Bang Bang Bali - Henrike von Kuick

Bang Bang Bali (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
334 Seiten
periplaneta (Verlag)
978-3-95996-242-1 (ISBN)
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Karo hat die Rolle in einem Film ergattert, welcher auf Bali gedreht werden soll. Die junge Schauspielerin spekuliert auf Sonne, Strand und Erholung und findet sich im Smog und Verkehrschaos, umgeben von einer völlig fremden Mentalität wieder. Die Insel des ewigen Lächelns begegnet ihr und dem jungen Filmteam als korrupter Moloch und treibt die neuen Sterne der Filmindustrie an den Rand des Wahnsinns.

Immer wieder sehen sich die sechs mit Wolkenbrüchen, sengender Hitze und mit ihrer eigenen Unfähigkeit in der Fremde konfrontiert.
Für Sexszenen werden verschimmelte Hostels oder der nächtliche Dschungel auserkoren und anmutige Schwimmszenen in tosenden Wellen gedreht. Es gibt mörderische Sonnenbrände und nie enden wollende Durchfälle.
Karos Neurosen steigern sich ins Unermessliche. Fast manisch versucht sie, sich zu verlieben, doch wird sie immer wieder vor den Kopf gestoßen. Denn in dieser Ausnahmesituation mit Schlafentzug, Hunger, Chaos und dem immer größer werdenden Druck ist sich jeder selbst der Nächste.

Eine Tour de Force im vermeintlichen Paradies. Erschreckend amüsant, herzerweichend böse und an den unmöglichsten Stellen unsagbar komisch.



Henrike von Kuick ist Schauspielerin. Sie war an verschiedenen Theatern engagiert und spielt in Kino und TV-Produktionen. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. 'Bang Bang Bali' ist ihr erster Roman.

Prolog


Durst! Was für einen Wahnsinnsdurst ich hatte! Sehnsüchtig sah ich zum Getränkeautomaten und zählte noch einmal die Cents in meiner Hand. Es reichte nicht. Mein Hals krampfte. Als weißer, blonder Turm ragte ich aus der Reihe der Wartenden heraus. Wo waren all diese kleinen, schwarzhaarigen, dunkelhäutigen Menschen so plötzlich hergekommen? Und diese Gepäckmassen! War das alles Handgepäck? Ich suchte Blickkontakt, vielleicht ein Lächeln, eine kleine Aufmunterung. Sie sahen durch mich hindurch. Ich war allein, das spürte ich nun. Allein und auf dem Weg zu einem anderen Kontinent. Alle zehn Minuten bewegte ich mich in der Schlange einen halben Schritt nach vorn. Ich blickte auf die Sicherheitsschranke, dahinter stapelten sich dreiundzwanzig Stunden Flugzeit. Vorsichtig steckte ich die Hand in meine Hosentasche und fühlte nach meinem kleinen Schatz, der Schlaftablette. Gewisse Vorteile hat es eben doch, einen Arzt als Vater zu haben. Entspannt guckte ich den schreienden Kindern mitten ins Gesicht. Eltern schwenkten verzweifelt iPads, auf denen Trickfilme liefen.

Ich schwebte weiter, wie in einen endlosen, langweiligen Traum hinein und stand plötzlich direkt vor meinem Sitzplatz. Mit einem Schlag war ich wach. Noch einmal verglich ich die Nummer über dem Sitz mit der auf meinem Ticket. Sie stimmte überein. Das war mein Platz? Oder hatte sich die Frau am Schalter verdruckt? Das vor Stolz strahlende Gesicht meines Kumpels erschien vor meinen Augen. Wie hatte der sich feiern lassen, mir diesen heißbegehrten Sitz am Notausgang klargemacht zu haben! Auf unglaublich viel Platz und Beinfreiheit, so weit das Auge reicht, sollte ich mich freuen. Noch wenige Stunden zuvor hatte ich ihm aus dem Flieger von Berlin nach Amsterdam geschrieben:

„Ich hocke gerade auf dem kleinsten Sitzplatz ever!“

„Entspann dich und freu dich auf das Paradies auf der Langstrecke“, kam als Antwort. Das Paradies also. Es gibt Businesssitze und Economysitze und Comfortsitze. Mein Platz gehörte in keine der Kategorien. Ein Notsitz? Ein Kindersitz? Ein Scherz? Da hatte sich wohl jemand Sparsames gedacht: ,Ach guck an, da haben wir noch zwanzig Zentimeter übrig. Da zimmern wir was Kleines, Feines mit einer Lehne rein.‘

„Sie sind so schmal und der Platz ist trotzdem zu klein“, stellte die ältere Dame auf dem Nachbarsitz fest.

,Herzlichen Glückwunsch zu dieser scharfen Beobachtungsgabe‘, dachte ich und lächelte. ,Jetzt hör auf, so blöde zu lächeln und setz dich endlich hin. Die denken noch, mit dir stimmt was nicht!‘, ärgerte ich mich.

Also gut, das Paradies. Eine rund nach oben verlaufende Wand. Anlehnen konnte man sich daran schon mal nicht. Es sei denn, man war ein Halbmond. Halbmonde konnten sich hier bestimmt bequem anlehnen und es sich mit ihrer halben Sichel so richtig schön gemütlich machen. Ich nicht. Doch die Wand war nun einmal da und ich auch und der Sitz. Wir würden uns irgendwie anfreunden müssen.

Ich legte meinen Rucksack ab und probierte verschiedene Hinsetztechniken aus. Auf und nieder bis ich eine Variante gefunden hatte, auf dem Stuhl einzurasten, ohne auf dem Schoß meiner Sitznachbarin zu landen. Man stelle sich in lockerer Position mit dem Rücken vor den Sitz, lasse sich nach hinten fallen und schwenke den Po kurz vor der Landung scharf nach links. Hinplumpsen und so tun, als wäre es das Normalste der Welt. Nun langsam und unauffällig die Taille nach rechts biegen und sich sichelförmig an die Wand lehnen. So bleiben. Am besten für die nächsten dreiundzwanzig Stunden.

Das Ehepaar neben mir wirkte, als würde es dort schon seit Urzeiten sitzen, die Füße ordentlich nebeneinander, die Hände auf den Knien, die Blicke geradeaus gerichtet. Wo wollten die überhaupt hin? Bali ist Engländern doch viel zu heiß. Da gibt’s doch keinen Tee und keine harten Kekse. Kekse! Tee! Ich hatte Hunger! Sauhunger und Saudurst!

Den Nachmittag hatte ich beim Sport verbracht, und als ich mich endlich bereit fürs Kofferpacken fühlte, war es plötzlich höchste Zeit, zum Flughafen zu fahren. Nun war es Nacht und das alles schon ziemlich lange her. Ich fror. Das kleine, dünne Deckchen konnte ich um mich wickeln, wie ich wollte, irgendein Körperteil blieb immer frei. Eisiger Wind pfiff unter den Stuhlreihen hindurch. Meine Sitznachbarn froren anscheinend nicht. Englische Hornhaut oder so. Wahrscheinlich wohnten sie irgendwo an der Küste in einer dieser grauen, trüben Hafenstädte. So eine kühle Brise machte denen gar nichts aus.

„Eine zweite Decke, bitte“, piepste ich der großen blauen Frau hinterher. Sie hörte mich nicht. Kein Wunder, ich hörte mich selbst kaum. Plötzliches Stimmversagen durch die Erniedrigung, in eine Ecke gepfercht zu sein. Da meine Ecke nicht mal eine Ecke, sondern nur ein kleiner Winkel war, bekam ich nicht mehr als ein hohes Hauchen hervor.

„Sorry?“, versuchte ich einen neuen, kläglichen Anlauf.

Die blaue Frau hatte gute Ohren. Sie drehte sich halb in meine Richtung. „Da muss ich erstmal sehen, ob sich da was machen lässt.“ Damit stakste sie geschäftig hinter ihren Vorhang.

Wie bitte? Ich sollte nicht nur einen ganzen Tag auf diesem Witzhocker verbringen, sondern auch noch diesem Bodenfrost ausgeliefert sein? Fassungslos starrte ich aus dem Fenster, bis ich begriff, dass da gar kein Fenster war. Ein Fensterplatz ohne Fenster. Noch fassungsloser starrte ich auf die beige Wand mit den komischen Noppen. Was für ein hässlicher Farbton! Zwei Eisklumpen steckten in meinen Turnschuhen. Ich versuchte die Zehen zu bewegen. Angeblich sollte einem davon ja wärmer werden. Ich spürte keine Veränderung, nur eine Gänsehaut, die meine Waden emporkroch. Das Märchen vom Mädchen mit den Streichhölzern fiel mir ein. Sie hatte wenigstens Streichhölzer und drei Versuche sich zu wärmen. Sobald ich meine Stimmbänder wieder unter Kontrolle hätte, würde ich danach fragen. ,Drei Streichhölzer, bitte!‘ Und dann mach ich euch mal Feuer unter’m Arsch!

England ignorierte höflich meine Schmach. Klein und erbärmlich kam ich mir vor. Ich drückte mich an die Wand und tat, als würde mir das alles überhaupt nichts ausmachen.

Mir gegenüber saß ein Model oder eine befreundete Stewardess der Crew. Auf jeden Fall kannte man sich. Unmengen an Aufmerksamkeit bekam sie von den großen, blauen Frauen geschenkt. Das Model saß entgegen der Flugrichtung auf einem Klappsitz.

‚Na hoffentlich wird der nicht schlecht‘, dachte ich. Rückwärts fliegen war bestimmt nicht ohne. Sie trug offene Schuhe mit Absätzen und ihr Rock reichte nicht mal über die Knie. Auch das Model zupfte verfroren an ihrer Decke. Allerdings hatte sie zwei davon. Sie bekam nicht nur Decken, sondern auch Wasser und Tee gebracht. Dazu fürsorglich falsch-freundliche Blicke aus allen blau uniformierten Richtungen. Diese falsche Freundlichkeit eben, die weniger schöne Frauen schönen Frauen vortäuschen. Auch ich bewunderte das Model und versuchte mich zu beherrschen, sie nicht ständig anzustarren. Wie ein Magnet gegen dessen Anziehung ich ankämpfte. Wieder trafen sich unsere Blicke. Schnell sah ich weg und schämte mich. Sie sollte sich nicht auch noch belästigt fühlen, wenn ihr schon so kalt war. Aber so hinreißend ich sie fand, mit ihrer Schönheit vereinnahmte sie all die Fürsorge der Angestellten. Auch ich brauchte Decken und Wasser und Essen. Ich schielte zu ihr hinüber. Sie sah mich an. Verdammt! Wo sollte ich auch hingucken? Rechts kein Fenster, links England aus Stein und gegenüber ein Model.

Leidend blickte sie zu Boden.

,Wahnsinn‘, dachte ich in meiner zerbeulten Jeans und Turnschuhen. ,So einen Flug in Feinstrumpfhosen anzutreten.‘

„I’m feeling a bit hungry“, säuselte sie und schloss traurig die Augen.

Sie sprach mir aus der Seele. ,Das habt ihr nun davon! Gleich gibt’s die erste Tote an Bord!‘ Natürlich würde sie als Erste dran glauben müssen. Bestimmt aß sie nur einmal in der Woche. Fiel diese eine Mahlzeit aus, würde es ernst werden.

,Hör auf mit den Zähnen zu knirschen!‘, motzte ich mich an. ,Konzentrier dich auf einen Punkt und ignoriere den Hunger!‘

Aber auf welchen Punkt? Wie machten das die anderen Passagiere? Ich sah mich um. Jeder blickte auf einen kleinen Bildschirm, der sich in der Lehne des Vordersitzes befand. Ich hatte keinen Vordersitz und keinen Bildschirm. Logisch, schließlich saß ich auf dem Königsstuhl, am Notausgang mit Beinfreiheit, im Paradies um genau zu sein. Zu schade, dass ich keine zwei Meter langen Beine besaß, so hätte ich den enormen Platz wenigstens schön ausnutzen können. Wieder schielte ich zum Model, wieder erwischte sie mich. Langsam fühlte ich mich wie ein Stalker. Hinter dem Vorhang klapperten den Stewardessen. Was machten die da? Seitdem wir die Startbahn verlassen hatten, wurden Schubfächer aufgerissen und wieder zugeschmissen. Wahrscheinlich aßen sie alles alleine, den gesamten Proviant eines Langstreckenfluges. ,Erstickt daran, ihr blöden, blauen Riesen!‘, dachte ich.

Mein Blick verschwamm irgendwo nach links unten zum Fußboden. Rauschen.

„Pasta or Chicken?“

Wo kam die denn her? Plötzlich aufgetaucht aus dem Nichts stand sie im Gang mit ihrem Wagen, die blaue Mutti mit dem Essen.

„Chicken!“, sagte ich schnell und riss an dem Tablett in ihrer Hand. Aber was war das? Spürte ich einen leichten Gegenzug? Sie hatte doch wirklich festgehalten! Gönnte sie mir meine Mahlzeit nicht? Prüfend sah ich ihr ins Gesicht und zweifelte an ihrem Lächeln. Ihre Missgunst sollte an meinem Glück nichts ändern. Mein Abendbrot war mir sicher. Nur wohin damit? Benötigt man am Notausgang einen Tisch?...

Erscheint lt. Verlag 4.12.2022
Reihe/Serie Edition Periplaneta
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Asien • Bali • Coming of Age • Film • Filmdreh • Filmset • Humor • Indonesien • Kino • Kulturschock • Manie • Neurosen • Regie • Road Movie • Roman • Schauspieler • Situationskomik • Smog • Urlaubsparadies • Waschzwang
ISBN-10 3-95996-242-8 / 3959962428
ISBN-13 978-3-95996-242-1 / 9783959962421
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