Die letzten Geheimnisse des Orients (eBook)

Meine Entdeckungsreise zu den Wurzeln unserer Kultur - Mit zahlreichen Fotos und einer Karte des alten Orients
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2022 | 1. Auflage
368 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-29254-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die letzten Geheimnisse des Orients -  Daniel Gerlach
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Ein Roadtrip in die faszinierend verwobene Geschichte von Morgen- und Abendland
Wer war Jesus, und wenn ja, wie viele? Wie konnte ein künstlerisch begabter Hippie eine Weltreligion begründen? Was hat »Der Exorzist« mit dem »IS« zu tun? Und warum schweigt man auf den Golan-Höhen lieber, wenn man Schnurrbartträger ist?

Kaum eine Weltregion übt stärkere Faszination auf die Menschen im Abendland aus, als der Orient, die Wiege der drei großen monotheistischen Weltreligionen. Doch überschatten heute Nachrichten von Krieg und Terror zu oft das reiche kulturelle Erbe, das die Region über Jahrhunderte lang zum Paradebeispiel für Vielfalt und Toleranz machte. Es ist an der Zeit, diese wenig beleuchtete Seite der faszinierenden Geschichte des Orients zu erzählen. Auf einer spannenden Entdeckungsreise zwischen Persischem Golf und Bosporus spürt Daniel Gerlach dem kulturellen Reichtum des Orients nach, dessen Erbe unsere Welt bis heute prägt, und lädt uns dazu ein, die großen Gemeinsamkeiten von Orient und Okzident wiederzuentdecken.

Daniel Gerlach (geb. 1977) studierte Geschichte und Orientalistik an den Universitäten Hamburg und Paris IV Sorbonne. Er ist Autor und Herausgeber mehrere Sachbücher zu Geschichte und Gegenwart der arabisch-islamischen Welt und tritt regelmäßig als Nahost-Experte in deutschen und internationalen Medien auf. Gerlach ist Mitgründer und Chefredakteur des Nahost-Magazins »zenith« und Direktor des Think-Tanks Candid Foundation in Berlin. Zudem ist er derzeit beratend an Dialogrunden und Friedensinitiativen in Syrien und dem Irak beteiligt.

1

Tataouine

CHRISTEN, MUSLIME, HÄRESIEN

Eine galaktische Schlacht zwischen Gut und Böse, die man am besten verschläft.

Ich überquere den Damm über den Großen Salzsee, den Schott el-Dscherid, vor mir liegen die »Tore der Wüste«. Hier verlief einst die südliche Grenze der römischen Provinz Africa. Eine gedachte Verbindungslinie zwischen Oasen und kleinen Wehrkastellen: der Limes tripolitanus. Die schon tief stehende, aber heiße Septembersonne bringt die Luft über dem Schott zum Flirren. Ein ockerfarbenes Netz aus Millionen Schuppen säumt den Damm auf beiden Seiten, als bleiche hier die abgestreifte Haut einer urzeitlichen Riesenschlange vor sich hin. Wer lange genug am Schott el-Dscherid verweilt, kann eine Luftspiegelung beobachten, eine Fata Morgana. Das Wort mag orientalisch klingen, ist aber die italienische Bezeichnung für eine keltische Sagengestalt, der Fee Morgana oder Morgan le Fay.

Nach etwa einer Stunde südwärts verändert sich die Landschaft. Links und rechts der kargen Ebene türmen sich nach und nach Gesteinsformationen auf. Für Geologen muss diese Gegend ein Abenteuerspielplatz sein; die verschiedenen Erdzeitalter treten hier deutlich zutage. Und auch die Paläontologen kommen auf ihre Kosten. 2002 fanden sie hier den Unterkiefer eines Spinosaurus, des größten Fleischfressers, der je auf diesem Planeten sein Wesen trieb. Auf den Rückenwirbeln seines 18 Meter langen Echsenleibs schleppte er ein gigantisches Segel mit sich herum. Solche Fossilien müssen es gewesen sein, die seit alters her nicht nur den Mythos der Drachen am Leben hielten, sondern auch die Überzeugung, diese Landschaft sei nicht von dieser Welt.

Dieser Ort wirkte unwirtlich, noch lange bevor man mit Teleskopen und Sonden den Planeten Mars erforschte und feststellte, dass dessen Oberfläche mit der Gegend im Süden Tunesiens eine gewisse Ähnlichkeit aufweist. Den Namen des Ortes aber kennen heute Millionen Menschen auf der Welt, er hallt immer wieder fort von den Leinwänden und Bildschirmen. »Tatooine« heißt der Heimatplanet eines galaktischen Helden. Hier eröffnete George Lucas sein Weltraumabenteuer Star Wars (Krieg der Sterne). Und im südlichen tunesischen Gouvernorat Tataouine begannen auch die Dreharbeiten. Am 26. März 1976. »Amerika brachte einen Krieg von intergalaktischem Ausmaß nach Tunesien«, urteilte die Nachwelt.1 Und Hollywood nahm es mit mächtigen Gegnern auf: Sandstürmen, plötzlichen Regengüssen, die in diesem für seine Trockenheit berüchtigten Gebiet schnell zu Sturzfluten ausarten, Streit am Set und einem Autounfall des jugendlichen Hauptdarstellers Mark Hamill (Luke Skywalker). Die Produktion auf dem Wüstenplaneten stand unter keinem guten Stern.2 Ein monströses, laut Konstruktionsplan 40 Meter langes und 20 Meter hohes Kettenfahrzeug, schürte das Misstrauen gegenüber den Amerikanern und rief militärische Spannungen hervor. Brachte man hier, so nahe an der libysch-tunesischen Grenze, eine geheime, bewegliche Raketenabschussrampe der US-Streitkräfte in Stellung?

Oberst Muammar al-Gaddafi, der damalige Herrscher über Libyen, entsandte Späher nach Tataouine, die dämlich geschaut haben dürften, als sie feststellten, was in dem gigantischen »Sandcrawler« tatsächlich steckte: »Jawas«, kleine fleißige Humanoide, die auf dem fiktiven Planeten Rohstoffe abbauten, ihre zwergenhaften Leiber dabei aber in die braune »Qashabiya« hüllten, einen im realen Tataouine traditionellen Kamelhaarmantel mit Kapuze.

Die Sets in der Wüste blieben auch weit später noch der Stolz der tunesischen Filmindustrie. Als ich im Jahr 2009 als Autor und Regisseur von Fernsehdokumentationen in Tunesien unterwegs war, um einen geeigneten lokalen Produktionspartner zu suchen, landete ich im Büro eines jovialen Herrn, der Zigarren rauchte. Als ich ihn höflich fragte, ob er mir Referenzen nennen könne, grinste er mich durch eine blaue Wolke an, hielt einen Moment lang inne und antworte: »Schon mal von Star Wars gehört?« Die Sets stehen heute noch dort, etwa der Ksar Haddada, ein mehrgeschossiger Lehmbau. In einer Episodeliegt hier das Quartier eines berüchtigten Sklavenhalters.

Ein privater Verein aus Freiwilligen kümmert sich um seine Instandhaltung. Gelegentlich kommen Touristen vorbei. Sie sollen Tataouine als Hollywood-Set in Erinnerung behalten und nicht, wie die Stadt in jüngster Zeit in der deutschen Presse genannt wurde, als Terroristennest oder »Hochburg der Gotteskrieger«.3 Aus der armen Stadt Tataouine hatten sich einige junge Männer dem »IS«, dem sogenannten »Islamischen Staat« angeschlossen. Auch Anis Amri, der vermeintliche Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016, wurde in dieser Stadt geboren. Aber in gewisser Weise schließt sich hier der Kreis dieser Geschichte.

Die Dschihadisten des IS nämlich glaubten, die finale Schlacht um Gut und Böse habe begonnen und allein sie selbst stünden auf der richtigen Seite. Auch die Handlung im Krieg der Sterne ist eingebettet in einen ewigen Kampf zwischen den Mächten des Lichts und jenen der Finsternis. Die Rebellen um den zum charismatischen Führer erwachten Luke Skywalker nehmen es darin mit einem übermächtigen Gegner auf. Sie dringen in einem Himmelfahrtskommando vor in das Herz des Todessterns. Viele Märtyrer bleiben zurück auf dem Schlachtfeld der Galaxie. Skywalker und seine Getreuen aber führen einen Kampf, der größer ist als sie. Auf Arabisch würde man ihn wahrscheinlich als »Dschihad« bezeichnen.

Wie passt nun der verlassene Drehort von Krieg der Sterne in die Religionsgeschichte? Alles ist ein Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkel, zwischen unauflösbaren Gegensätzen. Die »Macht« hat eine dunkle und eine helle Seite. Und am Ende erfahren wir, dass der Gute und der Böse Sohn und Vater sind. Der Erlöser ist gekommen. Und er muss der Versuchung durch die dunkle Seite der Macht widerstehen. Wer durch die Religionsgeschichte reist, wird immer wieder feststellen: Ein guter Held muss denjenigen überwinden, aus dem er hervorgegangen ist. Man denkt, nun herrsche Frieden auf Erden. Bis das Böse wieder einsickert wie Wasser in ein leckes Schiff. Und der Kampf von vorne beginnt.

Dieses Weltbild prägt die populäre Kultur unserer Zeit. Und es ist wohl eine der großen Ironien der Geschichte, dass es uns direkt in das frühe Christentum zurückführt, das sich vom 1. bis zum 5. Jahrhundert im Mittelmeerraum entfaltete. Es ist das Weltbild einer großen Häresie: »Gnosis«, was das griechische Wort für (geheimes) Wissen ist. Eine Bewegung, die sich selbst so nannte, gab es allerdings nie. Nichtsdestotrotz fasst man – in Ermangelung eines anderen, passenderen Begriffs – darunter die Vielfalt an religiösen Ideen zusammen, die zum einen aus dem »neuen Weg« des Christentums hervorgingen, und zum anderen in das christliche Spektrum von außen hineinmäanderten.

Die Gemeinsamkeit all jener Strömungen ist, dass sie sich mit der Offenbarung der Bibel und des Evangeliums nicht zufrieden geben wollten und hofften, dass das Wissen über die Geheimnisse des Kosmos’ zur Erlösung führt. Und dass man so die Misere des materiellen, irdischen Lebens überwinden kann. Generationen von christlichen Autoren haben sich am Gnostizismus abgearbeitet. Und liest man die frühen Werke der Christen, hat man oft den Eindruck, dass der Kampf gegen die Häresien die eigene Identität deutlicher prägte als der Glaube selbst.

Tatsächlich führt sogar eine Spur aus der Spätantike von den verfolgten Gnostikern hin zu Star Wars. Regisseur und Autor George Lucas las die Schriften des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung, der sich für die Gnosis begeisterte. In einem Interview erklärte Lucas einmal, dass auch ihn diese Schriften sehr geprägt hätten.4 Das Hollywood des 20. Jahrhunderts war schließlich nicht nur eine Traumfabrik, sondern auch durchdrungen von der Sehnsucht nach Erlösung: esoterische Zirkel, Scientologen und andere neue gnostische Bewegungen stießen dort auf empfindliche Seelen. Und bis heute predigen Kirchenleute gegen die Häresie der Gnosis an – etwa der Weihbischof der Erzdiözese von Los Angeles, der als solcher für Hollywood zuständig ist.5

Die Gnosis war der Schatten des Christentums, dessen unbotmäßiger Begleiter, der im Laufe der Geschichte immer wieder auftaucht, um alsbald wieder verjagt zu werden. Und wenn man die Geschichte der Moderne anhand ihrer Gegenbewegungen erzählen kann, so gilt dies ganz gewiss auch für das Christentum, wie wir es heute kennen. Diese Geschichte hätte einen ganz anderen Verlauf nehmen können.

*

Das Reich Gottes beginnt mit einem Senfkorn. Zunächst winzig klein, unscheinbar und notorisch unterschätzt, wächst daraus eine prächtige Pflanze. Dieses berühmte Gleichnis aus den synoptischen Evangelien hat das Selbstbild des Christentums nachhaltig geprägt. Eine neue Religion des Friedens musste sich in einer brutalen Welt behaupten und dafür zahllose Opfer bringen. Aber auch kräftig austeilen. Schon früh behauptete sich, was Martin Luther später wie folgt zum Ausdruck brachte: »Ein Mensch, sonderlich ein Christ, muß ein Kriegsmann sein und mit den Feinden in Haaren liegen.«6 Während dreier Jahrhunderte nach der Geburt das Heilands sahen sich die Christen immer wieder Verfolgungen ausgesetzt....

Erscheint lt. Verlag 14.9.2022
Zusatzinfo Mit zahlreichen Fotos und einer Karte des alten Orients.
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 1001 Nacht • 2022 • Abendland • Afrika • Ägypten • Altertum • Ausgrabung • Bibel • Christentum • Damaskus • eBooks • Entdeckung • Expedition • Geschichte • Golan Höhen • Hatra • Islam • Jerusalem • Jesus • Jordanien • Judentum • Karthago • Kaukasus • Koran • Kreuzfahrt Orient • Kurdistan • Mohammed • Morgenland • Naher Osten • Nah-Ost-Experte • Neuerscheinung • Nil • Okzident • Oman • Orient • Orientalist • Orient Express • Persischer Golf • Reisen • reisen im Nahen Osten • Road Trip • Rotes Meer • Saudi Arabien • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Sufismus • Syrien • Terra X • Tora • Türkei • Zweistromland
ISBN-10 3-641-29254-9 / 3641292549
ISBN-13 978-3-641-29254-6 / 9783641292546
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