Der David ist dem Goliath sein Tod (eBook)

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2022 | 1. Auflage
160 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1120-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der David ist dem Goliath sein Tod -  Torsten Sträter
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Grandiose Kurzgeschichten mitten aus dem Leben - von Oma Christels verhasstem Köter Struppi und Kleinkriegen mit türkischen Hotelmanagern, dem Versuch, einen Liebesbrief zu schreiben oder einer ordentlichen Bewerbung bei den Hells Angels. Poetry-Slammer Torsten Sträter erzählt in vielen Stimmen und doch mit einem Humor: ehrlich, hemmungslos, direkt.

Torsten Sträter, Jahrgang 1966, wohnhaft in Waltrop bei Dortmund, arbeitet in einer Möbelspedition, hilft in einer Buchhandlung aus und trägt seit 2008 auf Poetry Slams und in Solo-Shows selbstgeschriebene Texte vor. Geringste Zuschauerzahl: 9. Höchste Zuschauerzahl: über 4000.

Torsten Sträter, Jahrgang 1966, wohnhaft in Waltrop bei Dortmund, arbeitet in einer Möbelspedition, hilft in einer Buchhandlung aus und trägt seit 2008 auf Poetry Slams und in Solo-Shows selbstgeschriebene Texte vor. Geringste Zuschauerzahl: 9. Höchste Zuschauerzahl: über 4000.

Der Aufsatz


Früher, als ich jung war, hatten meine Freunde und ich prima Hobbys: ATARI spielen beispielsweise. Die erste Spielekonsole. Wir verbrachten ganze Wochenenden damit, vor dem Fernseher zu sitzen und Spiele zu zocken, in denen ein weißer Klotz einen weißen Klotz auf einen anderen weißen Klotz abschießt. Grafisch war das Ding nix.

Dann erschien ein Spiel, das so bahnbrechend daherkam wie jüngst die cineastische Dschungel-Schlumpf-Öko-Operette AVATAR: und zwar FROGGER.

Was für ein Bildersturm. Da ging man kaputt dran. Dass so etwas technisch möglich war. Man musste einen aus sechs grünen Klötzen bestehenden Frosch über eine rege befahrene Straße lotsen. Heutzutage sind wir, wie gesagt, optisch recht verwöhnt, AVATAR in 3-D, in 2-D oder, falls man stattdessen im Zoo war, in 0-D, Avatar als Comic, Computerspiel, Wurst mit Gesicht und Daumenkino. Damals jedoch: Frosch.

So hockten wir da und froggerten uns einen. Das waren Zeiten. Sie glänzten wie Gold.

Später dann verblasste der Hunger nach Computerspielen. Plötzlich fanden wir auch Sex gut.

Ärgerlicherweise brachte ich Sex stets in etwa 30 Sekunden hinter mich, konnte aber weiterhin stundenlang Frogger spielen. Heute ist es genau andersrum – was aber nix nützt, denn für eine Atari Konsole hat mein Fernseher keine passenden Anschlüsse, und für meinen Penis sieht’s nicht besser aus.

Da stand man nun, Anfang der Achtziger, in der Blüte seiner Jahre, und wusste nichts mit sich anzufangen. Was tun?

Uwe, Andy, Achim Zander und ich gründeten eine Band. Die genaue Musikrichtung war nicht so klar herauszumeißeln, weil ich nicht singen konnte, Uwe nicht konnte und nicht wollte, Andy unbedingt den Synthesizer zu spielen gedachte und Achim zwar offizielles Mitglied war, aber nicht rausdurfte. Auch stand kein Name fest: Ich plädierte für DONT TELL ME ONE FROM THE HORSE, aber so weit kamen wir nicht, denn:

Die damalige Vorgehensweise, außerhalb der Schule mit Zander zu kommunizieren, war üblicherweise, zum Mehrparteienhaus zu marschieren, in dem Achim mit seinen Eltern wohnte, zu klingeln, dann zu warten, bis einem aufgedrückt wurde – und anschließend durchs Treppenhaus zu brüllen:

»KOMMT DER ACHIM RAUS ?«

Achims Mutter schrie dann von oben herab durch den Flur: »HABT IHR MAL GESEHEN, WAS DER WOHL AN HAUSAUFGABEN AUFHAT?«

Jou, dachte ich, das Gleiche wie wir: neun Seiten Physik, acht Blöcke Bruchrechnen und ’n Aufsatz. Mach ich morgen früh im Bus.

Trotzdem schrie ich: »NEEE!«

»Neun Seiten Physik, acht Blöcke Bruchrechnen und ’n Aufsatz!«

»ECHT?«

»JAU!«

»Okay. Tschüss.«

Wir verließen das Treppenhaus und standen unschlüssig draußen. Andy stellte klar, dass wir Achim ungeachtet der Tatsache, dass er ja mal gar nix konnte und in der Band nur wie ein starrer Hanswurst herumstehe, trotzdem unbedingt brauchten. Es ging nicht ohne ihn. Wir wussten nicht, warum, aber wir wussten, dass das stimmte.

Also klingelte diesmal Andy.

Es wurde aufgedrückt.

Wir hörten Achims Mutter.

»WAT IS?«

»KOMMT DER ACHIM RAUS?«

»NEE! DAS HAB ICH DEM TORSTEN SCHON GESAGT, DASS DER HAUSAUFGABEN AUFHAT, UND NICHT ZU KNAPP!«

»Echt?«

»UND OB! NEUN SEITEN PHYSIK, ACHT BLÖCKE BRUCHRECHNEN UND ’N AUFSATZ!«

»Boah«, rief Andy.

»Was boah?«

»Nix. Tschüss.«

Andy kam raus. »Sieht scheiße aus«, sagte er.

»Weil ihr doof seid«, sagte Uwe. »Nicht überzeugend genug. Passt auf.«

Hui, dachte ich, aber stimmt schon: Wenn das einer schaffte, dann ja wohl Uwe.

Er bekam das meiste Taschengeld, hatte eine Gürtelschnalle, die zwei Kilo wog und einen verzinkten Adler mit ausgebreiteten Schwingen zeigte, und er hatte zwei hässliche Löcher im Bauch, die einfach nicht zuheilten, weil diese Schwingen ziemlich spitz waren. Außerdem sammelte und las er exzessiv Comics, vorzugsweise X-MEN und die FANTASTISCHEN VIER, weswegen er, wenn er auf dem Schulhof blöd angemacht wurde, auch nicht mit »Ey, pass bloß auf, du Arsch« konterte, sondern Formulierungen fabrizierte wie: »Nun werde ich dich zerquetschen, Unhold!«

Uwe klingelte. Er war völlig ruhig.

Das sah man, weil das Glöckchen an seiner Palomino-Jeans nicht bimmelte. Teufelskerl.

Die Tür wurde aufgedrückt.

Augenblicklich kam von oben:

»WER KLINGELT HIER DAUERND, VERDAMMTE SCHEISSE?«

Uwe blähte die Backen auf, streckte den Rücken durch und schrie ohrenbetäubend:

»KOMMT DER ZANDER RAUS?«

Das war vielleicht ein bisschen leger formuliert, dachte ich.

Drei Sekunden Stille.

Dann hörten wir: »UND OB!«

Den schweren Schritten nach, die da aus dem vierten Stock zu uns runterpolterten, fühlte sich Achims Vater angesprochen. Das war irgendwie nett, wenn man bedachte, dass er Nachtschicht gehabt hatte.

Uwe wurde ziemlich fahl. Aber Rückzug war keine Option.

Andy murmelte absolut entspannt, fast meditativ: »Ich glaub, ich piss mir in die Hose.«

Dann war Rübezahl unten angekommen. Er ergriff Uwe am T-Shirt: »WISST IHR KLEINEN ÄRSCHE, WAS NACHTSCHICHT BEDEUTET? WISST IHR, WAS DAS HEISST? SCHLAF?«

Uwe sagte: »Kommt der Achim raus?«

»GLEICH HAT DER ARSCH KIRMES!«

»Der Achim«, hakte Uwe nach, »kommt der raus?«

Eine Stimme von oben: »DER HAT NEUN SEITEN PHYSIK, ACHT BLÖCKE BRUCHRECHNEN UND ’N AUFSATZ AUF!«

»Echt?«

»Jou!«

»Kann der sich bei dem Gebrülle überhaupt konzentrieren?«

»JETZT KLATSCH ICH DIR ’N PAAR!«, dröhnte Achims Vater.

Uwe erwiderte: »Dafür zahlst du einen hohen Preis, Narr.«

Superman, dachte ich, als Uwe zu fliegen anfing, dann Spiderman, als er gegen die Postkästen klatschte, aber er blieb nicht kleben, also passte das auch nicht.

Doch Uwe sollte Recht behalten. Ein Nachbar rief die Polizei, eine Anzeige wurde gefertigt, eine Einigung erzielt und der Narr zahlte einen hohen Preis, zumindest genug für eine Wandergitarre.

Die konnte zwar keiner spielen, und aus der Band wurde nichts, weil wir kompositorisch nicht die angestrebte Symbiose aus ABBA und KISS hinkriegten oder, präzise gesagt, überhaupt irgendwas, und auch Andys Vorschlag, so oft zu klingeln, bis wir ein Saxofon zusammenhatten, wurde abgelehnt, aber unterm Strich war’s keine üble Ausbeute, da hatten wir alle was davon: Achim neun Seiten Physik, Uwe ’n Bruch und ich ’n Aufsatz.

Mein erstes Mal


Ich bin ja der Letzte, der nicht gern berichten würde, dass sein erstes Mal so malerisch war wie in Peter Maffays Lied Und es war Sommer.

Ich war elf und sie war 86
und von der Liebe wusste ich nicht viel,
sie wusste alles und sie ließ mich spüren,
ich war kein Kind mehr.

Das kann man gut singen, aber im Ruhrgebiet formuliert man das stark verknappt: Auf einem alten Fahrrad lernt man radeln. Na schön, das klingt jetzt vielleicht alles ein bisschen unappetitlich, ist aber immer noch besser, als es damals wirklich war. Nämlich so:

Mitte der Achtziger. Eine üble Dekade. Ruhrgebietstypisch verkürzt: schön bunt. Aber ohne das schön.

Ich ging mit Ute.

Wurde mir gesagt. Man erfuhr so was ja nie direkt. Mit jemandem zu gehen hatte damals die Komplexität der Übernahme einer Bananenrepublik durch separatistische Kontramilizen. Irgendwas änderte sich, aber man kam nicht sofort drauf, was eigentlich.

Es war kompliziert.

Experimentierfreude war Utes Credo und meins auch; allerdings bezog sich das bei mir eher darauf, wie weit man ein Moped frisieren konnte, ohne dass dem gemeinen Bürger der Kitt aus der Brille fiel, denn schneller hieß bei Mopeds lauter, und wenn man mit einem auf 25 km/h zugelassenen Moped knapp 80 fahren wollte, krepierten alle Dackel entlang der Straße, wenn man vorbeiraste. Ein gespenstischer Anblick, diese Horden toter, wurstförmiger Hunde auf dem Trottoir, aber bei dem Tempo bekam man ja nicht viel davon mit, gottlob.

Ich schweife ab. Sie galt also als experimentierfreudig. Die vulgären Vertreter unter meinen Freunden sagten »Ute, voll die Stute«, die kultivierteren »Ute ist ’ne Gute«, und ich nickte immer fachmännisch und wusste nicht, was geht.

Wir waren so fünf Wochen zusammen, Ute und ich, und alle Parameter stimmten: In den Achtzigern lief es immer wie folgt: Hallo, Hallo, Minigolf, Baggersee, Kino, Zungenkuss, Baggersee, Brust, Kino, Brust, sechs Stunden am Autoscooter stehen, Schluss machen, Briefchen schreiben, wieder miteinander gehen, langer Zungenkuss, eingerissene Mundwinkel, Fahrradtour, Petting, Petting, Autoscooter, Jugendzimmer, Teelichter, Dreams are my Reality, Brust, Brust, Penis, Showtime.

Könnte man gut zu Billy Joels We didn’t start the Fire singen.

Und dann: das erste Mal.

Ich ahnte da vorab schon was und hatte in meinem Zimmer alle Koordinaten auf geschmeidig gestellt:

Boxershorts an, sauber, geduscht, Zähne gekärchert, prähistorische Kuschelrock-Kassette auf endlos umdrehen justiert, Kerzen an, ALLE SPIDERMAN-Comics in den Keller, Kleiderschrank zu, abgeschlossen und zusätzlich verklebt, damit das Ding nicht zwischendurch aufplatzte, um drei Zentner lila Netz-Achselshirts in den Raum zu kotzen, Knight-Rider-Bettwäsche raus, schwarze Satin-Wäsche drauf, diese rutschige Scheiße, dann ruhig atmen, Ding-Dong, da ist sie, jetzt...

Erscheint lt. Verlag 3.1.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Comedian • Comedy • Humor • Kabarett • Kurzgeschichten • Poetry-Slam • spiegel bestseller • spiegel bestsellerliste • spiegelliste • Stand-up • Stand-up-Comedy
ISBN-10 3-8437-1120-8 / 3843711208
ISBN-13 978-3-8437-1120-3 / 9783843711203
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