Auf krummen Wegen geradeaus (eBook)

Spiegel-Bestseller
Was mich bewegt und antreibt | Deutschlands bekannteste Notärztin erzählt ihre bewegte Lebensgeschichte
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46487-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf krummen Wegen geradeaus -  Dr. med. Lisa Federle
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Lisa Federle, Deutschlands bekannteste Notärztin erzählt ihre Lebensgeschichte - das autobiographische Sachbuch einer starken Frau. Ihre selbstlose Art beeindruckt die Menschen immer wieder: 2015 wurde Lisa Federle bundesweit bekannt, als die Tübinger Notärztin eine rollende Arztpraxis zur Versorgung der Flüchtlinge einrichtete. Später verbesserte Lisa Federle damit die medizinische Versorgung von Obdachlosen, und seit 2020 ist sie als rollende Teststation in der Corona-Pandemie unterwegs und war ein wichtiger Baustein des sogenannten Tübinger Modells. Im Frühjahr 2021 rief sie mit Jan Josef Liefers und Michael Antwerpes die Initiative #BewegtEuch ins Leben, um benachteiligten Kindern und Jugendlichen sportliche Aktivitäten zu ermöglichen. Handeln, um zu helfen, das ist ihr Lebensmotto. Lisa Federle gilt mittlerweile vielen als tatkräftige Frau, die mitten im Leben steht, die sich immer durchkämpfen musste, die die Probleme mutig und wenn es sein muss unkonventionell angeht und dabei nie den Menschen aus dem Blick verliert. Für ihr soziales Engagement wurde die Notärztin 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Nun erzählt Lisa Federle ihre Lebensgeschichte, von der Kindheit in einem sittenstrengen protestantischen Elternhaus bis zu ihrem sozialen Engagement für Flüchtlinge, Obdachlose, Unfallopfer und Kinder. Lisa Federles Lebensgeschichte ist die Geschichte einer selbstbewussten und erfolgreichen Frau, die unverdrossen ihren Weg gegangen ist und sich dabei nie verbiegen ließ.

Lisa Federle, 1961 in Tübingen geboren, arbeitet dort seit 2001 als Notfallmedizinerin und seit 2004 als leitende Notärztin. 2015 entwickelte sie eine 'rollende Arztpraxis' zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen. Während der Corona-Pandemie wurde die rollende Arztpraxis zur mobilen Teststelle. Damit leistete Lisa Federle den entscheidenden Beitrag zum Tübinger Modell. 2020 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 2021 gründete sie mit Jan Josef Liefers und Michael Antwerpes die Initiative #BewegtEuch, um benachteiligten Kindern und Jugendlichen sportliche Aktivitäten zu ermöglichen.

Lisa Federle, 1961 in Tübingen geboren, arbeitet dort seit 2001 als Notfallmedizinerin und seit 2004 als leitende Notärztin. 2015 entwickelte sie eine "rollende Arztpraxis" zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen. Während der Corona-Pandemie wurde die rollende Arztpraxis zur mobilen Teststelle. Damit leistete Lisa Federle den entscheidenden Beitrag zum Tübinger Modell. 2020 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 2021 gründete sie mit Jan Josef Liefers und Michael Antwerpes die Initiative #BewegtEuch, um benachteiligten Kindern und Jugendlichen sportliche Aktivitäten zu ermöglichen.

1
Tod des Vaters


Nichts läuft nur geradeaus. Es ist selten möglich, etwas schnurgerade zu realisieren. Vielleicht ist das auch nicht der Sinn des Lebens, vielleicht gehören Umwege zum Dasein. Sie lassen uns genauer hinschauen, über den Tellerrand blicken. Viele denken, es sei ein Fehler, Umwege zu gehen, dass es dem Ideal eines perfekten Lebens widerspräche. Aber zu einem perfekten Leben gehören eben auch die Fehler, nur so entwickelt sich ein Mensch weiter, begreift, was es heißt, Mut zu haben und etwas zu wagen. Wer den geraden Weg einschlägt, wird erfahren, dass das Leben an ihm vorbeizieht. Während die anderen neugierig sind, sich ausprobieren wollen, nicht hinnehmen, was da ist, selbst wenn es noch so unabänderlich erscheint.

Wer nicht korrigiert und keine Erfahrungen sammeln will, fängt irgendwann an zu lamentieren und bleibt vielleicht innerlich stehen. Doch klagen sollte nur, wer zuvor wenigstens versucht hat, etwas zu verändern. Umwege sind Bewegung – und die ist unabkömmlich, um nicht ständig auf alten Gleisen zu fahren. Leben ist ein Experiment, da darf es Überwindung kosten, etwas Neues zu wagen, die täglichen Routinen zu durchbrechen und die altbekannten Wege zu verlassen. Es ist nachvollziehbar, dass man sich vor Umwegen fürchtet, vor dem Ungewissen, Fremden. Manchmal scheint es, als würden Ereignisse direkt in eine Sackgasse führen, ohne Chance auf eine Umkehr. Doch Sackgassen verwandeln sich ab und an in einen Tunnel, an dessen Ende es hell wird. Nicht immer strahlend, aber mit genügend Licht, um sich wieder orientieren zu können. Mit dem Empfinden, es geschafft zu haben. Ohne in einstige Muster zu verfallen, die einen nur wieder in derselben Sackgasse enden lassen.

Meist wird einem erst im Nachhinein klar, dass es doch einen Ausweg gibt, der auf die eine oder andere Weise auf einem alten Weg aufbaut. Der einem hilft, das Erlebte nachhaltiger zu verarbeiten, sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Umwege nur bedingt zugelassen wurden. Anfangs waren sie noch denkbar, aber als mein Vater starb, gab es nur einen Weg: geradeaus! Ohne Abweichungen nach links oder rechts, ohne Wenn und Aber. Und dieser ohnehin schon schmale Pfad wurde zunehmend enger.

Als ich Anfang der Sechzigerjahre zur Welt kam, wurde über die Bindung zwischen Vätern und Töchtern noch kaum gesprochen, damals erhielten die Mütter Lob und Anerkennung, wenn es um die Erziehung der Kinder ging. Natürlich gab es die Kehrseite: Geriet der Nachwuchs nicht so, wie man es sich vorgestellt hatte, machte man meistens die Mütter dafür verantwortlich. Väter blieben außen vor, ihnen wurde wenig Beachtung geschenkt. Man fand es schön, wenn der Vater mit seinem Sohn Fußball spielte oder die Tochter vom Ballettunterricht abholte, ansonsten sah man in ihm kaum den Elternteil, der die Kinder prägte. Erst als die Mütter dem Herd den Rücken kehrten und zu arbeiten begannen, rückte die Bedeutung der Väter und ihrer Verantwortung ihren Kindern gegenüber mehr und mehr in den Fokus. Studien in den Siebzigerjahren verdeutlichten den Beitrag der Väter am Wohlbefinden und Selbstbewusstsein des Nachwuchses.

Ich war ein richtiges Papakind. Ich fühlte mich von ihm geliebt, weil ich mich bei ihm geborgen und von ihm akzeptiert fühlte, und ich liebte ihn. Mein Vater war ein großer, stattlicher Mann. Er war schlank und sportlich, dunkelhaarig, mit braunen Augen. Manchmal war ich richtig stolz auf ihn. Ich hatte, was man gemeinhin als eine glückliche und behütete Kindheit bezeichnet. Ich liebte auch meine Mutter, klar, aber anders, nicht so intensiv. Sie konzentrierte sich vor allem auf meine vier Brüder, einer älter, drei jünger als ich. Mir war das nur recht, ich hatte ja meinen Vater. »Du bist mein einziges Mädchen«, sagte er oft zu mir. Als meine Mutter nach der Geburt meines eineinhalb Jahre jüngeren Bruders Gerhard zur Kur fuhr, kümmerten sich mein Vater und meine Großtanten um mich und meinen älteren Bruder Martin. Bevor mein Vater mit dem Fahrrad zum Wildermuth Gymnasium fuhr, an dem er zu diesem Zeitpunkt Englisch und Deutsch unterrichtete, brachte er mich zu meinen Tanten, und abends holte er mich wieder ab. Wann immer ich an die Zeit mit ihm denke, überkommt mich ein Gefühl der Geborgenheit. Als Kind ahnte ich noch nicht, dass ich dieses Gefühl später über viele Jahre vermissen würde.

Mein Vater nahm sich Zeit für mich, brachte mir das Schwimmen bei, und als ich es beherrschte, erhielt ich neben viel Lob zur Belohnung einen Ring und einen Marsriegel. Letzteres wäre heute nicht der Rede wert, war damals jedoch etwas Besonderes. Die Väter aus der Nachbarschaft hielten es nicht für nötig, ihren Töchtern das Schwimmen zu lehren, für sie gehörte es nicht zu einer Fähigkeit, die vielleicht einmal überlebenswichtig werden könnte. Als Lektion fürs Leben lernte ich nebenbei, dass man mit Beharrlichkeit viel erreichen kann und sich von Rückschlägen nicht irritieren lassen sollte. Ich denke, das hat mir mein Vater auch durch seine Gene mitgegeben. Von meiner Mutter hörte ich nie, dass man durchhalten solle, vielleicht hat sie es auch nur ihren Söhnen gesagt, denn für Jungen galten damals andere Regeln. Wie in jener Zeit üblich, bestand die Erziehung der Töchter vornehmlich in Höflichkeit, gutem Benehmen oder der Mithilfe im Haushalt. All das war mir später zwar auch bei meinen Kindern wichtig, wichtiger aber war mir, ihnen das zu vermitteln, was ich von meinem Vater gelernt hatte und was für mich im Leben elementar erschien: Zusammenhalt, Liebe, soziale Verantwortung und Familiensinn.

Sehr viel später las ich heimlich einen Brief von meinem Vater, den er an meine Mutter geschrieben hatte, als sie in der erwähnten Kur war. Darin stand, wie goldig ich sei, wie sehr er mich liebe, wie ich im Garten sitzen und spielen würde, mit meinem lockigen Haar und in dem rosaroten Kleidchen, mitten auf dem Rasen. Mir ging beim Lesen das Herz auf, und ich war wirklich glücklich, einen Vater wie ihn zu haben. Später überlegte ich, wie meine Mutter wohl diese Zeilen empfunden haben musste, in dem Brief war es mehr um mich als um sie gegangen, obwohl sie gesundheitlich angeschlagen war. Sie hätte sich sicherlich über ein paar persönliche Zeilen gefreut.

Mit meinem Vater war ich auch zum ersten Mal im Kino, da war ich wohl sechs Jahre alt. Wir sahen uns Ein toller Käfer an und hielten uns die Bäuche vor Lachen über die Abenteuer des wundersamen Autos namens Herbie, das so ungemein menschliche Züge und Eigenschaften hatte. Ziemlich ramponiert, von einem Bösewicht malträtiert, wird Herbie gerettet und gibt am Ende bei einem Rennen sein Bestes. Auf dem Heimweg sprachen wir nicht über den Film, vielmehr erzählte mir mein Vater, wie wichtig es sei, sich selbst treu zu bleiben, sich niemals von etwas bestimmen zu lassen, was man selbst nicht für sinnvoll hielt, und den Menschen ehrlich die Meinung zu sagen.

In meinen jungen Jahren gab es nur noch einen zweiten Kinobesuch viele Jahre später, und der fand in aller Heimlichkeit statt. Mit meiner Freundin Maria schaute ich mir Vier Fäuste für ein Halleluja mit Bud Spencer und Terence Hill an. Meine Mutter hätte es nicht erlaubt, Kino war ihr sowieso ein Dorn im Auge, prügelnde Westernhelden allemal, allein der Titel wäre von ihr als Gotteslästerung ausgelegt worden.

Bevor er Professor wurde, unterrichtete mein Vater an einem Mädchengymnasium in Tübingen. Als ich noch nicht zur Schule ging, nahm er mich zu Klassenausflügen mit seinen Schülerinnen mit. Stets war er darauf bedacht, dass ich viel von der Welt erfuhr, aber auch lernte, mich in eine Gemeinschaft einzufügen und auf andere zu achten – meine Erziehung lag ihm sehr am Herzen. Dabei hatte ich eher das Gefühl, dass allein auf mich geachtet wurde, denn seine Schülerinnen sorgten sich um mich wie um eine kleine Schwester. Wahrscheinlich verfolgte mein Vater durch meine Mitnahme auch das Ziel, dass die älteren Mädchen lernten, Rücksicht auf jüngere Menschen zu nehmen, denn Pädagogik war für ihn ungemein wichtig. Er war bei seinen Schülerinnen sehr beliebt. Immer wieder gaben sie mir auf den Ausflügen zu verstehen, wie großartig sie meinen Vater als Lehrer fänden, keineswegs streng, aber doch mit klaren Regeln und Grenzen. Auch in meinem späteren Leben wurde ich oft auf ihn angesprochen.

Als mein Vater später als Englischprofessor an die PH in Reutlingen wechselte, bat er mich eines Tages, ein Bild zu malen.

»Was denn für ein Bild?«, fragte ich.

»Du kannst malen, was du willst«, sagte er.

»Und was willst du damit machen?«

»Es meinen Studenten vorstellen, um ihnen zu erklären, wie ich meinen Unterricht gestalte.«

Zwar konnte ich mir darunter nicht viel vorstellen, aber da ich gern malte, erfüllte ich ihm den Wunsch. Ich fand es toll, etwas für ihn tun und ihn bei seiner Arbeit unterstützen zu können.

Um ihm zu gefallen, schrieb ich ihm mit knapp acht Jahren einen Brief auf Englisch.

»Der ist für dich«, sagte ich und reichte ihm das zusammengefaltete Stück Papier mit den wenigen Sätzen darauf. Ich hatte darin kurz unsere Familie beschrieben, wo wir wohnten und wie wichtig er für mich war.

»Für mich?« Mein Vater sah mich erstaunt an. »Du hast mir einen Brief geschrieben?«

Ich nickte, fast ein wenig schüchtern. Als er zu lesen begann, konnte ich an seinen Augen sehen, dass er nicht fassen konnte, was er da vor sich hatte.

»Das ist ja Englisch«, sagte er schließlich.

»Ja, ich wollte dir einen Brief auf Englisch schreiben, denn du unterrichtest ja Englisch und liebst die Sprache.« Oft brachte er mir von seinen Reisen nach...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Alleinerziehende • Anwältin von Flüchtlingen • Arzt Erfahrung • Autobiografien Frauen • autobiografisches Sachbuch • Baden-Württemberg • #BewegtEuch • BewegtEuch • Biografie Arzt • Biographie • biographie frauen • Boris Palmer • CDU • Christliche Erziehung • Corona-Pandemie • Deutschland Politik Kultur Gesellschaft • Doppelbelastung • Enkel • Erfahrungen und wahre Geschichten • Erinnerungen • Familie • Flüchtlinge • Flüchtlingspolitik • Gesellschaftskritik • Helfen macht glücklich • helfen tut gut • Jan Josef Liefers • Jugend 70er Jahre • Kinder • Kindheit 60er Jahre • Landtagswahl • Lebensgeschichte • Lebensgeschichte Frauen • Lisa Federle • Medizin • Michael Antwerpes • Notarzt • Notärztin • Notfallmedizin • Notfallversorgung • Obdachlose • Obdachlosenhilfe • Pietismus • rollende Arztpraxis • Schnelltest • Soziales Engagement • Stadtrat • Stadträtin • starkes frauenbild • Tübingen • Tübinger Modell • Vorbild für Frauen • Wahre GEschichte • wahre Medizingeschichten • Werte Buch • Werte Leben
ISBN-10 3-426-46487-X / 342646487X
ISBN-13 978-3-426-46487-8 / 9783426464878
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