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Und Odysseus kommt nicht -  Magdalena Wede

Und Odysseus kommt nicht (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 2. Auflage
456 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-9657-6 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Womit vertreibt man sich die Zeit, wenn man aus unerfindlichen Gründen auf einer Insel festsitzt und eine Schriftstellerin dabei ist? Man lässt sich abends bei Rotwein auf der Terrasse spannende Geschichten vorlesen. Und während ringsumher eigenartige Dinge passieren, die mit einer großen Katastrophe zu tun haben scheinen, nehmen Esthers Geschichten ihre Zuhörer gefangen: die Dokumentarfilmerin Susa und ihre Geliebte und Muse Meta, den belesenen Hobbygeologen Philipp und seinen renitenten Sohn BG. Esthers Geschichten handeln von Penelope und ihren vielen Liebhabern, von Victorina, dem Compositeur Brandt und dem Jahr ohne Sommer im badischen Carlsruhe, von Theres und ihrer Suche nach einem Geliebten im Internet. Vielleicht handeln sie aber auch von denen, die ihnen lauschen. Die Wirklichkeit beginnt, sich mit den Erzählungen zu verfließen, oder ist es umgekehrt? Denn jeder erlebt oder erzählt nun eine eigene Geschichte vom Einanderfernsein, von Selbstermächtigung und innerem Wachstum, von Leidenschaft und Loslassen. Und in jeder Geschichte wartet ein Vulkan mit seiner so vernichtenden wie schöpferischen Macht ...

Magdalena Wede, 1962 in Karlsruhe geboren, arbeitete nach einem breit gefächertem Studium der Geisteswissenschaften an verschiedenen Opernhäusern und als Lektorin u.a. für den Bertelsmann Verlag und schrieb Musiksendungen für den Bayerischen Rundfunk. Es folgte eine ausgiebige Familienzeit und eine zehnjährige Tätigkeit als Sexualtherapeutin, und nun ist das freie Schreiben wieder in ihren Fokus gerückt. Nach einem 2019 erschienenen Band mit Erzählungen ist 'Und Odysseus kommt nicht' ihr Romandebüt.

Wie alles anfing


„Wie alles anfing?“

Die Frage wurde schnell und belustigt quer über den Tisch in die Runde geworfen. Die fünf Menschen, welche sich darum versammelt hatten, hielten im Gespräch inne.

Über die Terrasse zog ein angenehmer, kühlender Wind, gleichmäßig und körperlos, wie von nirgendwoher kommend. Er drang durch die stehende Hitze des zu Ende gegangenen Tages, umstrich die halb geleerten Gläser, ließ die Kerzenflammen in den Windlichtern flackern und verzog sich raschelnd in die Zitronenbäume, in denen langsam die Schatten wuchsen. Die von der Sonne durchglühten Terrakottafliesen heizten noch nach, aber die weiß gekalkten Säulchen der Balustrade schimmerten schon bläulich in der zunehmenden Dämmerung, welche alle Schatten im Garten ineinanderwachsen ließ und die weite Fläche der ruhenden See mit dem magischen Blau des Sommerhimmels verschmolz.

Esther tippte ein paar Worte in den Laptop, das leise Klicken der Anschläge vermischte sich mit dem Zirpen und Sirren der Zikaden, die mit der einfallenden Abenddämmerung nach und nach verstummten. Es roch würzigsüß nach Oleander und Rosmarin, die Korbstühle knarrten, und der samtige Rotwein in den schlichten Gläsern füllte die Mägen mit genussvoller Glut.

„Wie ALLES anfing?!“

Die junge platinblonde Frau richtete sich auf und setzte dazu an, mit dramatischer Pose ihren Einwurf zu erläutern. Ihre ausladenden schwarzen Augenbrauen unter dem fast weißen Haar betonten die Schönheit ihres Gesichtes auf wunderliche Weise, als sei sie eine spitzohrige, sternflitterstreuende Mischung aus Kobold und Fee.

„Du willst eine Geschichte über Männer und Frauen schreiben und bei Adam und Eva anfangen? Einfach GANZ von vorne?“

Neben ihr nickte zustimmend eine sportliche, fast hagere Frau und ergänzte in nüchternem, fast schroffem Ton, der merkwürdig passend wirkte zu ihren markanten Wangenknochen und den kurzen schwarzen Haaren:

„Wer will denn das lesen?!“

Sie verkreuzte in einer komplizierten Bewegung unter dem Tisch ihre langen Beine miteinander, lehnte sich zurück und sah Esther abwägend an. Dieser Blick war Aufruhr, Selbstbestimmtheit und Direktive.

Ihr Gegenüber fläzte sich desto weicher und konturloser in seinen Korbstuhl. Ein junger Mann mit bartlosen Wangen und blassem Teint haftete molluskengleich dem sonnengebleichten Weidengeflecht an, seine betont sportive Outdoorkleidung kokettierte ebenso vergeblich dagegen an wie sein Ohrring oder der kleine schwarze Filzhut, welcher waghalsig schräg auf seinem Hinterkopf thronte. Eigentlich hatte der junge Mann den bisherigen Ausführungen Esthers und dem sich anschließenden Gespräch bislang nicht wirklich zugehört, seine Finger hatten flink über den Touchscreen seines Handys gewischt, aber nun schien er damit abgeschlossen zu haben und hatte sich, augenscheinlich missmutig, entschieden, am Gespräch teilzunehmen. Er schob das Handy mit nachlässiger Gebärde in die Seitentasche am Bein seiner Trekkinghose und wandte sich dem Gesagten zu.

„Yay. Voll abtörnend.“

Esther widersprach: „Wer redet denn von Männern und Frauen? Beziehungen gibt es viele Arten.“

„Jaja, schon klar. Gendermäßig korrekt ausgedrückt: ‚Diverse‘ Beziehungen also“, verbesserte sich die Blonde mit einem kleinen verzeihenden Kichern und zwirbelte vergnügt an einer Locke ihres platinblonden Feenhaars.

„Nicht nur. Beziehung ist alles. Beziehung und Abhängigkeit gibt es überall. Ich kann von allem abhängig sein – wenn ich Durst habe, bin ich abhängig von einem Glas Wasser. Wenn ich in Not bin, bin ich abhängig von einem Funkgerät. Möglicherweise.“

„Oder funktionierendem Netz“, murmelte der junge Mann verdrossen.

„Wenn ich verliebt bin, bin ich abhängig von Wiederliebe“, fuhr Esther fort. „Wenn ich ...“

„Ja“, winkte die Hagere ab. „Wir wissen, was Abhängigkeit heißt. Nur zu gut.“

„Und Beziehung?“, fuhr Esther fort. „Ich bin mit allem und jedem in Beziehung, was mir begegnet. Im Guten wie im Bösen. Verliebt oder nicht. Muss kein Mann sein, nicht einmal ein Mensch. Ein Gedanke, eine Idee reicht auch. Von dieser hier, die ich aufgeschrieben habe, bin ich sogar abhängig.“

Ihre Worte erzeugten Stille. Niemand wusste darauf etwas zu sagen, niemand verstand. Es war ihnen auch nicht wirklich wichtig, zu verstehen und gegebenenfalls zu widersprechen. Dieser Augenblick des Innehaltens an einem spätsommerlich mediterranen Abend tat wohl und war im Grunde genommen sich selbst genug. Der Tag war glühend heiß gewesen, ermattet hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Der Berg, der in ihrem Rücken emporwuchs, vibrierte sanft.

„Beziehung. Beziehung bedeutet Abhängigkeit. Abhängigkeit bedeutet Probleme.“ Die Hagere seufzte, als ob sie ferngerückter Ereignisse sich erinnerte. Ihre jungenhaft kantigen Schultern schienen sich instinktiv zusammenzuziehen. Sie holte tief Luft, fast schien es, als wolle sie etwas sehr Persönliches hinzufügen. Sie entschied sich aber, stattdessen verhalten zu gähnen.

„Und darüber schreibst du also. Wie banal. Entschuldige – aber das kennt man doch eigentlich schon. Alles schon mal da gewesen, alles schon tausende Male beschrieben. Ja, ich weiß, was die Welt im Innersten zusammenhält und so weiter. Aber schau dich doch einmal um in der Kulturgeschichte – Adam und Eva, Romeo und Julia ... Sogar hier im Dorf: Ingrid Bergman und Roberto Rosselini …“

„Das Who is Who der klassischen Liebespaare“, warf die Blonde ein, als ob sie es irgendwoher zitieren würde.

„… Hekatomben gescheiterter Beziehungen. An irgendetwas scheitern sie immer“, schloss die Hagere abfällig.

„Aber das macht sie durchaus auch interessant. Vielleicht gerade deswegen“, gab der ältere Mann neben Esther zu bedenken. „Hero und Leander. Orpheus und Eurydike. Antonius und Kleopatra, Tristan und Isolde, Werther und Lotte. So ist eben oft die Liebe. Sie hinterlässt Spuren, auf die eine oder andere Art.“

Er hob mit einer fatalistischen Geste eine Hand und ließ sie dann wieder auf die Lehne seines Korbstuhles fallen.

Die Hagere verschränkte die Arme vor den Brusttaschen ihrer weiten khakifarbenen Hemdbluse, wie um etwas in sich einzuschließen, das ihr eben noch auf der Zunge gelegen zu haben schien. Ihre Leinensneaker scharrten unruhig über die Fliesen, der Stuhl knarrte unter der plötzlichen Bewegung.

Der ältere Mann legte das Buch mit den eingeknickten Ecken, in dem er lesen zu wollen vorgegeben hatte, quer auf seinen Schoß und griff nach der Kaffeetasse, die auf dem Tisch zwischen den Rotweingläsern und Windlichtern fremd gewirkt hatte, als sei sie ein Relikt des vergangenen Nachmittages. Während er andächtig in der Tasse rührte, saß er gelassen und dennoch fast elegant im Korbstuhl. Seine hohe Stirn wies auf Bildung und Intellekt hin, die wildlockige graue Mähne verbarg, in ungebändigtem Schwall darüberfallend, sich lichtende Geheimratsecken. Buschige Augenbrauen thronten über einem kritischen Blick aus grauen Augen, welche er nun prüfend reihum auf die anderen richtete. Die vollen Lippen, leger umschattet von einem gepflegten Dreitagebart, verrieten allerdings einen Hang zu Sinnlichkeit und Genuss und straften den Blick Lügen.

Esther beobachtete ihn.

‚Wie er da sitzt, die Cappuccinotasse in der Hand – der Inbegriff lässiger Korrektheit‘, dachte sie amüsiert. ‚Ein Mann, der sich zu geben weiß. Sophisticated, stilvoll und dabei doch ein wenig – hm – zweideutig? Ein Lebemann? Eher nein. Ein Gelehrter? Auch nicht. Interessanter Typ ...‘

Der Bequemlichkeit halber hatte der Mann eben die Beine übereinandergeschlagen, und auch das sah trotz der immer noch schmelzenden Hitze korrekt an ihm aus. Er klopfte nun den Löffel ab und legte ihn mit einer betont sorgfältigen, fast tänzerischen Bewegung seiner langen, feingliedrigen Finger auf die Untertasse, als sei dies Bestandteil eines geheimen Rituals. Dann trank er. In Ermangelung einer anderen Beschäftigung sahen ihm alle dabei zu.

Nur der junge Mann schürzte gelangweilt die Lippen, starrte mit seinen langbewimperten Augen, welche die Farbe nordischer Wintermeere besaßen, ins Leere und sagte langsam, wie zu sich selbst: „Liebe. Beziehungen. Tatatataaa – old stuff. Nix wie heroisches Gelaber.“

Esther sah ihn durchdringend an und entgegnete bissig:

„Hast du die Klassiker in der Schule etwa nicht gelesen? Genau, Schule ist ja voll uncool, nicht wahr? Und ihr andern: Seinen Who is Who kennt man aber schon noch, oder? Wir sind ja alle so nette, mittelgebildete...

Erscheint lt. Verlag 13.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7562-9657-1 / 3756296571
ISBN-13 978-3-7562-9657-6 / 9783756296576
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