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Das zerbrochene Fenster (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
395 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76997-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
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Schneechaos in Schottland. Auf einem einsam gelegenen Anwesen wird die Leiche einer Frau gefunden. Wenig später meldet sich bei der Polizei in Edinburgh Philippa Murray, die behauptet, ihr Freund Sean habe die Tat in seinem Notizbuch angekündigt. Doch bei der Überprüfung des mutmaßlichen Täters kommt heraus, dass Sean Butler vor sieben Jahren verschwunden und inzwischen für tot erklärt worden ist. Als die Polizei Philippa zu Hause aufsucht, ist die junge Frau spurlos verschwunden ...



<p>Zo&euml; Beck, geboren 1975, ist Schriftstellerin, &Uuml;bersetzerin (u. a. Amanda Lee Koe und James Grady), Verlegerin (CulturBooks) und Synchronregisseurin f&uuml;r Film und Fernsehen. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Zo&euml; Beck z&auml;hlt zu den wichtigsten deutschen Krimiautor*innen und wurde mit zahlreichen Preisen, unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis, dem Radio-Bremen-Krimipreis und dem Deutschen Krimipreis, ausgezeichnet. <em>Edvard</em> ist ihr erstes Jugendbuch.</p>

1


Menschen, die seine Privatnummer kannten: fünf.

Davon Menschen, über deren Anruf er sich freuen würde: null.

Schon gar nicht abends um halb zehn. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine gute Nachricht handelte, war: keine. Normalerweise rief man ihn auf seinem Handy an oder schrieb ihm eine Mail auf seinen geschäftlichen Account.

Cedric sah auf das Display: seine Stiefmutter. Er wünschte sich, er könnte neben dem Telefon sitzen und es ignorieren, bis Lillian aufgab. Zwei Dinge, die nicht passieren würden: Erstens, Lillian gab auf, obwohl sie die Gelegenheit hatte, ihm auf die Nerven zu gehen. Zweitens, Cedric ignorierte einen Anruf. Das Gefühl, etwas Wichtiges verpasst zu haben, würde ihn die ganze Nacht wachhalten. Gegen besseres Wissen.

Also ging er ans Telefon.

»Sean«, sagte sie. Oder etwas, das so ähnlich klang. Ihre Stimme war rau und dunkel.

»Lillian, was soll das? Bist du betrunken?« Nicht unwahrscheinlich.

Lillian sagte nichts. Oder vielleicht sagte sie so etwas wie »Oh«, er war sich nicht ganz sicher und drückte den Hörer fester gegen sein Ohr.

»Lillian? Was ist los?«

Nichts.

»Ist jemand bei dir?«

Nichts.

»Würdest du bitte antworten? Wenn du schon bei mir anrufst, könntest du wenigstens was sagen.«

Er hörte sie schwer atmen. Dann war es still, und die Leitung war tot.

Schlimmer noch, als nicht ans Telefon zu gehen, fand Cedric Fragen, auf die man ihm keine Antwort gab. Es brachte ihn um den Schlaf. Das, und abgebrochene Gespräche. Und noch einiges mehr.

Cedric rief zurück, aber Lillian ging nicht dran. Nach einer Minute rief er noch mal an. Zehn Mal hintereinander, immer mit einer Pause von etwa einer Minute. Dann versuchte er es auf Lillians Handy. Auch da bekam er keine Antwort.

Er versuchte es wieder auf dem Festnetz. Wieder zehn Mal hintereinander. Noch mal das Handy.

Eine halbe Stunde später saß er in seinem Mercedes, ließ Edinburgh hinter sich und fuhr auf die Forth Road Bridge zu, die ihn nach Fife brachte.

Fife, Halbinsel zwischen dem Firth of Forth und dem Firth of Tay, nördlich von Edinburgh und südlich von Dundee. Eintausenddreihundert Quadratkilometer Fläche (ungefähr), knapp über dreihundertfünfzigtausend Einwohner. Verwaltungssitz: Glenrothes, keine vierzigtausend Einwohner.

Fakten beruhigten ihn.

Lillian hatte sich wenige Monate nach der Geburt mit dem Baby in ihr Landhaus in Fife zurückgezogen. Nach dem Verschwinden seines Vaters war sie so gut wie nie da gewesen, nach seinem Tod hatte sie davon gesprochen, es zu verkaufen, weil sie es, Zitat, garantiert nie wieder betreten würde. So viel zu dem Thema. Etwa eine Stunde rechnete Cedric für die Fahrtzeit, was ihm sein Navigationsgerät bestätigte.

Mit Schnee rechnete er nicht.

Er reagierte so gut wie nie auf die Wettervorhersage. BBC Weather hatte seinem Empfinden nach eine Trefferquote von deutlich unter fünfzig Prozent, und da er selten das Haus verließ, interessierten ihn die Witterungsverhältnisse nur mäßig. Heute hatte er sich mit dem Thema noch gar nicht befasst. Andererseits: Er wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch losgefahren, wenn man eisglatte Straßen und hühnereigroße Hagelkörner vorhergesagt hätte.

Eine unbeantwortete Frage konnte er nicht aushalten.

Er war davon überzeugt, dass Lillian nur deshalb aufgelegt hatte, um ihn zu provozieren. Sicher hatte sie getrunken, und dann war ihr – nach fast einem Jahr des Schweigens – eingefallen, dass sie ihren Stiefsohn auf dieselbe Art quälen könnte, wie es sein Vater manchmal getan hatte. Sein Vater hatte, wenn er sich einen anderen Gesprächsverlauf gewünscht hätte, einfach mitten im Satz aufgelegt und war anschließend nicht mehr ans Telefon gegangen. Seine Art, Cedric dazu zu bringen, persönlich aufzutauchen und das Gespräch von Angesicht zu Angesicht weiterzuführen. Ein einfaches »Bitte komm vorbei« hätte Cedric ablehnen können.

Aber warum wollte sie ihn sehen? Gab es etwas zu bereden, von dem die Anwälte nichts erfahren sollten? War die Frau bereit zu verhandeln?

Cedric hatte sich dem Tempo der anderen Fahrzeuge angepasst und war langsam über die Brücke gerollt. Als er auf die Autobahn kam, war nur noch Schritttempo möglich, und wenige hundert Meter weiter kam der Verkehr ganz zum Stillstand.

Cedric sah aus dem Seitenfenster. Die dicht fallenden Schneeflocken hatten einen Durchmesser von zwei Zentimetern.

Alle Schneeflocken bestehen aus durch Wassertropfen miteinander verklebten Eiskristallen. Eiskristalle sind streng hexagonal und allein durch ihre Perfektion das Schönste auf dieser Welt. Schneeflocken fallen unabhängig von ihrer Größe mit einer Geschwindigkeit von vier Kilometern pro Stunde. Ihr Gewicht müsste man in Milligramm messen. Wenn sie auf Wasser treffen, klirren sie wie zerschellendes Glas. Allerdings in einer Frequenz von circa einhundert Kilohertz, was Menschen nicht hören können.

Die Welt um Cedric herum versank in Watte, die aus dem schwarzen Himmel fiel. Er sah den Flocken zu, wünschte sich, von ihnen hypnotisiert zu werden, wünschte sich auch, alle würden die Lichter und die Motoren ausschalten, aber nichts davon geschah.

Hinter ihm hupte jemand. Niemand ging darauf ein. Danach wirkte das Rattern der Motoren wie ein sanftes Schnurren. Cedric schaltete das Radio ein und erfuhr, dass ein LKW querstand. Es musste eben erst passiert sein und war von jemandem gemeldet worden, der mit ihm festsaß. Er schloss die Augen und dachte an Lillian und warum er sie noch nie hatte leiden können. Die beste Antwort? Instinkt. Wie ein Tier, das den Feind roch, hatte er sie von dem Moment an abgelehnt, als sein Vater sie ihm vorgestellt hatte. Sie passt zu ihm, hatte er damals gedacht.

Aber Instinkt war etwas, das nicht zu Cedric passte, weshalb ihm die spontane Antipathie bis heute ein Rätsel blieb.

Die Schneeflocken wurden blau. Von hinten kamen Rettungsfahrzeuge und Polizei. Sie fuhren langsam an ihm vorbei, und er schätzte, dass der LKW gute fünfhundert Meter vor ihm stehen musste. Einige Minuten später färbten sich die Flocken orange. Ein Abschleppwagen schob sich in Zentimeterarbeit durch die wartenden Autos. Im Radio sprachen sie über den überraschenden Wintereinbruch und wann es zuletzt in einem November so heftig geschneit hatte. Cedric hörte nur halb zu, während er in die Schneeflocken starrte, bis sie ihn doch endlich in eine Art Trance versetzten.

Als er aus ihr erwachte, bemerkte er, dass sich weitere Wünsche wenigstens ein bisschen erfüllt hatten: Die meisten Motoren waren abgestellt worden. Der Schnee fiel weiter, ohne dass sich etwas geändert hätte. Der Durchmesser blieb bei zwei Zentimetern, die Fallgeschwindigkeit änderte sich nicht. Und es war windstill.

Es war in Schottland nie windstill.

Er sah, wie die Schneeflocken immer langsamer fielen, bis sie in der Luft schweben blieben.

Er spürte, wie sein Körper nur noch Herzschlag war. Laut, fest und langsam.

Er wusste nicht mehr, wie man atmete.

Und dann hörte er die Schneeflocken. Sie klirrten auf die Windschutzscheibe und ließen sie zerspringen. Sein Herz raste, er atmete zu schnell, sah Schwarz, fühlte, wie der Fahrersitz anfing zu schwanken.

Routine: auf die Atmung achten. Mit beiden Füßen Kontakt zum Boden. Die Hände flach irgendwo auflegen. Atmen. Atmen, bis die Welt aufhörte zu tanzen.

Die Schneeflocken klirrten nicht mehr. Die Windschutzscheibe war vollkommen in Ordnung. Wie um es sich endgültig zu beweisen, ließ Cedric die Scheibenwischer an. Dann tastete er nach dem Handschuhfach, zwang seine Finger, es zu öffnen. Er musste die Handschuhe ausziehen, die Flasche mit seinen Tabletten aufschrauben und sich eine davon unter die Zunge zu legen.

In ein paar Minuten würde sie wirken. Bis dahin...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2022
Reihe/Serie Schottland-Reihe
Schottland-Reihe
Sprache deutsch
Original-Titel Das zebrochene Fenster
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte BücherFrau des Jahres 2022 • Deutscher Krimipreis 2016 • Deutscher Krimipreis 2020 • K.-H. Zillmer-Verlegerpreis 2024 • Krimi • neuer Fall • neues Buch • Page Turner • Politikkrimipreis 2021 • Spannung • ST 5196 • ST5196 • suhrkamp taschenbuch 5196 • Thriller • Thriller-Serie
ISBN-10 3-518-76997-9 / 3518769979
ISBN-13 978-3-518-76997-3 / 9783518769973
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