Das Feuer, die Schuld und das Schweigen: Historischer Roman zum großen Stadtbrand von Plettenberg am 12. April 1725 -  Udo Weinbörner

Das Feuer, die Schuld und das Schweigen: Historischer Roman zum großen Stadtbrand von Plettenberg am 12. April 1725 (eBook)

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2021 | 1. Auflage
418 Seiten
Wellhöfer Verlag
978-3-95428-784-0 (ISBN)
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DER GROSSE SAUERLAND-ROMAN ÜBER DEN PLETTENBERGER STADTBRAND VON 1725!
Pastor Thöne entdeckt am Nachmittag des 12. April die ersten Flammen.
Er läutet die Brandglocke, bemüht sich verzweifelt zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Stunden später ist die Stadt zerstört und die Menschen stehen vor der Frage, wie es überhaupt zu solch einem verheerenden Stadtbrand kommen konnte. So mancher zweifelt am offiziellen Brandbericht der Stadtoberen. Tatsächlich stößt der eigens einberufene Ermittler Durham auf Ungeheuerlichkeiten, die teils Jahre zurückreichen. Nach und nach offenbaren sich Abgründe, die erst das Feuer ans Licht bringen konnte.
Udo Weinbörner gelingt ein historischer Roman mit großen Liebesgeschichten, lebendigen Einblicken in den Alltag einer Kleinstadt des 18. Jahrhunderts und spannender Unterhaltung. Die einfachen Leute, die aufstrebenden Tuchmacher und ehrgeizige Stadtobere, die nicht immer das Wohl der Stadt über ihre eigenen Interessen stellen, spielen bei der Suche nach der Wahrheit eine besondere Rolle. Eine Geschichte von Feuer, Schuld und Schweigen, die ihren Platz im Märkischen Sauerland hat.

1. Der Schock! Wo Rauch ist, gibt es auch Feuer!


 

Vom Tod kann nur jener erzählen, der das Sterben überlebt. Aber was machte die Erinnerung aus den Überlebenden?

Pastor Thöne diktierte Vikar Reinighaus eine Bekanntmachung für die Gemeindemitglieder. Der Pastor formulierte ein wenig umständlich, verlor immer wieder den Faden. Er warf dem jungen Mann einen schrägen Blick zu. Figürlich schien der ihm ein wenig zu stämmig für das karge Gehalt eines Vikars zu sein. Ein seltsamer rötlicher Schein breitete sich auf der Wand des Studierzimmers aus. Thöne rieb sich die Augen. Der Schein, den nur er zu bemerken schien, glich einem Licht bei einer ­Vollmondnacht. Thöne gähnte, müde genug schien er ja, aber dann wurde er unruhig, sagte sich, Mondschein am späten Nachmittag müsse doch völlig abwegig sein! Rasch trat er ans Fenster.

Das Erste, was er sah, war die schlanke Gestalt der Agnes von den Hoeven, die Frau des Bürgermeisters, wie sie mit raschen Schritten vom Alten Marktplatz1 kommend, im Schatten der Häu­serfronten in Richtung Oberstadt lief. Wahrscheinlich war sie wieder einmal auf dem Weg zu Hendrik Jacobi. Ein jeder in der Stadt wusste um ihre Jugendliebe. Es gab Anlässe genug, an denen sie ihren Gatten, den Konsul Konrad von den Hoeven, in aller Öffentlichkeit spüren ließ, dass er wesentlich älter und keines­wegs ihre erste Wahl war. Der Pastor seufzte. Es konnte nicht gut sein, wenn dem Bürgermeister der Stadt Hörner aufgesetzt wurden.

Aber woher kam dieses Licht? Vom Himmel rührte es nicht. Dort waren am Nachmittag Wolken aufgezogen, die ein frischer Wind vor sich hertrieb. Thöne öffnete einen Fensterflügel und hörte, wie Reinighaus bemerkte: »Riecht es nicht irgendwie brenzlig, Herr Pastor?«

Die Standuhr in der Studierstube schlug fünf. Ein scharfer Geruch lag in der Luft. Vikar Reinighaus, ganz ein Gemütsmensch, sprach es gelassen aus: »Wenn es mal nicht irgendwo brennt, was meinen Sie, Herr Pastor? Nicht so weit aus dem Fenster beugen! Sie könnten auf die Straße fallen.«

In diesem Moment packte Thöne das Entsetzen, als er aus der großen doppelten Flügeltür, die in Brauckmanns Haus und Schankstube am Marktplatz führte, Flammen schlagen sah! Flammen, die kurz züngelten, dann zwei Meter hochschlugen und nach dem Dach griffen. Sie waren bereits so groß und mächtig, dass ihr Lichtschein alle Fassaden der in der Nachbarschaft des Rathauses stehenden Häuser erhellte. Pastor Thöne spürte Eiseskälte in sich aufsteigen. Die Flammen sprangen von der Strohdachkante des Brauckmann‘schen Hauses auf die Dachfläche über und fraßen sich mit immer neuen Flammenherden in einer breiten Schneise hinauf zur Dachspitze. Das ging rasend schnell! Aus dem Schornstein stieg ein Funkenregen auf. Thöne machte bereits neue Flammenherde auf dem gesamten Dach und dem angrenzenden Stall aus. Rauchte es nicht ebenfalls aus dem Haus und den Stallungen der Wittib Weiß? Brauckmanns Fuhrbetrieb und Schankstube versperrten jedoch ein wenig die Sicht auf das Anwesen der Witwe. Wie gelähmt vor Schreck, starrte Pastor Thöne die Straße hinunter, wollte um Hilfe schreien, warnen, doch sein Körper versagte vollständig.

Jetzt entdeckte der Vikar ebenfalls das brennende Brauckmann‘sche Haus. »Mein Gott, Pastor! Feuer, Feuer! Das ganze Haus steht ja schon in Flammen und niemand ist zu sehen! Wir müssen sofort handeln, sonst brennt Brauckmanns mitsamt dem Nachbarhaus noch zu Schutt und Asche!« Flüsterleise, die Stimme von Thöne: »Nicht nur Brauckmanns, Reinighaus. Dann sind wir alle verloren.«

Noch immer klammerte er sich mit beiden Händen an das Fensterbrett, noch immer starrte er auf das, was nie hätte geschehen dürfen und konnte nicht handeln. Da fuhr der inzwischen scharf aufkommende Ostwind in die Stadt, heulte um die Häuserecke und jagte eine gewaltige Qualmwolke durch die Gassen Richtung Kirche und Pfarrhaus. Das geöffnete Fenster schlug hart an die Innenwand. Das teure Glas bekam einen Riss und eine halbe Fensterscheibe splitterte zu Boden.

»Es ist niemand zu sehen bei Brauckmanns und auch nicht bei der Wittib Weiß nebenan! Ich verstehe das nicht! Das ­Feuer muss doch längst bemerkt worden sein!« Weit beugte sich ­Vikar Reinighaus aus dem Fenster und wedelte dabei mit beiden ­Armen wie eine Windmühle im aufziehenden Sturm. Völlig geistesabwesend und geschockt bückte sich Pastor Thöne, die Scherben von dem Fensterglas aufzusammeln. Da fuhr erneut ein kräftiger Windstoß durch das offene Fenster. Der Qualm ließ Pastor und Vikar husten und nach Luft schnappen. Rasch rappelte sich Thöne auf und schrie aus Leibeskräften in Richtung Straße: »Gott stehe uns bei! Feuer! Brauckmanns brennt! Feuer in der Stadt! Leute, hört mich!« Dann jagte er den Vikar zu Brauckmann, die Leute zu warnen und weiter zum Rathaus, damit man die Wasserspritze von dort rasch beim Brandherd in Stellung bringe. Er selbst stolperte hinter dem Vikar die Treppen des Pfarrhauses hinunter, eilte zum Kirchhof, Küster Hasenstab aufzuscheuchen, um die Brandglocke des Kirchturms zu läuten. Die Menschen, denen er auf der kurzen Wegstrecke begegnete, nahm der Pastor in seiner Aufregung nicht mehr richtig wahr. Er hatte nur noch ein Ziel vor Augen. Mehr oder weniger blind eilte er an ihnen vorbei, schrie dabei unentwegt: »Feuer, Leute! Brauckmanns brennt! Feuer in der Stadt! Gott steh uns bei!« Für einen Moment starrten ihm die Leute nach, dann reckten sie ihre Hälse Richtung Brauckmanns, bemerkten die riesige dunkle Rauchwolke, die über dem dahinterliegenden Alten Markt aufstieg und bereits drohend über der Stadt stand und wuchs. Wind kam auf, der wie ein Blasebalg durch die Straßen fegte und jedem Fünkchen Nahrung gab. Jetzt begriffen die Letzten unter ihnen, in welche Gefahr sie gerieten. Sie schrien und rannten, ihr Hab und Gut zu retten.

Pastor Thöne traf weder Küster Hasenstab noch jemanden von dessen Familie an. Aufgeregt lief er ums Haus, fragte eine Nachbarin, doch die machte nur große Augen. Thöne schwitzte vor Panik. Jeder Augenblick zählte! Jede Verzögerung konnte schreckliche Folgen für die gesamte Stadt haben! Im Haus unter den Linden griff sich Thöne den völlig überraschten Tuchmacher Burkhard Rump, zerrte ihn, der noch nichts vom Feuer bemerkt hatte, gewaltsam vom Webstuhl weg in die Kirche. Er drohte ihm mit Höllenqualen, wenn er nicht sofort mit ihm die Feuerglocke läute. Der helle Ton der Glocke sollte ein letztes Mal zur Warnung für die Plettenberger schlagen.

Tuchmacher Rump hetzte nach verrichtetem Dienst für die Gemeinschaft zu seiner Familie. Vor dem Altar erbat der Pastor von seinem Schöpfer Gnade und Errettung. Er nahm sich nicht viel Zeit, eilte wieder auf den Kirchhof, wo ihm eine schrille Frauenstimme ins Ohr gellte: »Das Alte Rathaus brennt!«

Dann ein Stimmengewirr und Geschrei, dass einem schwindlig werden konnte: »Bei Brauckmanns ist der Dachstuhl eingestürzt, vom Schuppen stehen nicht mal mehr die Mauern!« »Rettet, was ihr retten könnt, Leute! Das Feuer springt auf die Dächer!« »Alte Leute und Kinder zuerst. Schafft sie aus den Häusern! Herr im Himmel!«

Überall Menschen, die in Panik gerieten und durch ihr rücksichtsloses Vorgehen, sich selbst und anderen zur Gefahr werden drohten. Wo blieb die Stadtwache? Wo waren die Ratsherren und ersten Bürger der Stadt, um die Ordnung wiederherzustellen und Schlimmeres zu verhüten?

Dazu dieser verfluchte Wind! Wenn er wenigstens Regen bringen würde, dachte Pastor Thöne verzweifelt. Aus den Gassen der Stadt hallten die Angstschreie der in Panik geratenen Menschen. Er durfte sich nicht von der Angst, die auch ihn inzwischen fest im Griff hatte, irremachen lassen.

Kaum ein Durchkommen mehr Richtung Alter Markt. Das Rathaus ebenfalls ein Raub der Flammen? Die Schreie dröhnten in ihm; er bekam sie nicht aus dem Kopf. Für Augenblicke wusste er nicht weiter. Mein Gott, sicher war Reinighaus dort! Er wollte vom Rathaus die Wasserspritze holen! Hoffentlich konnte er sie in Stellung bringen! Hoffentlich passierte dem jungen Vikar nichts. Junge Männer trauten sich doch manches Mal einfach zu viel zu. Die Wasserspritze! Wo blieb Reinighaus mit der Wasserspritze? Sie war ihre einzige Waffe gegen die Flammen. Für einen Moment hatte Thöne nicht Acht gegeben. Schon befand er sich in einem sich vorwärtsdrängenden, sich schiebenden und rücksichtslos rempelnden Pulk von Menschen, von denen jeder nur noch nach Hause wollte. Andere drängten mit der gleichen Panik und grimmigen Verzweiflung in die entgegengesetzte Richtung. Sie wollten möglichst schnell durch das Obertor, die sogenannte Raue Pforte, aus der Stadt gelangen. Niemand nahm noch Rücksicht. Keine Frage, der Teufel hatte von Plettenberg Besitz ergriffen! Thöne sah ein, dass er von Ellenbogen und Fäusten Gebrauch machen musste, um nicht zu Boden geworfen zu werden. Er erhielt einen Stoß in die Rippen, der ihm fast den Atem raubte und einen Faustschlag auf die Nase. Dann presste er sich noch rechtzeitig an die Häuserwand, als die mit Eisen beschlagenen Räder eines Fuhrwerks, das von einem wild gewordenen Pferd gezogen und kaum noch gelenkt werden konnte, eine Handbreit an seinen Beinen vorbeidonnerten. Wäre er gerade hingeschlagen, das schwere Fuhrwerk hätte ihm den Rest gegeben!

1Alter Marktplatz = Platz vor dem Alten Rathaus und seitlich daneben, mitten in der Stadt gelegen, der im Archiv für 1725 mit »Marktplatz« oder auch vereinzelt mit »Alter Marktplatz«, nach dem Wiederaufbau der Stadt in Stadtplänen ab Mitte des 19. Jahrhunderts, in denen die Gassen und Straßen der Stadt auch erstmalig namentlich bezeichnet wurden, durchweg bis in die Gegenwart nur noch mit dem Namen »Alter...

Erscheint lt. Verlag 8.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-95428-784-6 / 3954287846
ISBN-13 978-3-95428-784-0 / 9783954287840
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