisation für eine partizipative Gesellschaft. 1993 erhielt sie den Right Livelihood Award, eine Auszeichnung, die als »alternativer Nobelpreis« bekannt ist, sowie zahlreiche weitere Auszeichnungen und Ehrungen, darunter den Save the World-Preis 2009 und den Sydney Peace Prize 2010. Dr. Shivas Leben und Werk sind Gegenstand des preisgekrönten Dokumentarfilms »Seeds of Vandana Shiva« (2021).
Dr. Vandana Shiva ist Autorin, Physikerin, Ökologin und Verfechterin der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Rechte der Bauern. Ihre Pionierarbeit in den Bereichen Ernährungssouveränität, nachhaltige Landwirtschaft und Frauenrechte hat zu einem grundlegenden kulturellen Wandel in der Sichtweise der Welt auf diese Themen geführt. Sie ist Mitglied des wissenschaftlichen Ausschusses der Fundacion IDEAS, der Denkfabrik der Sozialistischen Partei Spaniens, und der Internationalen Organisation für eine partizipative Gesellschaft. 1993 erhielt sie den Right Livelihood Award, eine Auszeichnung, die als »alternativer Nobelpreis« bekannt ist, sowie zahlreiche weitere Auszeichnungen und Ehrungen, darunter den Save the World-Preis 2009 und den Sydney Peace Prize 2010. Dr. Shivas Leben und Werk sind Gegenstand des preisgekrönten Dokumentarfilms »Seeds of Vandana Shiva« (2021).
Vorwort
Einleitung: Philanthrokapitalismus und Kolonialisierung im digitalen Zeitalter
Vandana Shiva
Erster Teil: Ein globales Imperium
Die Zerstörung einer Welt des traditionellen Wissens, der Souveränität und der biologischen Vielfalt
Vandana Shiva
Ein Überblick über die landwirtschaftlichen Innovationen von Bill & Melinda Gates
Navdanya
Die Bill & Melinda Gates Foundation und die Allianz mit dem Internationalen Reisforschungsinstitut
Chito P. Medina
Zweiter Teil:
Patente, Genbearbeitung und digitale Sequenzinformationen Saatgutaneignung durch neue Gen-Editierungs-Technologien
Vandana Shiva
Gen-Editierung: Unerwartete Ergebnisse und Risiken
Dr. Michael Antoniou
Länder mit großer Vielfalt als Anbieter von genetischen Ressourcen und digitalen Sequenzinformationen
Aidé Jiménez-Martínez und Adelita San Vicente Tello
Dritter Teil: Biopiraterie
Biopiraterie von klimaresistentem Saatgut
Navdanya
Fallstudien zur Biopiraterie: GVO-Bananen
Vandana Shiva und Navdanya International
Vierter Teil: Globale Landwirtschaft
Die Rekolonialisierung der Landwirtschaft
Navdanya
Ein Vertrag zum Schutz unserer landwirtschaftlichen Biodiversität
José Esquinas-Alcazar
Ag Tech: Bill & Melinda Gates' landwirtschaftliche Innovationen in Argentinien
Fernando Cabaleiro
Fünfter Teil: Die dritte »Grüne Revolution«
Der Goldene-Reis-Schwindel
Vandana Shiva
Warum wir gegen Golden Rice sind
Stop Golden Rice Netzwerk (SGRN)
Die Dystopie der Grünen Revolution in Afrika
Nicoletta Dentico
Die Grüne Revolution der Gates Foundation schadet Afrikas Landwirten
Timothy Wise
Die Saat des Überwachungskapitalismus
Navdanya
Sechster Teil: Biotechnologie und Geoengineering
Die Probleme mit der Labornahrung
Vandana Shiva
Essbare Software: Das Modell des geistigen Eigentums an Nahrungsmitteln beeinträchtigt die regenerative Landwirtschaft
Seth Itzkan
Bill Gates' Klima-»Lösungen«: Finanzierung von Geoengineering
Dru Jay und Silvia Ribeiro (ETC-Gruppe)
Siebter Teil: Gene Drives und das sechste Massenaussterben
Zur Ausrottung getrieben: Wie Bill Gates die Gene Drive-Extinction-Technologie in die Welt gebracht hat
Zahra Moloo und Jim Thomas (ETC-Gruppe)
Die Gates Foundation hat zur Manipulation der UNO in Bezug auf Gene Drives eine PR-Firma engagiert
Jonathan Latham
Palmer-Amaranth im Visier: Eine nahrhafte und kulturell bedeutsame traditionelle Kulturpflanze
Vandana Shiva
Globaler Widerstand gegen die Technologie der
genetischen Ausrottung
Navdanya
Achter Teil: Medien, Gesundheit und Bildung Digitale Diktatoren
Satish Kumar
Das philanthropische Monopol von Bill und Melinda Gates
Nicoletta Dentico
Wie die Cornell-Allianz Desinformationen verbreitet und die Agrarökologie diskreditiert
Community Alliance for Global Justice und Agra Watch
Bt Brinjal (Gen-Aubergine): Allianz für krumme Wissenschaft und Konzernlügen
Farida Akhter
Neunter Teil: Eine erdgebundene Philosophie
Eine Botschaft von Gaia
Navdanya
Mitwirkende
Endnoten
Index
Vorwort
David W. Orr
»Die Idee ist, eine digitale Version der Auflösung der Allmenderechte zu schaffen und einem zunehmend härter werdenden Polizeistaat enorme Befugnisse zu übertragen.«
Arundhati Roy1
»Wenn rohe Gewalt nicht funktioniert, setzt du nicht genug davon ein!« hat man als das zentrale Funktionsprinzip der modernen Welt vorgeschlagen. Es ist deshalb plausibel, weil es die zwanghafte Logik der Marodeure auf den Punkt bringt, die die vergangenen zwei Jahrhunderte geprägt haben: der Ausbeuter, die Imperien errichten und Kahlschlag verüben, der Konzernmagnaten, Militaristen und Rechtgläubigen aller Art. Rohe Gewalt verhandelt nicht mit Geschichte, Kultur, Biologie, altem Wissen, Ethik, Voraussicht und dem Unbekannten. Sie verzichtet auf Bescheidenheit, Überzeugung durch vernünftige Argumente, ethische Grenzen und verabscheut Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und die örtlichen Gegebenheiten. In der Ära der fossilen Brennstoffe wurde die Logik der rohen Gewalt aller Fesseln entledigt; sie unternahm einen planetarischen Amoklauf und durchdringt nun praktisch alle menschlichen Aktivitäten. Sie gibt sich als Fortschritt aus, doch dahinter verbirgt sich etwas Dunkles. Ein Paradebeispiel am Rande des Wahnsinns ist die logisch hieb- und stichfeste und mathematisch präzise Strategie des »Gleichgewichts des Schreckens«, die unsere testosterongesättigte Außenpolitik prägt. Das Armageddon hängt an einem seidenen Faden. Für welchen höheren Zweck treibt man die Zerstörung des Planeten eigentlich voran? Welches nationale Interesse, welcher Imagevorteil oder welcher Sinn könnte damit verfolgt werden? Wer wird noch übrig sein, um über solche Dinge nachzudenken und die Trümmer zu sichten, die die brutalste aller Waffen hinterlässt?
Irgendwann nach der Veröffentlichung von Adam Smiths Wohlstand der Nationen im Jahr 1776 wurde die westliche Wirtschaftswissenschaft von der Logik der rohen Gewalt infiziert, die besagt, dass (beinahe) alle Menschen unstillbare Bedürfnisse haben, die es rechtfertigen, die Erde zu zerstören, sie zu verschmutzen oder zu Tode aufzuheizen. Nach dieser Logik gilt das menschliche Überleben als unwirtschaftlich. Aber warum sollte ein auch nur halbwegs vernünftiger Mensch das Risiko eingehen, das Klima der Erde zu destabilisieren? Es ist unmöglich, in so trüben Gewässern die Tiefe des Unsinns zu begreifen.
Wichtiger für dieses Buch ist das sich katastrophal ausbreitende globale Agrarwirtschaftssystem, das gleichfalls mit roher Gewalt arbeitet. Für einen Haufen Geld hat die industrielle Landwirtschaft die Fruchtbarkeit natürlicher Systeme geschädigt, die Böden erodieren und das Grundwasser versiegen lassen, die Gewässer verschmutzt, einst stabile ländliche Gemeinschaften zerstört, Hunderte von toten Zonen in den Weltmeeren geschaffen, überall die biologische Vielfalt zerstört und das Wissen um bessere landwirtschaftliche Methoden ausgelöscht, während gleichzeitig eine riesige moralische Kluft zwischen den Überernährten und den Hungernden entstand. Die Folgen der industriellen Landwirtschaft sind überaus zahlreich; die nicht eingerechneten Vollkosten der billigen Lebensmittel für die Reichen sind gigantisch; die moralischen Kosten sind unkalkulierbar.
Die Befürworter des Systems können nicht behaupten, sie seien nicht gewarnt worden. In den Gründungsmythen, der Literatur, der Poesie und den Schriften fast aller Kulturen der Erde wird vor Selbstüberschätzung und Hybris gewarnt. In der westlichen Literatur zum Beispiel ist in Mary Shelleys Doktor Frankenstein (1818) nicht die Kreatur das Monster, sondern ihr Schöpfer, der sich weigerte, die Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Melvilles Kapitän Ahab in Moby Dick (1851) ist eine deutliche Warnung vor den Strafen, die zügelloser Besessenheit bei der Verfolgung schändlicher Ziele auf dem Fuße folgen. Auch Dostojewskis Großinquisitor war eine Warnung vor der perversen Logik der Bedürftigkeit; in Brüder Karamasow (1879) sagt der Großinquisitor zu einem schweigenden Christus:
Am Ende werden sie [die Menschen] uns ihre Freiheit zu Füßen legen und zu uns sagen: »Macht uns zu euren Sklaven, aber gebt uns zu essen.« Sie werden endlich begreifen, dass beides, Freiheit und genug Brot für alle, unerreichbar ist… Sie können niemals frei sein, denn sie sind schwach, lasterhaft, wertlos und rebellisch.2
Die Strategie des Großinquisitors findet sich heute bei den petrochemischen Unternehmen, in der Agrarindustrie und bei den multinationalen Konzernen, die uns zwar durchfüttern, aber nur im Gegenzug für unsere Hinnahme des Ruins.
Doch dann kommen Bill Gates und andere »Philanthrokapitalisten« daher und versprechen, Probleme wie Hunger, Krankheiten, Armut und ein sich rapide verschlechterndes Klima zu lösen, indem sie uns mehr von den Dingen verkaufen, die sie so reich gemacht haben. Das ist so lange ein Geschenk des Himmels, bis man das Kleingedruckte liest, das unter anderem den Glauben daran voraussetzt, dass der Leopard seine Flecken verloren hat und nun diejenigen füttern will, die er einst gefressen hat. Ein aufgeklärterer und wohltätigerer Kapitalismus ist meines Erachtens möglich, doch dafür wäre es erforderlich, dass die Kapitalisten ihren Eigennutz und ihre Gier überwinden, was kaum vorstellbar ist. Es ist jedoch nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Denkweise, die sie durch jahrelange Anhäufung von Reichtümern darauf konditioniert hat, zu glauben, dass Geld notwendig sei, um Probleme zu lösen. Doch trotz all ihrer Lobeshymnen sprechen die Philanthrokapitalisten nicht viel über die Ursachen der Probleme, die sie angeblich lösen wollen, oder über die politischen Fragen, wer was, wann und wie erhält, oder über die gerechte Verteilung des Reichtums oder über die Zerstörung lebendiger ländlicher Kulturen, die an einem Ort verwurzelt sind. In Anand Giridharadas Worten:
Ihre Vormachtstellung infrage zu stellen, bedeutet ganz einfach, die Behauptung anzuzweifeln, dass das, was für die Welt am besten ist, das ist, was die Reichen und Mächtigen für das Beste halten. Eine Welt, die immer mehr von privater Gier und der privaten Bereitstellung öffentlicher Güter geprägt ist, ist eine Welt, die den Menschen nicht zutraut, sich kollektiv eine andere Art von Gesellschaft vorzustellen.3
Er nennt es den »Aspen-Konsens«, und der bedeutet, dass die Gewinner zwar gehalten sind, mehr Gutes zu tun, aber niemals, weniger Schaden anzurichten.4 Es ist eine Art der Absolution, die der Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal als »billige Gnade« bezeichnete.
Es gibt eine lange, ironische und überwiegend unglückliche Geschichte der sehr wohlhabenden Menschen, die versuchen, Gutes zu tun, meist spät in ihrem Leben, das sie anders zugebracht haben. Um die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern und den Hunger in der Welt zu beenden, beschloss die Rockefeller Foundation in den 1940er-Jahren, die sogenannte »Grüne Revolution« in Gang zu setzen. Sie brachte den Einsatz von Kapital, Maschinen, Chemikalien, Bewässerung, das Verschwinden kleiner Bauernhöfe und die Abwanderung in überfüllte Städte mit sich und führte zur Zerstörung »eines landwirtschaftlichen Systems, um das sich das Leben in den Dörfern und der Lebensunterhalt seit Tausenden von Jahren gedreht hatten«.5 Die Verantwortlichen der Stiftung ignorierten die wiederholten Warnungen, unter anderem die des Geografen Carl Sauer von der University of California: Man solle nicht die Möglichkeit übersehen, »dass einheimische Praktiken echte Lösungen für lokale Probleme darstellen.«6 Wie sich herausstellte, hatte Sauer recht. Das Ergebnis der Grünen Revolution war eine soziale, kulturelle, politische und ökologische Katastrophe.
Man fragt sich also, welche großen Probleme durch den Philanthrokapitalismus gelöst wurden. Nach all dem Hype ist die Bilanz – bestenfalls – durchwachsen. Das meiste von dem, was in der Landwirtschaft mit roher Gewalt angebaut wird, dient der Ernährung der Wohlhabenden, oft auf Kosten der Menschen aus ländlichen Regionen, der tropischen Wälder und der biologischen Vielfalt. Und Linsey McGoey fragt: »Was ist von der Tatsache zu halten, dass zunehmende Philanthropie und zunehmende Ungleichheit Hand in Hand zu gehen scheinen?«7 Sie stellt fest, dass die wachsende Philanthropie dem Fiskus Steuereinnahmen entzieht, die sonst zur Unterstützung der Armen eingesetzt werden könnten. Und wer zieht die Bill Gates dieser Welt zur Rechenschaft? Wer wägt die Differenz zwischen den Steuereinnahmen, die nicht in die Staatskasse fließen, und den angeblichen Vorteilen der unkontrollierten Philanthropie ab? Die Antwort lautet: niemand. Eine vernünftigere Herangehensweise an die Philanthropie bestünde darin, anzuerkennen, dass »der Staat aus Gründen der rechtlichen...
Erscheint lt. Verlag | 15.3.2023 |
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Vorwort | David W. Orr |
Verlagsort | Saarbrücken |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Agenda • Agrartechnologie • big money • Bill Gates • Bill und Melinda Gates Foundation • Elite • Gentechnik • Gesundheitssysteme • Gesundheitswesen • Globalisierung • Herrscher • Kapitalismus • Manipulation • Milliardäre • Naturschutz • Neue Erde • Paradigmenwechsel • Philanthrokapitalismus • Philanthropie • Satish Kumar • technophil • Umweltschutz • Vandana Shiva • Wandel • Welternährung • Zerstörung • Zusammenbruch |
ISBN-10 | 3-89060-389-0 / 3890603890 |
ISBN-13 | 978-3-89060-389-6 / 9783890603896 |
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