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Das Bistum Münster und Clemens August von Galen im Ersten Weltkrieg -

Das Bistum Münster und Clemens August von Galen im Ersten Weltkrieg (eBook)

Forschungen - Quellen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
608 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-8959-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
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Zu Beginn des Ersten Weltkrieg war in katholischen Landschaften Deutschlands von antimilitaristischen Mentalitäten des 19. Jahrhunderts nichts mehr zu spüren. Der vorliegende Band beleuchtet durch Forschungsbeiträge und umfangreiche Quellendokumentationen die kirchliche Kriegsbeihilfe 1914-1918 im Bistum Münster. Bischof Johannes Poggenburg betrachtet den Kaiser als Garanten "unserer gerechten Sache" und lässt am Altar für den Sieg der deutschen Waffen beten. Den trauernden Angehörigen von getöteten jungen Soldaten gibt er in einer "Trostpredigt" zu bedenken, dass viele vielleicht in der "behaglichen Ruhe des Friedens" irre gegangen wären. Der bekannte Moraltheologe Joseph Mausbach stimmt ein: "Nun schwingt der Krieg seine Geißel, nun zerreißt er das Lügengewebe der Eigenliebe ..., mahnt uns an die Pflicht, das Leben nicht als der Güter höchstes zu betrachten, sondern es mutig hinzugeben, wo immer es gilt, Heiligeres zu schirmen ... Das Glück verweichlicht nicht bloß die menschlichen Sitten, es verblendet auch die für Gott bestimmte Seele, dass sie den Zug zum Ewigen vergisst". Ebenso verbreiten Domprediger Adolf Donders, Dichterpriester Augustin Wibbelt und Funktionsträger des konfessionellen Milieus militante Kriegstheologien. Der Rechtskatholik Karl Wagenfeld bekennt sich gar zum Hass auf die Feinde und erteilt der Friedensbotschaft des Papstes eine Absage. Pfarrer Clemens August von Galen verfolgt ab 1916 ein Siedlungsprojekt zur "friedlichen Kolonisation" im Osten und bewegt sich in projektbezogenen "Strukturen", die durchaus als "Vorboten späterer nationalsozialistischer Lebensraum-Planungen" betrachtet werden können. - Nach dem Krieg beteiligt sich der katholische Adel des Münsterlandes an der Verbreitung der "Dolchstoß"-Legende und klagt, die Weimarer Republik stehe nicht in Einklang mit der "christlichen Staatsphilosophie". Der klerikale "Sittlichkeits"-Diskurs lenkt den Blick auf freizügige Bademoden. Eine selbstkritische Aufarbeitung des kriegskirchlichen Komplexes findet trotz der vielen Millionen Toten nicht statt. Katholische Pazifisten bleiben in zwei Weltkriegen eine winzige Minderheit. Kirche & Weltkrieg - Band 13 Herausgegeben in Kooperation mit pax christi im Bistum Münster

1.
DAS BISTUM MÜNSTER
IM ERSTEN WELTKRIEG


Für katholische Teile Westfalens sind preußenkritische und antimilitaristische ‚Mentalitäten‘ bis ins späte 19. Jahrhundert belegt.4 Die Nationalfeier eines blutigen Schlachtendatums im Kaiserreich konnte als Geschmacklosigkeit empfunden und als „Sankt-Sedanstag“ verlästert werden. Erst um etwa 1900 ist die in den 1870er Jahren besonders dramatisch hervorgetretene Frontstellung zwischen Kirche und Staat weitgehend überwunden.5 „Nach Beilegung des Kulturkampfes […] war unverkennbar, daß der politische Aktionsausschuß der Katholiken, das Zentrum, allmählich näher an die national-konservativen Kräfte heranrückte und sich mit dem Nationalstaat versöhnte. Viele Katholiken sahen ihn nun nicht mehr als fremde Macht, die die regionale Autonomie bedrohte, sondern als ein Feld, auf dem man auch Karriere machen konnte. Selbst im [Münsterischen] Pastoralblatt regte nun ein Autor, der sich selbst noch daran erinnerte, daß es beim Militärdienst seines Bruders ‚ein Weinen in der Familie (gab), als wenn jemand gestorben wäre‘, dazu an, junge Katholiken wegen der verbesserten beruflichen Aufstiegschancen verstärkt zu freiwillig verlängerter Dienstzeit im Militär zu ermutigen.“6 Die lange mit mannigfachen Minderwertigkeitskomplexen behaftete katholische Minderheit im Reich versuchte schließlich, mit besonderem patriotischen Eifer ihre staatliche bzw. vaterländische Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen.

Ein markanter ‚Meilenstein‘ auf dem neuen Weg war der Besuch des deutschen Kaisers 1907 in Münster.7 Wilhelm II. veranlasste gar die Stiftung eines Glasgemäldes für den Westgiebel des Domes: „Es zeigt das Zusammentreffen Karls des Großen mit Papst Leo III. und Liudger, dem späteren Gründer des Bistums Münster, 799 bei Paderborn“; indem sich Wilhelm II. darauf als Ritter „im Gefolge des Papstes portraitieren lässt, ist er nicht übermächtiger Schutz der Kirche, was im katholischen Münster sicher negativ aufgenommen worden wäre. Vielmehr tritt er als Ritter im Geleit des Papstes auf, als sein Gefolgsmann und bewaffneter Schutz zugleich.“8 Auf einem Festbankett im Landesmuseum Münster am 31. August 1907 lobte der Kaiser die vorbildliche Provinz: „Westfalen bietet ein schönes Bild dafür, daß es wohl möglich ist, historische, konfessionelle und wirtschaftliche Gegensätze in versöhnlicher Weise zu einen in der Liebe und Treue zum gemeinsamen Vaterlande. […] Wie ich keinen Unterschied mache zwischen alten und neuen Landesteilen [Preußens], so mache ich auch keinen Unterschied zwischen Untertanen katholischer und protestantischer Konfession.“9

Wilhelm Damberg konstatiert: „Am Vorabend des Ersten Weltkrieges hatten die Katholiken im Bistum Münster mit dem Nationalstaat des Deutschen Reiches ihren Frieden gemacht. Dessen Gründung hatte nur wenig Begeisterung auslösen können, weil die kulturelle Identität der Mehrzahl der Bewohner der Region um 1870 nach wie vor von ihrem religiösen Lebensmuster bestimmt war. Um 1900 zeichnete sich aber ein Modus vivendi ab, der darauf beruhte, daß die Katholiken in diesem Staatswesen gerade im Bistum Münster ein hohes Maß an organisatorischer und kultureller Autonomie aufgebaut hatten, zunächst gegen den Staat, dann mit staatlicher Förderung, und umgekehrt begannen, auch die Nation und ihr Wohl und Wehe als Teil ihrer Identität zu begreifen. […] Bei Kriegsausbruch hatte sich […] eine neue Generation weit von der Mentalität der Reichsgründungs- und Kulturkampfepoche entfernt. Die nationale Begeisterung im Sommer 1914 schlug jetzt auch unter den Katholiken hohe Wellen.“10

Der kurze Überblick zu den nachfolgenden Jahren in der Münsterischen Bistumsgeschichte enthält Hinweise auf ‚typische Entwicklungen‘, wie sie auch aus anderen Diözesen bekannt sind11: Die Bistumsleitung will wissen, dass der protestantische Kaiser die „Gerechtigkeit unserer Sache“ verbürgt und ein Gebet der um den Altar Versammelten „für den Sieg unserer Waffen“ angesagt ist. Die Kriegstheologen finden offenbar nichts Anrüchiges daran, den Abgrund des modernen Krieges Gott in die Schuhe zu schieben; der ‚Allmächtige‘ wolle die Völker über den Krieg als ‚Lehrmeister‘ erziehen oder strafen usw. Anfangs herrscht Euphorie ob eines Aufschwungs im kirchlichen Leben, der sich nicht zuletzt in der Statistik des Sakramenten-Empfangs niederschlägt. Doch schon 1916 kann der Krieg auch mit ‚großen Gefahren für das religiös-sittliche Leben‘ in Verbindung gebracht werden. Bei Kriegsende kehren die Frontsoldaten aus der Hölle des gemachten Massensterbens zurück; diesen Männern wird man nicht mehr mit Drohpredigten oder „harten Schreckensworten“ kommen können.

Eine Darstellung zur Haltung der katholischen Kirche im Ersten Weltkrieg, die Johann Stoffers unter Auswertung des ‚Kirchlichen Amtsblatts der Diözese Münster‘ und des ‚Münsterischen Pastoral-Blattes‘ als ‚Student im Alter‘ im Jahr 2014 erarbeitet hat, eröffnet den vorliegenden Band. Diesem Beitrag haben wir im Quellenteil drei umfangreiche Abteilungen zugeordnet. Zunächst werden insgesamt acht Kriegshirtenworte 1914-1918 von Bischof Johannes Poggenburg12 (1862-1933) im Wortlaut dokumentiert (→V). Mitunter versuchte dieser Kirchenführer auf eine sehr eigenwillige Weise, die Trauernden zu trösten: Er „wies die Ansicht zurück, daß der Krieg negative Auswirkungen habe. Viele, die für die höchsten [!] Güter des Vaterlandes gefallen seien und von dort aus den Weg zur himmlischen Heimat gefunden hätten, wären vielleicht in der behaglichen Ruhe des Friedens irre gegangen.“13

Der Münsteraner Moraltheologe Prof. Joseph Mausbach14 (1861-1931) ist heute vor allem noch bekannt wegen seiner ‚katholischen Apologie‘ der Verfassung von Weimar, an deren Ausarbeitung er als Mitglied der Nationalversammlung 1919/1920 selbst mitgewirkt hat. Während des Weltkrieges ist dieser Priester und Zentrumspolitiker u.a. als Leiter eines ‚Arbeitsausschusses zur Verteidigung deutscher und katholischer Interessen‘ sowie als Mitherausgeber des populären Kriegs-Volksbuches „Sankt Michael“15 hervorgetreten. Vollständig dargeboten wird in der vorliegenden Sammlung sein 1914 veröffentlichter Propaganda-Traktat „Vom gerechten Kriege und seinen Wirkungen“ (→VI):

„Wie überall in Zeiten falschen, faulen Friedens hatte sich die feige Liebe zum Leben, die Vergötterung des langen, schmerzlosen Erdendaseins in die Volksseele eingeschlichen; schnöder Mißbrauch der Ehe und Versündigung am Kindesleben, um das eigene zu schonen, das war die naturgemäße, naturzerstörende Folge. Nun schwingt der Krieg seine Geißel, nun zerreißt er das Lügengewebe der Eigenliebe und das Schreckgespenst der Übervölkerung! Nun zeigt er die Unerbittlichkeit und den Adel des Todes und mahnt uns an die Pflicht, das Leben nicht als der Güter höchstes zu betrachten, sondern es mutig hinzugeben, wo immer es gilt, Heiligeres zu schirmen, im Kampfe oder im Frieden. […] Das Glück verweichlicht nicht bloß die menschlichen Sitten, es verblendet auch die für Gott bestimmte Seele, daß sie den Zug zum Ewigen vergißt und sich im Irdischen heimisch macht“. – „Die Kreuzzugsstimmung: ,Gott will es‘ ist heute noch viel wuchtiger zum Durchbruch gekommen“; die deutsch-österreichische Volkseinmütigkeit im Krieg sei „zuverlässiger und heiliger als das Votum eines internationalen Schiedsgerichts“.

Mausbach zeigt sich zum Abschluss seiner Ausführungen begeistert von der „alle Gaue und Stämme, alle Konfessionen und Stände umspannenden und versöhnenden Einheit“. Alle sagen ‚Ja‘ zum Krieg.

Die umfangreichste Quellenabteilung (→VII) enthält insgesamt 26 Kriegsworte von Münsters Domprediger Dr. Adolf Donders16 (1877-1944), die allesamt aus dem federführend von Bischof Michael v. Faulhaber herausgegebenen Militärseelsorge-Predigtband „Das Schwert des Geistes“ (1917) stammen: „Das Gesetz über alles! Dem Gesetze getreu! Kameraden! Wo das Gesetz spricht, ruft, gebietet, da sind auch wir zur Stelle. Wir geben ‚dem Kaiser, was des Kaisers ist‘, weil wir ‚Gott geben, was Gottes ist‘. […] auf dem Gehorsam beruht die ganze Weltordnung“ (→VII.3). – „Unsere toten Brüder, die als Helden für Volk und Vaterland gestorben sind, haben heute, am Ostertag im Kriegsjahre 1916, ein doppeltes Anrecht auf seinen Ostergruß: ‚Der Friede sei mit euch!‘ und auf seinen Ostersegen, denn sie sind ‚Tote, die im Herrn starben‘ (Offb. 14, 13); sie sind darum auch Tote,...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7562-8959-1 / 3756289591
ISBN-13 978-3-7562-8959-2 / 9783756289592
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