Phönixmädchen (eBook)
368 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-8654-6 (ISBN)
Alina Heller ist im Dezember 1998 geboren und in einem Dorf im Norden Bayerns aufgewachsen. Ihre Leidenschaft für das Schreiben hat sie schon in frühen Kindheitsjahren entdeckt. Wenn sie nicht gerade schreibt, liebt sie es zu reisen und dabei die Welt zu entdecken.
2.
Nachdenklich und erschöpft stocherte ich in meinem Essen. Ab und zu schob ich mir auch eine Nudel in den Mund und kaute gedankenversunken auf dieser herum.
Meine Augen fielen vor Müdigkeit fast zu. Dolores und ich hatten noch alle Kisten bearbeitet und jedes einzelne Buch erfasst. Zwischendurch waren wir richtig motiviert, noch weiterzumachen und am Ende hätte es sich nicht mehr rentiert, kurz vor Schluss aufzuhören, da es nur noch wenige Bücher waren, die angeschaut werden mussten.
Zusammen legten wir die Preise fest und fotografierten dann noch die Bücher, um sie auch online anbieten zu können. Gedanklich befand ich mich noch ganz bei Lupinien, doch zeitlich schaffte ich es leider nicht, auch nur eine weitere Seite zu lesen. Vor allem nachdem Dolores nach unten gekommen war, um mit mir die Kisten durchzuarbeiten, war es unmöglich, auch nur einen weiteren Blick in das Buch zu werfen. Ich hatte kurz überlegt, ihr zu erzählen, dass ich in dem Buch etwas lesen konnte. Doch ich konnte ihre Reaktion nur zu gut erahnen. Sie würde das Buch wegwerfen und anschließend bei meiner Therapeutin anrufen, damit ich ihr alles genauestens berichten konnte.
»Schmeckt dir das Essen nicht?«, fragte Dolores und belud ihren Teller mit einem Nachschlag.
Ich schüttelte meinen Kopf und stopfte mir eine weitere Gabel Nudeln in den Mund.
»Ich bin einfach nur müde.«
»Ja, es war heute ein anstrengender Tag. Danke für deine Hilfe.«
Sie schenkte mir ein dezentes Lächeln und aß weiter.
»Ich würde übrigens gerne das Notizbuch behalten. Mir gefällt der blaue Einband.«
Eigentlich interessierte mich eher der Inhalt.
»Habe ich mir doch gleich gedacht, dass du es für dich haben möchtest. Du schreibst manchmal mit demselben Gesichtsausdruck in dein Notizbuch wie dein Vater, als er seine Geschichten niedergeschrieben hatte. Voll konzentriert, damit ja kein Detail ausgelassen wird.«
Dolores war die jüngere Schwester meines Vaters und hatte ihn als großen Bruder immer bewundert und angehimmelt. Mein Großvater war kein Mann gewesen, auf den man hätte stolz sein können, weshalb mein Vater die Rolle, auf sie aufzupassen und sie zu beschützen übernommen hatte. Auch war ihr Buchladen nach dem Titel des ersten Buches meines Vaters benannt. Dolores war immer unglaublich stolz auf ihn gewesen.
»Ja, nur dass er sich aussuchen konnte, über was er schrieb, und ich das aufschreiben muss, was mir widerfährt«, murmelte ich.
»Aber es kommen irgendwann auch bessere Zeiten. Ich wollte damit nur sagen, dass du mich in vielerlei Hinsicht an ihn erinnerst.«
Wahrscheinlich belastete der immer näher rückende Todestag sie genauso wie mich. Sie versuchte immer Tage vorher, sich die Erinnerungen in ihr Gedächtnis zu rufen, aus Angst ihn genauso vergessen zu können wie ich. Und sie hatte Recht! Es kommen bessere Zeiten und durch das blaue Buch war ich diesen schon sehr nahe. In den nächsten Tagen würde ich das Buch noch genauer unter die Lupe nehmen und hoffentlich endlich ein paar Antworten finden.
»Ich geh ins Bett«, gähnte ich und trug meinen Teller zur Spülmaschine.
In der Ferne hörte man die Glocke der Kirchenuhr schlagen. Trotz der Entfernung konnte man den hellen Klang ganz deutlich hören. Zehnmal läutete sie, bevor sie wieder verstummte. Es war tatsächlich viel zu spät, um jetzt noch weitere Nachforschungen anzustellen, auch ließ meine Konzentration nach und die Müdigkeit übermannte meinen Körper.
»Schlaf gut, mein Engelchen, und träum was Schönes.« Dolores schenkte mir ein sanftes Lächeln und trug auch ihren Teller in die Küche.
Schreie drangen an mein Ohr. Flehende, um Hilfe rufende Schreie. Doch sie verstummten wieder genauso schnell wie sie zu hören gewesen waren, und zwar jeder Einzelne von ihnen. Frauen und Kinder lagen tot am Boden.
Große schwarze Ungeheuer fielen über ihre Körper her und zerfleischten sie. Tiere, die auf den ersten Blick aussahen wie große Hunde, drückten die Menschen zu Boden und stießen ihre scharfen Zähne in ihre Körper.
Viele Frauen versuchten, ihnen zu entkommen, doch die Ungeheuer waren schneller als sie, mit ihren zittrigen Füßen beim Rennen. Ich konnte die Angst in den Augen der Fliehenden sehen ebenso wie den starren Gesichtsausdruck, nachdem das Tier über sie hergefallen war.
Eines der Ungeheuer steuerte auf mich zu. Ich konnte seinen, mit schwarzen Schuppen überzogenen Körper im Licht des Vollmondes schimmern sehen. Die Schuppen sahen aus wie ein Panzer, der das Tier beschützen sollte. Der Kopf des Tieres ähnelte einem Wolf, nur die Schnauze war größer und die Zähne viel schärfer. Rote Augen schauten mich an und ich wusste, dass es meine Fährte gewittert hatte. Das Tier knurrte und fletschte die Zähne, die bereits mit Blut beschmiert waren. Schaum bildete sich um seine Schnauze, als es auf mich zu rannte. Wie perplex blieb ich stehen und zitterte am ganzen Körper. Das Tier wurde immer schneller.
Schnell begutachtete ich die Gegend, doch lediglich ein Stück Holz lag neben mir am Boden. Hastig hob ich es auf und musste feststellen, dass ich zu spät gehandelt hatte. Das Tier sprang auf mich zu und drückte mich mit gewaltiger Kraft zu Boden. Es fletschte seine Zähne und der Schaum tropfte mir ins Gesicht. Meinen Holzbalken stemmte ich mit aller Kraft gegen den Hals des Ungeheuers, um es von mir fernzuhalten. Doch das Tier krallte sich in meinem Arm fest und versuchte, mir das Holzstück zu entreißen.
Ein Schrei entwich meiner Kehle und ich spürte, wie das warme Blut aus einer Wunde trat und meinen Arm hinabfloss. Ich bewegte meinen Kopf nach links und rechts, um den Angriffen des Tieres auszuweichen. Ich konnte das Blut riechen, dass sich über seine Schnauze zog und in mir nur noch mehr Panik hervorrief.
»Tötet Sie alle!«, schrie eine tiefe männliche Stimme.
Im Augenwinkel sah ich wieder die dunklen Gestalten aus meinen Visionen, wie sie über das Dorf herfielen. Die Kraft in meinen Armen ließ langsam nach und das Tier kam mir mit seiner Schnauze immer näher. Nur haarscharf verfehlte es bei seinen Angriffen mein Gesicht. Ich schlief. Ich musste unbedingt aufwachen! Das hier kann nur ein Traum sein! Mir kann nichts passieren. Ich starrte in die roten Augen des Tieres und rief so laut ich konnte: »Verschwinde!«
Doch nichts passierte.
»Wach auf, wach auf, wach auf.«
Ich wiederholte die Worte immer und immer wieder, während ich spürte, wie das Tier immer mehr seiner Krallen in meine Haut bohrte. Ich versuchte, den Schmerz zu unterdrücken und einen klaren Kopf zu bewahren.
Ich spannte meine Muskeln an und drückte das Holz immer stärker nach oben. Mit meinen Beinen versuchte ich, das Tier von mir zu treten, doch es war im Vergleich zu meinem schwachen dünnen Körper zu stark und zu schwer. Ich schaffte es dennoch, seinen Kopf immer mehr von mir weg zu drücken. Im Augenwinkel sah ich, wie sich die dunklen Gestalten mir näherten.
»Wach auf!«
Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen. Langsam verschwamm meine Sicht und das Ungeheuer wurde immer durchsichtiger. Es funktionierte! Ich wachte auf.
»Das wird nicht immer ein Traum sein!«, drang die tiefe männliche Stimme an mein Ohr. »Irgendwann finde und töte ich dich.«
Schweißgebadet wachte ich auf. Ich saß aufrecht im Bett und schnappte nach Luft.
Das Licht des Vollmondes leuchtete in mein Zimmer und erhellte den Raum. Es war nur ein Traum gewesen. Nur ein blöder Traum. Ich atmete tief ein und aus und versuchte, mich zu beruhigen. In letzter Zeit hatte ich öfters solche Albträume gehabt. Mein Blick wanderte über die vertrauten Umrisse der Gegenstände in meinem Zimmer. Es war alles gut, ich war in Sicherheit.
Vor Hitze zog ich die Decke von meinem Körper und spürte, wie mein Puls sich langsam beruhigte. Mein Blick wanderte zu meinen Armen, in welchen noch ein Phantomschmerz zu spüren war. Eine kleine braune Narbe, die mir bisher noch nie zuvor aufgefallen war, zog sich über meinen Oberarm. Es war genau die Stelle gewesen, an der das Tier mich gekratzt hatte.
Etliche Gedanken gingen mir durch den Kopf. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass mir so etwas passiert war, dass ein Traum Spuren auf mir hinterlassen hatte. Ich holte tief Luft. Ich konnte nicht bis morgen warten, ich brauchte sofort Antworten.
Leise zog ich eine Jeans an und schlüpfte in meine Sneakers. Als ich durch die Wohnung schlich, versuchte ich so gut wie ich konnte, keinen Ton von mir zu geben.
Ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn der Boden unter meinen Füßen knarrte. Durch den schmalen Türspalt der Schlafzimmertür konnte ich Dolores friedlich schlafen sehen. Sie hatte ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen. Auf Zehenspitzen huschte ich an ihrem...
Erscheint lt. Verlag | 27.5.2022 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7562-8654-1 / 3756286541 |
ISBN-13 | 978-3-7562-8654-6 / 9783756286546 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 527 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich