Liebe (eBook)

Vom Höchsten der Gefühle

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9615-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Liebe -  Lone Frank
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Die Wissenschaftsjournalistin und Neurobiologin Lone Frank hat die Kräfte der Liebe und die Erschütterung der Trauer erlebt. In ihrem Buch forscht die Autorin nach dem unerwarteten Tod ihres Lebensgefährten, warum sie das Wesen der Liebe nie ganz verstanden hat. Plötzlich auf sich allein gestellt, ohne enge Bindungen, weil sie ihr Leben zuvor hauptsächlich einer symbiotischen Partnerschaft gewidmet hatte, fragt sie nach den Ursachen und Bedingungen, warum einige Menschen liebevolle Verbindungen eingehen und andere daran scheitern. Warum es manchen gelingt, zu lieben und geliebt zu werden, und anderen nicht. Sie verknüpft ihre eigene Familiengeschichte mit Erkenntnissen der Neurobiologie, Psychologie und Soziologie und zeichnet so ein mehrdimensionales Bild des am meisten trivialisierten und mystifizierten Gefühls - der Liebe.

Lone Frank, geboren 1966, ist Neurobiologin und Dänemarks führende Wissenschaftsjournalistin. Sie schreibt für »Science«, »Nature« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und ist Autorin von fünf Büchern. »Mindfield. How Brain Science is changing our world« wurde hoch gelobt und in fünf Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien »Mein wundervolles Genom: Ein Selbstversuch im Zeitalter der persönlichen Genforschung«. Lone Frank lebt in Kopenhagen.

 


»DIE LIEBE IST DIE EINFACHSTE UND ZUGLEICH die komplizierteste der menschlichen Verhaltensweisen, die Einfluss auf das gesamte Bewusstsein hat. Liebe ist unbeschreiblich – und doch ist sie das Thema, der sich die Poesie am häufigsten zuwendet. Sogar Philosophen müssen zur Bildsprache greifen, um über die Liebe zu schreiben.«

So äußert sich der Literat und Literaturhistoriker Thomas Bredsdorff in seiner Ausführung über die Liebe in dem Nachschlagewerk Den Store Danske Encyklopædi. Er hat sich diesem großen Thema eher traditionell genähert und erforscht die verschiedenen Winkel der Philosophie, Poesie und Religion. Die altgriechischen Begriffe des Eros und der Agape werden diskutiert, mittelalterliche Gedichte über Ritter und unerreichbare Damen kommen zur Sprache, und wir erfahren etwas über die Sage von Tristan und Isolde, das traurige, romantische Paar. Aus dem Eintrag geht hervor, dass die Philosophen dieser Welt mal das eine, mal das andere über das Wesen der Liebe gesagt haben, und auch dem Christentum und seiner zentralen Botschaft über die Liebe wird ein großzügiger Platz eingeräumt.

Der Text ist schön, formvollendet, aber auch schrecklich unbefriedigend. Kein Wort über die Evolution oder Gehirnfunktionen. Nicht einmal die Andeutung des Gewichts von Hormonen oder Biochemie. Alles, was in unserem Alltag in unseren Köpfen vor sich geht und, ob man das nun will oder nicht, die physische Substanz von Liebe ausmacht, wird geflissentlich ausgelassen. Es fehlt mit anderen Worten das, was wenigstens die mechanischen Vorgänge erklärt und somit verraten könnte, warum sich die Liebe in so vielen verschiedenen Formen und Aufmachungen zeigt.

»Jetzt hör auf. Die Liebe ist keine Wissenschaft, und du wirst ihr Wesen auch in keinem Molekül oder einer anderen Struktur nachweisen können«, sagte mir ein alter Freund beim Kaffeetrinken. Es sei die reinste Zeitverschwendung, darüber ein Buch zu schreiben. Die Menschen beschäftigten sich mit der Liebe, seit die Sprache erfunden wurde. Und mein Beharren darauf, mich in die Biologie zu vertiefen, würde garantiert nichts Interessantes zum Vorschein bringen.

Ich bin davon überzeugt, dass er sich irrt. Ich gebe zwar zu, dass größere Geister als ich dieses Thema unter die Lupe genommen haben, aber ich bin der Ansicht, dass es Zeit und Raum für die Ausweitung der Kampfzone gibt.

Es ist wunderbar, sich mit Poesie zu nähren. Ich mache es selbst immer wieder mal. Denn Poesie kann etwas in einem auslösen, wenn sie sich richtig anfühlt. Aber die lyrischen Ergüsse sind am Ende nichts anderes als die Beschreibung eines persönlichen und durch und durch subjektiven Erlebens. Dasselbe gilt auch für die hauptberuflichen Denker, die Philosophen, die sich auffällig uneinig sind. Man kann für jede Tagesform und Laune eine passende philosophische Analyse der Liebe finden.

Nehmen wir zum Beispiel den deutschen Pessimisten Arthur Schopenhauer. Für ihn ist die Liebe zwischen Mann und Frau (eine andere Sexualität existierte für die angesehenen Philosophen des 19. Jahrhunderts nicht) nichts anderes als ein Täuschungsmanöver der Natur. Unser Trieb steuert die Gefühle, die wir einem Menschen entgegenbringen und die unsere eigenen seelischen Bedürfnisse befriedigen sollen. Eine hungrige Gier, die Nahrung braucht. Aber wenn sie dann gesättigt ist, fallen uns die Schuppen von den Augen, wir drehen uns im Bett den Rücken zu und befinden uns wieder in dem Zustand unerträglicher Einsamkeit. Das einzig nennenswerte Resultat dieser leidenschaftlichen Begegnung sind unsere Nachfahren und damit die Arterhaltung. Und so geht es immer weiter, eine hoffnungslose Generation folgt der nächsten nach.

Später meldeten sich die Existenzialisten zu Wort, allen voran Simone de Beauvoir, die betonte, dass die einzig authentische Liebe nur in der (äußerst seltenen) Beziehung zwischen zwei absolut gleichberechtigten Partnern existieren kann, die jeweils die Freiheit des anderen akzeptieren. So wurden die Gefühle politisch.

Und die queere Philosophin bell hooks (die konsequent auf die Kleinschreibung ihres Namens bestand) vertrat vehement den Standpunkt, dass Liebe nichts mit Gefühlen zu tun habe, sondern ausschließlich mit Handlungen. Für sie war Liebe nicht etwas, das einem geschieht, sondern eine bewusste Entscheidung, die bewusste Handlungen nach sich zieht.

Also, wer von ihnen hat nun recht – wenn überhaupt? Die vielen gegensätzlichen Ansichten und Deutungen sind am Ende nur ein Beleg dafür, dass die Analyse und die Definition von Liebe von der Kultur und Geschichte geprägt werden.

Aber das Phänomen als solches ist im Grunde ein biologisches, chemisches und physisches. Wir können das Wesen der Liebe nicht begreifen, ohne einmal tief in sie einzutauchen und uns ihre Mechanismen anzusehen. Mit anderen Worten, wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, was andere über die Liebe zu sagen haben. Wir müssen in ihre Köpfe klettern, um sehen zu können, was darin geschieht. Gleichzeitig ist es notwendig, wenn wir verstehen wollen, woher die Liebe kommt, die evolutionären Kräfte zu beleuchten, die sie geformt haben.

Mit ihrer beeindruckenden Reichweite ist die Liebe nicht nur eine von vielen interessanten, menschlichen Eigenschaften. Sie sitzt auf dem Thron unseres Daseins. Alles, was wir sind und tun, kreist am Ende immer um dieses Band, das uns mit anderen verknüpft. Wir verwenden die Liebe in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, benutzen dasselbe Wort für die verschiedensten emotionalen Zustände. Liebe gibt es nämlich nicht nur zwischen Eltern und ihren Kindern oder als romantische und leidenschaftliche Liebe zwischen Individuen aller Geschlechter. Wir sprechen auch von Liebe in tiefen Freundschaften und bewegen uns sogar an den Rand dieses Spektrums, wenn wir von Liebe zu anderen Wesen sprechen (Haustiere oder sogar wilde Tiere). In seiner ätherischsten Version gibt es die Liebe auch für Ideen und Auffassungen (Götter, politische Ideologien, Sagen).

Man kann sagen, dass die Liebe uns Menschen ausmacht. Wenn es sie nicht gäbe, oder sie sich auf eine vollkommen andere Weise abspielen würde, wären wir eine andere Spezies. Was wir daraus aber auch schließen können, ist, dass die Liebe jeden Einzelnen von uns definiert, und ich habe das Gefühl, dass genau das der Schlüssel des Ganzen sein könnte. Erkenne dich selbst, haben die Griechen in der Antike mit erhobenem Zeigefinger gesagt. Ich glaube, dass der beste Weg zur Selbsterkenntnis der ist, herauszufinden, wie man die Liebe versteht, und dann die Ursachen dafür zu suchen.

Das heißt, die persönliche Suche nach der Erkenntnis und dem Verstehen kann zu etwas Allgemeingültigem führen. Wenn ich also von mir ausgehe und mir sehr persönliche Fragen stelle, kann das neue, universale Perspektiven eröffnen.

Es leuchtet ein, dass es keine hübsch sortierte Wahrheit über die Liebe geben wird oder gar einen Ansatz, der einem alles darüber verrät. Wir müssen uns dem Phänomen von mehreren Seiten nähern.

Ich werde mich in der Welt der Wissenschaften herumtreiben und ihre Teilaspekte zusammentragen, um am Ende aus allen Details ein großes Ganzes zusammenzusetzen.

Die Evolutionspsychologen können mir erklären, aus welchem Grund sich unsere behaarten Vorfahren in der Savanne von den anderen Affen abgespalten und die erste Paarbeziehung eingeführt haben. Die Neurowissenschaftler und Biochemiker können enthüllen, wie unser Gehirn Liebe erlebt. Weil aber das Gehirn niemals isoliert ist oder allein agiert, sondern immer in seinem Umfeld, seiner Zeit und seiner Kultur eingebettet ist, müssen wir ganz nah heran und uns ganz weit entfernen. Auf mikroskopischer Ebene können Genetiker belegen, dass subtile Veränderungen in unserer Erbanlage individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und in unseren Fähigkeiten bewirken können. Aber erst die Psychologen und Anthropologen sind in der Lage zu erklären, wie unsere Lebensweise die Liebe formt, bei jedem Einzelnen und in der Gesellschaft.

Meine Suche, die Liebe zu verstehen, ist eher eine Entdeckungsreise. Mein Weg führt mich durch ziemlich unwegsames Gelände. Es gibt kein klares, lineares Narrativ, auf das ich mich stützen kann. Ich sehe vielmehr drei Pfade vor mir, die sich abwechseln und zum Schluss zusammenführen lassen. Der erste ist der persönliche Pfad, der aus meinen Erinnerungen, Erlebnissen und Gedanken zu meinen Begegnungen mit der Liebe besteht. Jeder weiß, dass man selbst nicht gerade sein bester Analytiker ist. Um blinde Flecken und verborgene Ecken aufzuspüren, werde ich Gespräche mit einem Psychologen führen. Er ist Spezialist auf dem Gebiet des menschlichen Liebeslebens und wird mir helfen, einen zweiten Pfad auf meiner Reise einzuschlagen.

Diese beiden Pfade, mein subjektiver, persönlicher sowie der professionelle Blick auf mein Liebesleben, bereiten den Weg für den dritten Pfad, den wissenschaftlichen. Die vielseitige Forschung wird zu Wort kommen und ihr erhellendes und erklärendes Licht auf das gelebte Leben werfen.

Wie sich diese drei zueinander verhalten, kann ich an der Schwelle, an der ich jetzt stehe, noch nicht vorhersagen. Deshalb werden die Teile wie bei einem Mosaik nacheinander gelegt. Von Nahem kann man die Konturen und Formen jedes einzelnen, noch so kleinen Teils sehen. Und wenn man einen Schritt zurücktritt, entsteht hoffentlich ein ganzes Bild.

So komplex die Methode scheint, so einfach ist mein Antrieb. Mir will ein Satz des norwegischen Autors Stig Sætterbakken nicht aus dem Kopf gehen, der sich nach der Veröffentlichung seines letzten Romans das Leben genommen hat. »Man schreibt, wenn...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2023
Übersetzer Kerstin Schöps
Sprache deutsch
Original-Titel Størst af alt
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Beziehung • Familie • Familiengeschichte • Gefühle • Liebe • Literatur • Neurobiologie • Persönliche Erfahrung • Psychologie • Soziologie • Verlust • Wissenschaft
ISBN-10 3-0369-9615-X / 303699615X
ISBN-13 978-3-0369-9615-8 / 9783036996158
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