Zwanghaft zerstreut (eBook)

ADD: die Unfähigkeit, aufmerksam zu sein
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
488 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01348-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwanghaft zerstreut -  Edward M. Hallowell,  John J. Ratey
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Mangel an Konzentration. Keine Ausdauer. Ewig abgelenkt. Sprunghaft. Kennen Sie das von sich selbst, von Ihrem Partner, Ihrem Kollegen, Ihrem Kind? In vielen dieser Fälle handelt es sich nicht nur um eine kleine, jederzeit abstellbare Charakterschwäche, sondern um ein angeborenes neurologisches Problem. Die Wissenschaft nennt es ADD: Aufmerksamkeits-Defizit-Disposition (Attention Deficit Disorder). Dieses praxisnahe, oft humorvoll, ermutigende Buch wird jeder mit Gewinn lesen, der mit einem ADD-Menschen lebt oder selber einer ist.

Edward M. Hallowell ist Psychiater und Co-Autor des Bestsellers «Zwanghaft zerstreut» und «Liebe in Zeiten der Ablenkung». Er hat zwanzig Jahre an der Harvard Medical School unterrichtet und leitet heute die Hallowell Centers for Cognitive and Emotional Health in Sudbury, Massachusetts und New York City. Seit 2015 hat er einen wöchentlichen ADHS-Podcast. Im Jahr 2018 wurde er von der National Alliance on Mental Illness als 'Leader of Mental Health Awareness Award' ausgezeichnet. Er ist selbst von ADHS betroffen.  

Edward M. Hallowell ist Psychiater und Co-Autor des Bestsellers «Zwanghaft zerstreut» und «Liebe in Zeiten der Ablenkung». Er hat zwanzig Jahre an der Harvard Medical School unterrichtet und leitet heute die Hallowell Centers for Cognitive and Emotional Health in Sudbury, Massachusetts und New York City. Seit 2015 hat er einen wöchentlichen ADHS-Podcast. Im Jahr 2018 wurde er von der National Alliance on Mental Illness als "Leader of Mental Health Awareness Award" ausgezeichnet. Er ist selbst von ADHS betroffen.   John Ratey ist Professor für Psychiatrie an der Harvard Medical School. Er ist Autor zahlreicher Bestseller über das Gehirn und zu Gesundheitsfragen.  

Vorwort


Eine persönliche Betrachtung

Ich habe eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ADD, von englisch attention deficit disorder). Als ich entdeckte, daß ich ADD habe, war ich einunddreißig Jahre alt und stand vor dem Abschluß meiner Ausbildung zum Kinderpsychiater am Massachusetts Mental Health Center in Boston. An einem feuchtheißen Bostoner Sommermorgen hatte ich eines der größten Aha-Erlebnisse meines Lebens, als meine Neuropsychiatrieprofessorin in ihrer Vorlesung auf ADD zu sprechen kam.

«Manche Kinder», sagte sie, «sind chronische Tagträumer. Sie sind oft sehr intelligent, können aber nicht lange bei einer Sache bleiben. Sie sind sehr energetisch, und es fällt ihnen schwer stillzusitzen. Unter Umständen reden oder tun sie ziemlich impulsiv, was ihnen gerade einfällt, und es erscheint ihnen unmöglich, Ablenkungen zu widerstehen.»

Also gibt es für meinen Zustand einen Namen, dachte ich erleichtert und mit wachsender Erregung. Es gibt einen Fachausdruck, eine Diagnose, es ist eine richtige Krankheit, während ich die ganze Zeit geglaubt hatte, ich wäre ein bißchen verrückt.

Im weiteren Verlauf der Vorlesung verschlang ich alles, was ich an Gedrucktem zu diesem Thema auftreiben konnte. Es wurde mir nicht nur klar, daß ich selber ADD hatte, sondern ich erkannte das Syndrom auch bei mehreren Familienmitgliedern, was nicht verwundert, da es genetisch bedingt ist. Dann hörte ich einen Vortrag von Dr. Paul Wender, einem Pionier auf diesem Gebiet, und las kurz darauf sein Buch. Ich hatte das Gefühl, als wäre mir eine Last von den Schultern genommen. Ich war all das nicht, was man mich in der Schule geheißen hatte: kein «Tagträumer», kein «Faulpelz», kein «Leistungsschwacher», kein «Hans-guck-in-die-Luft» – ich hatte auch nicht latent einen unbewältigten Konflikt in mir, der mich ungeduldig und umtriebig machte.

Was ich hatte, war ein ererbtes neurologisches Syndrom, charakterisiert durch leichte Ablenkbarkeit, eine niedrige Toleranz für Frustrationen und Langeweile, eine überdurchschnittlich große Neigung, zu sagen oder zu tun, was einem gerade einfällt (im diagnostischen Handbuch Impulsivität genannt) und eine Vorliebe für aufregende Situationen. Vor allen Dingen aber hatte ich einen Namen für den Energieüberschuß, den ich so oft in mir spürte – dieses Gefühl von Aufgeheiztheit und Aufgedrehtheit, das – mal beflügelnd, mal frustrierend – einen großen Teil meines Wachlebens grundierte.

Endlich war da ein Begriff, der eine Erklärung dafür bot, daß ich mich unfreiwillig und grundlos aus Gesprächen ausklinkte. Für die Wut, die ich empfand, und die Zeiten, in denen ich Bleistifte zerbrach und durchs Zimmer warf, wenn ich einem Gedankengang in der Schule nicht gleich folgen konnte. Für die sieben Anläufe, die es mich kosten konnte, eine Seite in einem Roman zu lesen. Für die Ungereimtheiten, die ich nach den Worten meiner Frau in einem vertrauten Gespräch plötzlich vorbrachte. Dafür, daß ich die Arbeit vor mir vergesse und mich auf den Flügeln eines neuen Gedankens oder auf der Suche nach etwas Vergessenem davonmache. Für die Jagdleidenschaft, die Leidenschaft für ein neues Projekt, einen aufregenden Gedanken, für die Neigung zu, das Bedürfnis nach Aufputschendem, Mitreißendem – sei es die psychotherapeutische Arbeit mit einem paranoiden, gewalttätigen Menschen oder eine Pferdewette mit hohem Einsatz. Endlich hatte ich einen Namen für die Seiten an mir, die ich meinem Temperament oder meiner Neurose zugeschrieben hatte. Mit einem Namen, der in der Neurobiologie verankert war, konnte ich beginnen, mir mit Nachsicht auf die Seiten an mir einen Reim zu machen, die mich so oft frustriert oder erschreckt hatten.

Der Ausdruck «Aufmerksamkeitsschwäche-Syndrom» ( attention deficit disorder) gefällt mir nicht, wenngleich er sicher besser ist als sein Vorgänger: «minimale zerebrale Dysfunktion». Genaugenommen lautet die Diagnose in ihrer gegenwärtig gebräuchlichen, korrekten Form Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung, was das Symptom der Hyperaktivität in die Diagnose mit einschließt. Beide Etikettierungen sind aus verschiedenen Gründen unzulänglich. Es handelt sich bei dem Syndrom nicht um eine Aufmerksamkeitsschwäche, sondern um eine Aufmerksamkeitsinkonsistenz; die meisten Menschen mit Aufmerksamkeitsschwäche hyperfokussieren sogar manchmal. Hyperaktivität kann mit im Spiel sein oder auch nicht; tatsächlich sind manche Kinder und Erwachsene mit «Aufmerksamkeitsschwäche» ziemlich still und verträumt. Schon das Wort «Hyperaktivität» ist doppeldeutig; bedächtige Gutachter etikettieren irgendwelche geschäftigen Menschen als «hyperaktiv» und diagnostizieren auf diese Weise einen normalen Zustand falsch. Schließlich verweist das Wort «Schwäche» das Syndrom ausschließlich in den Bereich der Pathologie, wo es so ausschließlich nicht hingehört. Obwohl ADD eine Menge Probleme mit sich bringen kann, birgt sie doch Vorteile für den, der sie hat, Vorteile wie Energieüberfluß, Intuition, Kreativität und Begeisterungsfähigkeit, die dieses Buch herausstellen will und die durch das «Schwäche»-Modell ganz übersehen werden. Die «Schwäche» hat mich nicht davon abgehalten, Arzt zu werden, und auch viele andere nicht, auf den verschiedenartigsten Gebieten noch erfolgreicher zu sein.

Die im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association ausgewiesene offizielle Bezeichnung der Krankheit lautet attention-deficit hyperactivity disorder. Im deutschen Sprachraum ist der Terminus Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung gebräuchlich. Trotzdem verwenden wir in diesem Buch den Ausdruck ADD (attention deficit disorder, «Aufmerksamkeitsschwäche-Syndrom»), der eindeutiger beide Patiententypen einbezieht: Menschen mit den Symptomen Hyperaktivität und Energieüberschuß und Menschen ohne sie.

Nach dem feuchtheißen Sommer vor zehn Jahren, als ich zuerst von diesem faszinierenden Syndrom gehört hatte, begann ich, Kinder und Erwachsene mit ADD zu behandeln und das Syndrom in seinen menschlichen Details zu erforschen. Und ich lerne noch immer von meinen Patienten, ihren Familien, Lehrern und Freunden über ADD dazu. Durch meine intensiven Kontakte zu Menschen aller Altersgruppen mit ADD und durch meine persönliche Selbsterforschung habe ich ein Feeling für ADD nicht nur als eine diagnostische Gegebenheit, sondern auch als eine Lebensform entwickelt.

Es ist mir klargeworden, daß man es bei ADD, obwohl sie schwer zu umschreiben ist und fast nie in Reinkultur – d.h. ohne irgendwelche Begleiterscheinungen wie zum Beispiel Lernschwäche oder geringes Selbstwertgefühl – auftritt, eindeutig mit einem Syndrom zu tun hat, das erkannt und behandelt werden muß. Ohne Behandlung bleiben Millionen Kinder und Erwachsene mißverstanden, unnötig problembeladen, ja ausgegrenzt.

Zwar habe ich mich auf die Behandlung von ADD spezialisiert, bin aber ganz allgemein auch weiter als Psychiater für Kinder und Erwachsene tätig, wobei ich das breite Spektrum menschlicher Probleme in meiner Praxis vor Augen habe. Daß ich im eigentlichen Sinne kein Spezialist bin, hat mir dabei geholfen, mir eine unbefangene Sicht der Dinge zu bewahren, so daß ich nicht hinter den Schulproblemen jedes Kindes und den Frustrationen bei der Arbeit jedes Erwachsenen ADD vermute. Zwar ist es wichtig, Informationen über ADD zu verbreiten, es ist aber genauso wichtig, daß ADD nicht zu einer diagnostischen Modetorheit wird.

Wenngleich ich das vorliegende Buch allein geschrieben habe, ist einiges Gedankengut aus der Arbeit meines Kollegen Dr. John Ratey in dieses Buch mit eingeflossen. John war mein chief resident, als ich 1979 meine Ausbildung zum Psychiater begann. Er hat damals als Lehrer meine Begeisterung geweckt, und wir sind im Laufe der Jahre enge Freunde geworden. Seine Forschungen haben ihn zur Arbeit mit Erwachsenen mit einer geschwächten Impulskontrolle geführt und dann weiter zur Arbeit mit Erwachsenen mit ADD. John ist nicht nur ein Experte auf seinem Gebiet, er hat auch selbst ADD.

Unsere Zusammenarbeit an diesem Buch erwuchs aus Unterhaltungen im Anschluß an die Squashmatches, zu denen wir uns zweimal in der Woche trafen; wir merkten, wie aufgeregt wir beide bei der Feststellung waren, daß es unseren ADD-Patienten besser ging. Bei vielen dieser Patienten hatte man eine Fehldiagnose gestellt, und sie waren auf andere Störungen behandelt worden. Sobald ADD diagnostiziert worden war und entsprechend behandelt wurde, waren die Ergebnisse häufig geradezu dramatisch.

«Es sollten einfach mehr Menschen über ADD Bescheid wissen», sagte John nach einem besonders anstrengenden Match im vergangenen Winter.

«Ich wollte schon lange etwas darüber schreiben», gab ich ihm zur Antwort. «Meinst du, daß wir uns lange genug konzentrieren können, um das hinzukriegen?»

«Es ist immerhin einen Versuch wert», meinte John.

Und so, indem wir einander bei der Zeiteinteilung halfen, uns gegenseitig Termine setzten und uns die äußere Ordnung schufen, die Menschen mit ADD so dringend brauchen, nahm dieses Buch Gestalt an; ein Buch von zwei Psychiatern, die selber ADD haben, in der Hoffnung geschrieben, daß Millionen anderer Menschen mit ADD da draußen die Hilfe finden können, die sie brauchen, um aus ihrem Leben das Beste zu machen.

Bei der Veranschaulichung dessen, was ADD ist, stützt sich dieses Buch in erster Linie auf Beispiele aus dem Leben. Manche Darstellungen sind Zusammenschnitte, manche stammen unmittelbar aus den...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2023
Übersetzer Sibylle Hunzinger
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte ADD • ADHS • Aufmerksamkeit • Aufmerksamkeits-Defizit-Disposition • Ausdauer • Hyperaktivität • Konzentration • Konzentrationsschwäche • neurologisches Problem • Psychologie • Ratgeber ADHS • Ritalin • Selbsthilfe • Ungeduld
ISBN-10 3-644-01348-9 / 3644013489
ISBN-13 978-3-644-01348-3 / 9783644013483
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