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Meine fremde Mutter (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
450 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98957-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
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Eine Mutter, die ihre Tochter zurücklässt - und eine Tochter auf der Suche nach ihrer Mutter. Eine Geschichte aus dem deutschen Herbst. Für alle Leser:innen von Susanne Abel und Carmen Korn »Meiner Mutter?«, fragte Rabea fassungslos und sah hinüber zu Gabi, die sie mit besorgten Blicken musterte. »Aber ...« »Ich rede nicht von Gabi Tenwinkel.« Schon wieder beendete Stolte ihren Satz. Das war schon schlimm genug, aber schlimmer noch war das Mitleid in seinem Blick. »Aber Sie haben doch ...« Rabea starrte ihn an und ihr Magen verwandelte sich in einen Eisklotz.« Bei der Beerdigung ihres Vaters erfährt Rabea von einem Journalisten, dass ihre Mutter nicht ihre leibliche Mutter ist. Zunächst glaubt sie ihm nicht, doch ein Gespräch mit ihrer Mutter nährt ihre Zweifel und sie bringt ihre Ziehmutter schließlich dazu, ihr die Wahrheit zu sagen. Ihre Mutter ist Veronika Maibohm, eine international gesuchte Terroristin der RAF. Schritt für Schritt folgt Rabea der Spur ihrer Mutter. Sie trifft Weggefährten ihrer Mutter, erfährt mehr über ihren Vater und identifiziert sich zunehmend mit ihren Eltern. Wie konnte aus der engagierten Gymnasiastin Veronika eine international gesuchte Terroristin werden und warum ließ sie ihre Tochter zurück?

Christiane Dieckerhoff arbeitete in ihrem ersten Leben als Kinderkrankenschwester. Nach ersten erfolgreichen Veröffentlichungen wagte sie 2016 den Sprung in die Freiberuflichkeit. Dieckerhoff war nominiert für den Glauser, den Krimipreis des Syndikats und für den Goldenen Homer in der Kategorie 'Historischer Kriminalroman' (Pseudonym Anne Breckenridge). Im April 2022 erscheint ihr siebter Spreewaldkrimi; als Nelly Fehrenbach hat sie vier erfolgreiche Frauenromane veröffentlicht, zuletzt bei Piper-Schicksalsvoll.

Christiane Dieckerhoff arbeitete in ihrem ersten Leben als Kinderkrankenschwester. Nach ersten erfolgreichen Veröffentlichungen wagte sie 2016 den Sprung in die Freiberuflichkeit. Dieckerhoff war nominiert für den Glauser, den Krimipreis des Syndikats und für den Goldenen Homer in der Kategorie "Historischer Kriminalroman" (Pseudonym Anne Breckenridge). Im April 2022 erscheint ihr siebter Spreewaldkrimi; als Nelly Fehrenbach hat sie vier erfolgreiche Frauenromane veröffentlicht, zuletzt bei Piper-Schicksalsvoll.

1. Kapitel


2019

Rabea kannte sich aus mit Schmerz, auch wenn ihre eigenen Erfahrungen sich auf einen entzündeten Blinddarm und eine Mittelohrentzündung beschränkten. Doch durch ihre Arbeit im Frauenhaus hatte sie so viele Verletzungen gesehen, dass sie schon anhand der Körperhaltung sagen konnte, wo die Wut des Mannes eingeschlagen hatte. Selten war es so offensichtlich wie ein blaues Auge oder eine aufgeplatzte Lippe. Meist versteckten sich die Prellungen und Brandwunden unter langärmeligen Shirts. Die Frauen taten alles, um den Schein zu wahren, doch ihre Körperhaltung verriet sie.

Also wusste Rabea, dass die Frau, die ihr gegenüber am Küchentisch saß, zumindest geprellte, wenn nicht sogar gebrochene Rippen hatte. Solche Verletzungen entstanden, wenn die Frauen bereits am Boden lagen. Rabea musterte die Frau mit den akkurat gezupften Augenbrauen und dem tränenverschmierten Lidschatten. Sie kannte ihre Geschichte, sie war nicht zum ersten Mal hier: Einzige Tochter, Studium, Jugendliebe geheiratet, Haus gebaut, Kinder bekommen. Alles geplant, keine Sorgen. Leben auf der Sonnenseite. Dann die erste Ohrfeige: ein Ausrutscher. Erschrecken, verzeihen, die Schuld bei sich suchen. Danach lange nichts und dann immer wieder. Irgendwann ballten sich die Finger zur Faust und die Frauen unterdrückten ihre Schreie, damit die Kinder nicht wach wurden. Was blieb, war die Scham, weil man auf einmal zu denen gehörte. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

Rabea unterdrückte einen Seufzer. Es dauerte lange, bis die Frauen verzweifelt genug waren, ins Frauenhaus zu kommen.

Die Frau nippte an ihrem Kaffee. Er war stark und süß. Ein altbewährtes Mittel gegen den Schock. Ihre Kinder lagen im letzten freien Zimmer. Obwohl es ein Etagenbett war, hatten sie sich ins untere Bett gezwängt: aneinandergekuschelt, verängstigt. Wieder einmal aus ihrem Leben herausgerissen. Der Junge war sechs, das Mädchen vier. Bilderbuchkinder einer Bilderbuchfamilie. Vater Lehrer, Mutter Lehrerin. Ideale Voraussetzungen, um den Absprung zu schaffen, und trotzdem war die Frau zu ihrem Mann zurückgekehrt.

Kinder brauchen ihren Vater, hatte sie gesagt. Und auch jetzt sagte sie es wieder.

»Kinder brauchen doch ihren Vater.« In ihrer Stimme schwang die Bitte um Bestätigung mit.

»Kinder brauchen Liebe und Sicherheit«, entgegnete Rabea. Es war nicht ihr Job, die Frauen darin zu bestärken, in toxischen Beziehungen zu bleiben.

»Aber er liebt seine Kinder, wirklich.« Mit jedem Wort wurde die Stimme der Frau atemloser. So als würde sie durch die Sätze hasten, um nicht über ihre Worte nachdenken zu müssen. »Er würde ihnen nie etwas antun.« Ihr Blick klebte jetzt geradezu an Rabea, so sehr wünschte sie sich Bestätigung. »Und er liebt auch mich. Aber wenn er getrunken hat, da ist dann diese Wut in ihm.«

»Ich weiß.« Rabea unterdrückte ein Seufzen. Sätze, die mit dem Wörtchen »aber« anfingen, nahmen selten ein gutes Ende. »Warst du beim Arzt?«

»Nein!« Unwillkürlich griff sich die Frau an die Rippen.

»Ich kann dir was gegen die Schmerzen geben«, bot Rabea an. Das war zwar gegen die Vorschriften, schließlich waren sie keine Ärzte, doch es blieben immer Medikamente in den Zimmern zurück, wenn die Frauen auszogen. Irgendwie ließ die Hoffnung auf ein besseres Leben sie die Schmerzmittel vergessen. Selbst wenn sie zu ihren Ehemännern zurückkehrten.

»Warum konnte ich nicht einfach die Klappe halten.« Die Frau griff sich in die Haare, zuckte zusammen. Wahrscheinlich waren ihre Fingerspitzen auf eine Beule gestoßen. »Ich weiß doch, wie er ist, wenn er getrunken hat. Ich hätte mich schlafend stellen sollen.«

»Wie sonst immer?« Diese Replik war nicht hilfreich, war es nie. Doch manchmal verlor Rabea ihre professionelle Distanz, und dann war sie wütend: auf die Männer, die ihre Frauen schlugen, und auf die Frauen, die sich daran die Schuld gaben.

»Zumindest hat es funktioniert«, fauchte die Frau. Die Wut, die sie nicht gegen ihren Mann richten konnte, richtete sich gegen Rabea. Niemand bekam gerne den Spiegel vorgehalten. Die Schultern der Frau sackten nach vorn. »Was soll ich denn machen?«, murmelte sie und putzte sich die Nase.

»Komm erst einmal zur Ruhe«, sagte Rabea. »Und dann sehen wir weiter.«

»Die Kinder hassen es, hier zu sein.« Für einen Moment bettete die Frau den Kopf auf ihre auf dem Tisch liegenden Unterarme. Ihre Stimme klang undeutlich. »Sie wollen zu ihrem Papa.«

»Sie sind noch so klein.«

»Was soll ich nur tun?« Die Frau hob den Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen.

»Wir reden morgen weiter.« Rabea stemmte sich in die Höhe.

»Es ist bereits morgen«, murmelte die Frau nach einem Blick aus dem Fenster. »Der Tag danach«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Das ist das Komische daran, obwohl es nicht zum Lachen ist: Deine Welt zerbricht, und das Leben geht einfach weiter. So, als spiele es überhaupt keine Rolle.«

»Hier spielt es eine Rolle.« Rabea griff nach ihrer Kaffeetasse und trank den letzten Schluck. Unwillkürlich schüttelte sie sich. Der Kaffee war kalt und bitter. Sie stellte die Tasse in die Spüle und blieb hinter der Frau stehen, musterte ihren Hinterkopf. Eine Woge von Vergeblichkeit rauschte über Rabea hinweg. Die Frau würde wieder und wieder zu ihrem Mann zurückgehen und sich so lange verprügeln lassen, bis die Kinder aus dem Haus waren, und die beiden würden ihr Leben lang darunter leiden. Vielleicht würde der Junge, der jetzt noch schüchtern und hilfsbereit war, selbst zum Schläger werden. Und das Mädchen vielleicht wieder zur geschlagenen Ehefrau. Jede Familie war ihre eigene Hölle und verheimlichte das, bis es nicht mehr ging. Und wenn man an einem Ort wie diesem arbeitete, tat man gut daran, seine eigene Hölle zu kennen. Rabea wusste, dass sie im Vergleich zu den Kids hier eine glückliche Kindheit gehabt hatte. Trotzdem trug auch sie Verletzungen mit sich herum. Als Tochter eines überzeugten Linken, der diesem Staat und seinen Institutionen misstraute, hatte sie sich zwischen ihrem Vater und der Welt, in der sie lebte, aufgerieben. Immer sollte sie die Beste sein, jedoch auf keinen Fall Karriere machen. Schließlich hatte sie Sozialarbeit studiert. Nicht die schlechteste Berufswahl, wie sie fand. Und dann hatte sie Marvin kennengelernt. Sie war gerade Mitte zwanzig gewesen, als sie sich in ihn verliebt hatte. Marvin lebte im eigenen Haus, träumte von einer Hochzeit in Weiß und war zu allem Überfluss auch noch Polizist in zweiter Generation. Marvin war also alles, was ihr Vater verachtete. Deshalb hatte sie ihre Beziehung lange verheimlicht und sich selbst eingeredet, dass es ihre Eltern nichts anging, mit wem sie schlief. Doch als Marvin und sie dann zusammenzogen, hatte sie ihren Eltern von ihm erzählt. Nur seinen Beruf hatte sie ihnen verschwiegen. Er sei Beamter, hatte sie gesagt, das war nah genug an der Wahrheit. Marvin war gegen diese Lüge gewesen, doch er hatte sich gefügt. Wir sagen es ihm, wenn er dich besser kennt, hatte sie versprochen. Zwei Jahre war das jetzt her, und mit jedem Jahr, das verstrich, wurde es schwieriger, ihrem Vater die Wahrheit zu sagen. Marvin und er hatten sich miteinander arrangiert. Sie waren nicht unbedingt Freunde geworden – das würden sie niemals sein –, doch da beide gerne Doppelkopf spielten, konnten sie miteinander umgehen, ohne sich allzu sehr in die Haare zu geraten.

Flirrendes Blaulicht brachte Rabea zurück in die Gegenwart. Zurück in die gemütliche Wohnküche, zu der Frau mit den Schmerzfalten in den Mundwinkeln.

»Was wollen die denn hier?« Die Stimme der Frau klang schrill.

Wovor hatte sie Angst? Hatte sie sich gewehrt? Lag ihr Mann tot in ihrer Küche? Nein, dachte Rabea. Diese Frau nicht. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich wehrten. Sie gehörte auch nicht zu den Frauen, bei denen zuerst die Sicherungen durchbrannten, die ihre Partner ohrfeigten, ihnen das Gesicht zerkratzten oder mit Gegenständen nach ihnen warfen und sich dann wunderten, wenn die Gewalt eskalierte. Sie gehörte zu den Frauen, die wegliefen. Immer wieder.

»Nichts«, sagte Rabea, als das Blaulicht in der Nacht verschwand. »Sie sind nur vorbeigefahren. Geh schlafen.« Sie legte der Frau die Hände auf die Schultern, zog sie aber zurück, als die Frau zusammenzuckte.

 

Rabea saß im Büro...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 70er Jahre • 80er Jahre • altes Geheimnis • Bücher Familiengeheimnis • bücher für frauen • Deutsche Geschichte • Deutsche Geschichte Roman • Familiengeschichte • Familienromane • Frauenroman • Geschenke für Frauen • geschenke für mama • Gesellschaftsroman • Identität • Mutter-Tochter Beziehung • Nelly Fehrenbach • RAF • Roman Familiengeheimnis • Spreewald Krimis • Was ich dir nie gesagt habe
ISBN-10 3-492-98957-8 / 3492989578
ISBN-13 978-3-492-98957-2 / 9783492989572
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