Heller als tausend Sonnen (eBook)

Das Schicksal der Atomforscher

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00814-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heller als tausend Sonnen -  Robert Jungk
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Roberts Jungks Buch von 1956 ist eine Warnung vor der Zerstörung der Erde - und heute ein Klassiker der politischen Literatur, der eine ganze Generation geprägt hat. Jungk beschreibt die Geschichte der Atombombe als «eine Geschichte wirklicher Menschen» (Carl Friedrich Frhr. von Weizsäcker), die im Sommer 1939 noch in der Lage gewesen war, den Bau von Atombomben zu verhindern und die Chance ungenutzt vorbeigehen ließen - weil sie der bedrohlichen neuen Erfindung moralisch und politisch nicht gewachsen waren. Er breitet ein überwältigendes Tatsachenmaterial aus, und macht auf erregende Weise das Dilemma berühmter Wissenschaftler deutlich, die zwischen Forscherdrang und Gewissensqual schwanken. Was in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als kollegiales Teamwork junger Wissenschaftler begonnen hatte, entwickelt sich wie wir heute wissen zur Tragödie. Forscher, die sich ursprünglich allein dem wissenschaftlichen Fortschritt verpflichtet fühlten, begannen zu erkennen, dass sie, wie der amerikanische Atomphysiker Robert Oppenheimer sich ausdrückt, «die Arbeit des Teufels» getan hatten. Heute steht die Welt vor einer anderen Art der Selbstzerstörung, dem Klimawandel. Zeit also für die Wiederauflage eines Buches, das sein Verfasser als Beitrag zu dem großen Gespräch verstanden wissen, «das vielleicht eine Zukunft ohne Furcht vorbereiten kann'.

Robert Jungk wurde 1913 in Berlin geboren und starb 1994 in Salzburg. Er arbeitete nach 1933 in Frankreich und im republikanischen Spanien an Dokumentarfilmen und schrieb von 1940 bis 1945 für die «Weltwoche» in Zürich. Er hatte einen Lehrauftrag für Zukunftsforschung an der TU Berlin und war Vorsitzender der Gruppe «Mankind 2000» in London. Das Thema, das er in «Die Zukunft hat schon begonnen» anschlug, wurde später in «Heller als tausend Sonnen» (1956) und «Strahlen aus der Asche» (1959) vertieft, international berühmten Büchern, die eindringlich vor den Gefahren der entfesselten Atomkraft warnen. Sein 1973 veröffentlichtes Buch «Der Jahrtausendmensch» führte 1975 zur Gründung einer «Fondation pour l'invention sociale», die Ansätze zu einer humaneren Technologie und Gesellschaft koordinieren und fördern soll. 1977 veröffentlichte er «Der Atom-Staat», eine eindringliche Warnung vor den entmenschlichenden Folgen einer uneingeschränkten Atomenergie-Nutzung.

Robert Jungk wurde 1913 in Berlin geboren und starb 1994 in Salzburg. Er arbeitete nach 1933 in Frankreich und im republikanischen Spanien an Dokumentarfilmen und schrieb von 1940 bis 1945 für die «Weltwoche» in Zürich. Er hatte einen Lehrauftrag für Zukunftsforschung an der TU Berlin und war Vorsitzender der Gruppe «Mankind 2000» in London. Das Thema, das er in «Die Zukunft hat schon begonnen» anschlug, wurde später in «Heller als tausend Sonnen» (1956) und «Strahlen aus der Asche» (1959) vertieft, international berühmten Büchern, die eindringlich vor den Gefahren der entfesselten Atomkraft warnen. Sein 1973 veröffentlichtes Buch «Der Jahrtausendmensch» führte 1975 zur Gründung einer «Fondation pour l'invention sociale», die Ansätze zu einer humaneren Technologie und Gesellschaft koordinieren und fördern soll. 1977 veröffentlichte er «Der Atom-Staat», eine eindringliche Warnung vor den entmenschlichenden Folgen einer uneingeschränkten Atomenergie-Nutzung.

4


Eine Insel des Friedens und der gegenseitigen Duldung blieb in dieser Zeit, da lärmender politischer Fanatismus in den sonst so ruhigen Kreis der Forschung eingebrochen war, das «Universitets Institut for Teoretisk Fysik» am Blegdamsvej Nummer 15 in Kopenhagen. Dort scharten sich noch immer wie in den Jahren vor Hitlers «Machtergreifung» und Stalins «neuer Linie» Physiker aller Nationen, Rassen und Ideologien um ihren Meister Niels Bohr. Je frecher der Anspruch von Halbwahrheit und Lüge sich im öffentlichen Leben der Völker breitmachte, um so entschiedener bemühte man sich im Kreise um Bohr, das ungewisse, nie endgültig faßbare, sich in immer fernere Tiefen zurückziehende Bild der ganzen Wahrheit zu entdecken. Die neuen Diktatoren erkannten neben ihren Programmpunkten nichts an und bestraften schon den leisesten Zweifel grausam. Der «Kopenhagener Geist» dagegen verlangte den Zweifel. Er hielt die Menschen dazu an, alle Dinge von mehreren Seiten zu betrachten, und postulierte, daß selbst einander widersprechende Erkenntnisse auf einer höheren Ebene sich zu einem Ganzen zusammenfänden.

Der als weltfremd geltende Niels Bohr handelte schneller und tatkräftiger als irgendein anderes Mitglied der Physiker-«Familie», da es galt, den Kollegen in den Diktaturstaaten zu helfen. Zahlreiche noch in Deutschland lebende Atomforscher fanden damals, ohne auch nur vorher darum gebeten zu haben, plötzlich eine dringende Einladung von Bohr in ihrer Post. «Kommen Sie zu uns», hieß es etwa, «bleiben Sie erst einmal hier und überlegen Sie in Ruhe, wohin Sie sich dann wenden wollen.»

Wer im Herbst 1933 mit dem Nachmittagszug aus Deutschland auf dem Kopenhagener Bahnhof eintraf, wo ihn Mitglieder des Bohrschen Instituts erwarteten und herzlich wie einen Verwandten begrüßten, fand sich, aus der Welt der Parteibefehle und der stummen Angst kommend, wie durch ein Wunder wieder in eine Atmosphäre gegenseitiger Achtung und Freundschaft zurückversetzt.

Bohr fehlten, wie sein Schüler von Weizsäcker es ausgedrückt hat, zwei Eigenschaften, die Schulhäupter sonst meist «auszeichnen»: pädagogisches Talent und Herrschsucht. Es schien seine Würde durchaus nicht zu verletzen, wenn man seine Gedanken entschieden, ja respektlos, kritisierte. Wie ungeniert Meister und Jünger sich in einem von Bohr geleiteten Seminar unterhielten, ist in einer Parodie des «Faust» festgehalten worden, die anfangs der dreißiger Jahre anläßlich des jährlichen, von auswärtigen Bohr-Schülern besuchten September-Seminars gespielt wurde. Selbstverständlich war der «Herr» in diesem Spiel Bohr selbst. Die Rolle des «Mephisto» fiel seinem alten Schüler und unermüdlichen Kritiker Wolfgang Pauli zu. So also hörte sich (in leicht parodistischer Übertreibung) eine Unterhaltung zwischen diesen beiden an:

 

BOHR (Der Herr):

Hast du mir weiter nichts zu sagen?

Kommst du nur immer anzuklagen?

Ist die Physik dir niemals recht?

PAULI (Mephisto):

Nein, Quatsch! Ich finde sie, wie immer, herzlich schlecht.

Bekümmert sie mich auch in meinen Jammertagen,

Muß ich die Physiker doch immer weiter plagen …

B. (wie immer, wenn er aufgeregt wird, Deutsch und Englisch mischend):

Oh, it is dreadful! In this situation we must remember the essential failure of classical concepts … Muß ich sagen … Just a little remark … Was willst du mit der Masse tun?

P.:

Wieso? Die Masse? Die schafft man ab!

B.:

Das ist ja sehr, sehr interessant! … aber, aber …

P.:

Nein, schweig! Halt, Quatsch!

B.:

Aber, aber …

P.:

Ich verbiete dir zu sprechen!

B.:

Aber Pauli, Pauli, wir sind ja viel mehr einig, als du denkst! Of course I quite agree; only … Man kann natürlich die Masse abschaffen, aber die Ladung we must uphold …

P.:

Wieso, warum? Nein, nein, das ist Stimmungsmalerei! Warum soll ich die Ladung nicht auch abschaffen?

B.:

Muß ich fragen … Ich verstehe ja völlig, but, but …

P.:

Schweig!

B.:

Aber Pauli, du mußt mich doch ausreden lassen! Wenn man die Masse und die Ladung abschafft, was bleibt denn da noch übrig?

P.:

Das ist doch ganz einfach! Was dann noch übrigbleibt? Das Neutron!

(Pause. Beide laufen auf und ab.)

B.:

Nicht um zu kritisieren, nur um zu lernen,

Will ich mich jetzt für dieses Mal entfernen! (Ab.)

P. (zu sich selbst):

Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern

Und hüte mich, mit ihm zu brechen.

Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,

So menschlich mit dem Pauli selbst zu sprechen! (Ab.)

 

Obwohl und vielleicht weil Niels Bohr sich so wenig wichtig nahm, daß ihn kleine Respektlosigkeiten gegen seine Person gar nicht zu stören schienen, verehrten und liebten ihn alle, die um ihn waren, so tief und herzlich, wie selten ein Lehrer geliebt worden ist. Man belächelte seine Zerstreutheit und seine Vergeßlichkeit, aber dieses Lächeln enthielt zugleich Bewunderung für einen Geist, der es verstand, vorübergehend alles Äußerliche zu übersehen, um das eigentlich Wesentliche zu erkennen. Kam Bohr mit dem Fahrrad aus Schloß Carlsberg, dem Ehrensitz, den ihm die Regierung als dem hervorragendsten Gelehrten des Landes 1932 zur Verfügung gestellt hatte, ins Institut, so achtete er fast nie auf die roten Verkehrslichter; fuhr er mit der Straßenbahn, so mochte es ihm passieren, daß er im Grübeln nicht nur über seine Station hinaus bis zur Endstation weiterfuhr, sondern gelegentlich auf dem Rückweg abermals das Aussteigen vergaß. Doch lebte Bohr nicht nur in seiner Gedankenwelt. Er segelte mit seinen Schülern, schnitzte für sie Windmühlen, löste mit ihnen Kreuzworträtsel, spielte mit ihnen Ping-Pong. Sein Lieblingssport aber war und blieb Fußball. Er hatte als junger Mann selbst erfolgreich in einer guten Mannschaft gespielt. Allerdings behaupteten die Spötter, daß er den Ball manchmal, statt ihn mit dem Fuß aufs gegnerische Tor zuzutreiben, mitten im Spiel aufnahm, um nachzuschauen, was denn nun eigentlich in dem runden Leder drinnen sei.

Niels Bohr war ein schlechter Sprecher. Fast alle seine Vorlesungen begannen mit ähnlichen Sätzen, in denen er zum hundertstenmal die Notwendigkeit seines Abgehens von der klassischen Theorie begründete. Das war die «Bohrsche Messe», wie seine Jünger es nannten. Er sprach oft zu leise, redete durcheinander deutsch, dänisch, englisch und hielt an den wichtigsten Stellen zudem noch die Hand vor den Mund. Den meisten seiner Zuhörer war Bohr an mathematischen Kenntnissen weit unterlegen. Dennoch war das, was er zu sagen hatte, tiefer, und wenn man sich die Mühe nahm, es zu entwickeln, bedeutungsvoller als das meiste, was man von viel klareren, oratorisch bezwingenderen Physikprofessoren an anderen Universitäten hören konnte.

Bohrs wahre Größe trat seinen Schülern am deutlichsten im Zwiegespräch entgegen. Legte man ihm eine neue Arbeit vor, so lautete sein erstes Urteil gewöhnlich «Großartig!». Das veranlaßte aber nur Neulinge zu verfrühtem Frohlocken. Wer Bohr länger kannte, wußte bereits, daß zum Beispiel ein mit leisem entschuldigendem Lächeln vorgebrachtes «very very interesting» nach dem Vortrag eines Gastprofessors in Wirklichkeit ein höchst abschätziges Urteil bedeutete. Fragend, gelegentlich auch monologisierend oder minutenlang schweigend führte der große Denker den jungen Physiker, der ihn um Rat gefragt hatte, allmählich selbst zu der Erkenntnis, daß seine Arbeit vielleicht doch nicht ganz gründlich durchdacht war. Ein solches Gespräch mochte viele Stunden dauern und sich bis spät in die Nacht hinziehen. Manchmal tauchte leise und unauffällig Frau Bohr auf, deren hausfrauliche Tugenden die Studenten fast noch mehr bewunderten als ihre klassische Schönheit. Sie sprach kein Wort, lächelte höchstens und schob den Debattierenden Teller mit ausgezeichneten Sandwiches sowie ein paar Schachteln Streichhölzer hin, damit der Meister seine immer wieder ausgehende Pfeife anzünden konnte.

Schließlich begann der Schüler nicht nur die Fehler seiner Arbeit zu entdecken, sondern sie selbst grausam zu zerpflücken. Da aber hielt ihn Bohr auf und warnte davor, alles zu verwerfen, denn selbst im Irrtum sei stets Fruchtbares enthalten.

«Wenn man nach einigen Jahren sein Institut verließ, so wußte man etwas über Physik, was man vorher nicht gewußt hatte und auf keine andere Weise hätte lernen können», hat von Weizsäcker über Bohr gesagt. Kein Wunder, daß aus dem Kreis um diesen Mann so zahlreiche bedeutende Naturforscher hervorgingen. Er gehörte zu den seltenen Erziehern, die behutsam und doch, wo notwendig, mit Kraft den in jedem Menschen schlummernden Genius zu befreien verstanden: ein Geburtshelfer war er wie Sokrates, dessen dialogisches Denken ihm vorbildlich schien.

Unter den Schülern, die im Jahre der durch Hitlers «Machtergreifung» ausgelösten Krise in Kopenhagen bei Bohr studierten, befand sich auch ein ungewöhliches Freundespaar: Carl Friedrich von Weizsäcker, der hochbegabte Sohn eines führenden deutschen Diplomaten, und der Ungar Eduard Teller, der durch die Rassengesetzgebung des Dritten Reiches...

Erscheint lt. Verlag 18.2.2020
Vorwort Robert Habeck
Zusatzinfo Mit 10 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2. Weltkrieg • Amerika • Atombombe • Atomenergie • Atomforschung • Atomwaffen • Europa • Fordscherdrang • Forschung • Fortschritt • Fukushima • Hiroshima • Japan • Kinofilm • Machtpolitik • Manhattan-Projekt • Niels Bohr • oppenheimer • Zukunft • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-644-00814-0 / 3644008140
ISBN-13 978-3-644-00814-4 / 9783644008144
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