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Mithu Sanyal über Emily Brontë (eBook)

(Autor)

Volker Weidermann (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
160 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31065-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
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Wie ein Sturm ist das Werk Emily Brontës in das Leben von Mithu Sanyal hineingefegt. Die erste Lektüre des Romans »Sturmhöhe: Wuthering Heights« hatte für die Autorin von »Identitti« lebensprägende, lebensverändernde Kraft.  Mithu Sanyal hat ein mitreißendes Buch über das Leben und Schreiben der weltberühmten englischen Autorin geschrieben, der man zu Lebzeiten mangelnde Weiblichkeit vorwarf und deren Buch als gefährlich galt. Für Sanyal, Tochter einer polnischen Mutter und eines indischen Vaters, war und ist »Sturmhöhe« ein Buch, in dem sie die eigene Fremdheitserfahrung wiederfand, ein Buch, das ihr in ungefähr allen wichtigen Lebensmomenten irgendwie weiterhalf und sie immer begleitet. Beim Sex, beim langweiligsten Urlaub der Welt, bei angeheirateten englischen Verwandten, die sich nach dem Empire zurücksehnen, und beim Planen der Revolution. Denn darum geht es vor allem in diesem Buch: um das Wunder, wie ein mehr als 170 Jahre alter Roman auf alle wesentlichen Fragen von heute zu Gender, Race, Class und Geistern klare, aktuelle, zukunftsweisende Antworten hat. 

Dr. Mithu M. Sanyal, Schriftstellerin Kulturwissenschaftlerin und Journalistin, für WDR, DLF, SWR, Spiegel, Bundeszentrale für politische Bildung, The Guardian, Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine, ZEIT, taz, Missy Magazine etc. Sachbücher u.a. »Vulva« (Wagenbach), »Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens« (Nautilus), das mit dem Preis »Geisteswissenschaften international« ausgezeichnet wurde. Ihr Debütroman »Identitti« (Hanser) wurde mit dem Ernst Bloch Preis und dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet und stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Dr. Mithu M. Sanyal, Schriftstellerin Kulturwissenschaftlerin und Journalistin, für WDR, DLF, SWR, Spiegel, Bundeszentrale für politische Bildung, The Guardian, Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine, ZEIT, taz, Missy Magazine etc. Sachbücher u.a. »Vulva« (Wagenbach), »Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens« (Nautilus), das mit dem Preis »Geisteswissenschaften international« ausgezeichnet wurde. Ihr Debütroman »Identitti« (Hanser) wurde mit dem Ernst Bloch Preis und dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet und stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Volker Weidermann, geboren 1969 in Darmstadt, war Gastgeber des»Literarischen Quartetts« im ZDF. Er ist Kulturkorrespondent der Zeit und Autor zahlreicher Bücher, darunter »Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen« und »Mann vom Meer«. Außerdem ist er Herausgeber der Reihe »Bücher meines Lebens«.

Inhaltsverzeichnis

»Jemand hat mir mal gesagt, ein gutes Mittel gegen Weinen wäre, den Kopf in eine Papiertüte zu stecken. Tatsächlich gibt es einen triftigen physiologischen Grund dafür, der etwas mit Sauerstoff zu tun hat, aber allein die psychologische Wirkung ist unermesslich: Es ist extrem schwierig, sich wie Cathy in ›Wuthering Heights‹ zu fühlen, wenn man eine Gemüsetüte über den Kopf gestülpt hat.«[16]
Joan Didion, »On Self-Respect«

Worum


Aber worum geht es denn nun in dem Buch, Mithu? Worum geht es?

Wenn wir hier in Großbritannien wären, könnte ich davon ausgehen, dass alle die Handlung von »Wuthering Heights« kennen, schließlich haben alle den Film gesehen. Den Film »Wuthering Heights« (1939) von William Wyler, mit Laurence Olivier und Merle Oberon, die in der populären Imagination für immer als Heathcliff und Cathy auf ihrem Felsen im Heidekraut sitzen.

Oder »Abismos de Pasión« von Luis Buñuel, der sein Lieblingsbuch schon seit den frühen 1930ern verfilmen wollte, aber erst 1954 die Gelegenheit bekam. Die Schauspieler waren schon engagiert, allerdings für ein Musical – aber: egal! Das passt schon –, und auch das Moor ist nicht so, wie wir uns das Moor vorstellen, sondern das Chaparral Mexikos – nur die Leidenschaft ist unverändert. Die Botschaft des Films ist, so der Filmkritiker Raymond Durgnat: »Es ist besser, geliebt und getötet zu haben, als niemals geliebt zu haben.«[17]

Oder einen der zahlreichen Bollywoodfilme wie »Arzoo« (1950) von Shaheed Latif oder »Hulchul« (1951) von Shubh Karan Ojha oder »Dil Diya Dard Liya« (1966) von Abdur Rashid Kardar und Dilip Kumar: Ja, Inder*innen lieben »Wuthering Heights« nicht nur, wir finden die Handlung auch kein bisschen over the top.

Oder »Wuthering Heights« (1970) von Robert Fuest mit dem späteren James Bond, Timothy Dalton, als Heathcliff und der späteren Spinne Aragog aus »Harry Potter«, Julian Glover, als Cathys Bruder Hindley Earnshaw. Der Film wirkt wie ein Remake des Wyler-Films mit 70er-Jahre-Frisuren, bis Hindley plötzlich das Drehbuch vergisst und Heathcliff erschießt: The End.

Oder Jacques Rivettes »Hurlevent« von 1985, inspiriert von Balthus’ »Wuthering Heights«-Bildern. Rivette hatte Brontës Buch als 19-Jähriger in einer französischen Übersetzung gelesen (in der sich Heathcliff und Cathy siezen, was an und für sich keine Seltenheit war, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre würden sich ihr ganzes Leben lang siezen, Cathy und Heathcliff jedoch nie). Rivette entschied, das Buch für seine Verfilmung nicht noch einmal zu lesen, was vieles erklärt.

Oder »Onimaru« von Yoshishige Yoshida, das im Mittelalter in Japan spielt. Oder die 60 Jahre lang verschollene TV-Adaptionen mit Richard Burton als Heathcliff, die 2019 wiedergefunden wurde. Oder Monty Pythons »Semaphore Version of Wuthering Heights«, in der Terry Jones, Carol Cleveland und Eric Idle die Dialoge mit Flaggensignalen bestreiten und immer größere Flaggen verwenden, je lauter sie schreien. Oder Andrea Arnolds »Wuthering Heights« von 2011 mit dem ersten Schwarzen Leinwand-Heathcliff. Oder. Oder. Oder.

Aber wir sind hier nicht in Großbritannien. Und in Deutschland hat nicht jeder mindestens drei dieser Verfilmungen gesehen und ist »Wuthering Heights« kein Synonym für inbrünstige »Oh Cathy!«-»Oh Heathcliff«-Rufe. Doch selbst wenn, wüssten wir nicht, was in »Wuthering Heights« passiert, weil die Filme nur die erste Hälfte des Romans behandeln. Das ist so, als hätte Stanley Kubrick »Krieg und Frieden« verfilmt und nach »Krieg« einfach aufgehört. Die große Ausnahme ist »Emily Brontë’s Wuthering Heights« (1992) – um direkt im Titel zu signalisieren, dass sie sich ein bisschen näher an die Romanvorlage halten würden – mit Juliette Binoche als Cathy und Ralph Fiennes als Heathcliff, oh und Sinéad O’Connor als Emily Brontë, die dem berühmten Humbert-Porträt von Emily überraschend ähnlich sieht (mehr zum Humbert-Porträt später). Aber warum auch nicht? Schließlich war Emily auch Irin. Also so Irin, wie ich Inderin bin. Ihr Vater Patrick Brunty kam aus Drumballyroney im County Down aus einer so armen Familie, dass sie sich nur von Porridge, Kartoffeln, Brot und Buttermilch ernährten, was ihm für den Rest seines Lebens Verdauungsprobleme bescherte.[18] Eine Reihe von glücklichen Fügungen und ein Cambridge-Stipendium später änderte er seinen Namen zu Brontë und der Rest ist Geschichte.

Ja, aber worum geht es denn nun in »Wuthering Heights«?

Wenn das so einfach zu beantworten wäre, hätte ich mich nicht drei Seiten lang davor gedrückt. Was in der Geschichte passiert, hängt sehr davon ab, wie wir sie interpretieren. Also fangen wir einfach einmal an:

 

»Wuthering Heights« ist eine Geistergeschichte:

Ein Fremder kommt in ein einsames Farmhaus auf dem Hochmoor. Sein Name ist Lockwood. Er hat das Herrenhaus Thrushcross Grange, ein paar Meilen entfernt im Tal, gepachtet und möchte sich seinem Vermieter Heathcliff vorstellen. Doch der ist nicht sonderlich erpicht auf Besuch. Sein Haus auf dem Hügel heißt Wuthering Heights. »›Wuthering‹ ist ein lokales Wort, das klangvoll das Luftgewühl beschreibt, dem das Haus hier oben bei windigem Wetter ausgesetzt ist.« Sobald Lockwood die Schwelle von Wuthering Heights überschreitet, ist er in einer verkehrten Welt. Jede höfliche Floskel, die er von sich gibt, und es sind derer viele, entpuppt sich als deplatziert, sodass er nach einer Weile nicht nur die abweisenden Bewohner der Heights als verrückt empfindet, sondern auch sich selbst. Die Feindseligkeit der Hausbewohner ihm gegenüber wird nur durch ihre Feindseligkeit zueinander übertroffen. Und draußen wütet ein Sturm und verhindert Lockwoods Rückkehr nach Thrushcross Grange und in die Zivilisation.

Das Zimmer, in dem er schließlich die Nacht verbringt, scheint seit Jahren unbenutzt. Auf der Fensterbank ist der Name der ehemaligen Bewohnerin in unzähligen Variationen eingeschnitzt: Catherine Earnshaw, Catherine Heathcliff, Catherine Linton. Und während Lockwood ihr Tagebuch – genauer gesagt Notizen auf den unbedruckten Seiten und Rändern eines Buches mit Predigten – liest, schlägt ein Zweig gegen das Fenster, ein Geräusch, das Lockwood irgendwann nicht länger aushält, sodass er – weil sich das Fenster nicht öffnen lässt – schließlich die Scheibe zerschlägt und den Zweig zu fassen versucht. Stattdessen schließen sich eiskalte Finger um seine Hand und eine Stimme fleht ihn an: »›Lass mich rein – lass mich rein!‹

›Wer bist du?‹, fragte ich [denn dies ist Lockwoods Erzählung] und versuchte verzweifelt, mich frei zu machen.

›Catherine Linton‹, antwortete die Stimme bebend (warum dachte ich Linton? Ich hatte zwanzigmal so häufig Earnshaw gelesen); ›Ich bin wieder da, wieder zu Hause, ich hatte meinen Weg auf dem Moor verloren!‹ Bei diesen Worten erkannte ich vor dem Fenster undeutlich das Gesicht eines Kindes, das hereinschaute. Die Angst machte mich grausam; und da ich das Geschöpf nicht abschütteln konnte, drückte ich sein Handgelenk gegen das zerbrochene Glas und rieb es hin und her, bis das Blut herunterrann und die Bettlaken durchtränkte; und noch immer heulte es: ›Lass mich rein!‹«

Lockwoods Angstschreie bringen Heathcliff in sein Zimmer, doch anstatt den Geist zu vertreiben, reißt Heathcliff das Fenster auf und ruft: »Komm rein! Komm rein! … Oh Cathy, bitte komm!«

 

»Wuthering Heights« ist eine Familiengeschichte:

Wer sich wundert, was zum Teufel hier los ist, dem geht es wie Lockwood, der sich vornimmt, nie wieder nach Wuthering Heights zurückzukehren – was er natürlich doch tun wird –, und der nicht aufhören kann, an das unwirtliche Haus mit seinen unwirschen Bewohnern zu denken. Zum Glück ist seine Haushälterin Ellen – Nelly – Dean auf Wuthering Heights aufgewachsen und kann ihm die Geschichte der Familie Earnshaw erzählen und was Heathcliff mit ihnen zu tun hat. Schließlich weiß sie, wie sie sagt, »alles von ihm, nur nicht, wo er geboren wurde, wer seine Eltern sind und wie er zu seinem Geld kam«.[19]

 

»Wuthering Heights« ist ein Märchen:

Es war einmal ein Vater, der sich auf eine Reise macht und seine beiden Kinder sowie Nelly, die Tochter der Amme, fragt, was er ihnen mitbringen soll. Catherine wünscht sich eine Peitsche, ihr Bruder Hindley eine Geige und Nelly Äpfel und Birnen. Doch auf dem Heimweg verliert der Vater Früchte und Peitsche und zerbricht die Geige, stattdessen hält er in seinen Mantel eingewickelt ein zerlumptes Kind, dessen Gewicht mit jedem Schritt wächst, als würde er die Welt in seinen Armen tragen. »So schwer ist mir selten etwas geworden«, erklärt er seiner Frau. »Du musst es als Gabe Gottes nehmen, wenn es auch dunkel ist, als käme es vom Satan.« Das Kind ist Heathcliff.

 

»Wuthering Heights« ist sozialer Realismus:

Nelly versucht, das fremde Kind loszuwerden, indem sie es nachts vor die Tür legt. Doch Heathcliff ist auf Wuthering Heights, um zu bleiben. Bald werden Cathy und er enge Freunde. Auch Mr. Earnshaw hat eine besondere Vorliebe für das Findelkind. Nur Hindley bleibt eifersüchtig. Er betrachtet Heathcliff als Eindringling, der ihm seinen Platz in der Familie streitig machen...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2022
Reihe/Serie Bücher meines Lebens
Bücher meines Lebens
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Bücher meines Lebens • Bücher meines Lebens Band 2 • Dichterin • Emily Brontë • Große AutorInnen über ihre literarischen HeldInnen • Heldinnen • Identitti • Literatur • Neue Reihe • Romatische Literatur • Sturmhöhe • Volker Weidermann • Wuthering Heights
ISBN-10 3-462-31065-8 / 3462310658
ISBN-13 978-3-462-31065-8 / 9783462310658
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