Mein Spiegel lügt (eBook)

Weiblich, erwachsen, magersüchtig sucht ... sich selbst
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Orlanda Verlag
978-3-949545-13-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Spiegel lügt -  Sophie Luise Bauer
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Wie kann man eine Essstörung überwinden? Und was ist eigentlich bei jemand los, der unter dieser Störung leidet. Eine Essstörung raubt Lebenszeit, sie ist Freundin und Feindin zugleich und man wird sie nur schwer wieder los. Magersucht, Bulimie & Co. sind mit vielen Klischees und Vorurteilenbehaftet und nach wie vor ein Tabuthema - besonders wenn sie Erwachsene betreffen. In ihrem mutigen und vielschichtigen Buch zeigt Sophie Luise Bauer eindrücklich, wie man auch noch als erwachsene Frau in eine Magersucht abrutschen kann. Offen berichtet sie, was diese Erkrankung für ihr soziales Leben und für ihr Selbstbild bedeutet hat. Und sie erzählt, wie sie es geschafft hat, sich von ihrer falschen Freundin zu trennen, auch wenn der Weg dahin steinig und lang war.

Sophie Luise Bauer, geboren 1983, lebt als freie (Drehbuch)-Autorin, Redakteurin und Drehbuchlektorin in Berlin. Sie studierte an der Freien Universität Berlin Publizistik und Kommunikationswissenschaft en und an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg Audiovisuelle Medienwissenschaften. Sie arbeitet(e) u.a. für Blue Ocean Entertainment, Egmont Ehapa Media, die UFA, Senator Film und ARD Degeto und hat das Drehbuch für den Spielfilm 'Fucking Berlin' geschrieben.

Sophie Luise Bauer, geboren 1983, lebt als freie (Drehbuch)-Autorin, Redakteurin und Drehbuchlektorin in Berlin. Sie studierte an der Freien Universität Berlin Publizistik und Kommunikationswissenschaft en und an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg Audiovisuelle Medienwissenschaften. Sie arbeitet(e) u.a. für Blue Ocean Entertainment, Egmont Ehapa Media, die UFA, Senator Film und ARD Degeto und hat das Drehbuch für den Spielfilm "Fucking Berlin" geschrieben.

Vorwort


Es ist erstaunlich, wie sehr man manche Sachen vergisst oder verdrängt. Ich wundere mich zum Beispiel jedes Mal aufs Neue, wenn ich schwitze. Das klingt selbst für mich komisch, aber so ist es. Denn vor ein paar Jahren habe ich immer gefroren. Auch bei 35°C und mehr. Das hatte natürlich einen Grund: Wer nichts isst, hat keine Energie. Ergo: Er oder sie friert. Trotzdem ist es für mich immer wieder merkwürdig, wenn ich mich im Sommer nachts auch ohne Bettdecke hin und her wälze, weil mir heiß ist. Auch, dass ich im Sommer kurze Sachen anziehen kann und trotzdem schwitze, lässt mich jedes Mal verwundert innehalten. Denn lange Zeit habe ich keine kurzen Klamotten getragen. Braun wurde ich ebenfalls nie. Nicht nur, weil ich lange Sachen trug, sondern auch, weil mein Körper die Energie für andere Prozesse brauchte. Genauso war es mit meiner Regelblutung. Die hatte ich einfach nicht mehr. Jahrelang. Kein Wunder, denn im Prinzip habe ich meinen Körper über einen langen Zeitraum regelrecht misshandelt.

Oder pupsen. Kannte ich nicht. Ich verkörperte gewissermaßen die Wunschvorstellung einer nicht pupsenden Person. Und jedes Mal, wenn ich mich über diese eigentlich völlig gewöhnlichen Dinge des Lebens wundere, hänge ich zwischen der Freude über so viel Normalität und einer unerklärlichen Sehnsucht danach fest, all diese lästigen Dinge wieder loszuwerden.

Ich war magersüchtig, hatte und habe eine Essstörung. »Habe«, weil, wie mein langjähriger Therapeut in einer unserer ersten Sitzungen sagte: Eine Essstörung wird man nie (ganz) los. Und damit hat er vermutlich recht. Ich kann heute, weit mehr als zehn Jahre nach der Diagnose, nach zwei Klinikaufenthalten und vielen Jahren Therapie stolz sagen, dass ich eine der Patientinnen bin, die es geschafft haben, relativ symptomfrei zu leben. Mir ist aber bewusst, dass die Thematik und alles was damit zusammenhängt, immer eine Rolle in meinem Leben spielen werden. Denn sie waren einfach viel zu lange ein Teil von mir, als dass ich sie jemals vergessen könnte.

Ich bin nun Ende 30. Begonnen hat meine Essstörung, wenn man das überhaupt so eindeutig festlegen kann, als ich 25 war. Das erscheint ungewöhnlich, weil Magersucht doch meist in der Pubertät auftritt? Ein weitverbreitetes Vorurteil, wie ich im ersten Kapitel zeigen werde.

Mir ist bewusst, dass es sich dabei um eine ernsthafte Erkrankung handelt, und ich weiß heute, dass ich viel Lebenszeit an diese Krankheit verloren habe. Wenn ich meinem Partner von Macken, Ticks und Handlungen erzähle, die mich in der schlimmsten Zeit meiner Essstörung begleitet haben, muss ich selbst manchmal lachen. Nicht, weil ich die Krankheit nicht ernst nehme oder gar beschönigen möchte. Nein, weil es so absurd ist. So lebensfern. Und weil sich manche Dinge mit Humor einfach besser ertragen lassen. Mein Partner findet das natürlich alles andere als zum Lachen. Und das ist in gewisser Weise auch gut so, denn es führt mir immer wieder vor Augen, wie »unnatürlich« das Verhalten und die Begleiterscheinungen einer Essstörung sind.

Ich möchte das hier klarstellen, weil es die eine oder andere Stelle in diesem Buch gibt, an der ich mich scheinbar über mich selbst lustig mache. Ich verwende Humor aber nicht nur, weil ich es so besser ertragen kann. Es hat auch noch einen anderen Grund: Essstörungen sind nach wie vor ein Tabuthema. Selbst wenn man sie hinter sich gelassen hat und gerade, wenn man ernst darüber spricht. Ich zumindest habe diese Erfahrung auf unterschiedliche Weise machen müssen. Und deshalb ist dieses Buch auch ein Versuch, mit den Vorurteilen gegenüber Essgestörten aufzuräumen oder aufzuzeigen, dass Essgestörte nicht nur aus ihren Symptomen bestehen. Man muss Essgestörte nicht mit Samthandschuhen anfassen oder in betretenes Schweigen verfallen. Vielleicht sollte man im Umgang mit Essgestörten weniger überlegen, wie man sich ihnen gegenüber verhalten soll(te), sondern einfach mal nachfragen. Ja, Essgestörte haben ein Problem. Aber wie bei allen anderen Problemen und Krankheiten, ist es auch bei der Essstörung so, dass es nicht hilft, wenn man die Person mit ihrem Problem gleichsetzt. Auch Essgestörte haben eine Persönlichkeit, die noch anderes zu bieten hat. Auch, wenn Essgestörte das oft selbst vergessen.

Dieses Buch ist deshalb nicht als Therapiehilfe gedacht, auch wenn ich natürlich hoffe, dass ich damit Mut machen kann. Mut, dass diese Krankheit und alles was dahintersteht so weit bearbeitet werden können, dass man symptomfrei leben kann. Vielmehr möchte ich einen Einblick geben in das Leben einer Betroffenen, die zum Eintritt der Krankheit kein Teenager mehr war. Und ich möchte wachrütteln. Ja, deine Freundin kann eine Essstörung haben, ohne dass du es zunächst mitbekommst. Dein Kollege kann ein Problem mit dem Essen haben, ohne dass du es bemerkst. Und nein, es hilft deiner Tochter nicht, wenn du sie jedes Mal fragst, ob sie heute schon etwas gegessen hat, anstatt einfach mal zu fragen, wie es ihr geht. Ich möchte verdeutlichen, dass eine Essstörung nichts ist, was man jemandem immer sofort ansieht. Ich möchte zeigen, dass Essstörungen sehr unterschiedliche Ausprägungen haben und extrem individuell sind. Ich möchte den Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Vielleicht, damit man Essgestörte in ihrem Umfeld besser versteht. Wenn das überhaupt geht, denn Essgestörte verstehen sich meist selbst nicht. Und genau das ist ihr Problem. Dennoch wäre es schön, wenn man nicht einfach nur das Schild »Achtung, essgestört!« umgehängt bekäme, sondern zumindest der Versuch unternommen würde, die Person verstehen zu wollen. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die Ausprägungen dieser Krankheit schwer bis gar nicht zu verstehen sind.

Ich habe deshalb hier und da ein paar Hinweise einfließen lassen, was Außenstehende tun können, was ich mir persönlich gewünscht hätte und was mir tatsächlich geholfen hat. Dennoch möchte ich betonen: Das hier ist meine ganz persönliche Erfahrung mit der Krankheit, die sich nicht eins zu eins auf jeden und jede Essstörung übertragen lässt. Umso mehr freut es mich, dass mein langjähriger Therapeut in einem Nachwort meine persönlichen Erfahrungen in einen allgemeinen Kontext stellt und aufzeigt, warum diese Erkrankung jedes Alter treffen kann und wie die Behandlung einer Essstörung gelingen kann.

Indem ich ungeschönt und offen über die letzten Jahre geschrieben habe, gelang mir ein weiterer wichtiger Schritt in meinem neuen Leben. Denn eine Essstörung hat wahnsinnig viel mit Scham und Heimlichkeiten zu tun. Gerade im eigenen Umfeld. So hatte und habe ich immer wieder das Gefühl, dass Außenstehende, mir fremde Menschen mehr über mich und meine Essstörung wissen als jene, die mich bereits länger in meinem Leben begleiten. Der Grund dafür ist einfach: Personen, die mir nahestehen, sind betroffen und trauen sich oft (auch im Nachhinein) nicht zu fragen. Vielleicht wollen sie es auch gar nicht, weil sie einfach nur froh sind, dass diese für alle schwere Zeit endlich vorbei ist. Personen, die ich hingegen heute kennenlerne und denen ich davon erzähle, haben die nötige Distanz. Sie wollen wissen, wie das ablief, wie sich die Essstörung bei mir ausgeprägt hat, was Auslöser und Ursachen waren. Wie ich so viel Sport treiben konnte, obwohl ich meinem Körper doch keine Energie zuführte, und was ich gemacht habe, dass es mir jetzt gut geht. Und es ist inzwischen ein gutes Gefühl, offen darüber reden zu können, ohne befürchten zu müssen, auf dem Mitleidsgleis zu landen.

Ich mache niemandem einen Vorwurf, der nicht nachfragt oder betreten schweigt. Jeder ist anders, und außerdem war ich auch nicht in jedem Stadium meiner Krankheit bereit oder stark genug, offen darüber zu reden. Und irgendwann gehörte die Krankheit einfach zu mir. Man fragt ja andere auch nicht ständig nach ihren anhaltenden Rückenschmerzen, der Warze auf dem Finger oder ihrem chronischen Reizdarmsyndrom. (Ob man auch das öfter tun sollte, sei dahingestellt.) Andererseits merkte ich, dass auch schnell vergessen wird, welchen Rucksack ich mal getragen habe. Mein Freund wurde zum Beispiel gelegentlich ungeduldig, wenn ich mich nicht gleich entscheiden konnte, was ich essen möchte. Das ist eine Nachwehe, mit der ich sicherlich noch eine Weile beschäftigt sein werde. Auch wenn ich heute wieder esse, mache ich mir nach wie vor Gedanken darüber. Der Bauch schreit zum Beispiel »Pasta«, aber der Kopf sagt »nicht so viele Kohlenhydrate«. Und dann braucht es eben etwas, bis sich Bauch und Kopf verständigt und geeinigt haben.

Aber zurück zu den Gründen, warum ich dieses Buch geschrieben habe: Es ist ein wichtiges Thema! Wichtiger als je zuvor, denn in unserer Leistungsgesellschaft und in Zeiten von Instagram & Co., in denen jede*r besser und schöner sein möchte als die anderen, nehmen Essstörungen zu beziehungsweise sind ein latentes gesellschaftliches Problem. Auch wenn Instagram & Co. natürlich nicht der alleinige Grund für die Entstehung einer...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2021
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Schlagworte Abhängigkeit • Angehörige von Personen mit Essstörung • Anorexie • Berufseinstieg • Beziehung • Bulimie • Druck • Ehrgeiz • Entzug • Ernährung • Essstörung • Frauen • Gesellschaft • Junge Erwachsene • kindheitstraumas • Kinikaufentalt • Klinikaufenthalte • Körper • Magersucht • Perfektionismus • psychischer Druck • Psychotherapie • Schönheitsideale • Selbstoptimierung • Selbstzweifel • Social Media • Stress • Studium • Sucht • Suchttherapie • Therapie • Vorbild • Weiblichkeit
ISBN-10 3-949545-13-1 / 3949545131
ISBN-13 978-3-949545-13-9 / 9783949545139
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