Deutschland im Umbruch -  Joachim Jahnke

Deutschland im Umbruch (eBook)

Vier apokalyptische Flüche und mehr
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
204 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-8625-6 (ISBN)
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Albrecht Dürers vier apokalyptische Reiter sind wohl das bekannteste Bild für Katastrophen, die erbarmungslos hereinbrechen. Sie personifizieren Krieg, Teuerung und Hungersnot sowie den Tod. Auch heute noch zählen sie zu den größten Schrecken der Menschheit, derzeit vor allem Putins brutaler Krieg in der Ukraine. Dazu kommen weitere Flüche, wie die fortschreitende Überalterung und Kinderlosigkeit der Gesellschaft, ein stark zunehmender muslimischer Bevölkerungsanteil, der fortschreitender Abbau der einstigen Sozialen Marktwirtschaft, der Aufwuchs der sozialen Medien und ihrer abgeschotteten Meinungsblasen, die Schwächen unseres Bildungssystems, die Entwicklung von Armut, immer mehr Wohnungsnot, der Rückzug der Mittelschichten, ein ungerechtes Steuersystem, Belastungen im EU- und Euro-Kontext, und China als ein Fluch von morgen.

Joachim Jahnke hat Rechts- und Staatswissenschaften studiert und im Völkerrecht promoviert. Nach beruflichen Tätigkeiten im Bundeswirtschaftsministerium, in der EU-Kommission und als Vizepräsident der öffentlichen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau in London arbeitete er seit 2005 als Herausgeber der Webseite "Infoportal" mit Schwerpunkt auf sozialen Themen und Folgen der Globalisierung. Er hat - neben Deutschland - längere Zeit in Frankreich und Großbritannien gelebt.

Kapitel 1: Über die fortschreitende Überalterung
und Kinderlosigkeit


Ein relativ großer Anteil der Leserschaft aus meinem nun eingestellten Infoportal war schon in dem, was man vorsichtig das „vorgerückte Alter“ nennt. Daß gleich das erste Kapitel des Buches vom Alter handelt, hat dazu keinen Bezug, auch wenn ich selbst schon 83 Jahre auf dem Rücken habe. Jenseits der Spekulation befindet sich der Autor in diesem Bereich auf relativ festem Boden, da demografische Entwicklungen sehr langfristig stattfinden und damit sehr gut vorauszusagen sind. Das Buch findet also gleich am Anfang einen relativ verläßlichen Aufsatzpunkt.

Wichtiger sollte jedoch sein, daß die demografische Entwicklung vieles bestimmt, worauf dann andere Kapitel Bezug nehmen werden, wie die Wirtschaftsaussichten oder das Verhältnis zu den sogenannten „Zuwanderern“ aus dem Morgenland, deren Demografie mit starkem Anstieg einen ganz anderen Verlauf als bei den Einheimischen nimmt und damit immer mehr das Gesamtbild unseres Landes bestimmen wird. Auch Armut und das oft damit verbundene Problem der Renten ist sehr stark in die demografische Entwicklung eingelagert. Schließlich spielt in einer Demokratie, wie der unsrigen, in der Mehrheiten entscheiden, der stark zunehmende Anteil älterer Menschen eine besonders wichtige Rolle, auf den die Politik achten muß, wenn sie Wahlen gewinnen will.

Überall in den fortgeschrittenen Industriegesellschaften gehen die Geburtenraten zurück und altern in der Folge die Gesellschaften. Im Ergebnis bleiben viele Menschen kinderlos und sind im Alter nicht selten von Einsamkeit bedroht. Die Probleme, die diese Entwicklung für die Rentenversicherungssysteme schafft, sind enorm. Sie belasten direkt die Jüngeren, denn die finanzieren mit ihren Sozialversicherungsabgaben in unserem System ohne angespartes Rentenkapital die jeweils fälligen Rentenzahlungen (Umlagefahren, auch „pay-as-you-go“ genannt). Deutschland hat mit 38 % den höchsten Anteil von Sozialbeiträgen an den Gesamtsteuereinahmen aller westeuropäischer Vergleichsländer (Abb. 21386). Die Gesamtbelastung aus Sozialbeiträgen und Lohnsteuer ist für eine Einzelperson ohne Kind gemessen am durchschnittlichen Arbeitseinkommen nach Belgien die höchste (Abb. 20786).

Andererseits erzwingt die demografische Entwicklung bei steigenden Rentenlasten zum Schutz der zahlenden Jüngeren kleinere Renten und/oder längere Lebensarbeitszeiten, auch wenn viele Menschen dann bei späterem Renteneintritt ausgebrannt sein werden und ihre Renten nur noch kürzer in Anspruch nehmen können. Man muß daher bei solchen Zusammenhängen die Überalterung einen wahren Fluch für unsere Gesellschaft nennen. Doch genug der Vorrede!

Überalterung

Deutschland ist demografisch besonders schlecht dran. Der Anteil der über 60 Jahre Alten an der Bevölkerung lag im Jahr 2000 bereits bei 23 % und soll nach den Prognosen der UN bis 2050 noch auf 37 % steigen, viel höher als für die hochentwickelten Länder insgesamt (Abb. 23404). Das eigentliche Altersproblem zeigt sich aber erst, wenn man auf die Abhängigkeitsrate der Alten ab 65 Jahre von den Jüngeren im Arbeitsalter zwischen 25 und 64 Jahre achtet. Dieses Verhältnis steigt nach den Projektionen der UN für Deutschland von 29 % im Jahr 2000 auf 64 % im Jahr 2050, also weit mehr als eine Verdoppelung und viel mehr als die 56 % für alle hochentwickelten Länder (Abb. 23405). Jeweils 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter müssen dann also fast zwei Drittel so viele im Rentenalter durchschleppen. Bis zum Jahr 2100 bei dann allerdings unsicher werdenden Projektionen sollen es sogar 70 % werden.

Schon jetzt macht sich in Deutschland ein erheblicher Fachkräftemangel bemerkbar. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft bleiben jährlich bis zu 40 % der Ausbildungsstellen unbesetzt. Das waren 2021 gut 63.000 Ausbildungsplätze oder knapp zwölf Prozent aller Stellen.

Die im deutschen Fall geradezu dramatische Entwicklung wird noch verschärft, wenn man berücksichtigt, daß ein großer Teil der Menschen im arbeitsfähigen Alter schlecht ausgebildete oder gar arbeitslose Migranten aus meist muslimischen Ländern in Asien und Afrika und ihre Nachkommen sind und noch lange sein werden. Sie werden meist nicht imstande sein, mit ihren überwiegend kleineren Beiträgen zur Rentenversicherung die Renten für deutsche Rentner zu finanzieren, zumal die Frauen aus diesem Migrationsmilieu oft gar nicht berufstätig sind (dazu mehr in Kapitel 2). Viele werden gar keine Beiträge leisten und nur Netto-Empfänger sein - erst recht diejenigen, die im Rahmen der Familienzusammenführung im Rentenalter nach Deutschland zuwandern.

Abwanderung jüngerer Menschen

Aufmerksamkeit verdient die Abwanderung von schon ohnehin knapper werdenden Fachkräften. Jedes Jahr wandern insgesamt etwa 1 Mio. Deutsche aus. Einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge denken vor allem junge Erwachsene zumindest über eine zeitweilige Auswanderung nach. 31 % der Personen zwischen 18 und 24 Jahren geben an, ins Ausland zu wollen. Auch bei den 25- bis 29-Jährigen sind es noch 23 %. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Qualifikation. Demnach wollen 26 % der Akademiker zwischen 25 und 39 Jahren ins Ausland gehen, bei den Menschen mit Berufsabschluss sind es 15 % und bei den Personen ohne Abschluss 16 %. Auch die eigene Migrationsgeschichte beeinflußt die Auslandsentscheidung. In dieser Altersgruppe wollen 25 % der selbst Zugewanderten ins Ausland. In dem Maße, wie sich in Deutschland die Überalterung mit steigenden Rentenlasten für die Jüngeren fortsetzt, wird bei den gut qualifizierten die Bereitschaft auszuwandern zunehmen.

Wenn immer mehr Menschen allein leben

Alleinleben bedeutet nicht notwendigerweise Einsamkeit, aber doch nicht selten. Die Stuttgarter Zeitung hat vor zwei Jahren geschrieben:

„Seit Jahren wird vor einer regelrechten Einsamkeitsepidemie in der modernen individualistischen Gesellschaft gewarnt. Immer mehr Leute leben in Singlehaushalten, gleichzeitig gibt es in den Familien weniger Kinder. Von einer großen Einsamkeitsepidemie in unserer modernen Gesellschaft ist immer wieder die Rede. Ist das nur ein Gefühl oder wirklich eine Tatsache?"

Dann weist die Zeitung noch auf ein Buch eines Professors für Psychiatrie unter dem Aufmerksamkeit suchenden Titel „Einsamkeit - die unerkannte Krankheit: schmerzhaft, ansteckend, tödlich", das es bis auf die SPIEGEL Bestseller-Liste gebracht hat. Es ist ein schwieriges und sicher sehr umstrittenes Thema, denn nicht wenige Menschen schätzen die Einsamkeit als eine positive Lebenserfahrung, und Alleinleben kann auch Freiheit von einer schwierigen Familie bedeuten.

Der Datenreport 2021 des Statistischen Bundesamts auf der Basis des Mikrozensus machte wieder einmal deutlich, wie problematisch sich die Familienstrukturen in Deutschland entwickeln. Seit 1991 sind die 1-Personen-Haushalte bereits um 45 % gewachsen, die 2-Personenhaushalte (also meist ebenfalls ohne Kinder) um immer noch 28 %, während die Gesamtzahl der Haushalte kaum zugenommen hat (Abb. 21325). Bei Haushalten ohne Migrationshintergrund waren 2020 schon etwas über 44 % 1-Personen-Haushalte.

Der Anteil der Alleinlebenden steigt bei den Frauen über 65 Jahre bis auf 45 % (Abb. 21326), was an dem durchschnittlich früheren Tod der Lebenspartner liegt, aber auch am Rückgang der Ehepartnerschaften. Bei den Männern trifft das Schicksal des im Solohaushalt Alleinlebens mit 22 % mehr als jeden Fünften.

Kindermangel bei einheimischen Familien

Ein wichtiger Grund für das Alleinleben vieler Menschen ist der Mangel an Kindern. Der hängt vor allem mit dem hohen Anteil an völlig kinderlosen Frauen zusammen. 2018 betrug die Kinderlosenquote der 45- bis 49-jährigen Frauen 21 %. Die vorläufigen Zahlen deuten aber für jüngere Jahrgänge einen weiteren Anstieg auf über 30 % an. Wenn schon fast ein Drittel der Frauen kinderlos bleibt, reißt das ein großes Loch in die demographische Entwicklung Deutschlands. Frauen mit akademischen Abschlüssen, beispielsweise Bachelor, Master, Diplom oder Promotion, sind besonders oft kinderlos.

Auch wuchs 2019 nur etwas weniger als die Hälfte der minderjährigen Kinder gemeinsam mit einem minder- oder volljährigen Geschwisterkind heran; die Mehrheit sind Einzelkinder, denen teilweise die Geschwister fehlen werden, schon weil der für die Gesamtgesellschaft dringend notwendige Sozialisierungsprozeß vor allem in den Familien und auch zwischen Geschwistern geleistet werden muß. Im Alter fehlen die Geschwister erst recht.

Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland mit seiner Kinderlosenquote von 23 % am oberen Rand (Abb. 20078). Im europäischen Durchschnitt liegt die Kinderlosigkeit bei Ende der 1960er-Jahre geborenen Frauen dagegen bei nur rund 14 %. Nach einer Untersuchung des Geburtsjahrgangs 1968 hatte Deutschland sogar die höchste Rate an kinderlosen Frauen.

Wenn in deutschen Haushalten ohne Migrationshintergrund bald die Hälfte der...

Erscheint lt. Verlag 30.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7562-8625-8 / 3756286258
ISBN-13 978-3-7562-8625-6 / 9783756286256
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